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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.05.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020507011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902050701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902050701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-07
- Monat1902-05
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BezugS-PreiS in der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Vororte« errichteten An», gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4 SO, — zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u Oesterreich vierteljährlich «, sür die übrigen Länder laut Zeitung-Preisliste. Ne-action «nd Lrpeditto«: Zohannt-gaffe 8. Fernsprecher 1ÜS und SSS. FU1ak«tV»dM-«r»» Alfred Hahn, vuchhandlg, UntversitLtSstr.S, L. Lisch«, Kathartnenstr. 14, «. köntgtpl. 7, Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße S. Fernsprecher Amt I Nr. 171S. Haupt-Filiale Serlin: USniggrützerstraße IIS, Fernsprecher Amt VI Nr. IWSÜtz Nr. 229. Morgen-Ausgabe. MWgrr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Nolizei-Äuttes der Stadt Leipzig. Anzeige«-Preis die ögespaltene Petitzeiie 25 H. Reclamen unter dem Redaktion«strich («gespalten) 7K H, vor den Familienuach- richtrn (S gespalten) KO Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprecheud Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenanuahme LS (excl. Porto). Srtra-ivrilagrn (gesalzt), nur mit der Morgeu-Au-aad«, «hu« Postbefärderuug ^l SV,—, mit Postbrjärderung 7V^> ^unahMschluß fiir ^uzeizeit: Ubend-Iu-gab«: vormittag« 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: NachmMag« 4 Uhr. Anzeige» sind stet« an di« Expedition zu richt««. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen gcäfsnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polj tu Leipzig. Mittwoch dm 7. Mai 1902. 98. Jahrgang. Lürgerlicher und militärischer Strasproceß. SS Der Ausgang des Processes in Gumbinnen hat wohl allgemein lebhafte Genugthuung hervorgerufen. Um so merkwürdiger ist es, daß die „Freisinn. Ztg." diese Gelegen heit zu einer Kritik des Militärproceßverfahrens benutzt. Sie schreibt nämlich: „Nach unserer Ansicht sollte, wenn kein Dienstvergehen, sondern wie hier, ein gemeines Ver gehen vorlicgt, auch über Militärpersoncn im bürgerlichen Gerichtsverfahren abgeurthetlt werden- Alsdann würden in diesem Falle Geschworene geurtheilt haben. Im bürger lichen Verfahren kann es auch nicht vorkommen, daß Je mand, der in erster Instanz freigesprochen ist, in der Be rufungsinstanz zum Tode verurtheilt wird. Hier ist ein Justizmord fast nur durch den zufälligen Umstand abge wendet worben, daß das Urthetl der Berufungsinstanz wegen formeller Mängel cassirt werden mußte." Wir bemerken zunächst, daß der Ausdruck „Justizmord" in diesem Falle durchaus ungehörig ist, denn er wäre nur dann statthaft, wenn die erneute Verhandlung die volle Unschuld Martens klar erwiesen hätte, während sie nur ein non Uquet ergeben bat. Aber wenn man auch den Aus druck „Justizmord" für das Urthetl vom 20. August v. I. nccepttren wollte, so wüßten wir nicht, wo die mindeste Garantie dafür vorhanden wäre, daß ein Geschworenen gericht diesen Justizmord nicht begehen könnte; jedenfalls