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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030109013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903010901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903010901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-09
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LS ES ist nur erklärlich, daß die lebhaften und erregten Debatten, die in den letzten Wochen Les verfloßenen Jahres in der französischen Deputiertenkammer über den Neubau von Kriegsschiffen und über die Verminderung der Besatzungsstärken des Mittelmeergeschwaders geführt worden sind, noch immer ihr Echo in der ausländischen Presse finden und dort vielfach Ku Erörterungen über die zukünftige Kriegsbereitschaft der französischen Flotte führen. Als Ausgangspunkt wird hierbei an die ver schiedenen Fragen angeknüpft, die der Deputierte M. Reille im Laufe der Diskussionen über die oben ge nannten Punkte an den gegenwärtigen Marineminister richtete und die in dem Satze gipfelten: Was denn aus der französischen Flotte und weiter aus Frankreich geworden wäre, wenn unerwartet am 20. Oktober d. I. der Krieg erklärt und Tags zuvor das Mittelmeergeschwader um 1900 Mann seines Friedenseffektivbestandes vermindert worden wäre? Der Minister hat auf alle Angriffe seiner Gegner immer nur dieselbe Antwort gehabt, -aß nach seinem Dafürhalten ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Mittelmeer- und Nordgeschwader nicht bestehe, daß letzteres, ohne an seiner Kriegsbereitschaft etwas einzu büßen, während der Wintermvuate stets auf herabgesetztem Etat gehalten werde, und daß er zu Ersparnissen ge zwungen sei, um u. a. den notwendigen Ausbau -er so überaus wichtigen und vernachlässigten Flottenstützpunkte Saigon und Disgo-Suarez endlich durchführen zu könne». Eine Gleichbewertung der beiden in Rede stehenden Geschwader läßt sich schwerlich aufrecht erhalten, wenn man den lehrreichen Bericht, den Anfang dieses Jahres der ehemalige Marineminister und Budgetberichterstatter M. Lockroy veröffentlichte, einer erneuten Durchsicht unter zieht und darin findet, daß die oberste Leitung der Marine nach wie vor das Hauptgewicht darauf legen werde, die Hauptseestreitkräfte, ausschließlich modernsten Materials, im Mittelländischen Meere zu Lonzcntrieren und hier im Verein mit der Rescrvedivision den entscheidenden Schlag zu führen, falls es je zu einem Kriege gegen England kommen sollte. Gegenüber den in diesem Meere beab sichtigten offensiven Tendenzen solle die Defensive im Aermelkanal das entscheidende Prinzip bleiben und dazu hier nur ein schwaches Panzergcschwader, verstärkt durch zahlreiche Kreuzer einheitlichen Typs versammelt werden. M. Lockroy betonte in seinem Berichte ferner, daß auf dieser Basis die ganze zukünftige Gestaltung der Marine aufgebaut werden und in sachgemäßer Prüfung alles neu zu schaffenden Materials an Grundsätzen festgehalten werden müsse, deren Richtigkeit über jeden Zweifel er haben und auch von fast allen Marincautoritäten an erkannt seien. Im Zusammenhänge mit diesen Aus führungen ist es auch nur verständlich, wenn M. Lockroy jetzt in dem heftigen Streite der Meinungen dem Marine minister cntgegengehalten hat, daß das Mittelmcer das Schlachtfeld der Zukunft sei, daß sich hier die Geschicke Frankreichs entscheiden würden, und daß deshalb das in diesem Meere versammelte Geschwader als ein integrie render Teil der französischen Landesverteidigung auf un verminderter Höhe seiner Zahl und feiner Ausbildung er halten bleiben müsse. Aber noch ein anderer Gesichts punkt von allgemeinem Interesse ist gelegentlich der Ver handlungen über den statu?? guo des Mittelmeer geschwaders und seine kriegsgemäßc Verwendung zur Sprache gekommen. In begeisterter Rede wies nämlich -er Deputierte M. Reille auf die außerordentliche Be deutung hin, die sich Frankreich mit so großen Opfern an Zeit und Geld in dem neubefcstigten und erweiterten Bizerta geschaffen habe, und wie in diesem Stützpunkte die Basis des Entscheidungskampfes und der Endpunkt der von Toulon über Korsika festgclcgten strategischen Linie zu sehen sei. Diese Befestigungen an der nordafrikanischen Küste, so führte M. Reille weiter aus, seien aber auch not wendig, und mit ihnen müsse ein starkes, allzeit! kriegs bereites Geschwader im Mittelmccr erhalten bleiben, nachdem die Abmachungen zur Kenntnis der Regierung gelangt seien, die Eng land für den Kriegsfall bezüglich Trup penlandungen von Malta und Gibraltar aus an -er Küste Algeriens und von Tunis vorbereitethabe. Es kommt hier als Tatsache hin zu, -aß England schon seit langer Zeit im Stillen immer mehr an der Vergrößerung und sortifikatorischen Ver stärkung seiner beiden vorgenannten Flottcnstationcn im Mittelländischen Meere arbeitet nnd dazu sein hier statio niertes Geschwader nicht nur der Zahl, sondern auch der Qualität seiner Schisse nach allmählich so verstärkt, daß die erhöhte Wachsamkeit der französischen Regierung an -er südlichen Landcsgrenze, vom politischen und militä rischen Gesichtspunkte aus, nur gerechtfertigt erscheinen kann. Auch darf hierbei nicht außer acht gelassen wer den, daß ein Auf-KriegSfuß-Setzen des französischen Mittel- meergeschwaderS erst nach erfolgter Mobilmachung in folge der nachteiligen Hafenverhältniffe von Toulon ver mieden werden muß. Auch auf bieWtchtigkeit dieses Gesichts punktes hat M. Reille in seinen Ausführungen hin gewiesen, indem er auSsprach, daß die französische Mittel meerflotte im Hafen von Toulon unfehlbar (inkaiUiblo- wontj eingeschlossen sein werde, falls sie nicht im stände sei, schon eine Stunde nach ausgesprochener Kriegserklärung -en Hafen zu verlassen. Vom Gesichtspunkte der Qualität aus steht die fran zösische Flotte unstreitig auf hoher Stufe und braucht keinen Gegner zu fürchten. Insonderheit gilt dies von dem Material, das -en Kern des Mittelmeergeschwaders bildet. Zu ihm gehören von den 10 Schlachtschiffen erster Klasse des gegenwärtigen Bestandes 6, und unter ihnen sind die drei Panzer vom Charlemagnetyp durchaus homogener Konstruktion. Einige bauliche und artilleri stische Verbesserungen, die an ihnen demnächst vor genommen werden sollen, werden ihre Modernisierung vervollständigen. Auch der „Suffren", das neueste Linien, schiff der französischen Flotte, soll, neuesten Nachrichten zufolge, in den Verband des Mittelmeergeschwaders treten, und das Gleiche soll der Fall sein, wenn die beiden im Bau befindlichen Schlachtschiffe -er Röpublique-Klasse fertig sein werden. Ueber die Verteilung der 15 Panzer kreuzer, die Frankreich zur Zeit in mehr oder weniger vorgeschrittenem Bau hat, sind endgültige Bestimmungen noch nicht getroffen, vermutlich wohl auch deshalb nicht, weil sich ihre Fertigstellung unter -em gegenwärtigen Regime schwerlich voraussehen läßt. Darin liegt ja über haupt unzweifelhaft eine große Gefahr für die Weiter entwicklung des Kriegsschiffsbaues in Frankreich, und folgerichtig auch für die Bereitschaft einer immer auf der Höhe der Zeit stehenden Kriegsflotte, daß die Tendenzen des dortigen Bauprogramms nicht ständig denselben geraden Weg verfolgen können, sondern wechseln und schwanken, je nach» dem Fahrwasser, in welchem sich der Jdeengang des jeweilig am Ruder befindlichen Marine ministers auf und ab bewegt. Dabei muß man aber doch dem gegenwärtigen Marincmtnister wenigstens insofern Gerechtigkeit widerfahren lassen, als er — und diese Tat sache steht im Widerspruche zu allen bisherigen Ver öffentlichungen in der Presse — die Baufortsetzung der drei bereits bewilligten und schon begonnenen