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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020503013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902050301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902050301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-03
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Anzeigen.Preis dre 6 gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem Redactionsstrich (-gespalten) 7S vor den Familieuuach- richten («gespalten) bO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertrnannahme Lb (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefal-t), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärderung 60.—, mit Postbesärderung 70.—» Änuahmeschluß fix Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» sind stet« an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh S bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Berlag vo» E. Polz iu Leipzig. Sonnabend den 3. Mai 1902. 88. Jahrgang. Der hundertjährige Gedenktag der Dorpater Universität. V. 8. Morgen s4. Mai/21. April) sind hundert Jahre verflossen, seit der Kaiser Alexander I. von Rußland die Universität zu Dorpat wieder herstellte. Sie war ursprüng lich vom Schwedenkönigc Gustav Adolf im Jahre 1632 gegründet worden; aber als sich die Russen tm Jahre 1656 der Stadt bemächtigten, wurde die Hochschule auseinander gesprengt und Studenten und Professoren fanden eine Zuflucht thcils in Reval, theils in Pcrnau. Im Jahre 1600 begann die Universität aufs Neue ihre wissenschaftliche Thätigkeit, indes? abermals für kurze Dauer. Zwanzig Jahre später rückten die Russen von Neuem in Dorpat ein und vernichteten wieder die Universität. Dieser Zustand dauerte dann gegen hundert Jahre, bis Alexander I. sich im Jahre 1802 entschloß, die alte Hochschule aufs Neue ins Leben zu rufen. Damals begann eine ruhige und glückliche Epoche, in welcher die Universität rasch auf blühte und eine Reihe von Gelehrten dem gc- sammten Europa und tüchtige und treue Diener dem russischen Kaiserreiche erzog. Viele Jahrzehnte hat die ruffifchc Regierung das De utschthum in Dorpat nicht angctastct, weil sic cs erkannte, welche Bedeutung gerade eine deutsche Universität für ganz Rußland besitzt. Aber das änderte sich unter Alexander III. Der Russificirung der Schulen folgte die Russificirung der Universität. Die deutsche Sprache wurde beseitigt, die deutschen Professoren wurden entfernt und die Thore der Hochschule den Zög lingen orthodoxer Priesterscminarc weit geöffnet. Ein starker Rückgang in jeder Hinsicht war unausbleiblich. Und als das Werk der planmäßigen Zerstörung so weit gediehen war, da wurde der alte Name Dorpat durch kaiserlichen Ukas in Jurjew umgcwandclt. ES war das eine folgerichtige Eonsequcnz, und wie die Dinge liegen, kann man nur Genugthuung darüber empfinden, daß das gegenwärtige barbarische „1lnivcrsitäts"-Gebildc nicht den historischen Namen Dorpat führt. Das alte Dorpat war nicht nur für die baltischen Pro vinzen und das russische Reich, sondern auch für Deutsch land von Bedeutung. In der glücklichen Zeit, als deutsche Sprache und deutsche Eultur im Musensitz am Embach herrschten, gab es ein ständiges Hinüber und Herüber tüchtiger Kräfte von Dorpat nach Deutschland und zurück. Jüngere deutsche Gelehrte benutzten die Hochschule im fernen Livland gern als Durchgangsstation ihrer Lauf- bobn. Dort haben Osenbrüggen, Mitthoff, Adolf Wagner, Lexis, Löning nnd viele Andere gelehrt, deren Namen in der Gelchrtcnwclt einen guten und angesehenen Klang haben. Ebenso