aber würde ein von einem Geschworenengerichte begangener Justizmord unter Umständen sehr viel schwerere Folgen haben. Denn wenn die „Freis. Zeitung" sagt, im bürgerlichen Verfahren könne es nicht vorkommen, daß Jemand, der in der ersten Instanz freigesprochen worben sei, in der Berufungsinstanz zum Tode verurtheilt werde, so ist dies nur darum richtig, weil das bürgerliche Ver fahren für schwere Delicte überhaupt keine Berufungs instanz besitzt. Es kann demgemäß auch Niemand, der in der ersten Instanz zum Tobe verurtheilt worben ist, in der Berufungsinstanz freigesprochen werden, und so meinen wir, daß das Militärproceßverfahren doch günstiger für den Angeklagten sei, dessen Schicksal im bürgerlichen Pro» ccß auf eine Karte gesetzt ist. Nun zu der Forderung, daß gemeine Verbrechen von Militärpersonen der bürgerlichen Rechtsprechung unter liegen sollen. Gerade der Fall in Gumbinnen hat gezeigt, wie wenig wünschenswert!) ein derartiger Zustand wäre. Denn einmal war hier das gemeine Verbrechen mit einem militärischen verquickt, und zweitens war bei der Beweis aufnahme zur Aufklärung des Vorgangs fast unausgcseüt die Erörterung rein militärischer Zustände erforderlich. Wenn man sagt, daß zur Auffassung dieser Verhältnisse die militärischen Richter befähigter seien, als eine Bank von Geschworenen, so thut man den Civilisten damit gewiß kein Unrecht. Wir müssen überhaupt gestehen, daß die Besetzung der Kriegsgerichte und der Oberkriegsgerichte uns sehr viel glücklicher erscheint, als die der Strafkammer und der Ge- schworenen-Gerichte, weil sie eine Forderung erfüllt, die wir schon längst, bevor die neue Mtlitärprocetzordnung etngeführt wurde, erhoben haben und die Friedberg schon vor einem vollen Menschenalter aufgestellt hat. Diese Forderung besteht in einer verständigen Mischung des Laienelements mit dem juristischen. Bet dem Militär- proceßversahren wird das Laienelemcnt vertreten durch die an -en Kriegsgerichten und den Oberkriegsgerichten ihellnehmenden Offictere, daS juristische Element durch die Kriegsgerichtsräthe bczw. Oberkriegsgcrichtsräthe. Ein besonderer Vortheil ist noch, daß die Offtciere zwar in juristischer Beziehung Laien, aber in Bezug auf die Würdi gung der Begleitumstände des Vergehens Fachmänner sind, da ja diese Begleitumstände zum großen Thcil sich inner halb des militärischen Rahmens abspielen. Dem gegen über bestehen die Strafkammern lediglich aus Fachjuristen, die zuweilen von den mit der Strafthat in engem Zu sammenhänge stehenden Bedingungen des praktische^ Lebens recht wenig wissen, und die Geschworenen-Gerichte bestehen ausschließlich aus Laien, die oft genug bet der Be- urtheilung der Rechtsfrage die unglaublichsten „Schwupper" machen. Wir wollen gewiß nicht verkennen, daß das militärische Proceßversahren noch mancherlei Mängel aufwetst und daß vor Allem auch die Handhabung des Gesetzes manchmal noch recht fehlerhaft ist, weil eben das Gesetz noch verhält- nißmäßig neu ist. Wenn man aber die Nachtheile und Fehler deS bürgerlichen ProceßverfahrenS mit denen des militärischen zusammenstellt, so dürfte dgs bürgerliche dabet nicht sehr gut abschnetden. Und da obendrein in Deutsch land 86 Millionen Menschen unter dem bürgerlichen Rechte leben und nicht viel mehr als eine halbe Million