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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030109021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903010902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903010902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-09
- Monat1903-01
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Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .XL 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 97. Jahrgang. „Die Lrisis in Sachsen." Unter dieser Uebcrschrift veröffentlicht die „Drcsd. Ztg." einen auch an die außersächsische Presse versendeten und vom „Vorwärts" mit Begier aufgegriffenen Artikel, der die kronprinzlichc Ehetragödie bespricht und der Welt glauben zu machen sucht, das sächsische B ol k sei wie in den Maitagen 1849 bisin die Tiefe erregt, die Parteien zögen aus dem Hofskandal die politischen Folgerungen, die religiösen Gegen sätze zwischen dem protestantischen Volke und dem katho lischen Königshause träten scharf hervor, cs sei n o ch lange nicht abzusehen, wohin die Kata strophe führen werde, die Vorkommnisse in Lachsen hätten v e r z w e i f e l te A c h n l i ch kci t mit den Ereignissen vor Ausbruch der franzö sischen Revolution, man habe den Bogen über spannt, nun seien die Lehnen gerissen. Begründet wird die „Erregung des Volkes" und die heftige Sprache des bekanntlich auf dem alleräußersten Ausläufer des linken Flügels der nationalliberalcn Partei stehenden Blattes damit, daß jesuitische Einflüsse die Kron prinzessin zur Verzweiflung getrieben hätten. Zwar sei cs unwahrscheinlich, wenn auch durchaus nicht unmöglich, daß die Jesuiten den Jcsuiten- zögling Giron an den Hof gebracht, um die antijesuitisch gesinnte Kronprinzessin durch den Frauenjägcr in die Falle zu locken und so unmöglich zu machen, aber d i c Jesuiten blieben troydcm die Schuldigen, und zwar nach der Anklage der Kronprinzessin selber, die mit bewegten Worten dem Vertreter eines Wiener Blattes in Genf gegenüber den sächsischen Hof der starren Bigotterie geziehen und gesagt habe, daß dort die Jesuiten Herr seien, daß die Kinder dem mütterlichen Einfluß entrückt und unter den der Jesuiten, der mili tärischen und der höfischen Erzieher gebracht worben seien, was sie nicht habe ertragen können. Demgegenüber mutz doch allen Ernstes hervorgehoben werden, daß ruhige und unvoreingenommene, aber doch nicht minder über zeugungstreue protestantische Beobachter die Lage keineswegs so düster ansehcn, wie das er wähnte Preßorgan, und daß von einer tiefen Er regung der Volksmassen wie am Vor abend einer inneren Umwälzung gar nichts zu verspüren ist. Die übrige säch sische Presse — mit wenigen Ausnahmen — enthält nicht den geringsten Widerhall einer solchen Bolksstimmung. Zweifellos ist ja die protestantische Bevölkerung Sachsens anläßlich der bekannten Geschehnisse des Gegen satzes zwischen dem evangelischen Bekenntnisse des Landes nud dem katholischen des Hofes sich stärker bewußt ge worden, zumal da man sich sagt, daß in einem protestan tischen Königshause dem Skandal längst durch die nach katholischer Auffassung unmögliche Scheidung der Ehe cinEnde gemachtworden wäre. Allein von da bis zu einer so drohenden Sprache, wie die „Drcsd. Ztg." sic führt, ist doch noch ein sehr weiter Schritt. D a s p r v t e st a n- tischc Sachsen hat mit seinem katholischen H e r rs ch e r h a u s c bis jetzt durchaus z um frieden sein können. Es ist noch in aller Er innerung, wie König Albert peinlichst jeden Schein ver mied, der wie eine Protegicrnng katholischer Vclleitätcn ausgesehcn hätte, wie