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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030114012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903011401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903011401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-14
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Reklamen unter dem Redakttonsftrich (4 gespalten) 78 vor den FamUtennach' richten («gespalten) bO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen and Ossertenanuahm« LS H (exel. Porto), Ertra Beilage» (gesalzt nur mit der Morgen-Ausgab«, ohu« Postbeförderung vo.—, mit Postbejörderuug ^l 70.—» Aunahmeschluß fSr Alyri-ea: Abend«Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-Au-gab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stets au di« Expedition zu richten. Die Expeditton ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag voa E. Polz i» Leipzig. 97. Jahrgang. England, Rußland und Deutschland. B Wenn gewisse Leute eS immer wieder so darstellen, als ob die England nicht wohlwollende Gesinnung eines großen Teiles der deutschen Presse Schuld an den immer noch ziemlich kühlen Beziehungen zwischen beiden Ländern trage, so sind diese Leute durch das Echo, das zwei Ereig nisse der letzten Wochen, die deutsch-englische Kooperation in Beneznela und die englisch-russische Reibung wegen der Durchfahrt russischer Kriegsschiffe durch die Darda nellen, diesseits und jenseits des Kanals geweckt haben, sä ubkurckum geführt worden. Wir zweifeln nicht daran, baß es auch in Deutschland viele Leute gab, die von dem Zusammengehen Deutsch lands mit England in Venezuela an sich wenig erbaut waren. Sie hielten es aber für eine Pflicht der Höflichkeit und der politischen Klugheit, sich während der Dauer der Kooperation Reserve aufzuerlegen. Die öffentliche Mei nung Englands hat dies nicht für nötig gehalten. Das flegelhafte Gedicht Kiplings — das um so schwerer in die Wagschale fällt, als Kipling tatsächlich der bedeutendste lebende Poet Englands ist — hat stürmischen Beifall in England gefunden. Und vor Wochenfrist ist in einem seit sieben Jahren konservativ vertretenen englischen Konnnunal-Wahlkretse ein Anhänger der Opposition ge wählt worden, bloß um, wie die Londoner Presse über- wiegend behauptet, der englischen Regierung zu zeigen, wie unzufrieden das englische Volk mit der gemeinsamen deutsch-englischen Aktion sei. Indessen, die unfreundliche Haltung des englischen Volkes in diesem Falle kann vielleicht noch mit dem „post hoc, er^o propter lloo", entschuldigt werden, b. h. man kann vielleicht sagen, daß, weil die gemeinsame Aktion der ungünstigen Beurteilung des englischen Vorgehens in Süd-Afrika durch die deutsche öffentliche Meinung fast unmittelbar folgte, da8 englische Volk mit einem gewissen Rechte dieser Aktion eine Abneigung entgegenbringe. Wenn wir dies zugcben, so wird man uns wahrlich keinen Mangel an Objektivität vorwerfen können; denn wir suchen uns damit sogar auf den englischen Stand punkt zu stellen. Um so mehr aber haben wir Anspruch, für objektiv und ruhig urteilend gehalten zu werden, wenn wir den Ausfall der „Times" gegen Deutschland gelegent lich des englisch-russischen Konflikts wegen der Darda nellenfrage unerhört und unverschämt finden. England hat sich bei der Pforte darüber beschwert, daß einige russische Torpedoboote vor einigen Monaten durch die Dardanellen haben fahren dürfen. Wir meinen, daß die Regelung dieser Angelegenheit Sache der drei be teiligten Mächte sei, nämlich Englands, Rußlands und der Türkei. Deutschland hatte sich neutral zu verhalten und es hat dies auch getan, ebenso wie die andern Groß mächte, Frankreich, Italien und Oesterreich-Ungarn, von denen die eine