unter dem militärischen, so scheint uns, wenn von Reformen die Rebe sein soll, das bürgerliche Recht „daS nächste dazu". Der Krieg in Südafrika, vom Kriegsschauplätze. Lord Wolseley ist am Sonnabend, vom Cap kom mend, in Southampton gelandet und hat einem Vertreter der Presse gegenüber verschiedene Aeußerungen über den Krieg und seine während der Reise gewonnenen Sin- drücke gemacht. „Die Boeren scheinen entschlossen, bis zum Acußersten zu fechten ", soll der alte General erklärt haben. Er glaubt ferner nicht, daß sie sich zum Frieden bereit erklären werben, wenn ihnen nicht gewisse Forderungen bewilligt werben. Der General meint hier mit jedenfalls die Amnesticfrage, welche dazu angethan scheint, die Verhandlungen abermals zum Scheitern zu bringen. Da die Boeren nicht» mehr zu verlieren hätten, so würden sie eben weiter feckten, und im Großen und Ganzen scheint Lord Wolseley nicht den Eindruck gewonnen zu haben, baß der von der ganzen Welt so sehnlich herbci- gewünschte Friede vor der Thür stände. Inzwischen bestätigen sich die dunklen Gerüchte von der mißlichen Lage der Engländer im Nord- wcstendcrEapcolonie.woLmutS anscheinend geschaltet und gewaltet hat, wie es ihm beliebte, und wo sich vor der kleinen Mtnenftadt Ookjep und iu deren Umgebung Dinge ereignet haben, die zeigen, daß es in der Capcolonte schlimmer aussieht, denn je zuvor. Die kleine britische Garnison von Springbvk hat sich den Boeren, die mit Dynamit ««griffen, ergeben müssen, und Ookiep scheint regelrecht belagert zu werden, nachdem der Evmmandant, Oberst Shelton, sich geweigert bat, die Stadt zu übergeben. Alle diese Ereignisse haben sich Anfang April zugetragen und kein Wörtchen weiß der Generalissimus darüber in seinen sonst jedes Stück Vieh anfzählenden Wochen- und Monatsberichten zu sagen. Alle Telegramme von Privat personen hat der Censor pflichtschnldigst nnterdrückt, und so erfährt die Welt erst heute, daß Smuts im Westen der Capcolonie unumschränkt Herr ist, daß er Blockhäuser nnd Eisenbahn ««gehindert zerstört, und daß keine britische Eolonne im Stande ist, der bedrohten Stadt Ookiep Hilfe zn bringen. Zwar find zwei Kriegsschiffe nach Port Nolloth gesandt worden, nm den Hafen im Falle eines Angriffes zu schützen, aber auf dem Lande selbst sind die Briten der Willkür der Boeren preisgegeben, und k kleinen „Banden", die cs nur noch geben soll, machen ihnen viel zu schaffen. Deutsches Reich. -4- Berlin, 6. Mat. (R e i cb s t a g s diä te n und bayerisches Centrum.) Auch wer mit der For derung allgemeiner Diäten für die Reichstags abgeordneten einverstanden ist, wird gegen die Art, wie das officielle Organ der bayerischen Centrumspartei neuer dings die Frage allgemeiner Diäten behandelt, Widerspruch erheben müssen. Das bayerische Centrumsblatt legt siw die Sache so zurecht, daß eS sagt: Die Süddeutschen können in Folge der Diätenlosigkeit nicht in Berlin sein, das ist Preußen sehr angenehm, da die ganze Retchsgesetzgebnng ohne süddeutsche Beeinflussung zu Stande kommt. Zu be haupten, bloS die süddeutschen Reichstagsabgeordneten würden durch die Diätenlosigkeit von Berlin ferngehalten, ist vollkommen grundlos, denn die süddeutschen Geist lichen, Gutsbesitzer, Beamten, Rechtsanwälte u. s. w. sind keineswegs im Allgemeinen social schlechter