er selbst mit fester Hand der von dem Prinzen Max vor zwei Jahren in Lachsen versuchten ultramontancn Propaganda ein jähes Ende bereitete und wie tief das an die protestantischen Geistlichen gerichtete Wort: „Habt Ihr denn gar kein Vertrauen m ehrzumir ? " in seine Lcele blicken ließ. Und eine der ersten Versicherungen des jetzigen K önig s nach seinem Regierungsantritte war die: „Tic evange lisch e K i r ch c s o l l c s u n t e r m e i n e m N e g i m e nt nicht schlechter haben, als unter meinem Bruder ". König Georg hat bisher auch nicht das Ge ringste getan oder unterlassen, was dieses Wort nur im entferntesten Lügen zu strafen vermöchte. Jedenfalls mutz es als übereilt bezeichnet werden, ans durchaus unverbürgte Worte Höch st zweifelhafter Interviews so schwere Beschuldigungen zu gründe n. Und zudem hat die Kronprinzessin in dem angezvgcncn „Interview" gerade das Gegenteil vondem gesagt, was die „Dresdner Zeitung" ihr in den Mund legt. Der Interviewer fragte, ob auch das Lachen am Dresdner Hose untersagt gewesen wäre, worauf die Prinzessin erwiderte: „Und ob cs verboten war! In einem Hause, in welchem die Jesuiten unum schränkt gebieten, darf man nicht lachen." Dann der Interviewer: „Dennoch sind Lie nicht wegen solcher Dinge davongegangcn?" Darauf die Kronprinzes sin: „Nein, weil ich unglücklich verheiratet war". Also dieselbe Begründung, mit der die meisten „ulrvcrstandcncn" Frauen ihre Fehltritte zu beschönigen suchen. Hat das Interview wirtlich stattgcfunden, so kann cs keine schlagendere Widerlegung der Behauptungen geben, die Jesuiten hätten der Kronprinzessin das Leben am Dresdner Hofe unerträglich gemacht. Wie schlecht müssen übrigens die Väter dieser Behauptung die Jesuiten kennen! Als ob diese solchen Leuten, die sie in ihren Bann bringen möchten, das Lachen und andere, minder harm lose Vergnügungen verböten! Im Gegenteil. Die „frommen" Schleicher würden, wenn sie wirklich den Dresdner Hof beherrschten, der lebenslustigen Kron prinzessin sicherlich volle Gelegenheit, in aller Stille „sich auszuleben", verschafft und sie dadurch zu einem gefügigen Werkzeuge gemacht haben. Warte man doch wenigstens, bevor man nach geheimen Intrigen sucht, die Denkschrift Lachenals, welche die Motive der Kronprinzessin, wie es heißt, enthüllen sollen, sowie das Ergebnis des „Ehe- irrungsprozesseö" ab, und urteile -daun. Fährt mau dagegen fort, auf diese Weise den Dresdner Hof in den Augen der protestantischen Welt zu diskreditieren, so kann man l e i ch t d a s G e g c n t c i l v o n d c m e r r e i ch e n, was man erstrebt, nämlich anstatt der „Besciti- gung landfremder Einflüsse " die Herein- ziehung nnd Kräftigung solcher. Entbehren die erhobenen Beschuldigungen der Begviindung, so können sie nur im höchsten Grade verstimmend auf den König ein wirken, dessen Thron wir noch für recht fest gefügt halten. Auf keinen Fall aber entflamme man, ehe mau nach- g cwiescne r matzen Anlaß dazu hat, au einer vorerst nnr angeblichen Acußerung der durch eigenen Entschlich „landfremd gewordenen" Prinzessin den Hader der Kon sessionen, der schon einmal in Lachsen das friedliche Zu sammenarbeiten der Protestanten und Katholiken zu un tergraben drohte und dem kein Geringerer ein Ziel setzte, als König Albert! politische Tagesschau. * Leipzig, 9. Januar. Gegen die Aushebung der städtischen Lcbcnomittclstcucr. Nach 8 10a des neuen Zolltarisgesetzes sollen die städti schen Lebcnsmittelsteucrn vom 1. April 1910 an aufgehoben werden. Wie erinnerlich, bekämpften die verbündeten Re gierungen diese Bestimmung, die im Reichstage gleichwohl mit dem