aber wurde ein ncnnenswcrthcr Proccnt- satz der akademischen Lehrer deutscher Universitäten von Schülern der Dorpater Universität gestellt. Wir können unmöglich die Bielen nennen, welche noch jetzt in unserem akademischen Leben wirken; wir wollen uns nur auf die Namen: Geh. Rath von Bergmann, der Thcolog Adolf Harnack und Theodor Schiemanns in Berlin be schränken. Aber es gicbt kaum eine Hochschule im ganzen deutschen Reiche, die unter ihren Professoren nicht den einen oder anderen aus Dorpat besitzt. Der geistige Zu sammenhang zwischen der einstigen Ordcnöcolonic und dem Mutterlande blieb dadurch stets gewahrt. Die Studentenschaft, die damals in ihrer über wiegenden Mehrheit ans Deutschen der baltischen Pro vinzen bestand, erhielt eine Entwickelung, wie man sie sich kaum besser wünschen konnte. Sie hatte sich eine Organisation, einen „Burschcnstaat" geschaffen, der gerade zu als mustcrgiltig zu bezeichnen ist. Das Burschcngericht, zusammengesetzt aus je zwei Richtern jeder Verbindung, untersuchte und bestrafte die Fälle, in denen gegen den „allgemeinen Commcut" gefehlt worden war. Die Strafen waren Verweise und Vcrrufscrklärung von acht Tagen bis zehn Jahren. Berufung vom Burschengcrichtc fand an die Convente der einzelnen Korporationen statt, deren Vertreter den Chargirtcn-Convcnt bildeten und die letzte Entscheidung in allen solchen Angelegenheiten fällten. Der Chargirtcn-Convcnt war sonst noch die officicllc Vertretung der Studentenschaft nach außen. Für Ehrensachen gab es Ehrengerichte die aber die Austragung eines Streites durch Waffen nicht vorschrcibcn konnten, sondern den grund sätzlichen Ducllanhüngcrn immer ebenfalls nur die Wahl zwischen mündlicher Genugthuung und Zweikampf über ließen. Einen Duellzwang gicbt cs seit dem Ende der vierziger Jahre des* abgclaufencn Jahrhunderts unter den Dorpater Studenten nicht, und der Gegner des Zwei kampfes genoß in den Verbindungen das gleiche Ansehen und erlangte die gleichen studentischen Würden, wie Der jenige, welcher die Waffe als einziges zulässiges Mittel zur Herstellung der verletzten Ehre ansah. Die studentischen Einrichtungen bestehen zum größten Theil heute noch in Dorpat, aber sie spielen keine Rolle mehr im dortigen akademischen Leben, weil die Studenten schaft sich geändert hat. Bon der etwa 1000 betragenden Gesammtzahl kommen ungefähr 200 aus den Ostsee provinzen — unter diesen aber gicbt es zahlreiche Esthen und Letten —, der Rest sind Juden, die Dorpat in un beschränkter Zahl besuchen dürfen, und Ruffen aus den inneren Gouvernements. Die Letzteren wiederum setzen sich zum größten Theile aus den halbgebildeten Zöglingen der griechisch - orthodoxen Pricstcrscminare zusammen. Bon wissenschaftlichen Leistungen an der gegenwärtigen „Jurjewcr Universität" ist kaum die Rede, und der sittliche Einfluß der vielen fremden slawischen Elemente ist der denkbar schlechteste. Es war einer der schwersten Fehler der russischen Regie rung, aus dem deutschen Dorpat, welches seine Aufgabe vortrefflich erfüllte, in -cm die Studenten wissenschaftlich arbeiteten nnd in ihrem korporativen Zusammenhänge sich zu freien, selbstbewußten Männern entwickelten, zu einem „slawischen Jurjew" zu machen, welches selbst unter den Hochschulen dcS Retchstnnern eine untergeordnete Rolle spielt. Dorpat ist seit seiner Umwandelung in Jurjew ebenso wie die anderen russischen Universitäten der Schau- platz von Ausschreitungen und Tumulten geworden — die Thcilnchmcr waren immer nur die fremden Studenten — und hat dadurch den Beweis erbracht, daß die Ideen der russischen akademischen Jugend cs gegenwärtig völlig be herrschen. Nirgends in den Ostseeprovinzen tritt die Zerstörungs taktik der Pobjedonoszeff, Manassein und Anderer so grell zu Tage, wie gerade in Dorpat. Die alte deutsche Hoch schule des Lande», diese geistige Hochburg des baltischen Deutschthums, besteht nicht mehr. Dorpat ist todt, und cs scheint, als solle es nicht mehr aufleben. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß die livländische Universität, ebenso wie die baltischen Provinzen, auch früher die schwersten Schläge erduldete und doch wieder sich aufzu richten vermochte. Wird cs dieses Mal ebenfalls möglich sein? Das ist eine Frage, die vorläufig leider offen bleiben muß. Der Krieg in Südafrika. Die Boerc» i« Südwestafrika. Von unserm Mitarbeiter in Windhoek, der seit langen Jahren in Deutsch-Südwcstafrika thätig ist, er halten wir untervl 15. März folgende objective Schilde rung über die Boerenansiedelung: Bor Ausbruch des südafrikanischen Krieges hatte man mit den hier in der Colonie befindlichen „Trekkbocren" nicht eben erfreuliche Erfahrungen gemacht: sie hatten Wasser und Weide verwüstet, Jagd- und Holzfrevel be trieben, sodaß sie schließlich über die Grenze abgeschoben werden mußten. So sah man denn, die Wahrheit zu sagen, dem massenhaften Bocren-Znzugc im Jahre 1901 hier zu Lande durchaus nicht mit jener allgemeinen Sympathie entgegen, wie in der alten Hcimath. Nun, zum Theil haben die Zuzügler uns eine ange nehme Enttäuschung bereitet. Ich möchte die eingc- wanderten Boeren in drei Kategorien theilen. Die erste Kategorie sind diejenigen, welche sich angekauft, die deutsche Reichsangehörigkeit nachgcsncht und erhalten Haden; das sind die Reellen, von denen wird die Colonie et was haben; sie zahlen zurück, was ihnen dteBoerenbcwegung daheim, die Regierung in Berlin und hier an Entgegen kommen und Unterstützungen gegeben hat, sie werden in der Stunde der Gefahr Schulter an Schulter mit uns stehen, schon aus eigenem Interesse, denn ihr Besitz steht und fällt mit -cm unserer deutschen Ansiedler, kurz, das für sic aufgewendetc Capital wird dereinst Zinsen tragen. Die zweite Kategorie bilden jene, denen -er Krieg in Süd afrika Alles nahm, die mit blanken Taschen käme«? und nun ihren wohlhabenden Landsleuten zur Last liegen müssen. Erfüllt sich ihre Hoffnung, nach Beendigung des Krieges noch einige Baarmittel aus den in Südafrika hinterlassenen Liegenschaften, Mobilien und Jnoentaricn zu bekommen, dann werden auch sie an die Gründung eines eigenen Heimwescns denken können, wenn nicht, dann wird der bessere Theil unter ihnen ein praktisches landwirthschaft- lich erfahrenes Arbcitspersonal abgeben, der weniger gute erst ihren Landsleuten und später der Regierung überlassen, für sie zu sorgen. Die dritte Kategorie der cingewanderten Boeren besteht oder bestand aus solchen, die den Weg über Südwcstafrika wühlten, nm wieder in die Capcolonie zurückkchren zu können, die heute wieder auf Seiten ihrer Landsleute gegen England kämpfen, rcspective es noch Vorhaben, zu thun. Diese Leute kommen also gar nicht in Betracht, die für ihr Interesse aufgewendcten Mühen bleiben unverzinst. Ich bin aber sicher: wendet sich das Blatt zu Gunsten der beiden südafrikanischen Staaten, so wird keiner der ein gewanderten Boeren, auch die fcstangekauften nicht, in un serer Colonie bleiben, sie werden Alle zurückkchren, woher sic gekommen. Hier bei uns ist doch Manches anders, als sic gewohnt sind, ihre ständige Redewendung: „vet lanck is moje, ma»r in 1'r«n8vr>gi kok boker" (das Land