oder die andre beiläufig an den Geschicken der Balkanhalbinsel stärker interessiert ist als Deutsch land. Wenn nun die „Times" gegen die andern Großmächte kein Wort sagt, aber Deutschland wegen seiner neutralen Haltung Vorwürfe macht und ihren Zorn darüber zu er kennen gibt, daß Deutschland nicht die englische diplo matische Aktion unterstützt hat, so beweist das bedeutendste Blatt Englands, das zugleich das Spiegelbild der öffent lichen Meinung des Landes ist, damit, daß man sich an Deutschland reiben will. Deutschlands Haltung in Sonfliktsfällen zwischen Eng land und Rußland ist so einfach wie möglich. Wird ein wichtiges Interesse Deutschlands nicht berührt, so ist die Neutralität für Deutschland gegoben. Ist das Interesse Englands zugleich dasjenige Deutschlands, so wird die deutsche Diplomatie auch auf Englands Seite stehen, wie beispielsweise bei dem sstang-tse-Kiorng-Vertrage; ist das Interesse Rußlands zugleich dasjenige Deutschlands, so wird die deutsche Diplomatie auf Seiten Rußlands stehen, wie beispielsweise bei der den Engländern so fatalen Um- redigiernng der chinesisch-japanischen Frtedensbedin- gungen durch Deutschland, Rußland und Frankreich im Frühjahr 1805. Mit dieser Tatsache, die eigentlich eine Selbstverständ lichkeit ist, findet sich Rußland ohne weiteres ab. Die Engländer, die ja so vortreffliche Kaufleute sind und die immer nur nach ihren Interessen gehen, finden sich nicht damit ab, weil sie noch immer an die Fleischtöpfe Egyptens zurückdenken, d. h. an die Zeiten, in denen Deutschland, bezw. dessen Hauptmacht, Preußen, immer mit England zusammenging und England gute Geschäfte damit machte. Und hiermit treffen wir auf den Urgrund der eng lischen Verbitterung gegen Deutschland. Die unfreund lichen Artikel der deutschen Presse würde mau wohl mit ähnlich unfreundlichen Artikeln erwidert, aber sich inner lich nicht sonderlich darüber aufgeregt haben; aber daß Deutschland seit Bismarcks Tagen — und darin jedenfalls, das darf mau mit Zufriedenheit konstatieren, ist Graf Bülvw sein treuer Schüler — seine eigene Politik macht, das findet man in England unver zeihlich und das würde man auch unverzeihlich finden, wenn jede deutsche Zeitung tagtäglich einen für England schwärmenden Leitartikel brächte. Freiherr Speck v. Sternbnrg über seine Ausgabe in Amerika. * Leipzig, 13. Januar. Freiherr Speck v. Sternburz, der neue deutsche Vertreter in Washington, empfing mich in meiner Eigenschaft als Vertreter deS „Leipziger Tageblattes" heute in seinem hiesigen ständigen Absteigequartier am Georgi- ring und hatte die Güte, mir in längerer Unterredung seine Auffassung von der seiner in Amerika harrenden Aufgabe darzulegen. Man könnte auch kürzer sagen: er hat sich inter viewen lassen — aber das wäre ein Fremdwort. Der Baron — Excellenz darf man noch nicht sagen — ist ein durchaus moderner Mann, an dem nichts an den Diplomaten alter Schule erinnert; daS würde schon die ruhige Elastizität deS früheren sächsischen ReiterosfizierS verhindern. Und dann hat Freiherr von Sternburg offenbar nickt erst al» Diplomat die söge- nannte BiSmarckiscke Offenheit zu lernen brauchen. Er kann sogar mehr als offen sein, nämlich den Eindruck völliger Offenheit machen, eS ist eben gar nichts Gekünsteltes an ihm. Vielleicht findet gerade darin der Sprung vom Generalkonsul zum Botsckastervertreter seine Erklärung. Gleich seine erste Auslassung, über die Presse, ist sehr charakteristisch. „Die Presse soll vor allen Dingen korrekt msormiereo, da» erleichtert die Aufgabe der Regierung." DaS Urteil deS Freiherrn über die amerikanische Presse war durchaus achiungSvoll. Er hält sie in ihrer Allgemein heit für gar nicht so rücksichtslos, wie sie vielsach beurteilt wird. Die