Kompromiß angenommen wurde. Inzwischen sind Vertreter der betrvssencn Ltädte zusammengekom- men, nm, wenn irgend möglich, die Beseitigung dieser Be stimmung durchzujetzcn. Wie Oberbürgermeister Bent- l c r in der Dresdner Stadtverordnetenversammlung mit teilte, steht er an der Spitze von 80 deutschen Städten, die durch den 8 lOu. des Zolltarisgesetzes betroffen sind und dessen Aushebung im Interesse ihrer Finanzen für nnab- weislich erachten. Leider seien bisher alle Bemühungen nach dieser Richtung hin vergeblich gewesen, doch dürfe man nicht ruhen, bis dieses Verbot beseitigt worden sei. Nach der Auffassung des Oberbürgermeisters Beutler ver stößt 8 10a mit seinem Verbote der städtischen Lebensmittel steuer gegen die Reichsvcrfassung. Der Reichstag habe nur aus parteipolitischen Beweggnünden das Verbot an genommen. In erster Reihe sind es finanzielle Bedenken, von denen die betroffenen Städte sich bei ihrem Wider stande gegen 8 10» leiten lassen. Man nimmt ihnen in direkte Steuern, die sich längst eingelcbt haben, die kaum noch gefühlt werden, ohne ihnen irgend welchen Ersatz zu bieten, und zwingt sie, neue Ltcuern ciuzuführcn oder bestehende Steuern zu erhöhen. Es ist begreiflich, daß die betroffenen Ltädte nicht gern in eine so wenig angenehme Lage geraten möchten. Abgesehen von diesen finanzpoli tischen Bedenken erscheint uns aber auch vom sozialpoli tischen Gesichtspunkt aus das Verbot der Weitcrerhcbuug städtischer Lebensmittelabaaben, wie es der Reichstag für gut befand, nicht zweckmäßig nnd nicht richtig zu sein. Die städtischen Lcbcnsmittelabgaben werden nicht allein von der seßhaften Bevölkerung getragen, sondern auch von dem Fremdenverkehr, der gerade in den be troffenen Städten sehr erheblich ist, nach vielen Tausen den zählt nnd im Jahre 1910 ganz steuerfrei werden würde. Im Fremdenverkehr überwiegen die wohlhaben den Elemente, es war also nnr recht und billig, daß auch sie ein wenig zu deu Lasten derjenigen Städte, die sie zum Vergnügen oder zum Erwerbe besuchen, mit beitragen, mährend in der Befreiung des Fremdenverkehrs von den Lebensnrittelabgaben ein sozialpolitischer Fortschritt un möglich erblickt werden kann. Schließlich ist es doch noch recht zweifelhaft, ob mit dem Inkrafttreten des 8 10» in den betroffenen Städten eine Verbilligung der Lebens mittel cintrcten wird. Theoretisch wird ja die Verbilli gung der Lebensmittel als die notwendige Folge einer Steucraushcbung betrachtet. Allein die vielgestaltige Praxis setzt sich nur zn oft über diese Theorie hinweg, und in vielen Fällen hat man die Erfahrung gemacht, daß die Aushebung einer indirekten Steuer ohne jeden Einfluß war auf den Preis des betreffenden Lebensmittels. Tie Krankheit des Herrn v. Holleben. Die in unserem gestrigen Abendblatte mitgeteilte Mel dung aus Washington, daß der deutsche Botschafter v. Hol leb en, der an einer schweren Influenza erkrankt gewesen sei, einen längeren Urlaub nachgesucht habe, wird vielfach als der Vorbote des Rücktritts deS Bot schafters angesehen. Dem „Bert. Lok.-Anz." wird in diesem Sinne geschrieben: „Herr von Holleben ist erst vor wenigen Monaten von einer längeren Urlaubsreise aus Europa aus seinen Posten nach Washington zurückgekehrt, und von einer ernstlichen Er krankung war bis jetzt nichts bekannt geworden. Unter diesen Umständen drängt sich die Vermutung auf, daß Lie plötzlich erfolgte Beurlaubung nur der Vorläufer seiner definitiven Abberufung sei, und wir haben Grund zu der Annahme, daß diese Vermutung das Richtige treffen dürste. Denn wie wir hinzusügen können, ist der frühere erste Botschaftssekretär in