gestellt, als die norddeutschen Volksvertreter; ein wenig weiter reisen müssen sie allerdings, wenn auch nicht sämmtlich. Gleich wohl kann nicht davon gesprochen werden, daß bei der Abwesenheit der süddeutschen Abgeordneten von Berlin die Gesetzgebung ohne süddeutsche Beeinflnssuug bleibe. Das verhindert einmal die unbestreitbare Theilnahme der süd deutschen Regierungen an den Beratungen und Be schlüssen des Bundesrathes, sodann der Einfluß der süd deutschen Abgeordneten innerhalb der Reichötags- fracttonen. Innerhalb der CentrumSfraction ist ohne Zweifel der Einfluß der bayerischen, württembergischen u. s. w. Lentrumsabgeordneten immer wirksam — mögen die süddeutschen Abgeordneten in Berlin anwesend sein oder nicht. Das gilt in höherem oder geringerem Grade für die übrigen Fractionen des Reichstages ebenfalls. Ist es deshalb widersinnig, die ganze Retchsgesetzgebung als durch Süddeutschland unbeeinflußt auszugeben, so ist es nicht minder verkehrt, wenn das bayerische CentrumsblqZ die Fortdauer der Diätenlosigkeit mit der Rücksicht nahme auf die preutzisch-conservative Partei, die „fast nur auS Adligen" bestehe und „nur einzelne wirklich unabhängige" Mitglieder habe, während die übrigen durch amtliche oder höfische Rücksichten ge bunden seien, sich erklärt. Bon den 82 Mitgliedern und Hospitanten der conservativen Fraktion sind 33 adlig, von den 20 Freiconservattven sechs. Es ist also übertrieben, die preutzisch-conservative Partei als „fast nur" aus Adlige» bestehend hinzustellen. Was aber die Rücksichtnahme auf Hof und Amt anbelangt, so genügt der Hinweis auf die Canalfronde, um Uebertreibungen in der gedachten Rich tung erkennen zu lassen. Nicht weniger glücklich als bei dem Erklärungsversuche für die Haltung des Bundes- rathes in der Diätenfrage ist baS bayerische Centrumö- organ mit der Ankündigung: „Wenn die Diätenlosigkeit im Reiche noch fortdauern soll, wird man die Frage in den Ginzel st aaten aufwerfen müsse n." — DaS kann Loch nur heißen, daß die Etnzelstaaten für die in ihnen gewählten Reichstagsabgeordneten Diäten auS- werfen sollen. Für ein solches Vorgehen sind die süd deutschen Regierungen sicherlich deswegen nicht zu haben, weil es eine Auflehnung gegen die ReichS- Verfassung bedeutete. Wenn Factoren, wie die social demokratische Partei, die ReichSverfaflung durch Zahlung von Diäten an die socialdemokrattschen Retchstagsabgeord- neten umgehen, ist damit nicht gesagt, daß gesetzgebende Körperschaften der Einzelstaaten in aller Form den Ver such machen dürften, Landrecht über Reichsrecht zu setzen. Bon der klerikalen Mehrheit der zweiten bayerischen Kammer ist Derartiges freilich zu erwarten. Praktische Be deutung indessen würde ein entsprechender Beschluß nie mals gewinnen, weil die bayerische Regierung niemals dazu die Hand bieten würde, über eine Bestimmung der MeichSverfassuna ans Beschluß eine» einzelstaatlicken Parlaments sich hinwegzusetzen. Datz baS bayerische CentrumSorgan das entgegengesetzte Bestreben kundgiebt, ist für die Stellung der bayerischen „Patrioten" zum Reich? recht bezeichnend. /?. Berlin, 6. Mai. (Die Soctalüemokratie tu Deutschland und Frankreich.) Der „Vorwärts" macht eine Rechnung über daS Ergcbnitz der französischen Deputtrtenwahlen für die Soctalüemokratie auf. Dtesc