durchgängig noch jungen amerikanischen Jour nalisten der leitenden Blätter seien zwar außerordentlich energisch, aber auch zuverlässig. Ihr scharfer Verstand, vor zügliche wissenschaftliche Vorbildung und klares Urteil batten ibn stets in hohem Grade gefesselt. In diesem Urteil vermochte ihn auch nicht die gerade eben bekannt ge wordene und von mir vorgelegte Auslassung deS „Com- mercial Advertiser" in New Dori zu beirre», in der behauptet wird, „daß einer offiziösen Information zufolge der deutsche Botschafter v. Holleben den Bemühungen gewisser Persönlichkeiten in Deutschland zum Opfer ge fallen sei, die ihn schon seit längerer Zeit zu ver drängen suchten. Holleben und Frhr. Speck v. Stern- bürg seien lange schon Nebenbuhler gewesen. Dem ersteren glückte eS einst, die Versetzung deS Frei herrn nach Kalkutta zu erwirken, aber dessen Freunden in Berlin gelang e« jetzt, die deutsche Regierung zu veranlassen. Holleben durch Sternburg zu ersetzen". „Selbstverständlich ist kein Wort daran wahr", sagte Frhr. v. Sternburg. „Ich schätze im Gegenteil Herrn v. Hollebe» als ausgezeichneten Beamten von ganz her vorragender Intelligenz, dessen klare Auffassung schwieriger Verhältnisse ich immer beobachten konnte; es war mir stets ein Vergnügen, mit diesem eminenten Diplomaten zusammen zu arbeiten." ES sei im übrigen kein Wunver, wenn Herr v. Holleben, der bald 70 Jabre werde, einmal sich nicht elastisch genug süble für die augenblicklich noch erhöhten Washingtoner Anstrengungen. Mit der Kipling-Sache habe der Bot schafter nicht daü Geringste zu tu» gehabt. Er selbst, Frhr. v. Sternburg, gehe sehr gern nach Washington, wo für ,hn vertrauter Boden sei. Der Name Roosevelt, dessen freundschaftliche Stellung zum Baron v. Sternburg bekannt ist, lag nun in der Luft und beherrschte jetzt «ine ganze lange Zeit da» Gespräch. „Der Präsident, den meine Frau und ich vor wenigen Wochen besucht haben, besitzt eine riesige Arbeitskraft, er ist darin nur unserem Kaiser vergleichbar. Diese Beiden bewältigen fast mehr als Menschen möglich. Ihre Tätigkeit steht von früh bis abend» unter Hochdruck." Ifnd Venezuela? „Die Venezuela-Angelegenheit wird un« und auch mir keine Schwierigkeiten bieten, wenn die in Betracht kommenden Personen Männer vom Schlage deS Präsidenten Roosevelt sind." Aber die Monroe-Doktrin? „Die ist ein ungeschriebene» Gesetz für die Amerikaner, da» Präsident Roosevelt, wie er mehrfach betont bat, al» Friedensmaßregel betrachtet." Die jetzige Berufung auf diese Doktrin von feiten des Volke« stelle vielleicht eine Probe auf da» Exempel dar. Bei dem großen Einfluß der öffentlichen Meinung i» den Vereinigten Staaten und der Abneigung der großen Masse gegen da» deutsch-englische Vorgehen sei die Aufgabe de» deutschen Vertreter» in Washington zwar kein» Einecure, aber doch sei ihm dabei gar nicht unbehaglich zu mute. Er vertraue fest auf das Gerechtigkeitsgefühl d»» Präsidenten und auf den T«kt der hervorragenden Berater de»seld«o. „Während meiner lang jährigen Tätigkeit in Washington hab« ich immer mit Lust und Liebe gearbeitet, weil ich überall da» größte Ent gegenkommen und weil ich die Politik der Regierung stets absolut offen und ehrlich gefunden bade. Alle Staatsmänner, mit denen ich drüben zu tun gehabt hab-, waren Männer von absoluter Ehre und Integrität, die energisch, begabt und tatkräftig, aber ohne alle Ränke und Hintergedanken sind." Der Baron spricht infolge seine» langen Aufenthalt- im eng lischen Sprachgebiet und seiner verwandtschaftlichen Beziehungen ein tadelfieieS Englisch, was er für ein Hauptrüstzeuz für seine Tätigkeit bezeichnete. „Man muß die klafsisch-biplomatische Sprache und besonders die Schriftsprache bekerrschen". Sonst könne man den sehr fein