Washington Freiherr Speck v. Stern burg sür die Zeit der Beurlaubung von HollebenS vor läufig zu dessen Vertreter in Washington ernannt worden. Diese Tatsache läßt darauf schließen, daß Herr v. Holleben nicht wieder aus seinen Posten nach Washington zurück kehren wird. Wie es scheint, haben verschiedene Vorgänge der letzten Zeit, insbesondere dir Ablehnung des Schiedsrichteramtes in der venezolanischen Frage durch Präsident Roosevelt, die Stellung LcS Botschafters erschüttert. In dem Freiherrn Speck v. Steruburg würde Deutschland in Washington durch eine Persön lichkeit vertreten sein, die mit den amerikanischen Verhältnissen auf das beste vertraut ist. Er war es auch, der zur Zeit des Samoakonfliktes von der deutschen Regierung dazu ausersehen wurde, im Verein mit einem amerikanischen und einem englischen Spezialbevollmächtigten die Neuregelung der Eigentumsverhältnisse an den Inseln vorzu bereiten und durchzuberaten. Wie bekannt, hat er sich dieser schwierigen Ausgabe mit bestem Erfolge entledigt." Auch die „Voss. Ztg." ist dieser Ansicht unv erinnert be sonders daran, daß das Verbalten des Botschafters schon während des Aufenthalts des Prinzen Heinrich in Amerika zu Ausstellungen Veranlassung gab. Jedenfalls wird das Ausscheiden des Herrn v. Holleben aus seinem Amte weder im deutschen Reiche noch rn der amerikanischen Union als Verlust beklagt werden. Ein Lob Deutschlands ans englischem Munde. Im Gegensätze zu den deutschfeindlichen Kundgebungen der Londoner Jingo-Presse, die auch während der gemein- Feuilleton. ei Frau Huna. Roman von Karl Tancra. Nachdruck verboten. „Welcher ist sür dich -er Unglückstag, den du fürchtest?" „Der 6. und 19. eines jeden Monats. Am 6. starb mein Vater, am 19. hat vor langcir Jahren ein Erdbeben das HauS meiner Vorfahren zerstört, nnd in dem dabei entstandenen Brande sind viele Glieder unserer Familie nmgekommen. Daher halte ich auch die Zahl 19 für eine Unglückiszahl, und ich hätte nicht gewagt, nm die Liebe meiner Julie zu werben, so lange sie sich noch im 19. Jahre befand. Ebenso möchte ich nicht unsere Ehe am iS. November schließen." „Glaubst du denn auch noch als Christ an die schäd liche Einwirkung irgend eines Tages?" „Es ist gerade kein direkter Glaube, Tante Elisabct. Aber es wäre mir peinlich, mein höchstes Glück an einem Tage zu gewinnen, der für meine Familie so trübe Er innerungen hat." „Das sehe ich ein, und wir wollen eure Hochzeit keines falls ans den 19. legen." „Ich danke euch, liebe Tauten, und füge noch eine Bitte bei. Ich weiß, daß man in christlichen Kirchen den Altar und den Platz, an welchem die Verlobten während der Eheschließung stehen, mit grünen Pflanzen und Blumen schmückt. Da würde es mich sehr freuen, wenn hierzu Fichten, Bambus und Pflaumenblütc verwendet würden. Diese haben bei unseren Hochzcitsfcstcn eine bestimmte Bedeutung. Die Fichte drückt aus: „Wie sic immer grün bleibt und auch in Kälte und selbst bei Schnee und Eis die Farbe bewahrt, so möge die Liebe immer dauern, auch wen» schwere Zeiten, ja Unglücks schläge das Ehepaar tröffen." Der so schnell empor sprießende Bambus soll sagen: „Euer Besitztum möge so rasch ausblühe» und sich so vergrößern, wie aus einem kleinen Bambuspflänzchen in wenigen Jahren ein großer, mächtiger Busch mit vielen nutzbringenden Bambusstäben wird", »nd die Pflaumenblütc sagt: „Wie dieser schönen, duftenden Blüte die köstlichen Pflaumen folgen, so möge die Ehe der Liebenden durch reichen Ktüderspgerr beglückt iverben.". As würbe mich sehr freuen, wenn diese schönen Symbole meiner Heimat auch 'hier bei unserer Eheschließung vertreten