Schlacht schiffe „Domocratie", „Justice" und ,LZvrits" nicht in hibiert hat, sondern dieselbe vielmehr ungestört zu Ende führen lassen will. Da Minister Pelletan jedoch, wie be kannt, ein Gegner des Schlachtschiffbaues ist und die Wehr kraft Frankreichs zur See gern einer starken Kreuzer flotte übertragen sehen möchte, so spricht die Wahrschein lichkeit dafür, daß er die Zeit seiner Eigenschaft als Marineminister dazu benutzen wird, diesen seinen An schauungen weiteste Verbreitung und neue Anhänger zu verschaffen. Neben den Anhängern -es Kreuzerbaues stört noch eine dritte Kategorie von Strömungen die ruhige und gleich mäßige Entwicklung und Lösung von großen schiffbau technischen Fragen. Diese Gruppe uurfaßt alle diejenigen, die zur Fahne der Unterseeboote schwüren und in diesen Fahrzeugen eine glorreiche Zukunft Frankreichs auf dem Meere voraussehcn wollen. Wie dem aber auch sein inag, und wie unentschieden auch in mancherlei Hinsicht der Kriegsschiffsbau in Frankreich zur Zeit noch liegt, das eine darf als feststehend angesehen werden, daß mit den 140 Schiffen, die die französische Ma rine gegenwärtig in Dienst hat, sie befähigt sein wird, ein gewichtiges Wort in den Gang kriegerischer Ereignisse zu werfen. 5 Deutsches Reich. * Leipzig, 8. Januar. Wie uns telegraphisch au» Berlin berichtet wird, läßt sich das „Berliner Tageblatt" von hier melden, die Nationalliberalen in Sachsen würden bei den nächsten ReichStagSwahlen sich entweder der Stimmen enthalten oder in überwiegender Mehrheit für die sozialdemokratischen Kandidaten stimmen. Damit dürfte das Kartell in Sachsen tatsächlich gescheitert sein. — Da das „Berliner Tageblatt" Feuer und Flamme für die Rettung des „Liberalismus" durch einen Bund mit der Sozialdemokratie ist, so ist e» begreiflich genug, daß es von einem Leipziger Gesinnungsgenossen einen derartigen Bären über die Beschlüsse der sächsischen Nationalliberalen sich aufbinden läßt. Die Enttäuschung wird nicht auSbleiben, auch wenn da» Kartell in Sachsen in die Brücke geht, worüber jedenfalls das „Berliner Tageblatt" nicht früher wird berichten können als die sächsische Presse. Berlin, 8. Januar. Aus der Statistik der Heil- behandlung auf Kosten der Versicherungsanstalten und Kasseneinrichtungen für 1887 bis 1901 gebt hervor, wie ein Heilerfolg, so daß Invalidität in absehbarer Zeit nicht zu besorgen (tz K des JnvalidcnversicherungSgesetzeS) bei Abschluß de- Heilve»fahren- auf je 100 wegen Lungen tuberkulose (bezw. wegen anderer Krankheiten) ständig behandelter Männer und Frauen in den fünf Berichtsjahren 68 (69), 74 (73), 74 (71), 72 (72) und 77 (74) Mal erzielt wurde. Bei den wegeu Lungentuberkulose (bezw. wegen anderer Krankheiten) ständig behandelten und kontrollierten Personen hat der im Jahre 1897, 1898, 1899, 1900 und 1901 in 62 (59), 44 (44), 30 (39), 30 (36) und 27 (34), der 1898 erzielte Heilerfolg bi- zum Schlüsse der Jahre 1898, 1899, 1900 und 1901 in 68 (66), 45 (48), 39 (44) und 34 (41), der 1899 erzielte Heilerfolg bis zum Schluffe 1899, 1900 uud 1901 in 67 (61), 48 (47) und 41 (43), der 1900 erzielte bis zum Schluffe ver Jahie 1900 unk 1901 in 66 (64) und 50 (50), der in 1901 erzielte bis zum Schluffe dieses Jahres in 72 (68) von je 100 Fällen an- aebalten. Die Anfangserfolge für Lungentuberkulose und andere Kranke wichen in den einzelnen Jahren nur unweientlich von einander ab, in 1901 sind sie am günstigsten gewesen. Die Jahre 1898, 1899, 1900 und 1901 brachten durchweg bessere Ergebnisse in Bezug auf Dauererfolge als das Jahr 1897, was jedenfalls auf die sorgfältigere Auswahl des Krankenmaterials auf Grund der bisher gemachtenErsahrungen zurückzuführen ist. * Berlin, 8. Januar. Die „Natioualliberale Jugend", die Monatsschrift des ReichSverbandeS der natronalliberalen