Berechnung wirb sehr interessant für Deutschland, wem: man damit die Erfolge der deutschen Soctaldemokratie bet den letzten allgemeinen Wahlen vom Jahre 1888 vergleicht. Zunächst ist festzustellen, daß die französischen Socialdcmo- kraten gegenüber den vorigen Deputtrtenwahlen so gut wie gar keinen Fortschritt aufzuweisen haben; sie haben heute wie damals etwas über Million Stimmen erhalten lalle socialtstischen Parteirichtungen zusammengenommeu). Da bei muß der „Vorwärts" noch zugeben, baß ein Thcil dieser Stimmen auf Candidatcn entfallen ist, die „recht zweifel vast sind, sich im Wahlkampfe den Namen Soctalist bei legen und leider auch al» Soctalisten anerkannt werden." Da diese „unsicheren Cantonisten" nach dem „Vorwärts" vornehmlich den Jaurosisten ^«gehören, die mit rund 420 000 Stimmen weitaus die stärkste svcialistische Gruppe in Frankreich sind, so hat man also noch eine erhebliche Zahl von Stimmen abzuziehen, so daß auf „reelle" socia- ltstische Candidatcn vielleicht nnr etwa 700 000 Stimmen entfallen sein mögen. Da insgesammt über 8 Millionen Stimmen abgegeben worben sind, so haben demgemäß die Svcialdemvkraten nnr etwa ein Zwölftel aller Stimmen auf sich vereinigt. In Deutschland sind bei den allgemeinen Wahlen von 1808 rund 7^ Millionen Stimmen abgegeben worden, von denen auf die Soeialdemokratje 2 107 000 ent fielen. Demgemäß haben die Soeialdemvkraten in Deutsch land bei der ersten ordentlichen Wahl 27 Proc. aller Stimmen erhalten gegen etwa 8 Proc. in Frankreich. Mithin ist die deutsche svcialistische Partei — so weit man dies ans Wahlen entnehmen kann — mehr als drei Mal w stark als die französische. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß in Frankreich die Wahlmündigkeit bereits mit dem 21. Lebensjahre beginnt, so daß also die unreifen radikalen jugendlichen Elemente noch mehr zur Geltung gelangen als n Deutschland. Der Grund hierfür dürfte vor Allem darin zn suchen sein, daß die französische Socialdemokratie bei Wahlen weniger Zuzug von „Mitläufern" erhält, als die deutsche, d. h. daß man dort nicht ebenso wie in Deutsch land bestrebt ist, allgemeine Unzufriedenheit durch die Ab gabe eines socialtstischen Stimmzettels zu bethättgcn. Wir müssen bekennen, daß darin ein ehrendes Zeugniß fiir die größere politische Reife der französischen Wählerschaft liegt. Berlin, 6. Mai. (Lo hnc lassen der Inva liden Versicherungs-Beiträge für Lehr linge.) Bei der Auslegung des 8 22 Ziff. ö des alten Jnvaliditäts- und Altersversichernngsgesetzes vom 22. Juni 1880 war es seiner Zeit streitig geworden, ob für Lehrlinge der für erwachsene gewöhnliche Tagearbeiter festgesetzte ortsübliche Tagclohn bei Bemessung des Jahres arbeitsverdienstes, der Lohnclassen und der Beiträge zur Invalidenversicherung in Betracht komme, oder ob für diese Personen der drcihnndertfache Betrag des ortsüblichen Tagelohns jugendlicher Tagesarbeiter des Beschäftig- nngbortes, wie er nach 8 8 des Kranken-Bcrsicherungs- Gesctzes festgesetzt ist, zn gelten habe. Das Reichsver- sicherungsamt hat sich im Anschluß an eine hierauf bezüg liche Rundfrage am 17. April 1801 für die letztere An sicht entschiede». Die sür das Gebiet des alte» Gesetzes er gangene Beurtheilung resp. Auslegung mutz auch für den 8 24 Absatz 2 Ziffer ö des neuen