fühlenden, empfindlichen amerika nischen Staatsmann leicht verstimmen, ohne eS zu wollen. Und welche Erfahrungen haben Sie mit der Tatsache Ihrer sächsischen Staatsangehörigkeit im diploma tischen Leben gemacht? ,,Jch habe immer beobachtet, nicht nur in Amerika, auch in Ebina, Japan, Indien und an anderen Orten, wie hoch man sächsische Intelligenz und Kraft, namentlich auf industriellem Gebiete acktet und bewundert. Es ist schon der Name „Zaxou", der nun einmal als Bezeichnung alten Germanen tums etwas Achtunggebietendes in sich schließt. Daß ich neben meiner Aufgabe als deutscher Vertreter immer noch speziell dem Wohle Sachsens meine Aufmerksamkeit gewidmet habe, ist für mich, den früheren sächsischen Offizier, selbstverständlich." Der „New L)ork Herald" meldet, daß die Ernennung deS Freiherrn Speck von Sternburg in den höchsten Regierungs kreisen Washingtons mit besonderer Genugtuung begrüßt worden ist, ebenso spricht die englische Presse von der sym pathischen Aufnahme derselben in den Vereinigten Staaten. Dank für die Unterredung, Wünsche für die bevorstehende Ueberfahrt, Verbeugung, Händedruck, Schluß. e. Deutsches Reich. LI Vertin, 13. Januar. Der „sterbende" Reichs tag, der demnächst zum letzten Male vor den Wahlen den Etat zu beraten haben wird, wird schon bei dieser Gelegen- hest seiner Sozialdemokraten sich zu freuen haben, welche die Etatsberatungcn gründlich ausnutzcn werden, um einmal die schwere Schlappe, die sie bei der Beratung des Zolltarifs erlitten haben, wett zu machen und um gleichzeitig die Agitation für die Rcichstagsivahlen mit der Etatsberatung zu verknüpfen. Wenn die Sozialdemo kratie schon von jeher bei dieser Gelegenheit Reden zum Fenster heraus gehalten hat, so wird sie es diesmal doppelt und dreifach tun. Und es dürfte recht schwer halten, sie daran zu verhindern, denn bei der ersten Etatsbcratung werden den Parteien gewöhnlich vier bis fünf Tage ein geräumt. Bei der zweiten Beratung aber haben die So zialdemokraten seit Jahr und Tag die Debatte in ihrer Gewalt, weil der Reichstag nur selten beschlußfähig und cs deshalb für die anderen Parteien gefährlich ist, den Schluß der Diskussion zu verlangen. Die Sozialdemo kraten sind aber diesmal noch ganz besonders in der Lage, den Etat für die Wahlagitation auszuschlachten: das leider sehr stattliche Defizit des Etats gibt ihnen Gelegenheit da zu, denn sie können nach zwei Richtungen der Regierung ^u Leibe gehen. Sie werden sich nän sich zunächst an die Höhe der Ausgaben halten, indem sie auf ihre billige Voraussagung Hinweisen werden, daß die großen Mehr ausgaben für die Wehrmacht, insonderheit der Marine, zu einem Defizit führen würden. Und sie werden zweitens große Neug'erde wegen der künftigen Einnahmen, durch die das Defizit gedeckt werden soll, beweisen. Wenn die „Kreuzzcitung" sagt: „In dem jetzigen Reichstage wird man sich auf eine Neuordnung der Rcichsfinanzen aller dings nicht einlassen können, ja, eS würde nicht einmal zweckmäßig sein, sich über diesen Gegenstand programma tisch ausznsprechcn", so wird es die Sozialdemokratie für sehr zweckmäßig erachten, die Regierung mit kitzlichen Fragen zu überhäufen, und sie wird ein Stillschweigen ebenso für ihre Agitation auszuschlachtcn wissen, wie eine Antwort. Ein weiteres Agitativnsmsttel hat die Sozial demokratie durch die zahlreichen Initiativanträge, diebcidemMangcl an anderemArbeitsstoffzurErörtcrung kommen dürften. Die Sozialdemokratie wird auch hier jede Gelegenheit benutzen, um sich auf di« allein selig machende, die vorhandenen Volksrechte erhaltende und ihre Erweiterung austrcbcnde Bolkspartei hinausspielcu. Selbstverständlich wird die Sozialdemokratie auch den der Verabschiedung noch harrenden Entwurf über die g