ist ja gut, aber iu Transvaal war cs besser) zeugt davon. Unsere Regierung verlangt von Käufern ihrer Farmen eigene Bewirthschaf- tung, sofortigen Hausbau und gestattet die Wiedcrver- äutzerung des Eigcnthums erst in einer ganz bestimmten Frist; bei Käufen aus der Hand eingeborener Besitzer an Weiße gicbt sic in Form einer Vereinbarung den Käufern gewisse Bedingungen zur Erfüllung auf, um dem Land- speeulantenthnm einen Riegel vorzuschieben und zu ver hindern, daß das gekaufte Areal einfach todt liegen bleibt. Diese Bedingungen passen unseren Boeren nicht, sie möchten am liebsten nur Land pachten, einen Stock Bieh züchten, nm jeden Augenblick in der Lage zu sein, den Besitz wieder oufgeben zu können. Sehr zögernd verhalten sie sich auch zur Frage der „deut schen Kindcrcrztehung". Es ist nun glücklicher Weise Be dingung der Regierung, daß jeder der mit Boeren abge schlossenen Kaufverträge die Verpflichtung deutscher Kiudererziehung enthalten muß, ehe dieselben genehmigt werden, wohl oder übel werden sich also die Boeren dem fügen müssen, wenn sie auf der anderen Seite alle Rechte eines deutschen Staatsbürgers genießen wollen. Da außerdem etwaige Vergünstigungen in erster Linie Reichs- dluifche» zugewandt werden, die Boeren aber in Folge ihrer beschränkten Mittel stark auf solche rechnen, so spielen wohl bei den sich in neuerer Zeit mehrenden Anträgen auf Erwerb der Reichsangehörigkett diese Factoren eine nicht unbedeutende Rolle. Wir haben hier Alle das Vertrauen zur Regierung, daß sic Mittel und Wege finden wird, das Problem der Boeren- frage in einer Weise zu lösen, die in erster Linie unserer Colonie zu Gute kommt, daneben aber auch dem einzelnen Individuum gerecht wird. Deutsches Reich. Berlin, 2. Mai. (Centrum, Socialdemokratie und Maifeier.) Die „Köln. Belk-zt-." erklärt, daßsie„gar nicht« dagegen" hätte, wen» der 1. Mai zu einem allgemeinen Arb«iterfe,ertage würde. Nur müßten die Uaternebmer ver langen könnens daß die Arbeiter nicht ohneBerständi- guirg mit ihnen einen Feiertag festsetzten. Diese principielle Auffassung soll wohl zugleich eine Entschuldigung für den .Arbeiterfeiertag" sein, den die Petilionlcowoiission und die Budgetcommiffion de« Reichstag« sich di«mal am 1. Mai gewährt haben. Denn hier ist ja sozusagen eine Verständi gung zwischen Arbeitern und Unternehmern erfolgt, da die socialistischen Abgeordneten sich als die Vertreter de» Ar- beiterthumS aufspielen, während daS allmächtige Centrum sozusagen der „Macher vonS Iaaze" ist. Im Lande dürfte freilich die Verständigung zwischen Arbeitern und Unternehmern sich auch für die Zukunft etwas schwieriger gestalten. Das rheinische Blatt muß selbst eingestehen, daß, solange der Weltfeiertag eine Demonstration gegen die Unternehmer sein solle, eine friedliche Verständigung darüber nicht möglich sein werde. Dies ist eine ebenso tief gründige Weisheit, wie das bekannte Scherzwort „So lange der Mensch ißt, lebt er". Wenn der Weltfeiertag keine Demonstration sein soll, so hat er ja seinen Zweck und Sinn vollkommen verloren. Die Arbeiter verlangen ihn doch nicht, um zu den 52 Sonnragen und so und so viel sonstigen Feiertagen noch einen Ruhetag hinzuzubekommen — das wäre ja vollkommen zwecklos und gleichgiltig —, sondern um eben ihre Macht zu zeigen. Und gerade darum war es entweder Vcrratb an der bürgerlichen Solidarität oder aber eine Gedankenlosigkeit sondergleichen, daß das Centrum in den beiden Reichstagscommissionen diesem demonstrativen Ziele der Socialdemokratie zum Siege verhalf. /S. Berlin, 2. Mai. (Maifeier und