Jugendvereine, sagt in einem Rückblicke auf Vie Zollkämpfe und ihre Zwilchenfälle: Zum ersten Male bei uns sind die überhitzten Parteileidenichaiten völlig aus dem Rahmen sachlicher Debatte gesprungen und baden sich bis hart an die Grenze der Realiniurien zu Obstruktionsmaßregeln hinreißen lassen, deren wüste Brutalität nur noch gelegentlich übertroffen wurde durch die kindisch läppische Art, mit der diese Bestrebungen in die Ericheinung traten. Lange genug ließ sich die Mehrheit durch den un sachlichen Mißbrauch der Geschäftsordnung schikanieren, mit welchem die Minderheit die Beratungen bis ins Uferlose zu verschleppen suchte; sie wollte anscheinend nicht Gleiches mit Gleichem vergelten — endlich riß ihr die Geduld, und sie gab die empfangenen Schläge wieder zurück. Und das mit um so größerem Rechte, als die amtlichen Befugnisse der Präsidialgewalt satzungsgemäß einstweilen nicht so weil gesteckt sind, daß sie derartige Obstruktionsgelüste im Schach halten könnte. Solchen Gelüsten gegenüber befand sich daher die Mehrheit in einer fatalen Zwangslage; sie hatte zu wählen zwischen zwei Nebeln, nämlich zwischen der Auf gabe der Gesetzesvorlage und der Anwendung eines gescbäftS- ordnungSmäßigen Rechtes, das gerade in diesem Augenblick um so unliebsamer erscheinen mußte, als es eine peinliche Arhnlichkeit batte mit der ObstruklionStaktik der Gegner. Sind nun diese Gegner, wie gesagt, in der Minderheit und füllen sie noch dazu die Luft mit dem Geschrei, daß sie die Interessen des Volke« verteidigen, so begreift man leicht, wenn sich die Sympathien der Menge gegen den Stärkeren erklären. Es ist deshalb ferner ganz natürlich, daß die gegnerische Presse, mit besonderer Rücksicht auf die kommenden Wahlen, dieses psychologische Moment ausbeutet und damit, ohne sich Unkosten aufzuerlegen, in breiten Schichten der Bevölkerung Anklang findet. Letzteres um somehr, als sie ihre Entrüstung durch schwer verständliche sachliche Grünve zu stützen für überflüssig hält. Ja, die guten Gründe scheinen den Gegnern überhaupt stark zu fehlen, denn selbst der energischsten Nachfrage gegenüber verhalten sie sich wie Falstaff: „Mit Gewalt Giünde angebeu! Wenn Gründe so gemein wären wie Brombeeren, so sollte mir doch keiner mit Gewalt einen Grund abnöligen, nein!" In der Tat liegt denn die Sache auch so, daß die Gegner einen ungeheuren EnirüstungSrummel insceniert haben ohne stichhaltige Gründe, aber mit vortrefflichen Schlagworten. Brotwucher, Vergewaltigung der Geschäftsordnung, Erdrosselung der parlamentarischen Minderheit! Wie das klingt! Im Munde der Gegner be ziffert man solche Kritik, besonders augenblicklich, wohl mit Recht als Stimmungswert oder Parteitaklik. Was aber toll man dazu sagen, wenn solche Posaunen im eigenen Lager ertönen? Die natioualliberale Fraktion, die in patriotischer Selbstlosigkeit zum Schutz der Würde unseres Reichs tages und in pflichtgemäßer Erfüllung ihrer Eisenacher Be schlüsse, die Führung der Majorität übernommen hat, findet in der Partei selbst mehrfach eine Kritik, die ebenso unge recht wie auch — nach den Ergebnissen deS Delegierien- tageS — völlig unsachlich ist. Die Fraktion soll unigefallen sein; worin denn? Sie bat einfach ihre Pflicht getan; frei lich mußte sie zu diesem Zwecke einen Weg wählen, den wir vorher als „kleineres Ucbel" gekennzeichnet haben. Mer konnte sie anders? Sie befand sich eben in einer Zwangs lage. Sie befand sich in Notwehr. Die absprechende Kritik ist billig, ungeheuer billig. Haben alle die Verdammungs urteile auch nur ein einziges Mittel genannt, daS an die Stelle des von der Fraktion gewählten hätte gesetzt werden können? Nein und abermals nein! * Berlin, 8. Januar. Eine Denkschrift zur Re vision des Krankenversicherungsgesetzes ist dem BundeSrate vom Geschäftsausschuß