Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030105020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903010502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903010502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-05
- Monat1903-01
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis 1« der Hauptexpeditton oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich 3 —, bet zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau» 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für dl« übrigen Länder laut ZettungSpreiSliste. Ue-aktion und Eruedition: JvhanniSgaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. Alfred Hahn, Bnchhandlg., Uuiversitätsstr.3, U. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KSnigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehleuer Straße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Serlin: Earl Duncker, Herzgl. Bahr. Hosbuchhandlg., . Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4S03. Nr. 8. Abend-Ausgabe. NipMer TügMlllt Anzeiger. Ämlskkatt des Königlichen Land- «nd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates «nd -es Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (l gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung «0.—, mit Postbefürderung 70.—. Äuuahmeschluß für Iuzeigen: Abeud-AvSgabe: BormittagS 10 Uhr. Morgea-AuSgab«: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz ta Leipzig. Montag den 5. Januar 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Januar. Kaiser und Polemik. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, ist dem Grasen Paul von HoeuSbroech das Exemplar seines Werkes „DaS Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirk samkeit", das er dem Kaiser überreichen lasten wollte, vom preußischen Kultusminister mit der Begründung zurückgegeben worden, daß er nach den bestebeuden Ver- waltungSgrundsatzen die Annahme des Werkes an Allerhöchster Stelle nicht befürworten könne. Da an diese Zurückgabe voraussichtlich allerlei Betrachtungen und Schlüsse werden geknüpft werden, so emsiehlt eS sich, den Artikel, in dem Graf HoeuSbroech in seiner Monatsschrift „Deutschland" den Vorgang mitteilt, etwas genauer zu betrachten. Es heißt in ihm: Ende Mat v. I. überreichte ich Seiner Majestät dem Kaiser und König durch Vermittelung des Etvilkabiaelt« mein Werk über „DaS Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksam- keit". TS lag in dieser Ueberrrichung weder an und für sich, noch für mich perjöaltch etwas Außergewöhnliches. Nicht an und für sich, da zahlreiche Werke dem Kaiser überreicht werden; nicht für mich persönlich, da ich auch mein frühere» Werk: „Der Ultramonta« ni-muS, sein Wesen und selue Bekämpfung" dem Kaiser überreicht und dafür durch da» Civilkabinett den kaiserlichen Dank er halten hatte. Am 19. September v. I. erhielt ich zu meiner größten Ueberraschung ein vom 18. September datierte» und im Auf trag de» Herrn Kultusministers vom Herrn Unterstaalssekrrtär Wever gezeichnetes Schreiben des Inhaltes, daß der Herr Kultus minister „nach den bestehenden Berwaltungsgrundsätzen die An nahme de» dargebotenen Exemplare» de» Werke-: Das „Papsttum in seiner sozial-kulturelleu Wirksamkeit" an Allerhöchster Stelle nicht zu befürworten vermochte". Zugleich wurde mir da» dem Kaiser dargebotene Exemplar durch da» Kultusministerium wieder zu- g «stellt. Ich erbat nuu vom Herrn Kultusminister eine Auf klärung über diese „Verwaltungs-Grundsätze" und