Internationa lismus.) Der Internationalismus hat bei der Maifeier unserer Socialdemokratie in Resolutionen, Festreden und Fest artikeln von jeher eine große Rolle gespielt. So eigenartig aber wie dieses Mal dürfte die Nolle des Internationalismus noch niemals gewesen sein. Das liegt an dem ergötzlichen Widerspruch, in dem leitende socialdemokratische Blätter betreffs des Internationalismus sich bewegen. Die „Sächs. Arbeiterzeitung" schüttet in ihrem Festartikcl eine Menge donnernder Phrasen im Allgemeinen und im Be sonderen bezüglich des Internationalismus aus. So schreibt sie: „Das Proletariat aller Länder erhebt seine Stimme für den Frieden und protestirt gegen die orgauisirte Menschenschlächterei und die Unterdrückung von Nationen um den Gewinn der Capi- talisten . . . Die Proletarier überwinden den Chauvinismus, sie durchbrechen di« Grenzen der Länder, sie überbrücken das Welt» meer, eins zu sein im Fühlen und Wollen. . . . Das erfüllt uns mit einer festen Zuversicht auf den Sieg unserer Sache." In dieser Tonart geht eS noch eine Weile weiter, damit der Leser sich völlig klar werde über den Internationalismus als „Unterpfand" des socialdemokratischen Triumphes. Ganz entgegengesetzte Ansichten von der Natur des gedachten Unter pfandes müssen dem unbefangenen Leser bei der Lectüre des vom „Vorwärts" veröffentlichten Festartikels aufsteigen. Denn das socialdemokratische Centraiorgan zeigt sich gerade in Bezug auf den Internationalismus von einer bemerkens- werthen Bitterkeit und einem auffälligen Pessimismus erfüllt: „Die traurigste Corruptionserscheinung des franzö sischen Socialismus scheint uns deshalb in den mehrfachen Concessionen der ministeriellen Socialisten an den Militarismus und die Colonialpolitik zu bestehen. Selbst wenn man die socialen Reformen Millerond's noch so hoch anjchlagen wollte, durch die Verleugnung des fundamentalsten Princips Les Socialismus würden sie hundertmal zu theuer erkauft." Von einer Ueberwindung des Chauvinismus in Frankreich, worüber die „Sächs. Arbeiierztg." sich iu der üblichen social demokratischen Phraseologie ergeht, sagt also der „Vorwärts" nicht nur nichts, sondern sogar das Gegentheil! Vollends trostlos aber stellt sich vom socialdemokratischen Standpuucte aus der Internationalismus in England dar. Den, eng lischen Arbeiter ist die Sehnsucht nach socialer Erlösung im Sinne unserer Socialdemokratie „völlig fremd", wie der „Vorwärts" sich ausdrückt. Und in dem Umstande, daß die englischen Arbeiter, auch die Mehrzahl der gewerkschaftlich organsirten, für den Imperialismus sich haben einfangen lassen, erblickt der „Vorwärts" den „untrüglichen" Beweis dafür, „daß sie der socialistischen Weltanschauung unendlich fern stehen." — Endlich geißelt der „Vorwärts" den „ver blendeten nationalen Egoismus" der englischen Arbeiter in folgenden Sätzen: „Statt in der eigenen Bourgeoisie, dem nationalen Ausbeuter, thum, den Feind zu sehen, erblicken sie ihn in dein concurrirenden Ausland, in den ausländischen Arbeitern. Statt sich diesen anzu- schließen und gemeinsam mit ihnen die parasitäre Bourgeoisie abzu- schütteln, gehen sie mit Len eigenen Ausbeutern durch Dick und Dünn, lassen sie, ohne sich irgend auszuregen, Milliarden sür die frivolsten Eroberungskriege vergeuden. Welche Realpolitiker!" Vergleicht man hierzu die oben wiedergegebenen Tiraden der „Sächs. Arbeiterztg.", so muß man bekennen, daß eine schlagendere Widerlegung als die im „Vorwärts" enthaltene gar nicht gedacht werden kann. Da die „Sächs. Arbeiterztg." in der angeblichen Gemeinsamkeit der