Gesetzes vom 13. Juli 1899 Platz greifen; es ist jedoch letzthin streitig geworden, ob sie sich nnr auf die der Gemeinde-Kranken versicherung unterliegenden Lehrlinge oder auch ans die zu den Orts- n. s. w. Krantcncassen gehörenden bezieht. Der Fall war, nach einer Darlegung des Landraths Appelius zu Düsseldorf in Nr. 13 der „Arbeiter-Ver sorgung" folgender: Im Statut einer OrtS-Krankencasse war der für die Bemessung der Caffenletstung und der Bei träge maßgebende durchschnittliche Tagelohn getrennt iu drei Classen: a. für (erwachsene) männliche Casscnmit- glteder über 10 Jahre, b. für männliche unter 16 fahren und für weibliche über 10 Jahre, v. für weibliche unter 10 Jahren. Die untere Verwaltungsbehörde wollte hin sichtlich der Verwendung von Beiträgen für die Invaliden versicherung die Lehrlinge in Anwendung des 8 8 Absatz 2 des Kranken-Bersicherungsgesetzes in die Classc ft ein reihen, da nach 8 8 für Lehrlinge der für jugendliche Personen ld. h. unter 16 Jahren) festgesetzte Tagelohnsatz maßgebend sei. Der Vorstand der Versicherungsanstalt reihte die Lehrlinge in Classe a ein, indem er die An sicht vertrat, datz die angezogcnc Bestimmung -eS 8 8 des Kranken-Berstcherungs-Gesetzes, wonach bei Fest stellung des ortsüblichen Tagelohns die für junge Leute getroffene Feststellung auch für die Lehrlinge gelte, nicht ohne Weiteres auf die Orts-Krankencassen anzuwenden sei, daß es vielmehr einer ausdrücklichen Aufnahme einer der artigen Bestimmung in das Statut der Cassc bei Fest stellung der einzeliten Classen -er Mitglieder und -er Höhe des durchschnittlichen TagelohneS nach Mahgabe deS 8 28 Ziffer 1 deS Kranken-VersicherungS-Gcsctzes bedürfe. Die Festsetzung der Tagelvhne im Statut hätte, wenn die An sicht der unteren Verwaltungsbehörde zutreffend sein sollte, demnach lauten müssen: b. für männliche unter 16 Jahren, für weibliche über 16 Jahre und für männliche Lehrlinge, c. für weibliche unter 10 Jahren und für weibliche Lehr linge. So lange eine solche Bestimmung im Statut nicht enthalten wäre, war nach Ansicht des Vorstandes der Ver sicherungsanstalt für die Jnvalideuversicherungsbeiträge der Lehrlinge nach 8 34 Absatz 2 Ziffer 1 des Jnvaliden- Versicherungs-Gesetzes die Classe maßgebend, welche den durchschnittlichen Tagelohn für erwachsene Mitglieder über 16 Jahre festsetztc. DaS Reichsversicherungsamt ist auf Anfrage der Auffassung des Vorstandes betgctreten. Diese Beurtheilung der vielfach streitigen Frage dürfte für weitere Kreise von Interesse sein. (-) Berlin, 6. Mai. (Telegramm.) Testern Nachmittag hörte der Kaiser im königlichen Schlosse die Vorträge de« Chef« des CivilcabinetS v. LucanuS und deS Chefs de« MarinecabinetS Frbrn. v. Senden - Bibran. Zur Abend tafel waren geladen Prinz Rupprecht von Bayern und Prinzessin Feodora von Schleswig - Holstein. — Heute Morgen um 8 Uhr begab der Kaiser sich nach dem Tempelhofer Felde, um dort den Besichtigungen je eine« Bataillon« de« 3. Garde-Regiment« z. F, de« 4. Garde- Grenadier-Regiment« Königin Augusta und de« 3. Garde- Grenadier-Regiment« Königin Elisabeth beiznwohnen. An die BataillonSbestchtigungen schlossen sich ein kurze« Gefecht im Feuer und Parademarsch der betbeiligten Truppentbeile. Der Kaiser ritt mit dem Augusta-Regiment nach dem Easirnemrot