erhielt von Herrn vr. Studt, der sich damals in Karlsbad befand, den freundlichen Bescheid, die Auskläruug werd« mir nach seiner Rückkehr zu Teil werdeu. Nachdem sich die zugrsagte Aufklärung, au» mir unbe kannten Gründen, längere Zeit verzögert hatte, lud mich am 8. No vember v. I. der Herr Unterstaatssrkretär Wever ein, ihn im Kultusministerium aufzusuchen, um die „Aufklärung" entgegen» zunehmen. Ich folgte dieser Einladung am 11. November. Zunächst wurde mir bestätigt, daß vom Kultusministerium dem Kaiser ein Jmmediatbericht über mein Werk erstattet worden sei. Auf meine Frage nach dem Inhalte dieses Berichte», beziehungS- weis« nach dem Inhalte der „BrrwaltungS-Grundsätze" teilte mir der Herr Unterstaat»i»kretär mit, daß eine Einsicht in den Jmmediat- bericht unzulässig fei — wa» ich durchaus verstehe —, daß aber der eigentliche Inhalt der in dem Jmmediatbericht zur Anwendung gebrachten „BrrwaltungS-Grundsätze" der gewesen sei, daß weil mein Werk „polemischen" Charakter trage, feine Annahme durch den Kaiser nicht hätte befürwortet werden können. Ich entgegnete: „Polemik" an und für sich könne unmöglich Grund der Ablehnung sein. Denn jede Wissenschaft und besonder» die Geschichte hab« Recht und Pflicht, zu „polemisieren", d. h. die Wahrheit dem Irrtum gegenüberzustellen und sie gegen Entstellungen und Angriffe zu verteidigen. Nur die unwissenschaslliche „Polemik" sei zu tadeln und abzulehnen. DaS in Frage stehende Werk sei aber von berufener wiffenschastlicher Seite al» wissenschaftlich- „polemisches" Werk anerkannt worden. Wäre der „Grundsatz" de» Kultusministeriums berechtigt, wonach „Polemik" an und für sich von der Befürwortung zur Annahme durch den Kaiser auSschließe, so müßten auch Werke SybelS, Treitschkes, OnckenS, um von den Werken Luther» und der übrigen Reformatoren zu schweigen, von dieser Befürwortung ausgeschlossen sein, La die genannten Werke vielfach und sehr ausgesprochen „polemischen Charakter" an sich trügen. Meine Ansicht sei, offen gesprochen, die, daß hinter der „Polemik" als Ablehnungsgrund sich ein anderer, der eigentliche Grund berge, uämlich der, daß mein Werk für die gegenwärtig aus schlaggebende Partei, für Las Zentrum, ein Aergernis sei. Um beim Zentrum nicht anzustoßen, habe das Kultusministerium dem Kaiser die Annahme widerraten. Aus meine Ausführungen über „Polemik" an und für sich er- widerte der Herr Unterstaatssekretär nichts. Die Rücksichtnahme auf das Zentrum bestritt er, schien sie aber, meiner Auffassung nach, indirekt dadurch zu bestätigen, daß er entgegnete, ich müsse doch zugeben, mein Werk errege in katholischen Kreisen Aufregung; hätte also das Kultusministerium die Annahme des Werkes durch den Kaiser befürwortet, so wäre das in katholischen Kreisen als Parteinahme des Kultusministeriums für ein die Katholiken be- unruhigendes Werk ausgesaßt worden. Wenn nun auch Graf HoeuSbroech auS dem geschilderten Vorgänge nicht Schlüsse auf die Grundsätze zöge, welche die Berufung von Professoren beeinflußten, so würde man schon auS der Schilderung selbst sehen, daß er geneigt ist, aus der Annahme eines dem Kaiser übersandten Werkes auf die Stellung des ReichSoberhauptes zu dem Inhalte des Werkes zu schließen. Und schon hieraus ergibt sich die Be rechtigung der Zurückgabe rein polemischer Werke über haupt. Es ist ja richtig, daß alle wissenschaftlichen Werke von Polemik sich nicht völlig fern halten können; es ist aber ein großer Unterschied, ob