Ideen und Forderungen de« Proletariats aller Länder daS Unterpfand des social demokratischen Triumphes erblickt, wird eS mit der Ver wirklichung diese» Triumphes noch gute Weile haben. Wenn der „Vorwärts" gegen die englischen Arbeiter wegen ihrer kleinbürgerlichen Denkungsart so scharf zu Felde zieht, liegt seinem Vorgehen Wohl die Furcht zu Grunde, daß die Arbeiterschaft bei der Verfolgung praktischer Ziele im Rahmen der gegenwärtigen Gesellschafts- ordnung allmählich mehr und mehr für den Socialismus und für die socialdemokratische Partei verloren gehe. Als vor einiger Zeit Director vr. Freund in der „Socialen Praxis" sich in diesem Sinne vernehmen ließ, batte der „Vorwärts" nur Spott und Hohn dafür. Heute aber endet der Festartikel des socialdemokratischen CentralorganS mit der Mahnung, eS nicht bei der gewerkschaftlichen und politischen Kleinarbeit bewenden zu lassen, sondern die „socialistische Gedankenwelt", die „principielle Agitation" zu pflegen. Diese Mahnung, in der Vr. Freund eine Bestätigung seiner AuS- fübrungen sehen darf, paßt zu den Triumph-Fanfaren der „Sächsi Arbeiterzta." wie die Faust aus« Auge. * Berlin, 2. Mai. 1 C u n» b e r l ä u d t s che s.) Der .P.rtzntdoceot in -er Mstischen Fqcultät der Universität Göttingen, vr. Paul Knoke, Sohn des Consistorialraths Professor vr. Knoke, ist, wie mitgethetlt wurde, dazu aus ersehen, den Prinzen Georg Wilhelm von Cum berland nach Heidelberg als Studieulciter zu begleiten. Dazu weiß das Göttinger „Tageblatt" zu melden, daß die Berufung erfolgt sei durch Vermittelung des bekannten Rechtsgelehrten Professor vr. v. Bar, an den sich des Prinzen Vater, der Herzog Ernst August, mit der Bitte ge wendet hatte, ihm einen geeigneten jungen Gelehrten zu bezeichnen. Als Geheimrath v. Bar darauf mit dem vr. Knoke sprach, erklärte sich dieser zur Uebernahme des Postens bereit, falls dies in Berlin nicht ungün stig ausgenommen und ihn in seiner Laufbahn nicht schädigen werde. Daraufhin hat sich, nach dem genannten Blatte, der Schwager des Prinzen Georg Wilhelm, Prinz Max von Baden, an -en Kaiser gewandt, um dessen Meinung cinzuholen. Der Kaiser hat, wie weiter berichtet wird, seine volle Zustimmung zu dem Plan ge äußert mit dem Bemerken, er werde dem Ministerium An weisungen zugehcn lassen, daß dem vr. Knoke der er wünschte Urlaub ertheilt werde, vr. Knoke ist dann vor das Cultusministerium in Berlin berufen worden, wo ihm eröffnet wurde, daß die Annahme der Stelle eine» Studien leiters bei dem Prinzen Georg Wilhelm seiner Laufbahn eher förderlich als nachtheilig sein werde. Die Verhandlungen wurden in Berlin in Gegenwart des badischen Gesandten geführt. Alsdann hat vr. Knoke sich zur Uebernahme der Stelle be reit erklärt. Seine Ausgabe besteht darin, den Prinzen namentlich in seinen Studien der Staatsgeschichte und des Vcrfassnngsrechts zu leiten. K Berlin, 2. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin begaben sich heute früh 7»/« Uhr vom Pots damer Bahnhof nach Wildpark-Station, in der Absicht, auf dem Bornstedter Felde den Besichtigungen der Bataillone des 1. Garde-RegimentS z. F. und deS Lehr-Infanterie- BataillonS beizuwohnen. Wegen des schlechten Wetters ließ der Kaiser jedoch die Besichtigung absagen und begab sich mit der Kaiserin nach dem Potsdamer Stadt schloß. Um 12 Ubr nahm der Kaiser das Frühstück im Re- gimentShause des Ersten Garde-Regiments ein, während die Kaiserin bei der Herzogin von Albany speiste. Später hörte der Kaiser den Vortrag des Chefs deS Civilcabinets v. LucanuS. (-) Berlin, 2. Mai. (Telegramm.) Der Reichs kanzler Graf v. Bülow ist aus Düsseldorf hier wieder ein getroffen. (Wiederholt.) (-) Berlin, 2. Mai. (Telegramm.) Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Am 28. und 29. Juni findet in Turin im Anschluß an die dortige Ausstellung für decorative Kunst unter dem Patronat des Königs und der Königin von Italien, sowie der Prinzen und der Prinzessinnen deS Hauses Savoyen ein internationaler Musil- nnd GesangSwettstrcit statt. Das mit der Vorbereitung des Unternehmens betraute Comits in Turin (comitato orüiuatoro llcl concorso iutcrnationals sii musica rr I'orino), an dessen Spitze der Graf v. Rora steht, hofft, daß auch deutsche Musikcorps und Gesang vereine sich betheiligen werden, und ist gern bereit, jede gewünschte nähere Auskunft zu ertheilen. * Lübeck, 1. Mai. Der hiesige Reicks Verein hat dem verdienstvollen Vorsitzenden des Centralvorstandes der national liberalen Partei vr. Ham wacher zu dessen heutigem 79. Geburtstage Las nachstehende Glückwunschtelegramm gesandt: „Dem im Dienste des nationalen und liberalen Gedankens murmüdlich thäligen Vorsitzenden des Centralvorstandes der national liberalen Partei übersendet der Reichsverein zu Lübeck verehrungsvoll die herzlichsten Glückwünsche zum heutigen Tage. Dankbaren Sinnes wünschen wir Ihnen noch viele, viele Jahre eines gesegneten, früchte reichen Lebens." D Bcgcsack bei Bremen, 2. Mai. (Telegramm.) An läßlich der Maifeier ist es zwischen der Verwaltung Les Bremer „Vulkan", Schiffbau- und Maschinenfabrik, und den Arbeitern des „Vulkan" zu Differenzen gekommen. Die Verwaltung war een Arbeitern in der Weise entgegen gekommen, Laß sie am 1. Mai um 5 Uhr Nachmittags den Betrieb schließen wollte. Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiter, etwa 2000, erschien bereits Mittags, als die Mittag pause ablief, nicht wieder und feierte den ganzen Nachmittag hindurch. Infolgedessen hat die Verwaltung beschlossen, für heute und morgen den gesammten Betrieb zu schließen und die Arbeit erst am Montag wieder beginnen zu lassen. Heule Nachmittag hallen die Arbeiter eine Versammlung ab, um Stellung zu der Angelegenheit zu nehmen. * Celle, 1. Mai. An der Ccller Stichwahl, die morgen stattfindct, soll sich die Socialdemokratie des 14. hannoverschen Reichstagsivahlkrciscs nach dem Gebot ihrer localen Parteileitung nicht bctheiligen. Im „Bolkswillen" findet sich nachfolgende Erklärnng: Nachdem die Hauprwahl im 14. hannoverschen Reichstage Wahlkreise zu einer Stichwahl zwischen den Candidatcn der Nationallibcralen und der deutsch-hannoverschen Partei geführt har, richten wir, die llnrcrzeichnctcn, hiermit für unsere Person und gleichzeitig im Namen der örtlichen Vertrauensleute an die socialdcmokratisch gesinnten Wähler dcö 14. Wahlkreises das Ersuchen, i n d c c S t i ch tv a h l s i ch d c r S t i nr in a b g a b e zu enthalten. Das Eintreten des deutsch-hannoverschen Candidatcn für erhöhte Vichzöllc schließt eine Unterstützung dieser Candidatur aus, und der nationallibcralc Rcgicrungs mann kann für uns überhaupt nicht iu Frage kommen. Wer auf Grund seiner abhängigen Stellung gezwungen ist, zur Urne gehen zu müssen, der gebe einen weißen bezw. uiigiltigcn Zettel ab. Ernst Misselhorn-Celle, Ärcisvertraucnsmann des 14. Wahlkreises. Wilhelm Thielhorn Hannover, Eandidat des 14. Wahlkreises. Das ist der Wabltvd des welfischen Caudidaten — wenn der Aufforderung allgemein gefolgt wird. * Gotha, l. Mai. Der Herzog und der Regent sind zum Verfassung^seste^hjer eingetroffen.
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