wären." Fräulein Edwald erklärte sich gern bereit, den Wunsch Jzunas zu erfüllen, wenn cs nur möglich wäre, in der jetzigen Jahreszeit eine Pflaumenblütc zu erhalten. „Das werde ich übernehmen", bemerkte Fräulein Erzbcrg. „Wenn cö überhaupt menschenmöglich ist, im November eine Pflaumenblüte aufzutreibcn, so sollst du sie an eurer Hochzeit erblicken." — In den nächsten Wochen gab cS für die Verlobten eine Menge zu tun. Jzuna mußte seine wissenschaftlichen Arbeiten beenden, Abschiedsbesuche machen, zahlreiche Briefe wegen seiner Rückkehr schreiben und Anordnungen in Tokio treffen. Dann gab cs stets neue Besprechungen wegen Anschaffungen für Julie, für die Reise und für Jzuna selbst. Fräulein Edwald hatte ihm als Hochzeits geschenk eine große Summe gegeben, um sich noch medi zinische Instrumente und Bücher zu kaufen. Diese mußte er aber selbst aussuchcn. Seine Braut erhielt zwar 'keine Möbelaussteucr, aber eine Masse von Wäschestücken, und fast täglich fanden Anproben neuer Kleider statt. Mit dem Gericht hatte man wenig zu tun. Die Civiltrauung mußte auf der japanischen Gesandtschaft stattfindcn. Es war dazu nur nötig, daß die Verlobten dort erschienen nnd ihre Eheschließung anzeigten. Hierauf wurden ihre Namen in eine Liste eingetragen und diese der be treffenden Bezirksbehörde in Tokio übersendet. Das war alles. Um so feierlicher fand die kirchliche Trauung in Berlin statt. Die dortige schöne Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche war durch Blumen aller Art, Büsche und Palmen reich geschmückt. Um den Altar und den für die Verlobten bestimmten Platz standen Fichten und Bambus und in der Mitte prangte ein kleines Pflamnenbäumchen in voller Blüte. Fräulein Erzberg hatte nach unzähligen, fruchtlosen Versuchen dasselbe um teures Geld durch Ver mittelung einer großen Gärtnerei ausCintra in Portugal kommen lassen, wo eine englische Familie sich ans Lieb haberei damit beschäftigte, Obstblüten auch im Herbst und Winter zu erzielen. Jzuna dankte ihr mit tiefgefühlten Worten für diese Aufmerksamkeit. Nach der kirchlichen Trauung fand das Hochzeitsmahl im Haufe Edwald-Erzberg statt. Die Damen hatten sich beim Borbereiten dieses Festes selbst übertroffen. Der Gpeifefaal war in einen Hain au- Fichten, Bambu- und Pslaumenbäumen verwandelt. Tie Blüten der letzteren waren so vorzüglich nachgemacht, daß man gar nicht sah, daß sie künstlich hcrgestellt waren. Auf der Tafel selbst aber prangte vor dem jungen Paar das echte Pflaumen bäumchen, eine kleine Fichte und ein Bambus. Rechts neben Jzuna saß die junge Frau, neben ihr Fräulein Edwald. Links neben dem neu ernannten Professor, der von jetzt an auch seinen Titel führte, Fräulein Erzbcrg. Der anfangs etwas feierlich ernste Ton wich bald, dank dem heiteren, lustigen Wesen der Schwestern Braun nnd anderer Festteilnehmcr, einer fröhlichen Stimmung. Auch die beiden Pflegemütter der jungen Frau bemühten sich, mit cinzustimmcn, obwohl ihnen der nahe Abschied wie ein Druck auf der Seele lag. Julie selbst sah zwar sehr bleich, aber reizend nnd glücklich auS. Die nur sehr wenig geröteten Wangen, die tiesschwarzcn Haare und dunkeln Augen und die feinen, roten Lippen erschienen, nmrahmt von dem duftigen, weißen Schleier und unter dem blühenden Myrtenkranz noch malerischer als sonst, nnd jedermann mnßte sagen: „Sie ist eine schöne Braut." Jzuna aber strahlte förmlich. Er sah sich am Ziel seiner Wünsche, sein Ehrgeiz war befriedigt und seine Zukunft stand leuchtend vor ihm. Was konnte er auch noch mehr verlangen! Diese glückliche Stimmung im Innern, verbunden mit der an und sür sich so