veS Deutschen AerztevereinSbundeS mit folgendem Begleitschreiben übersandt worden: „Der im Juli v. I. in Königsberg abgehaltene 30. Deutsche Aerztetag, aus welchem die Stimmen von nahezu 19 000 deutschen Arrzten vertreten waren, hat den Beschluß gefaßt, beim hohen BundeSrate zu beantragen, daß zur Beratung der Abänderungen deS KrankenversichrrungsgesrtzeS Vertreter der Aerzteschast, welche von dieser gewählt werden, beigezogen werden. Die vom ReichSamt deS Innern betätigten Vorarbeiten dürften bald so weit abgeschlossen sein, daß die Ausarbeitung der Novelle zum Krankenversicherung««»^ in Angriff genommen wird. Die Umsetzung des KrankenversicherungSgesetzeS in daS Prak- tische Leben ruht zum großen Teil aus den Schullern der Aerzte. Ohne Arzt kann keine Krankenkasse die ihr vom Gesetze auferlegten Pflichten erfüllen. Durch die Erfahrungen, welche die Aerzte während der 18 Jahre deS Bestehens deS KrankenversicherungSgesetzeS ge sammelt haben, sind sie gewiß in der Lage, bei der al» notwendig erkannten Abänderung eine» für daS gesamte VolkSwohl so eminem wichiigen Gesetze- praktische Winke und Anregungen zu geben. Dein einerseits sind die Aerzte vermöge ihre» Berufes an de Beobachtung gewöhnt, sprechen die Versicherten nicht bloß bei der Arbeit, sondern besuchen sie auch in ihren Wohnungen kennen ihre Hän-Iichen Verhältnisse und verfolgen ihr Familien leben; anderseits stoßen sie bei der Behandlung der Krankenkassen- Mitglieder tagtäglich aas Mißstände, Uniaträglichkritra und auf Gebräuche, die sich — mit dem Geiste d«S sozialen Gesetze» un vereinbar — durch die Art der Kranken, durch die Gesetz gebung selbst und durch die Art der Ausführung de« Gesetze» herausbildeten, nicht zuletzt sind die Aerzte selbst durch daS Krankenversicherungsgesetz in ihrem Erwerbsleben und ihrer sozialen Stellung in einer Weise in Mitleidenschaft gezogen, daß es nicht unberechtigt erscheint, wenn sie auch ibre Interessen selbst zu vertreten wünschen. Im modernen Staatsleben finden wir Len Grundsatz auSgevrägt, bei den verschiedensten Angelegen heiten die beteiligten Kreise beizuziehen. Auf Grund dieser Er wägungen bitten wir den hohen Bundesrat: Zur Beratung der Abänderungen deS KrankenversicherungSgesetzeS die Beiziehung von Vertretern der deutschen Aerzteschast zu veranlassen, welche von dieser gewählt werden. Wir erklären uns gleichzeitig bereit, geeignet er scheinende und im Krankenkassenwesen besonders erfahrene Aerzte in Vorschlag zu bringen". Die Denkschrift soll auch allen Mitgliedern deS Reichs tages zugestellt werden, sobald die Sitzungen wieder aus genommen worden sind. T Berlin, 8. Januar. (Telegramm.) Zur gestrigen FrüystückStasel beim Kaiser waren StaatSnnnister Budde und General von Schwartzkoppen geladen. Nachmittags besuchte der Kaiser die Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche und machte daran anschließend eine Spazierfahrt. Zur Abendtafel waren der Reichskanzler Graf von Bülow und der Staats sekretär von Tirpitz geladen. — Heute morgen unter nahm der Kaiser einen Spaziergang im Tiergarten, hatte eine Besprechung im Reichskanzlerpalais mit dem Reichs kanzler und hörte im königlichen Schlöffe die Vorträge deS Kriegsministers von Goßler und deS CbefS de- Militär kabinett- Graf von Hülsen - Häieler. Um 11 Uhr 45 Min. begab der Kaiser sich mit Sonderzug nach Hannover. (-) Berlin, 8. Januar. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung des Bundesrates wurde den Ausschußberichten zu gestimmt über die Vorlage, betreffend die Entbindung aus ländischer Dampfschiffe von den für Auswandererschiffe vor gesehenen Keffelrevisionen, über den Entwurf des Etats über die Expedition nach Ostasien zum ReichShaushaltS- etat für 1903, dem Entwurf des Gesetzes, betreffend die Feststellung de» HauShaltsetatS für die Schutzgebiete aus da» Rechnungsjahr 1903. Ferner wurde den ÄuSschußberrchten über die Entwürfe von den Etat» zum ReichShauShaltSetat für 1903 und zwar des Auswärtigen Amtes, der Reichsschuld, sowie des Gesetze-, betr. die Feststellung deS ReichshauS- haltSetats für 1903, die Zustimmung erteilt. (-) Berlin, 8. Januar. (Telegramm.) Da- Staats ministerium trat heute unter dem Vorsitz de» Grafen v. Bülow zu einer Sitzung zusammen. D Berlin, 8. Januar. (Telegramm.) Graf Pückker wurde heute wegen Beleidigung des Gastwirts „Zum goldenen Löwen" in Hottwil (Kanton Aargau) in der Schweiz, Jean Ette und seiner Angestellten Haeusli. von denen er behauptet hatte, sie hätten ihn durch vergiftete Suppe töten wollen, vom Schöffengericht des Amtsgerichts I zu 450 Geldstrafe event. 30 Tagen Gefängnis verurteilt. (-) Hannover, 8. Januar. (Telegramm.) DerKaiser ist mit Gefolge heute nachmittag ^5 Ubr hier eingelroffen und hat sich, von dem zahlreich veriammellen Publikum leb haft begrüßt, nach dem Residenzschloß begeben. Wera, 8. Januar. Die streikenden Kassen ärzte suchen ihr Verhalten wie folgt zu rechtfertigen: Die Kassenärzte erhalten eine äußerst geringfügige Pauschalsumme, die von ihrer Kommiision auf die Einzelleistungen verteilt wird. Die Bezahlung winde aber unter daS zu lässige Mindestmaß heruntergedrückt, wenn Aerzte mit an dem Pauschquantum Anteil hätten, bei denen, wie bei den Naturärzten, schon durch die total verschiedene Be- handlungSmetbode eine ganz andersartige und nicht kontrollierbare Rechnungöaufstellung unabwendbar wäre. Eine gerechte Verteilung ist nur möglich auf Grund einer gemeinsamen Arbeitsart. Da der Kaffenvorstand mit Rücksicht hierauf erklärte, an die Anstellung eines Na- turarzteS sei nicht zu denken, unterschrieben die Kaffen ärzte den neuen Vertrag, aus dem infolge dieser Erklärung die die Naturärzte ausschließenve Klausel wegblieb. Wenige Tage nach Unterzeichnung deS Kontraktes stellte aber der Kassenvorstaud den Naturarzt vr. Enge lm ann an, ohne die Kassenärzte vorher davon verständigt zu haben. Hierin erblicken die Aerzte einen groben Vertrauens bruch. Erst nachdem verschiedene Ausgleichs- und EmiguugS- vorsckläge zurückgewiesen seien, hätten sie verlangt, daß nur die Aerftckommission über Neuanstellungen zu entscheiden habe, und erst, als auch dieser Vorschlag abgelebnt morden, Härten sie ibre Tätigkeit eingestellt. — Selbst die Richtig keit dieser Darstellung zugegeben, so haben doch die Aerzte den Wortlaut des Vertrags gegen sich und eia hiesiaes Blatt fragt, weshalb ein Hydrotberapeut, der nicht selbst massiere, Packungen mache usw., sondern nur ordiniere, außer halb des Pauschales stehen müsse. Und jedenfalls rechtfertigt auch eine solche Sachlage noch keinen Streik. r. ttrctz, 8. Januar. (Privattelegramm.) Der Großherzog von Sachsen-Weimar-Enena ch traf hier heute mit Gefolge rin und wurde am Bahnhöfe vom Ober bürgermeister Thomas begrüßt. Zum Empfange war der Fürst-Regent erschienen, der mit seinem Gaste nach dem Schlosse fuhr. Die Bevölkerung brachte dem Großherzoge stürmische Huldigungen dar. * Kattowttz, 8. Januar. Auf einer, der Kattowitzer Aktiengesellschaft gehörigen Grube brach beute früh ein Ausstand auS. Von 500 Bergleuten sind 350 ausständig. Auch auf der RedenSblickgrube ist ein Teil der Ar beiter nicht eingesahren. Die Arbeiter verlangen eine Lohn erhöhung. (Voss. Z,g.) * Nottenburg, 7. Januar. Der Bischof Keppler von Rottenburg hat am NeujabrStagr, als die Geistliche« de- Rottenburger Landkapitels sich zur Gratulation bei ihrem Oberhirten eiugefundea batten, wieder einmal geredet uud gesagt: Er könne ihnen kein« bessere Losung für da- neue Jahr mit gebe», al- da» johannetfch« Wort: „Glaubet nicht jedem Geiste,
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