desselben, nabm dort militärische Meldungen entgegen und nahm da« Frühstück beim Osficiercorp« de« Regiments em. (7) Berlin, 6. Mai. (Telegramm.) Die Urber- führung de« bei dem gestrigen Eisenbahnunglück bei Zschortau aetödteten ReichStagSabgeordnetrn Friedel findet am 7. Mar Nachmittag« 3 Uhr von Zschortau nach seiner Heimatb statt. Die Beerdigung erfolgt um 4 Ubr Nach mittag in St. Johanni« bei Bayreuth. Der aus so tragische Weiie au« dem Leben geschiedene Abge ordnete war verheirathet. Er hinterläßt »in« tiefgebeugt« Sanin, mit der er in glücklichster Ehe lebt», und »in Töchterchen. Lor einigen Jahren erkrankt» er wühr»nd der Landtagösefsion i hr bedenklich in Münch»», so dgtz »r von den Aerzlen völlig aufgegeben wurd», geuaß aber wieder vollständig. Von den Abgeordnete» aller Parteien wird der Verlust des stets sieben»« würdigen und eiitgegenkommendeii College» tief bedauert. TaS gab sich auch unzweideutig bei der Verlesung der Trauerbot schaft durch den Vizepräsidenten der bayerischen Kammer tund. Die bayerisch» Liberale Bereinigung verliert in Fried»! »i»e sehr aeschätzie Kraft, die besonders in landwirtdjchiftlichen Fragen al« Autorität anerkgiuit war. Der Verstorben» besaß auch «in» vorzügliche Rednergabe, der ein glücklicher, tr»sjrn»er Humor wirksam zur Seite stand. Besonders in der Erinnerung ist noch sein Ein treten in der letzten Landtagspmod» für Verwendung ein- heimischer Gerste und bayerischen Hopfens bei dem Betriebe des königlichen hosüräiihauj»«. Er führt» den Bewei«, daß man ans einheimischen Produkte» »in vorzügliche« Bier Herstellen könne, aus einfach« Weise dadurch, daß er aus seiner Brauerei mehrere Fässer Bier kommen und den Stoss an seine College» verzapfen ließ. Der Beweis gelang ihm damals nach dem Urtheile oller Kenner vorzüglich. Friedel hielt seine letzte Rede im Landtage aeleaentlich der Berathung des KchuIdotationS- gesetzes. (Münchn. N. N.) — In der jüngsten Miltheilung siber die „Versuchung des vr. Lieber" war der HguSarzt de« Letzteren als Gewährsmann bezeichnet worden. Dieser, vr. Fluck in Camberg, schreibt (etzi dem „Rhein. Kurier": Heute Abend von einer Reise zurückgekehrt, finde ich die Morgenausgabe des „Rh. Kurier" pom 3. Mal vor, in der ein längerer Artikel mit der Ueberschrift: „Wurde dem verstorbenen vr. Lieber rin Lberpräsihium angeboren" steht. Da unier dem in demselben a»g«führien Verwandten und HauSarzte d»S Verstorbenen nur meine Person gemeint sein kann und meine Ihrem Corre- svondenten gemachten Mittheilungen von demselben entweder nicht richtig verstanden oder wiedergegeben sind, so ersuche ich, den Sach verhalt in der folgenden Weise richtig zu stellen, Von allen An gaben, die Ihr Correspondent Ihnen in der Angelegenheit de« An gebotes von Orden und hohen Aemtern an den verstorbenen Herrn vr. Lieber als von mir henührend gemacht hat, sind nur die folgenden richtig, daß 1) mir Herr vr. Lieber mitgelheilt hat, ihm seien nach Annahme der Flotteuvorlage Orden und hohe Aeniier angebolen worden, die er aber abgelehnt habe, und daß 2) daS Bild Seiner Majestät des Kaisers mit eigenhändiger Md- uuuig und Unterschrift sich im Besitze der Familie des Verstorbenen befindet. Daß eer Kaiser persönlich das Anerbieten gemacht habe, wird in der Zuschrift nicht behauptet. Somit bleibt