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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030103028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903010302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903010302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
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Daß eS Leute gibt, denen daS bestehende NeichStagSwahl- recht al- die Wurzel aller politischen Uebelstände im Reiche erscheint, ist bekannt, und wer kein allzu löcheriges Gedächtnis bat, erinnert sich, daß nach jedem beißen parlamentarischen Kampfe um eine wichtige Vorlage Stimmen laut wurden, die eine Beschränkung diese« Rechtes als das dringendste Erfordernis bezeichneten. Bon ernst haft en Politikern gingen solche Behauptungen und Forderungen aber nie ans, wenigstens nicht während des nunmehr ziemlich langen Zeitraums, in dem jeder Versuch, das ReichStagswahlrechl anzntastcn, an dem Willen derReichStagSmehrheit gescheitert wäre. Wenn jetzt trotz dem sozialdemokratische und freisinnige Blätter das Gespenst der Beschränkung de» Reichstagswahlrechts an die Wand malen, so hat da« lediglich einen agitatorischen Zweck und verdient kaum eine ernste Erörterung. Etwas anderes ist es mit einer Auslassung der „KönigSb. Hart. Ztg.", weil sie zunächst das Bedenkliche jedes Versuches, am ReichStagSwahlrechte zu rütteln, betont, sich dann aber auf angebliche Bestrebungen einflußreicher Stellen der Regierung und sogar auf ein an gebliche- Wort deS Kaiser« beruft. Im Anschlüsse an eine Münchener Rede de« Abg. v. Vollmar schreibt nämlich das genannte Blatt: „Daß die Miquelschen Absichten, den Reichstag nicht direkt vom Volke wählen, sondern auS den einzelstaatlichen „Volksvertretungen" ausdestillieren zu lasten, erneuert würden, dürfte freilich außerhalb aller Möglichkeit liegen; aber anders verhält es sich mit dem Ge danken, die Wahlberechtigung von tief einschneidenden Vorbedin gungen, wie der Höhe des Lebensalters und der Dauer des Aufenthaltes an einem Orte rc., abhängig zu machen. Daß in dieser Hinsicht unter ernsthaften Staatsmännern während der letzten Wochen mannigfache Verhandlungen stattqesunden haben, pfeifen die Spatzen schon lange von den Dächern. Davon dürfte auch Herr v. Vollmar wissen, zumal man in München die Glocken leichter läuten hören kann, als in Berlin." Und dann fährt e« fyxt: „UoS ist sogar rin« Arußerung deS Kaiser« bekannt, die gegen das gegenwärtige ReichStagSwahlrecht wohl ousgenutzt werden könnte; als nämlich bei Bismarcks Entlastung eine hochgestellte Persönlichkeit dem Alt-Neichskanzler die Einführung deS allgemeinen Stimmrechts vorwarf, stimmte der Kaiser mit den Worten zu: Da hat er dem Volke Champagner gereicht, während e-der Bouillon bedurfte." Wir wissen nicht, ob der Kaiser wirklich das oder auch nur AehnlicheS jemals gesagt hat. Hätte er es aber wirklich getan, so wäre dies aus der Stimmung, die ihn damals gegen Bismarck beherrschte, zu erklären uud würde schlechter dings nichts für seine jetzige Stellung zur WahlrcchtSfrage beweisen. Und selbst wenn der Kaiser die Ansicht manches Politikers, daß die Einführung des NeichStagswahlrechtS ein Fehler gewesen wäre, noch jetzt teilte, so würde die« noch lange nicht beweisen, daß er den Versuch machen wollte, eine vor einem Menschenalter getroffene, mit unsrem politischen Leben innig verwachsene Maßregel zu beseitigen. Er hat schon mehr als einmal erfahren, daß ein einzelner Wille sich gegen den der Mehrheit der Nation nicht durchzusetzen vermag und daß jedes Scheitern eines derartigen Versuches nur Nachteile für da» Ansehen der Reichsregierung zur Folge haben kann. Ueberdies ist es dem Kaiser auch sicherlich nicht entgangen, daß das geltende Reichstagswahlrecht trotz seiner unleugbaren