eia wissenschaftliches Werk lediglich zu polemischen Zwecken geschrieben ist oder «ich». DaS zurück-- gewiesene Werk veS Grafen HoeuSbroech verdankt seine Ent stehung lediglich einem polemischen Zwecke und ist eine Streit schrift von der ersten biS zur letzten Seite. Nach unserer Ueberzeugung eine sehr verdienstliche; aber dem Kaiser kann eS nicht erwünscht sein, daß aus der Annahme eines solchen Werkes, der selbstverständlich auch ein Dank folgt, gefolgert wird, er stelle sich dadurch auf den Stand punkt des Verfassers. Wenn er gleichwohl ein Exemplar des früheren Werke» des Grafen „Der UltramontauismuS, sein Wesen und seine Bekämpfung" entgegengeuommen und seinen Dank für die Ueberreichung ausgesprochen hat, so ist daS jedenfalls in der Voraussetzung geschehen, daß daraus keine Schlüsse auf seine Stellung zu dem Inhalte dieses Werkes gezogen werden würden. Aber diese Voraussetzung bat sich als eine irrig erwiesen. Und wenn er ein Exemplar einer polemischen Schrift eines Bischofs entgegennähme und seinen Dank für die Ueber reichung ausspräche, so würde gerade Graf HoeuSbroech der erste sein, der daraus seine Schlüffe zöge und diese vor die Oeffentlrchkeit brächte. Es ist also ganz in der Ordnung, wenn die Zurückweisung rein polemischer Werke als Verwaltungs-Grundsatz ausgestellt und an diesem Grundsätze künftig in jedem Falle festgehalten wird. Daß dadurch die Beschäftigung des Kaisers mit derartigen Werken nicht ausgeschlossen wird, liegt auf der Hand. Aber eS muß verhütet werden, daß der Kaiser infolge der freundlichen Annahme eines solchen Werkes in den Kampf der Meinungen hineingezozen und daß ron der einen und der anderen Seite Kapital mit dem kaiserlichen Namen ge schlagen wird. Nicht nur in den parlamentarischen Körper schaften ist mit Reckt die Hineinzerrung dieses Namens in die Debatten ausgeschlossen; auch >m Preßkampfe sollte dieses Hineinzerren möglichst vermieden werden. Daß Herr Dr. Studt nicht nur des kaiserlichen NamenS wegen, sondern auch seiner eigenen Stellung zu dem Inhalte des Werkes halber die Zurückweisung desselben befürwortet hat, unterliegt freilich keinem Zweifel; aber daS hat mit der prinzipiellen Seite der Sache nichts zu tun. Uebcr «nsere Witzblätter und die Politik stellt die „Post" eine zeitgemäße Betrachtung an, in der cö heißt: „Bei der weitgehenden Freiheit, welche die deutschen Witzblätter in der Teilnahme an den politischen Meinungskämpsen genießen, müssen an den politischen Takt der Herausgeber solcher Blätter be sonders hohe Anforderungen gestellt werden. So wenig die Berech- tigung humoristischer oder satirischer Beleuchtung der politischen Vor gänge bestritten werden soll, so entschieden muß auf die Grenzen hin gewiesen werden, welche die nationalen und die ioternatioualtn Rücksichten der publizistischen Kritik auch in Witzblättern ziehen. Während des Transvaalkrirges haben wir leider Gelegenheit genug gehabt, zu beobachten, daß die Witzblätter sich an internationale Rück sichten vielfach nicht gebunden glaubten, und in den zollpolitischen Kämpfen wird ebenso ost über das nationale Interesse hinweggeschritten. Zur Kategorie dieser bedauerlichen und taktlosen Leistungen gehören einige Bilder, mit denen der „Ulk" seine letzte Nummer geziert hat. DaS eine zeigt die deutschen Staatsmänner mit dem Flicken der Zoll- tarisschutzdecke beschäftigt, rin anderes mit durchsichtiger Anspielung deu deutschen Michel in Zollketten, ein drittes stellt sogar Sorge