von der ganzen Geschichte, deren gestern mitgctheilte Version von einem dramatischen Gespräch zwischen dem Kaistr und vr. Lieber zu melden wußte, greifbar nur übriß, daß vr. Lieber ein Bild des Kaisers mit dessen eigenhändiger Unterschrift besessen hak. D Hamburg, 6. Mai. (Ttlegramm.) Der Congreß für gewerblichen Rechtsschutz nahm einen Antrag an, der die Angabe des Ertheil» ngS Datums auf der Patent schrift empfiehlt, desgleichen einen Antrag, in dem eine Ab änderung des tz 13 de« Waarenzeichen-GesetzeS für augen blicklich nicht wünschenSwerth erklärt wird. (-) Celle, 6. Mai. (Telegramm.) Amtliche« Wahl - ergebniß: Bei der am 2. Mai in dein 14. bannoverschen Wahlkreise Celle-Gifhorn-Burgdorf-Peine vorgenommenen ReichStagSersatzwahl wurden im Ganzen 2180'8 Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf den Kaufmann Fritz Wehl in Celle (nat.-lib.) 11 343 und auf den Guts besitzer v. D. Decken in Adendorf (Welse) 10556 Stimmen. Wehl ist somit gewählt. * Potsdam, 4. Mai. Die Einschränkung de« Pri vatunterrichts der Lehrer ist da«Ziel einer Verfügung, die neuerding-von der Negierung in Potsdam erlassen wurde. Darnach ist den KreiSschulinspcctoren die Befugnis; übertragen worden, den Lehrern der öffentlichen Schulen, die um de« Erwerbes willen Privatunterricht ertheilen wollen, die hierzu erforderliche Erlaubniß zu ertheilen oder zu versagen. Dabei sind folgende GesichtSpuuctr zu beachten: Im Allgemeinen ist den Lehrern nur die Ertheilung von höchsten« sechs Privatstunden fiir die Woche zu gestatten. Mährens der Zeit deS öffentlichen Unterricht« darf ein Lehrer nur ausnahmsweise und mit besonderer Genehmigung de« Va>- steherS der Schule Privatunterricht ertheilen und hat einer Einberufung zur Vertretung ungesäumt unter Aussetzung de« Privatunterrichte« Folge zu leisten. Auch für die Ertheilung de« Unterrichte« an Fortbildungsschulen ift die Genehmigung der Kreisschulinspectoreu erforderlich. Die Erlaubniß ist zurückzuziehen, sobald Fleiß, Leistungen oder Führung der betreffenden Lehrperson zu Ausstellungen Anlaß geben. Die von Lehrpersonen gegen Entschädigung zu übei nehmende Leitung von Gesang- oder Turnvereinen stellt sich als eine Nebenbeschäftigung dar, zu der in jedem einzelnen Fall die Genehmigung der Regierung ein- zuholen ist. -7- Altenburg, 6. Mai. Die Staatsregierung ist dem im Landtage ausgesprochenen Wunsch« bereitwilligst nachgekommen und Hal der herzoal. Gewerbr-Jnsprction für geeignete Fälle eine weibliche Kraft zur Unterstützung zugewresen. Die neue Assistentin ist Fräulein Helene Brieger aus Schöne berg bei Berlin. 2. Greiz, 6. Mai. (Privattelegramm.) Oberbürger meister Thomas wurde heute auf Lebenszeit gewählt. D Stuttgart, 6. Mai. (Telegramm.) Der Zu sammentritt der Stände erfolgt am 13. d. Mt«. Oesterreich-Ungarn. D,1e,olto«ea; * Pest, 6. Mai. (Telegramm.) Da» den Delegationen vorgelrgte gemeinsame Budget weist ein Sesammtbrutto- Lrkorderniß von 872487 886 kr., d. H. 8 4311V3 Kr. mehr al« im vorigen Jahr« auf. Di« DeckunaSsumme betrögt 6 88k 464 kr., somit ist da« Netto-Erfordernltz N66 0SLS7» Kr.. d. h. gegenüber dem vorigen um 8 237 406 kr. größer. In einer besonderen Vor lage sucht der Krieg-Minister um die Bewilligung von 8S Milltom»
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