Nachteile noch immer bei nationalen Lebensfragen sich bewährt und Entscheidungen herbeigesührt hat, die den ge sunden Sinn der Mehrheit des Volkes bewiesen. Wer eine noch dazu unverbürgte Aeußerung des Kaisers kolportiert, um sie zur Unterstützung der Furcht breiter Wählermassen vor politischer Entrechtung zu verwenden, handelt jedenfalls nicht im Sinne des Kaisers und nicht zum Wohl der Nation, denn er liefert den zentrifugalen Kräften wirksame Agitationsmittel und ist mitschuldig daran, wenn in den künftigen Reichstag eine Mehrheit einzieht, die den verbündeten Regierungen bei jeder Gelegenheit eine starre Opposition entgegensetzt. Ein leuchtend rote« Aahrk Die sozialdemokratische Presse hat den Uebergang vom alten zum neuen Jahre mit triumphierenden Artikeln über die Aussichten der Sozialdemokratie bei den im Laufe dieses IahreS statisindenden allgemeinen NeichStagöwahlen gefeiert. Wie gewöhnlich nimmt dabei die „Sächsische Arbeiter zeitung" den Mund am meisten voll. Sie schreibt am Schluffe eines Artikels, der natürlich an den Taten der be stehenden Gesellschaft im abgelausenen Jahre kein gutes Haar läßt: „So ist alles für uns. Und wir wollen uns der Gunst der Umstände würdig zeigen. . . DaS Jahr 1903 soll ein leuchtend rotes Jahr werden." Es ist taktisch gewiß nicht unrichtig, wenn die sozialdemo kratischen Organe ihren Lesern die Wablauösichten in rosigem, oder vielmehr „leuchtend rotem" Lichte darstellen. Aber ob sie selbst daran glauben? Wir vermögen von der besonderen „Gunst der Umstände" für die Sozialdemokratie nichts zu erblicken. Die Agitation gegen den Zoll tarif ist durch die Annahme des Gesetzes ein volles halbes Jahr vor den Wahlen labmzelegt worden, und wenn die sozialdemokratischen Agitatoren einerseits die „gewaltsame" Art der Erledigung des Gesetzes natürlich nach allen Kräften auSschlachten werden, so wird dies mehr als wett gemacht dadurch, daß die großsprecherischen Verheißungen, den Tarif zu Falle zu bringen, nicht erfüllt werden konnten. WaS die Krupp-Affäre anlangt, so bat eins der größten sozialistischen Organe, die „Leipz. VolkSzertuug", erklärt, daß sehr weite Kreise der Partei die Veröffentlichung im „Vorwärts" nicht gutheißen könnten. Und wenn endlich sozialdemokratische Blätter die Flucht der Kronprin zessin von Sachsen für die künftigen Wahlen aus schlachten wollen — die „Sächsische Arbeiterzeitung" tut dies ausdrücklich — so ist dies nur ein Beweis der Erbärmlichkeit dieser Organe, wird aber bei den Wahlen sicherlich nicht „ziehen". Alle diese angeblichen Trümpfe der Sozialdemokratie — die Affäre am sächsischen KönigSbofe ausgenommen — konnten bereit« bei der im vergangenen Monat startgehabten Reichs- tagüersatzwahl in Liegnitz auSgespielt werden, und das Ergebnis bestand darin, daß die Sozialdemokraten in der Hauptwahl über 500 Stimmen, in der Stichwahl aber sogar nahezu l500 Stimmen weniger erhielten, als bei den all gemeinen Wahlen von 1898. Von dem Standpunkte der Berechnung der sozialistischen Wahlchancen für die nächsten allgemeinen Wahlen wird auch der AuSgang der in den nächsten Tagen statisindenden ReichStagSersatz- wahl in SchleSwig-Eckernförde von besonderem Interesse sein müssen. Hier sind an sich die Aussichten für die Sozialdemokratie recht günstige. Die Kandidaten der nationalliberalen Partei und der freisinnigen Volkspartei sind bomillS8 novi; dazu kommt, daß während bei den letzten allgemeinen Wahlen in diesem Wahlkreise nur zwei bürgerliche Kandidaten aufgestellt waren, diesmal nicht weniger als vier Bewerber bürgerlicher Parteien um die Palme ringen, nämlich außer den Kandidaten der eben erwähnten beiden Parteien noch ein antisemitischer Bewerber und der vor kurzem aus seinem Amte entlassene Professor Lehmann-Hohenberg, der sich