liebens würdigen und höflichen Form der Japaner, bewirkte, daß alle Anwesenden von ihm entzückt waren, und manche, die vorher in der Verheiratung Juliens nach Japan ein Wagnis sahen, nun die Ansicht gewannen, sic gehe doch einem sehr glücklichen Leben entgegen. Der Geistliche, Fräulein Erzberg, verschiedene Freunde des Hauses, ein japanischer Kollege Jzunas und andere hielten sprudelnde Tischreden. Nun stand der junge (Hatte selbst auf und sprach: „Als ich meine sonnige Heimat ver lieb und über die Meere und Länder westwärts zog, um an der JIma inator in Berlin Wissenschaft zu erlernen, ahnte ich nicht, was mir bcvorstand. Scheu, fast Angst er füllte meine Seele: ich fürchtete mich vor Vereinsamung und der Oedc, die Heimatlose umgibt. Und wie hat sich alles entgegengesetzt meinen Erwartungen gestaltet! Au der Universität l>at man mich mit offenen Armen em pfangen, die Kollegen traten mir liebenswürdig entgegen, man hat mich überall auf das freundlichste ausgenommen. DaS war aber doch nur eine dem Fremden gezeigte Höf- lichkeit. Da lieh mich der Zufall diese- Hau- finden, da- HanS Edwald-Erzberg. Hier fühlte ich mich bald wie in der eigenen Heimat, und sogar fast noch reicher, fast noch beglückter. Statt einer liöbcnden Mutter fand ich zwei. Ja, ivic einen Sohn haben die Damen Edwald-Erzberg mich ausgenommen und Sohuesgefühlc, Sohncslicbe haben sie in mein Herz gelegt. Dafür kann ich den vollen Dank nie in meinem Leben abstatten, es ist zu kurz dazu. Sie wissen ja gar nicht, wie unendlich sie mich beglückt haben. Kein Volk der Erde versteht und pflegt so die Kindesliebe, wie das japanische. Und diese Kindesliebe, die über jeder anderen steht, habe ich auch hier kennen gelernt. Euch bleibt sic bewahrt, so lange ich lebe, Euch Tante Elisabct nnd Tante Klara. Wäre ich ein Deutscher, so würde ich fortfahren mit den Worten: „und noch mehr". Aber ich bin nnd 'bleibe Japaner. Darnm sage ich: „Neben dem hohen Glück, wahre Mütter hier zu finden, hat mir der Himmel im Hanse Edwald Erzbcrg eine zweite, unbeschreibliche Gunst gewährt, ich lernte hier meine ge liebte Julie, mein teures Weib kennen, lieben nnd ge winncn. Es ist nichts Kleines, einem fremden Mann zn- lieb Heimat und Vaterland zn verlassen nnd mit ihm zn einem unbekannten Volk, in andere Verhältnisse, ans die jenseitige Hälfte unserer Erde zu ziehen. Daß sic es tut, zeigt mehr als alle Worte: „sic liebt mich". Diese Liebe will ich ihr lohnen, wie cs in meinen Kräften steht, nnd so lange ich lebe. Mein Vaterland soll das ihre, meine Hei mat die ihrige werden, nnd nie soll sie cS bereuen, einen« Japaner ihre Hand gereicht zu haben. Wir beide, meine Julie nnd ich, sind aber dnrch die Verhältnisse in eine sonderbare Lage gekommen. Man kann ein fremdes Land lieb gewinnen wie die eigene Heimat. Aber man vergißt darum sein Vaterland nicht. So ist eS mir ergangen, so wird cs meine geliebte Fran empfinden. Unsere Herzen sind also geteilt, wir haben zwei Vaterländer, zwei Heimaten. Wir sind gleich Schwalben, die die eine Hälfte des Jahres im Lüden, die andere im Norden leben So wollen wir auch bleiben. So ost cö die Verhältnisse erlauben, werden mir zurück kehren nach Europa, nm die Lieben hier zn umarmen, nm die guten Bekannten zn begrüße», nm die deutsche Heimat ivicderznschcn. Tann fliegen wir wieder zurück in das eigene Nest. Wenn wir also jetzt Lie alle, die wir hier lieb gewonnen haben und schätzen, verlassen müssen, wir kehren zurück, wir kommen wieder, und darum schließet ich mit dem schönen deutschen Trutz: Auf Wiedersehens
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