e- werbliche Kinderarbeit zu ihre« Gunsten auS- zubcuten suchen. Denn so segensreich auch dieser Ent wurf ist und so sehr er die ungesunde Kinderarbeit ein- zuschränken bemüht ist, so kann er doch etwas Vollendetes nicht bieten und die Sozialdemokratie findet ja gerade bei dem Kapitel der Kinderarbeit stets Gelegenheit, ein Wehe geschrei über die sozialen Zustände unter der Herrschaft der bestehenden Gesellschaft anzustimmen. Wenn also der „sterbende" Reichstag äußerlich ganz unter dem Zeichen der Sozialdemokratie stehen wird, so kann man sich da rüber nicht wundern. Die stattliche Zahl von fünf Dutzend Mandaten, die die Sozialdemokratie errungen hat und die sie zur zweitstärksten Partei machen, die Lässigkeit, mit der so viele Abgeordnete der andern Parteien ihrMandat auS- iibcn, und der sträfliche Fehler der andern Parteien, auch in den Fällen, in denen notorische Mißgriffe zu rügen sind, der Sozialdemokratie d'e Rolle de» öffentlichen An- klüger» zu überlassen, all' die» hat eS der Sozialdemo kratie ermöglicht, im Reichstage das groß» Wort zu führen. Angesicht» der bevorstehenden ReichStagSwahlen muß man e» freilich doppelt bedauern, daß die Sozial- demokratt« solch,cmaßen die parlamentarischen Verhand lungen als Agitationsmittcl verwenden kann. Vielleicht werden die bürgerlichen Parteien im neuen Reichstage es besser verstehen, die Sozialdemokratie zurückzudrängen. /». Berlin, 13. Jcuruar. (Soldaten — keine Pa- tienten zweiter Klaffe!) In einem Bericht über seine zahnärztliche Tätigkeit am Garntsonlazarett Stettin tritt L. Lührse, der in der Zeit 1897—1901 über 1000 Mann spezialistisch behandelt hat, dafür ein, daß diezah n- ärztltche Tätigkeit in der Armee der -übrigen militärärztlichcn Tätigkeit gleichzustcllcn, d. h. von aktiven Militärärzten auszuüben sei. So sehr diesem Verlangen bcigcpflichtet werden kann, so wenig darf Lührse zu gestimmt werden, wenn er schreibt: „Die Tätigkeit deS Militürzahnarztes soll nur darauf gerichtet sein, vor liegende Erkrankungen schnell, sicher und möglichst einfach zu heben Kosmetische Gesichtspunkte dürfen hier keine Rolle spielen. Die manuelle Geschicklich keit des zahnärztlich tätigen Sanitätsoffiziers und feine spezialisttsche Ausbildung können also ge ringer sein, als die eine- in Privatpraxt» stehenden Zahnarztes." — Diese Auffassung wird von der „Mtli- »ärärztlichen Zeitschrift" mit Recht zurück gewiesen. Das genannte Organ unseres Sanitätsoffizier- korps erinnert an daS Wort Friedrich Wilhelms IV: „Nicht so billig wie möglich, sondern so gut wie möglich soll für Leben und Gesundheit deS bewaffneten Landes sohnes gesorgt sein". Dieses Wort habe die Richtschnur bei allen organisatorischen Bestrebungen aus dem Gebiete dev Militärsanitätswesens im letzten Jahrhundert gebildet und müsse es mich in Bezug auf die Zahnheilkunde bilden, wenn der Zweck der Maßnahme erreicht werden solle. Der Standpunkt, unsere Soldaten in keinem Falle als Pa tienten zweiter Klasse behandeln zu lassen, verdient un geteilte Anerkennung. Nerli«, 13. Januar. lBerwelschung deut sch e r S p r a ch g e b i e t e.) Es ist unbestreitbar, daß die deutsche Abwehr der Uebergriffe der nationalpolnischen Propaganda erschwert v'-rd dadurch, daß französische Banken die polnischen Grundbesitzer mit hypothekarischen Darlehen stützen. Von französischer Seite werden aber unausgesetzt noch andere Vorstöße in unser Volks- und Sprachgebiet unternommen. Das eigentliche Arbeitsfeld der ailiane« Iran^siss, dieser für das ganze Erdenrund gestifteten Gesellschaft, ist die Schweiz; das der sooistä pour I» vulgsrisatioa cke irr I»n<pue IreruLniss et keigiqao Belgien. Frankreich ist auch der Hort der antideutschen Bewegung in Oesterreich-Ungarn. Mit Recht aber heißt eS