von eigenen Gnaden aufgestellt hat. Dadurch sind also an sich die Aussichten der Sozialdemokratie bei der ReichStagswahl in Schleswig zweifellos günstig. Wir wollen nun sehen, ob die starke Zersplitterung der bürgerlichen Parteien und die nach der „Sächsischen Arbeiterzeitung" noch sonst vorhandene „Gunst der Umstände" bewirken werden, daß im Norden Deutschlands daS Morgenrot deS „leuchtend roten Jahres" aufgeht. Sollte sich der Ausgang der Schleswiger Wahl ähnlich gestalten, wie das Ergebnis der Ersatzwahl in Liegnitz, so dürfte die Taktik der sozialistischen Presse, ihre Anhängerschaft durch geschwollene Phrasen bei gutem Mute zu erhalten, durch die Kraft der Ziffern ein Loch bekommen! Ostende «nd Tpaa. Die beiden im letzten Jahre von der belgischen Kammer genehmigten Gesetze, betreffend das Verbot von Glücksspielen in Ostende und Spaa, und die Be willigung eines außerordentliche,r Unterstützungsfonds für die beiden Städte, sind im belgischen Staatsanzeiger veröffentlicht worden. Das erste, die Ausübung von Glücksspielen untersagende Gesetz, enthält in Artikel 3 die Bestimmung, daß der im Gesetze vorgesehenen Be strafung auch diejenigen unterliegen, die durch Mit teilungen, Inserate, Plakate oder dnrch jedes andere Dkittel der Veröffentlichung ein im Jnlande oder im Awslande gelegenes Lokal, wo verbotene Spiele ab gehalten werden, zur allgemeinen Kenntnis bringen oder sich sonst irgendwie mit der Verführung zum Hasardspiel befassen. Nach Artikel 4 kann das gesetzliche Strafmaß verdoppelt werden, wenn innerhalb eines fünfjährigen Zeitraumes nach erfolgter Vernateilung dasselbe Ver gehen der gerichtlichen Bestrafwng unterliegt, ebenso für den Fall, daß die in Frage kommenden Delikte gegen Personen unter 2t Jahren verübt wurden. Das zweite Gesetz betrifft die Gewährung einer finanziellen Ent schädigung an die Badeorte Ostende und Spaa, deren Einkünfte durch die Aufhebung der Spielbanken be deutend verringert werden dürften. Nach dem einzigen Artikel dieses Gesetzes wird der Negierung ein Fonds von 7 Millionen Franken zur Verfügung gestellt mit der Bestimmung, daß daraus an die dirrch das Spielgesetz be troffenen Gemeinwesen eine Beihülfe zur Bestreitung der außerordentlichen Ausgaben geleistet werden soll; und zwar sind 5 Millionen für Ostende, 2 Millionen für Spaa ausgeworfen. Ob freilich die Höhe dieser Be träge ausreichen wird, um die genannten Badeorte für den Verlust der bisher aus den Spielbanken gezogenen Einnahmen auch nur annähernd schadlos zu halten, ist gewiß fraglich; jedenfalls hat die belgische Negierung durch das Spielgcsetz eine Einrichtung beseitigt, die von Jahr zu Jahr mehr als ein öffentliches Nebel schlimmster Natur erkannt worden war. Was schließlich die Wirkung dieser Maßnahme betrifft, so steht zu erwarten, daß Ostende und Spaa einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Fremdenbesuches einbützen werden, anderseits dürfte man in der Annahme kaum fehlgehen, daß die Erlassung des Spielvcrbots für die deutschen Nordseebäder insofern Vorteil haben werde, alS sie mit den vom deutschen und ausländischen Publikum wicht selten be vorzugten belgischen Badeorten künftig auf gleicher Basis und unter gleichen Bedingungen konkurrieren können. Unruhe« auf dem Balkan. Der Wiener Korrespondent der „Kölnischen Zeitung" telegraphiert seinem Blatte von heute: Wie ich aus zu verlässiger Quelle erfahre, hat sich G r a f L a m b s d o r f f nnt dem Grafen GoluchowSki auf das sogenannte „kleine Programm" geeinigt, worüber früher schjon die Bot schafter Frhr. v. Ealice und Sinowjeff in Konstantinopel in völligem Einvernehmen waren. Danach verlangt man nur Verwaltungsmaßregeln für Makedonien, keineswegs politische Umwälzungen. Wie weit bei der Aufsicht die anderen Signatare mitwirken, ist fraglich. Schriftliche Abmachungen wurden hier bisher nicht ge troffen, ebensowenig wie bei dem Petersburger Ab kommen von 1857. Bezweckt dieses, die kleinen Balkan staaten zur Ruhe zu verweisen, so ist die jetzige Verab redung seine Anwendung für den besonderen makedo nischen Fall. Man kann also weder von einer Erweite rung, noch von einer Zerreißung des Abkommens sprechen. Ganz unzutreffend sind die auS Sofia kom menden Meldungen von einer Dreiteilung Makedoniens unter Prinz Josef von Battenberg, den montenegrinischen Prinzen Mirko uud einen deutschen Obersten als christliche Gouverneure. Niemals würde, wie man hier betont, Oesterreich den Prinzen Mirko zulassen. Ueber- haupt scheint die Ernennung eines christlichen Gouver neurs in den Hintergrund gerückt und die Aufsicht über die Finanzen und Beamten das Wesentlichste zu sein. 3u den marokkanischen Wirren. Von einer Seite, die sowohl mit den Kreisen der Londoner City wie der englischen Diplomatie Füblunb unterbält, wird un« geschrieben: Der Pariser „Eclair" mißt dem Londoner Kabinett die Schuld an dem Ausbruch der marokka nischen Wirren bei, weil e«, in einseitiger Bevorzugung der herrschendes Dynastie, den Rrformeifer de- Sultan- be flügelt und immer von neuem aagereizt habe. DaS Londoner Kabinett ist im „Matin" diesen Ausstreuungen entgrgengetreten, indem eS Behauptungen wu die im „Eclair" verbreiteten als vollkommen grundlos kennzeichnete und betonte, daß Groß britannien kein Interesse an der in Marokko herrschenden Dynastie, sondern nur daran habe, in Marokko die Ordnung dauernd aufrecht erhalten zu sehen. Mit solchen Fest- stellungen aber begnügt man sich auf englischer Seite nickt, sondern macht auch kein Hehl au« der Ueber- zeugung: man dürfe au« guten Gründen Frankreich gegenüber den Spieß umkehren. ES wird in diese» Beziehung vor allem auf daS Verhältnis Frankreichs zu gewissen Kabylenstämmen und auf die Führung verwiesen, der ein Teil der Aufständische» sich erfreut. Außerdem wird in dem selben Zusammenhang der Geldmangel de« Sultan«, wodurch die Empörung mit zum Ausbruch gelangte, erörtert. Ursache sür den Geldmangel de« Sultan« ist näm lich die Nichtdurchführuog eine- von ihm beschlossenen Gesetzes. DaS letztere aber werde deshalb nicht durchgeführt, weil Frankreich Einspruch dagegen erhob, bezw. Bedingungen Feuilleton. Lj Frau Huna. Roman von Karl Taner a. Nachdruck verboten. In den verschiedenen Zimmern war die Unterhaltung immer lebhafter geworden. Man machte sich gegenseitig bekannt oder tauschte Begrüßungen aus, man bewegte sich frei und ungezwurrgen und niemand empfand den Mangel eines Hausherrn, denn die beiden Damen Edwald-Erz- berg repräsentierten so vorzüglich, wie das beste sich unter stützende Ehepaar. „Meine Herren, bitte zu Tisch zu führen." Die Gruppen lösten sich aus, einzelne Herren warfen noch schnell einen Blick auf den berettliegenden Plan der Tischordnungen in den verschiedenen Räumen, dann suchten die Paare ihre Plätze. In dem kleinsten, aber genau in der Mitte liegenden Zimmer saßen die von Julie Wegen dem Doktor genannten Personen um einen runden Tisch. Elisabct Eüwald verstand es prächtig, die geeigneten Ge sprächsstoffe anzuregen. Heute war es ihr Ziel, den Ja paner und den Schriftsteller, der kürzlich von einer Reise nach Japan zurückgekchrt war, mit einander bekannt zu machen. Das gelang leicht, und bald hatten beide viele Anknüpfungspunkte gesunden. Da stellte die junge Dame, welche Jzuna zu Tische geführt hatte, plötzlich die Frage, ob die Kranen der besseren Kreise Japans in ähnlicher Weise, wie deutsche Damen, an einer solchen geselligen Unterhaltung, wie hier im Hause Edwald-Erzberg, teil nehmen dürften und könnten? Sofort antwortete Tücher: „Wo denken Sie hin, gnä diges