und Not als Vertreterinnen deS deutschen Volkes dar, wie sie Neujahrskarten beim Reichskanzler abgeben. IN Deatschkurb frisst wird man natürlich über die maßlosen Uebertreibnngen solcher Zerrbilder, soweit man sie kennen lernt, mit Achselzucken hinweg gehen, abel sie sind geeignet, im Auslände über die Stimmungen und Zustände im Deutschen Reiche Vorstellungen zu erwecken, deren Rückwirkung nur schädlich sein kann. DaS ist ein Gesichtspunkt, unter dem derartige Ausschreitungen der Witzblätter immer ver werflich bleiben." In gleicher Richtung bemerkt die „Deutsche Zeitung"; „„NeujahrScour bei Bülow" nennt der „Ulk" das Titelblatt seiner Neujahrsnummer, das in einer Staatskutsche die Gestalten der „Sorge" und der „Not" zeigt, wie sie ihre Karten einem Diener überreichen. „Melden Sie die Vertreterinnen des deutschen Volkes, Sorge und Not!" lautet die Unterschrift. Es sind die Hetz artikel des „Vorwärts" ins Zeichnerische übertragen. Wir be zweifeln, daß es der „Wahre Jakob" so gut machen kann." Leider ist es der „Ulk" nicht allein, der mit dem „Wahren Jakob" wetteifert. Auch der „Kladderadatsch" schlägt in Prosa und rn Versen gegen die Fraktionen deS Reichstag», die den Zolltarif zustande gebracht und die Verschleppungsversuche der Obstruktionisten vereitelt haben, Töne an, die den Rhabarber-Helden de» hohen Hauses abgelauscht zu fein scheinen. Nicht einmal vor gröblicher Beleidigung einzelner Abgeordneter schreckt er zurück. Gelüstet es ihn vielleicht, Mitarbeiter an dem „großen Kladderadatsch" zu werden, den die Herren Smger und Genoffen vorbereiten? Fürst Bistmarck, der ehedem ein mächtiger Schützer und Freund de» Blatte» und seines Redakteurs Ernst Dohm war, würde jetzt, wenn er noch lebte, bekümmert ausrufen: „Auch der Witz de» „Klavde- radatfch" verrohtl" Italien und der englische Somali-Feldzng. Die römische „Tribuna" hält es doch für nötig, in einem zweiten, anscheinend von der Consulta eingegebenen Spitzarttkel England für die Erlaubnis der Truppenlandung in Obbia eine kleine Rechnung vorzulegen. Ausgehend von dem als falsch gekennzeichneten Gerüchte, daß die bei Obbia gelandeten Truppen wieder cingeschifst worden wären, unterstreicht sie stark den guten Dienst, den Italien England durch Erteilung der Erlaubnis geleistet habe, nachdem letzteres dreimal vergeblich von Berber« ans gegen den verrückten Mullah vorgegangen sei. Diesen gnten Dienst hätte Italien freilich nicht verweigern können, da es selbst ein Interesse an der Beruhigung jener Gegenden habe, und sich nicht dem Verdachte der Civili- sattonsfeindlichkcit bei einem Kampfe für die Eivilisation habe aussctzen können. Aber anderseits fei doch klar, daß Italien dadurch seine eigene Lage verschlechtere, denn der Mahdi, der bisher erklärt habe, mit Italien im besten Einvernehmen leben zu wollen, werde nunmehr seine Hal tung ihm gegenüber wahrscheinlich ändern. Vermutlich werde er, vor den englischen Truppen sich zurückziehend, sich nicht nach Norden, sondern nach Süden gegen das italienische Benadir wenden und in dieses einfallen. Auf eine zarte Anspielung auf Englands Benehmen im ita lienisch-abessinischen Kriege, wo dieses die Zustimmung zum Durchzug italienischer Truppen durch Zeila „spät und langsam und parteiisch erteilt habe und auf die Abwehr des Gedankens, als könnte Italien Englands Schwierig keiten benutzen, um ein Geschäft zu machen, folgt dann eine "Lobpreisung Ser italienischen Somaliküste non Bender Ziada bis