in einer vor Kurzem in zweiter Auflage er schienenen Schrift: „Das verwclschte Deutschtum jenseits der Wcstmarken des Reiches" von Kurd v. Strantz (Verlag von Fricdr. Luck Hardt in Berlin und Leipzig), die Franzosen müßten uns ein Mrrstcr sein, wie wir auch in Fricdenszeiten in uns entfremdetem Ge biete unser Volkstum wieder erwerben und stärken. Die vlämische Bewegung treibt die FranzöSlinge in müh seligem Kcnnpfe allmählich zurück und wird über die Grenze in die französischen Niederlande wogen. Auch in der Schweiz regt sich das deutsche Volksgewissen, wenn auch noch herzlich schwach und verschämt. Wir müssen offen und amtlich diese Bestrebungen unterstützen, wie dies die französischen Vertreter im AuSlandc tun. Die Zurückhaltung in den deutschen Außenlanden muß auf hören, wenn die Sieger von Sedan nicht im Frieden den besiegten Franzosen das Feld räumen sollen, wie wir es zu unsrer Schmach in der Schweiz erleben müssen. Weder unsre Diplomatie noch die als Kaufleute in dec Fremde lebenden Reichsdeutschen haben für diese Bedrängung ihres eigenen Volkstums eiu Verständnis und weisen gar den Bund mit den Vlamen und entschiedenen Deutsch schweizern aus Angst vor politischen Verwickelungen oder geschäftlichen Nachteilen zurück. Hut ab vor den Franzosen, deren glühende Vaterlandsliebe derlei nicht gestattet. Was speziell ine Schweiz betrifft, so ist deren Volk politisch wohl geschult und häufig siaatsklüger, als die Demokratie der Monarchien und auch der deutschen Bundesstaaten. Selbstverständlich muß bei jedem deutschen Entgegen wirken gegen weitere Berwclschung erster Grundsatz bleiben, daß es Deutschland fern liege, das oberschwäbrsche Tochtcrland zum politischen Anschluß zu zwingen. Wir wollen nur seine Vcrwelschung Hardern, die folgerichtiger Weise zum Abfall der einzelnen Teile an Frankreich und Italien führen muß So wenig das deutsche Reich in der Schweiz geliebt ist, so wird doch durch dasselbe mehr als durch ein andre« Land der Bestand der geschichtlichen Eid genossenschaft verbürgt, die schon längst dir Beute »hier welschen Nachbarn geworden wäre, wie bisl>er nnr das Veltlin, sowie die Gemeinden des Tosatales und am Süd abhang deS Monte Rosa. Ist sich der Vlamc seines nieder deutschen Volkstumes mit der Zeit bewußt geworden, so gilt dies nicht auch vom Schweizer, troy seiner hoch deutschen Schriftsprache. Für den Deutschschweizer, der bloß seine Mundart spricht und sich daher im Schriftdeutsch utcht sicher fühlt, ist das do chen Französisch Bedürfnis, leider eine echt deutsche Unart, die aber immer mehr abge- strcist wird. Hier nachzuhelfen, ist Aufgabe aller vater ländischen Kreise, welche die weitere Berwclschung deut scher Sprachgebiete nicht wollen. T Berlin, lS. Januar. Gestern mittag fubr der Kaiser beim König!, sächsischen Gesandte» Gras Hob en tba l und Bergen vor. Zur Mittagstafel waren keine Einlarunaen ergangen. Nm 2'/« Nbr besuchte der Kaiser da» Acelier de« Bildbauer« H. Magnusfen, um dort da» Morell zum Denkmal de« General- Grat von Roon zu dksichtigrn. Nm K^/i Nbr empfing der Kaiser den Odrrst- Käminercr Grasen Solms-Baruih, der auch zur Abend'afel blieb, zu welcher ferner der Generalkonsul in Kairo RUcker-Jenisch geladen war. — Nm 8 Udr börie der Kaiser in der Singakademie den Vortrag de» Professor» Telusch. Nach dem Vortrag» verweist» der Kaiser längere Zeil in der Bidliotbrk, wozu Admiral Hollman» geladen war. — Heut» morgen unternabm da» Kaiserpaar einen Spaziergang im Tiergarten, der Kaiser sprach beim Reichskanzler Grafen Biilcw vor und bür'e dann im königlichen Schlosse Vorträge teS Ebess de« Militärkatnnttt», ?cS Ebes« de« Aoiniralstabe» und de» Chef« de» Marine- kabineltS
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