Fräulein! Man darf deutsche und japanische Frauen in keiner Weise mit einander vergleichen. Die Japane rinnen sind sehr niedliche, sehr freundliche und sehr liebenswürdige Püppchen, aber doch nichts anderes, als eben nur Puppen. UebrigenS soll uns doch Doktor Jzuna etwas über das Krauenleben seiner Heimat erzählen. Da hören wir sicher das Allergenaueste und Richtigste. Ehe jemand etwas einwenden konnte, entgegnete der Japaner: „Dem kann ich nicht beistimmen, Herr Tücher. Sie würden von mir Falsches, sogar Ihnen Unverstand. licheS vernehmen." „Da» begreife ich nun nicht. Wer könnte da» Leben der japanischen Frauen besser darstellen, als ein Ja paner!" „Es kommt darauf an, für wen. Für meine Lands leute, ja. Ich will jedem Bewohner von Nagasaki ein ge naues, ihm klar verständliches Bild des Frauculebens meiner Heimatstadt Kioto geben. Ihnen aber kann ich das nicht." „Warum denn nicht?" „Weil ich anders sehe und denke, wie die Europäer, und weil ich in Beziehung auf das Studium der Frauen Deutschlands noch zu unerfahren bin, nm vergleichen zu können." „Na, na; oho, der Schlaumeier; wie vorsichtig!" So und ähnlich rief es durcheinander, und allgemeine Heiterkeit folgte den Worten Jzunas. Dieser ließ sich aber gar nicht ans der Ruhe bringen. Er lachte fröhlich mit. Als der Sturm sich nach und nach gelegt hatte, bemerkte er abermals: „Ganz gewiß, meine Damen und Herren, es ist, wie ich sagte. Ich würde vielleicht ein einseitiges, teilweise für Europäer sogar unverständliches Bild meiner Lands männinnen geben, weil mir die Fähigkeit, das heißt die Erfahrung fehlt, unsere eigenartigen Verhältnisse mit den entsprechenden deutschen zu vergleiche». Ich möchte daher Vorschlägen, daß Herr Tücher uns schildert, wie er das japanische Frauenlcben gefunden hat. Ich kann vielleicht hier und da, wenn es sich um rein japanische Ansichten handelt, eine Art von Kommentar dazu geben." Tücher wehrte sich nicht; er lxttte oft Vorträge über seine Reisen gehalten rind hörte sich nicht ungern. „Nach diesen verschiedenen Aufforderungen halte ich mich wirklich für verpflichtet, Ihnen, meine Damen und Herren, nicht Scherze vorzumacheu, sondern wirkliche Be obachtungen zu schildern. Die Japanerin ist in ihrem Aeußeren eine reizende, snmpathischc Erscheinung. Es kann kanm ein sanfteres, liebenswürdigeres und entgegen- kommenderes Wesen geben, als die Japanerin. Ich habe dort nie von einer zanksüchtigen Frau sprechen hören. Das wäre auch gar nicht möglich, denn es würde sich durch, aus nicht mit ihrer Erziehung vertragen. Sie lernt von Kindheit auf, stet« zu gehorchen. Hisslich, liebenswürdig und entgegenkommend gegen jedermann, besonders aber gegen ben Vater, «die Schwiegereltern und in allererster Linie gegen den Mann zu sein, ist ihre erste und höchste Pflicht." „Ei, das würde Ihnen anch gefallen!" ries eine Dame dazwischen, und die Ttschrunbe lachte. Tücher hob ab wehrend die Hand und sagte: „Das ist es gerade, was mir an den Japanerinnen miß fällt, daß sie solche fügsame, immer gehorchende Puppen sind, die niemals einen eigenen Willen bekunden, sondern bet allem, was mau ihnen zumutet, gleich freundlich und liebenswürdig bleiben. Freilich, die armen Wesen können nichts dafür. Durch ihre Erziehung wird ihnen stets vor Augen gehalten, daß sie nie etwas anderes als Diene rinnen der Männer sind. Während unsere Erziehung der weiblichen Jugend eine möglichst geistige Entwicklung der Mädchen bezweckt, will man in Japan nur gefügige Spiel zeuge der Männer erziehen, die ihre Pflicht vollständig er füllt haben, sobald sie Mütter mehrerer Kinder sind. Ein geistiges Mitlcben mit dem Manne, ein Teilen feines Be rufslebens, seiner Sorgen und Mühen verlangt man nicht nur nicht, sondern man würde cs sogar unschön, un weiblich und unnatürlich