Kifsimafu als eines afrikanischen Gibraltars und die Aufforderung an beide Regierungen, die Gelegenheit wahrzunehmen, „um die günstigsten Folgerungen daraus zu ziehen". Das heißt also, aus dem Diplomatischen ins Deutsche übersetzt, Italien möchte doch ein Geschäft nrachen; welches, das muß der Leser erraten. Vielleicht möchte es gern einen Teil der so gepriesenen Somaliküste gegen ein Stück des englischen Gebietes mit Zeila eintauschen, um damit seine Kolonie Erythräa abzurnnden und ihr einer: brauchbaren Hafen zu verschaffen. Der Gedanke tauchte bereits früher in den Blättern auf, auch in der „Tribuna", die vor einiger Zeit eine derartige Zuschrift brachte. Seltsam wäre cs allerdings, wenn Italien -en Preis erst forderte, nachdem es die Ware verkauft hat. Zur Lage in Marokko. Eines der angesehensten Blätter Spaniens, „El im- parcial" beginnt ein längeres Expose über Marokko mit einem Worte Bismarcks, wonach zwei „kritische Fälle" in -er internationalen Politik den Frieden der Völker auf Jahrzehnte hinaus bedrohen würden. Der eine Fall Feuilleton. 8f Frau Huna. Roman von Karl Taner a. vtachdnrck verboten. Fräulein Erzberg streichelte sie wieder sanft über die Haare und drückte das schluchzende Mädchen an sich. Nach, dem sie einige Zeit überlegt hatte, begann sie wieder: „Laß einmal jetzt die Frage, ob Izuna dich wiederltobt, ganz aus dem Spiel. Hast du denn schon daran gedacht, was geschehen würde, wenn er dich zur Frau begehren und dich heiraten wollte?" „Scheu, ohne aufzublicken, antwortete Julie: „Du wirst mich für recht töricht lmlten, Tante Klara. Aber ich habe mir wiederholt alle möglichen Fälle ausgemalt, die freilich nichts sind, als Luftschlösser. Sie zerfallen sofort, wenn man die wirklichen Verhältnisse in Betracht zieht." „Das ist das Wahrscheinliche. Und doch möchte ich gern wissen, wie du dir die Zukunft vorgestellt hast. Ich meine damit nicht die Phantastereien, die in dem erregten Kopfe eines jeden jungen Mädchens hier und da einmal spuken, zum Beispiel von der einsamen Insel, auf der es keinen Menschen gibt, als ihn und sie, und auf der man dann ganz in einander aufgeht und so weiter. Nein, ganz real. Glaubst du, daß du ihm wirklich nach Japan folgen könntest, wenn er eS verlangte?" „Glauben, Tante Klara! Das würde ich tun, so wahr ich lebe!" „Aber, wie stellst du dir denn dann daS materielle Loben vor? Izuna ist, soviel ich weiß, nicht gerade reich. Zur Bestreitung seiner Reise und feines Aufenthaltes in Europa hat er ein StaatSstipendium bekommen. Ob er von der Anstellung, die er nach seiner Rückkehr erhalten wirb, gut leben Und eine Familie ernähren kann, wissen wir nicht, denn diese Verhältnisse entziehen sich ganz unserer Schätzung." „Oh, darüber wäre ich beruhigt. Er Hat mir oft er zählt, daß er nach seiner Rückkehr al» Professor an der Universität in Tokio angestellt wird, und dann ebenso gut leben kann, wie ein Universttätsprofessor in Deutschland. Auch sagte er, daß er dann bald heiraten müsse, denn ein lediger Japaner von dreißig und mehr Jahren salle auf, «and einen ledigen Professor wolle man gar nicht." „Nun gut. Es ist aber sehr fraglich, ob er den höhern Ansprüchen, die eine europäische Frau erhüben ixürde, auch nachkommen könnte." „Oh, ich würde gewiß keine höhern Ansprüche machen. Dank eurer Liebe und Freigebigkeit habe ich ja schon über zehntausend Mark gespart. Diese Suurme würde für die Reis« und so lange zum Zuschtehen reichen, bis er in die in Japan