finden." „Ob Sie da nicht zu schwarz sehen!" wandte die Haus herrin ein. „Ich glaube nicht. UebrigenS, was meinen Sie, Herr- Doktor Jzuna, zu dieser Schilderung?" Ernster, als er je etwas gesprochen hatte, entgegnete der Japaner: Es ist mir durch Ihre Worte, Herr Tücher, zum ersten Mal in meinem Leben recht klar geworden, daß unsere Frauen sich gegenüber denen anderer Nassen und Völker wirklich im Nachteil befinde». Ich habe daran noch nicht gcdackst, weil ich noch keine Vergleiche in dieser Be ziehung anstellte, und weil mir unsere Verhältnisse ganz in Fleisch und Blut übcrgegangen waren. Ich muß Ihnen aber zngebcn, es ist, wie Sie sagen. „Da cs für Jzuna gewiß ebenso interessant wäre, wie sür nns, noch ähnliche Vergleiche zn hören, so möchte ilh gern etwas über das japanische Eheleben erfahren", warf Elisabet Edwald ein. „Ich vereine meine Bitten mit denen des gnädigen Fräuleins", stimmte der Japaner bei, und auch die übrigen schloffen sich dem Ersuchen an. Tücher ließ sich nicht lange auffordern. „Auch im Eheleben bat es nach meiner Ansicht die Ja panerin nicht gut im Vergleich mit anderen Kranen. Merk würdigerweise gilt in Japan ebenso wie in China die Familie als Grundlage der Gesellschaftsordnung. Es steht also im Prinzip fest, daß jeder männliche Japaner hei raten muß." „Bravo! Das gefällt mir." Lautes Lachen folgte diesen Worten einer jungen Dame. Der Schriftsteller war aber schon so in den Ton eines Vortragenden gekomnzxn, daß er nicht weiter aus die Bemerkung einging. „Da merkwürdigerweise in Japan beide Geschlechter fast gleich zahlreich sind, die Männer nach der letzten Zäh lung sogar überwiegen, so ist das Altjungferntum etwas Unbekanntes." „Glückliches Land!" „Es ist aber doch nicht so glänzend, Ivie es von fern aus sieht. Der Zweck der Familtengründuug ist nur die Ver mehrung. Als wichtigstes gilt dabei, daß die Familien der sich Heiratenden zusammen passen. Ob letztere sich gefallen, ob sie miteinander harmonieren, darnach fragt niemand. Liebeeehcu gibt es nicht. Sie sind sogar verpönt und wür den scharf verurteilt werden." „Das ist ja schrecklich. Also ein junger Mann uud ein Mädchen lieben sich in Japan nie?" „Gewiß, Fräulein Julie. Aber die, die sich lieben, hei raten sich nicht. Zur Frau wird für den jungen Nkann das Mädchen gewählt, dessen Familie nach Rang, Stand, Reichtum und ähnlichen Verhältnissen am besten zu ihm paßt. Man hält es gar nicht für gut, wenn er dieses liebt." „Und sie muß ilnn dann ohne Liebe angehören?" „Ja. Aber sie empfindet dies nicht als etwas Unnatür liches; denn sic weiß cs gar nicht anders. Sie ist erzogen, einfach zu gehorchen." Nun fragte Fräulein Julie den Doktor Jzuna: „Haben Sie denn auch solche Anschauungen über die Ehe, wie sie Herr Tücher eben schilderte?" „Ich muß gestehen, gnädiges Fräulein, das, mir bis jetzt noch nie der Gedanke gekommen ist, man könne eine an dere Krau nehmen, als die, welche uns die Eltern be- stimmen." „Wenn Ihnen diese aber nicht paßt ? Wenn sie Ihnen Ihr Haus zur Hölle macht? Wenn Sie sie gar nickst lieben könnten?" „Gnädiges Fräulein, zur Erörterung solcher Fragen kommt man bei uns nicht. Unsere Fran soll ja nur die Mutter unserer Kinder sein und diese in den ersten Jahren gut aufzichcn. Mehr verlangen wir nicht von ihr. Man kennt sich gar nickst näher. Der Nakodo, d. h. der Vermitt ler, hat die Wahl getroffen, beide sehen sich besin Miai, d. h. bei der Begegnung, vielleicht zum ersten und einzigen Mal vor der Hochzeit, und erst zu dieser kommt die junge Frau in das Hau» des Gatten. Woher sollte er sie da lieben?" „Sie leben dann aber doch zusammen!" „Tas, was man unter deutschem Familienleben ver sieht, kennen wir nicht. Di« Krau verbrtngt ihr« Zeit
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