eingesührten höhern Gehaltsklaffen käme." „Ei, ei, da sieh einmal einer an, wie gründlich du dich schon orientiert hast. Woher weißt du denn das so genau?" Wieder so scheu, wie vorher, entgegnete Julie: „Das hat mir Izuna alles nach und nach erzählt." „So, so! Hast du dir aber auch ausgemalt, welchen Ent behrungen und welcher Vereinsamung du entgegengehen würdest? Ferner, welche vielen, freilich kleinlichen, aber doch recht empfindlichen Unannehmlichkeiten dir bevor ständen? Du hättest keinen Umgang, keine Beschäf tigung —" „Halt, Tante Klara, da täuschest du dich. Du selbst hast mich durch deine vorigen Worte in dem nur bestärkt, was ich mir schon längst im Innern vorstellte. Ich würde meinem Manne helfen, die Japanerinnen über ihre un würdige Lage anszuklärcn. Dazu müßte ich zunächst ihre Sprache erlernen. Denke nur, was ich da zu tun hätte. Stelle dir aber auch vor, wie ideal schön dann eine solche Aufgabe wäre. An der Seite eines geliebten Mannes zu wirken, um eine große, philanthropische Aufgabe, die er sich gestellt, zu unterstützen, um ihm zu helfen, sein edles Ziel zu erreichen, um unterdrückte Frauen zu befähigen, ihr Recht zu erkämpfen. Da würde ich wahrhaftig keine Bereinsämung empfinden, und einem so idealen Streben zulieb könnte und wollte ich gern einige materielle Ein schränkungen erdulden." „DaS letztere würde mich auch am wenigsten be unruhigen. Du kennst ja ebenso, wie ich, das weiche, gute Herz Elisabeths. Die würde ihr Herzblatt Julie gewiß uicht darben lassen, und ich, soweit ich dir helfen kann, wahrscheinlich auch nicht." „Du gute Tante!" Damit richtete sie sich auf and küßte Fräulein Erzberg. „Laß nur, Kind. Wir sind ja beide recht töricht. Wir sprechen da von Verhältnissen, die höchst wahrscheinlich gar nicht in Frage kommen. Wer weiß, ob nicht Izuna schon eine Braut in Japan hat." „Nein, Tante Klara, die hat er nicht. Das wäre meine geringste Sorge. Aber sag' einmal, Tante Klara — ach, ich wage es gar nicht, zu fragen." Dabei preßte si« sich wieder fest an Fräulein Erzberg und versteckte ihr Gesicht an derer« Brust. „Nun, heraus mit der Sprache. Ich will ja heute nur deine Ratgeberin, deine Freundin sein, mein Kind." „Tante, di« bist so lieb, so gut, daß ich nicht weiß, wie ich dir daS je danken kann." „So frage doch, was du wissen wolltest." „Also du glaubst nicht, daß, wenn Izuna mich wirk lich so lieb hätte, wie ich ihn, und wenn er mich wirklich —" „Du meinst, wenn er dich wirklich heiraten wollte?" „Ja, das meine ich, daß dann der Plan, mit ihin nach Japan zu ziehen, vollständig unausführbar wäre?" „Du stellst «sich da vor eine schwere Frage. Unaus führbar! Nein, das glaube ich nicht. Hat doch erst vor kurzem ein japanischer Legationsrat ein'deutsches adeliges Fräulein geheiratet. Diese Fra»« wird sicher später mit ihm nach Japan übersiedeln, denn ewig kann er doch nicht ar« der hiesigen Gesandtschaft bleiben. Also für unaus führbar hatte ich dies nicht. Es wohnen ja genug Euro päer mit ihren Frauen in Japan, warum solltest du es nicht auch können. Aber sixmpathisch wäre mir eine solche Lösung gewiß nicht, und Elisabeth, wie ich überzeugt bin, ebensowenig. Wir möchten dich nicht so weit «veggobcn." „Ihr liebt aber doch beide Izuna so sehr." ,^fa, das ist wahr, und wir glauben auch, daß er durch und durch ein Ehrenmann ist. Uebrigcns, Kind, «vir sprechen da von Dingen, die keinen Werk haben, denzz die Hauptsache ist ja keineswegs klargelegt. Du weißt ja gar nicht, ob er dich liebt?" „Darüber, Tante Klara, werbe ich mir jetzt, wo ich deine und also auch Tante Elisabeths Gedanken hierüber kenne, bald Klarheit verschaffen." Das hatte so energisch geklungen, daß Fräulein Erz berg ganz erstaunt ihr Pflegekind ansah und verwundert äußerte: ,^Jch kenne dich gar nicht mehr, Julie." Das Mädchen errötete wiederum, und wußte nicht, waS eS antworten sollte. Da rissen es Rufe vom Schloß her aus der Verlegenheit. Fräulein Erzberg antwortete laut: „Mir kommen!" und fügte dann bei: „Laß dir bei den Brauns nicht an merken, daß du geweint hast, und sei vor ihnen gerade im Verkehr mit Izuna sehr vorsichtig. I« heiterer du bist, desto besser." „Oh, liebste Tante Klara, ich kann ja auch wieder heiterer sein. Laß mich noch einige Primeln für Tante Elisabeth und dich pflücken. Ich folge gleich nach." „Gut, ich gehe voraus." Als Julie allein war, bückte sie sich und raffte blühende Primeln zusammen. Aber ihre Gedanken wäre«« gar nicht bei der Stiche. Im Nu ging ein Plan durch den Kopf deS trotz seiner äußer«« Sanftheit doch sehr energischen Mäd chens. Jetzt, wo sie überzeugt war, mit ihren ZuknnftS- gedanken bei ihren beiden Pflegemüttern auf keine un überwindbare«» Schwierigkeiten mehr zu stoßen, jetzt be schloß sie, sich Izuna zu erringen. Sie wußte wohl, daß er sie liebte, aber die Schranke, die zwischen ihnen beiden infolge der eigentümlichen Verhältnisse bestand, für so ge waltig hielt, daß er gar nicht wagte, seiner Liebe nachzu geben. DaS sollte er nun lernen, und sie selbst wollte ihm hierzu die Lehrmeisterin sein. In Eile waren zwei kleine Sträuße gebunden. Dann kehrte Julie zürn Schloß zurück. Sie sah viel frischer, viel heiterer, viel hübscher aus als vorher. Fräulein Edwald begrüßte sie ebenfalls herzlicher als gewöhnlich. Mochte ihr Fräulein Erzberg schnell einige Worte gesagt haben, oder freute sie sich so sehr über die Blumen, oder mar es eir« Zufall, Julie empfand diese Art heute aber doppelt angcuehm. ES war ihr wie eine Be kräftigung, daß sic sich auf den« richtigen Wege befinde. Um halb zwölf kam Izuna von Berlin an. Julie gab dem Doktor ganz unbefangen die Hand und erwiderte freundlich seinen Gruß. Bald herrschte eine allgemeine, heitere Unterhaltung, bei der kein Mensch Julie aumcrkte, daß sie besonders erregt sei. Nach den« Gabelfrühstzück fuhren die Wagen vor. Es wurden Decken, ein Korb mit Kuchen für den Nachmittags kaffee, mit belegten Brötchen für -en Abend und mehreren Flaschen Wein den Kutschern übergeben. Die Fahrt bis Potsdam war schon sehr schön. Von dort an wuvde sie aber mit jedem Schritt noch entzückender. Mau hatte für hinwärts die Straße auf dem östlichen Havelufer gewählt. Auf der rechte«« Seite erstreckte sich der breite Havelsee. Aus dunkelgrüner» Nadelwaldungen blickten Landhäuser, welche in sorgsam angelegten Gärten standen, blühendes Schilf rahmte die tiefblauen Wasser flächen ein, und in der klaren Flut wiegten sich zahlreiche Schwäne und «vilde Enten. Links reichte der Fichtenwald bis Kart an die Straße. Oft aber wurden seine dunklen Schatten durch die weißen Stänrme und daS Helle, saftige Grün von zahlreichen Birken nnterbrochen, und der Weg selbst führte unter einer Allee von solchen weißleuchtenden Bäumen, streckelnveise auch zwischen noch etwas zurück- gebliebenen Platanen durch. DaS gab allerliebste Wechsel bilder, welch« ganz besonderen Reiz b«i b«n so idyllisch »«-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite