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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030114020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903011402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903011402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-14
- Monat1903-01
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbrförderung ./t 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Auuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ansgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zn richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 97. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 14. Januar. Ter Wiederbeginn -er parlamentarischen Arbeit. Die gestrige erste Sitzung des ReickStagS im neuen Jakre, eingeleuet durck einige herzliche Begrüßungsworte des Präsidenten an die Abgeordneten, war ausschließlich der Be ratung der von der Zolltariskominission vorgeschlagcnen Resolution gewidmet, die im Interesse der kleinen Tabak dauer eine Vereinfachung der Aussübrungsbestimmungen des Tabaksteuergesetzes verlangt. Da diese Resolution am Ende fast einstimmig angenommen wurde, so hätte auch die Beratung eine kurze sein können. Jedenfalls wäre Vie De batte in streng sachlicher Weise geführt worden, wenn nicht die Sozialdemokraten sich wieder in den Boidergrund gedrängt und einen Zwischenfall herbeigesührt hätten, der die parlamentarischen Sitten fast noch mehr verletzt, als das Verhalten der sozialdemokratischen Fraktion bei den Zoll- tarisverhandlungen. Nachdem der Abgeordnete Freiherr v. Hehl zu Herrnsheim sich für die Resolution aus gesprochen hatte, benutzte der sozialdemokratische Cigarren fabrikant Geyer die Gelegenheit zn einem gegen den nationalliberalen Großindustriellen und Groß grundbesitzer gerichteten Angriff persönlichster Art, den er auf Behauptungen einseitig interessierter Fachblätier und der sozialdemokratischen Presse stützte. Unter anderem behauptete er, Freiherr v. Heyl habe unmittelbar nach der Annahme des Zolltarifs große Landankäufe vor genommen, um „sein Geschäft zu macken". Bisher war eine solche Art der Diskussion selbst im Reichstage nicht üblich, denn die nur allgemein gehaltene Ver leumdung der Mitglieder der McbrheitSparteien, die in dem Geschrei über den Wuckerlarif lag, wurde hier verdicktet zu einer unqualisizierbaren Beschuldigung eines einzelnen, mit Namen genannten Mitgliedes. Bedauerlicher weise schien der Vorgang von dem den Vorsitz führenden Vize präsidenten Gras Stolberg überhört zu werden, sonst würbe er wobl die schärfste Form für die Währung der Würde und der Ordnung LeS Hauses gewählt haben. Hoffentlich geschieht dies wenigstens in Zukunft, damit bei der Beratung der weiter von der Zolltarifkomniission befürworteten Resolu tionen und der den wahrscheinlich am Montag beginnenden EtatSdebatten dem Hause der Vorwurf erspart bleibt, eö habe sich zu einem Schimpfparlamente entwickelt. — Vor Beginn der Reichstagssitzung war die letzte Session der lau fenden Wahlperiode des preußischen Landtags vom Giafen Bülow mit einer überaus kühlen und dürftigen Thronrede eröffnet worden, die denn auch von den anwesenden Landboten mit tiefem Schweigen angebört wurde. Die ganze Rede ist eigentlich nur eine einzige Klage über finanzielle Nöte, eine Kage, die zur schweren Anklage gegen die Negierung wird, di- gegen die aus fast allen anderen deutschen Staaten seit Jahren laut gewordenen Beschwerden über die Hinausschiebung durchgreifender Maßregeln zur Besserung der Reichesinanzlage am längsten taub geblieben ist. Eine Wahlparole, wie sie zur Zeit der BiSmarckschen Politik oft und mit Erfolg bei der letzten Session einer Wahlperiode von der Regierung in das Land hinanSgetragen wurde, fehlt vollständig und war von einer Politik, die ohne festen Charakter nur den augenblicklichen Verhältnissen R-ckniing trägt, auch nicht zu erwarten. Die Ostmarkensrage, bas Eisen bahnwesen, die Vorbildung der Höheren Beamten, Beamten Wohnungen und Aehnliches sind selbstverständliche und längst erwartete Themata der Beratung deS preußischen Landtages. I Von ten sonstigen großen kulturellen Ausgaben deS Staates, I die die Regierung mit den Landbolen zu besprechen doch eine ! Pflicht hätte, verlautet kein Wort. Nur eine freilich recht I wünschenswerte Vorlage zur Bekämpfung gemeingefährlicher I Kiankbeilcn wird anzekünbigt, und den Schluß der Ankündigungen macht eine Gesetzesvorlage über die Bildung kirchlicher Hilfsfonds für katholische Pfarrge mein den. lieber letztere Vorlage zerbrechen sich selbst sonst eingeweihte Leute die Köpfe. Sogar die „Germania" tut so, als ob sie von nichts wüßte. Der „Neichsbole" vermutet, daß der mit staatlichen Mitteln zu bildende Hülssfonds für die Gründung neuer katholischer Gemeinden in protestantischen Gegen den bcstimnkt fei. Wäre diese Vermutung richtig und stellte sich heraus, daß die preußische Negierung die von der ZcnlrumS- sraktion des Reichstages in der Zolltarif-Angelegenheit ge leisteten Dienste auf solche Weise zu belohnen gedächte, so würde sich für die protestantischen preußischen Wähler eine Wahlparole von selbst ergeben. Tic Befugnisse des Reichstags-Präsidenten. Bei einer Besprechung der Befugnisse deS RcichStags- Präsibenten erinnert die „Deutsche volkswirtschaftliche Korre spondenz" daran, daß bei der Beratung deS Antrags Kardorsf der Präsident Graf Ballcstrem den Abgeordneten Singer von der Sitzung ausgeschlossen, dieser aber seiner Aufforderung, den Sitzungssaal zu verlassen, nicht Folge gegeben, und daß dem Präsidenten die Möglichkeit gefehlt habe, die Befolgung dieser seiner Anordnung zu erzwingen. Die genannte Korrespondenz bemerkt mit Bezug hierauf u. a.: „Man wird also die Präsidialgewalt enveitern müssen, sofern man verhüten will, das; Aehnliches sich wiederhole. Ter Ausschluß eines die Ordnung des Hauses so schwer und mit Absicht ge fährdenden Mitgliedes darf sich nicht nur auf eine Sitzung und auf den Sitzungssaal beziehen. Der Präsident der französischen Kammer hat daS Recht, den Bruch des parlamentarischen Friedens mit Ausschluß bis zu vier Wochen zu ahnden, und zwar erstreckt sich Liese Maßregel nicht nur auf den Bcrhandlnngs- saal, sondern auf das ganze Gebäude des Parlaments, auch stehen dem Präsidenten militärische Machtmittel zur Durch führung seiner Befehle zur Verfügung. Wenn sich erfahrene Parla mentarier mit der Absicht tragen, den RcichstagSpräsidcntcn mit ähnlichen Befugnissen auszusiatten, so ist diese Absicht Lurch die Vorgänge vollkommen gerechtfertigt, welche sich vor Weihnachten im deutschen Reichstage abspiclten. Hoffentlich verhindern nicht Unent schlossenheit und zaghaftes, vermutlich liberales Bedenken, das Not wendige rechtzeitig zu tun, d. h. bevor man von neuem erleben muß, daß der Neichstagsjaal, wo höchste Würde und vornehmste Ruhe herrschen sollen, zum Schauplatze von Tumulten wird, die in irgend einer Volksversammlung der überwachende Gendarm niemals dulden würde." Hierzu bemerkt die „Kreuzzeitung": „Zu unserem Bedauern können wir die Notwendigkeit einer Er weiterung der Präsidialgewalt in dem hier angegebenen Sinne nicht bestreiten. Wir jagen mit Absicht zu „unserem Bedauern". Denn mit tiefer Beschämung erfüllt uns die Feststellung, daß ein Fall vorgckommen ist, durch welchen di- Not- Wendigkeit dec Zulassung von Zwangsmaßregeln gegen Mitglieder Les Deutschen Reichstages wegen Verletzung der Ord nung während der Sitzungen erwiesen worden ist. Aber nach unserer Auffassung würde durch eine entsprechende Bestimmung der Geschäftsordnung dem Präsidenten eine derartige Zwangs- gemalt nickt mit Nechtswirkjamkeit gegeben werden können; dazu würde es vielmehr einer gesetzlichen Vollmacht bedürfen, und zur Annahme des betreffenden Gesetzes im Bundesrate würde, da eS eine Abänderung oder doch mindestens eine Ergänzung der Reichsverfassung enthielte, die in Art. 78 vorgesehene Mehrheit erjorderlich sein." Wir können uns dieser Ansicht nicht anschließen, wenigstens für den eigentlich selbstverständlichen Fall nicht, daß man davon absieht, dem Präsidenten militärische Machtmittel zur Durchführung seiner Befehle zur Verfügung zu stellen. Art. 27 der Neichsverfassung bestimmt, daß der Reichstag feinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine Ge- schästsordnuug regelt, und tz 62 dieser Geschäftsordnung g-steht dem Präsidenten die „Handhabung der Polizei im Sitzungs-Gebäude und in den Zuhörer-Räumen" zu. Zur Handhabung der Polizei gehört aber zweifel los daS Neckt der Entfernung eines widersetzlichen Abgeordneten ebenso, wie das der schon oft angedrohlen Räumung der Tribünen. Hält man eS nun für nötig, dem Präsidenten daS Recht, einen widersetzlichen Abgeordneten dnlch die Dienerschaft des Hauses entfernen zu lassen, ausdrücklich zu erteilen, so hält man sich vollständig nicht nur im Rahmen der letztsten Geschäftsordnung, sondern auch in dem der Reichsverjassung, deren Abänderung also nicht nötig ist. Ucbcr Frankreichs HandclSbezichnngcn veröffentlicht der offiziöse „Petit Parisieu" folgende Note: „Die Veränderungen an den Zolltarifen, die ziemlich überall vorgenvininen werden, werden ohne Zweifel einen bedeutenden Einfluß auf den Handelsverkehr der civili- sierten Länder ausllbcn. Frankreich kann sich darüber nicht Hinwegsetzen. Welches wird aber das Resultat dieser allgemeinen Schwankung für uns sein? Die Initiative geht von Deutschland aus, wo die Reform der Zolltarife nach langen und stürmischen De batten genehmigt wurde. Die geringeren Taxcrx, die 1801 die Oberhand behielten, wurden durch weit lxvhcre ersetzt. Die Abmachungen, die das Deutsche Reich an die Treibnnds-Staatcn nnd die anderen Machte banden, werden notgedrungen gekündigt werden. Was auch kommen mag, mögen Rußland nnd Oesterreich einen Zollkrieg mit dem Berliner Kabinett beginnen oder mag eine Verständigung herbeigesührt werden, wir werden nicht die Opfer sein. Auf Grund des Art. 11 des Frank furter Vertrags genießen wir in Deutschland die Vor rechte der meistbegünstigten Nation. Oesterreich-Ungarn und Italien werden sicherlich dem vom Deutschen Reiche gegebenen Anstoß folgen. Auch da haben wir nichts zn fürchten, da wir jetzt mit diesen Ländern ausgezeichnete Beziehungen unterhalten. Unsere Weinbauer können sich sogar über den Bruch <?i freuen, der zwischen den beiden Verbündeten Dcntschlands eingetretcn ist. Oester reich gewährt uns durch die Kündigung der Weinklansel die gleiche Behandlung wie Italien, nnd unsere Expor teure können daraus nur Nutzen ziehen. Desgleichen muß nns die Verstimmung nützen, die die Erhöhung der deutschen Zölle in Rußland hervorgcrnfen hat. Wenn Wilhelm II. ihre Vrotfrüchte sernbält, werden die Unter tanen des Zaren geneigter sein, ihre Maschinen bei und zn kaufen, so daß der Handelsverkehr der beiden Staaten des Zwcibnndes eine ansehnliche Höhe erreichen wird. Die Schweiz, Belgien, die Niederlande hatten ihre Handelsbeziehungen mit Deutschland seit 1891 unter dem liberalen Regime, dem der Kanzler Eaprivi zum Siege verholsen, wesentlich gebessert. Diese Länder werden offenbar die Erhöhung der Taxen, die die Agrarier dem Reichstage auferlegl haben, nicht günstig beurteilen. Au uns ist es, die Schwenkung, die sich in Mitteleuropa zu Gunsten der Hochschutzzölle vollzogen, anszunutzeu. Unsere Landsleute werden, wir hoffen dies, nicht er mangeln, ihre Interessen genau zu erfassen nnd die frei werdenden Plätze zu besetzen." Eine Petition gegen den Eölibat. Eine Anzahl junger italienischer Priester hat an Papst Leo XIII. eine Petition gerichtet, in welcher sie bitten. Laß ihnen in der gleichen Weise wie den griechisch-katholischen Priestern die Verehelichung gestattet werde. In der Petition beißt eS nach einem der Wiener „Zeil" auS Rom zugehenden Berichte: „Als im sechzehnten Jahrhundert das Trienter Konzil in seiner 24. Sitzung den Eölibat für die katholischen Priester beschloß, widersetzten sich die Griechen dieser Einschränkung und der heilige Stuhl konzedierte ihnen die Ehe. Die griechisch, katholischen Priester stehen in der gleichen Gemeinschaft mit unserer heiligen Kirche und mit dem heiligen Stuhl wie wir, und genießen die Wohltat, eine Familie zu besitzen. Warum sie und nicht auch wir?" Die Petition schließt mit den Worten: „Au- Len Berichten der Bischöfe über die Vorkommnisse in den einzelnen Diözesen ist der heilige Stuhl sicherlich über die zahlreichen Un- zukömmlichkciten unterrichtet, welche der Eölibat für den Klerus, für die Religion, für die Kirche, für die Moral und für die katho- lischt Gesellschaft überhaupt im Gefolge hat, so daß sich die Unter- zeichneten der Hoffnung hingeben, daß Ew. Heiligkeit die Abolition LeS Eölibats für die Kleriker als opportun erachten werden." Da diese Petition bereits dreimal an den Papst gerichtet wurde und bis zur Stunde ohne jede Erledigung geblieben ist, so scheint eS, daß die Umgebung ve» heiligen Vaters da« Schriftstück gar nicht zu seiner Kenntnis gebracht bat, und baden sich infolgedessen die Unterzeichner entschlossen, die Petition in den italienischen Blättern zu veröffentlichen, um sie auf diesem Wege dem Papst zur Kenntnis zu bringen. Deutsches Reich. 6. II. Berlin, 13. Januar. (Die Invaliden- und Alters rentner in diesem Jahre.) Die Belastung des Reiches ans den auf Grund deS Invalidenversicherung- gesetzeS zahlbaren Renten ist bekanntlich in diesem Jahr aus 40 858 000 angenommen, daS sind 2 692 000 .L mehr als im Vorjahre. Man glaubt, daß an diesem 1. Januar voraussichtlich ein Bestand von rund 715110 Invaliden- und Altersrenten (tz 15 deS JnvalidenversicherungSgesetzeS) vorhanden sein wird, von denen im Laufe deS Jahres rund 7 < 580 in Wegfall kommen dürften. Der Zugang an Renten ist auf etwa 147 000 zu schätzen, von denen 13 900 im Lause des JahreS 1903 wieder wegfallen werden. Setzt man nun als Reichszuschuß für jede am I. Januar 1903 laufende Rente einen Betrag von 50 für jede im Jahre 1903 in Zugang kommende Rente einen solchen von 45 an und legt man für jeden Wegfall einer am 1. Januar 1903 tausenden Rente 25 sowie für jeden Wegfall einer im Jahre 1903 neu bewilligten Rente 12,50.L zu Grunde, so ergibt sich als Reichszuschuß für Feuilleton. 10s Frau Huna. Roman von Karl Taner a. viacvdrvtk verbotcn. „Da sind Sie gleich ans ein Thema gekommen, in welchem ich nicht sv gut wie sonst orientiert bi». Ich will Ihnen aber den Ständcnnterschicd im allgemeinen etwas entwickeln. Er hängt innig mit der Einnahme und Be völkerung Japans durch seine gegenwärtigen Bewolurer zusammen. TicUreinwohner, welchejezzt bis auf wenige im Norden der Insel Iesso wohnende Reste verschwunden sind, waren die Ainos. Die jetzigen Japaner wanderten aus .Korea und China ein, mußten sich in schwerem .Kampfe eine Insel nach der anderen erobern nnd nahmen daher schon in alten Zeiten eine rein militärische Organisation an. Ihr Führer war der Mikado. Ans den Untersührcrn bildete sich ein Adel, der vom Mikado Teile des eroberten Landes zugcwiesen bekam. Auf diese Weise entstanden die sogenannten Knge. Sie waren die Vasallen des .Kaisers. Als sich das Reich auf immer mehr Inseln und immer weiter nördlich auodehnte, wurden die Kriege durch Unter feldherren geführt, und über die neu erworbenen Pro vinzen sogenannte Schogune, d. h. Statthalter, gesetzt. Je mehr sich deren Macht im Lanse der Jahrhunderte ver größerte, desto mehr wurde die des Mitados und der ihm direkt anhängendcn Kngc eingeschränkt. Dadurch bildeten sich letztere zu einer Art von Hofadel aus. Dafür schufen die Schogune ans ihren Anhängern einen neuen Adel, die DaimioS, welche sie nach und nach mit dem ehemaligen Grundbesitz der teils verarmten, teils ganz an den Hof gezogenen Knge belehnten. Freilich wurden auch die DaimioS angeblich vom Mikado ernannt. Die militärische Macht derselben bestand aus der Kriegerkastc der Samurai, sogenannte Zwetschwertermänner, welche sich zu einem Ritteradel entwickelten. Durch diese Verhältnisse gelangten der Adel und der ganze Kriegerstand in Japan zu höchster Blüte und zu bedeutendem Ansehen. Noch jetzt genießen Offiziere nnd Soldaten die größte Achtung. Nach dem Adel und den Kriegern erreichten noch Vie Landbebaner hohe Geltung. Dann kamen die Arbeiter und zuletzt erst Kaufleute. Diese waren fast mißachtet. Für die Gelehrten sand sich bet diesen altiapanischen Verhältnissen kein rechter Platz. St« galten daher als solch« nicht sehr viel, wenn sie nicht, was aber meist der Fall war, adeligen Familien ent- > stammten. Nun änderte die Neuorganisation beinahe plötzlich fast i alle Standcsunterschicde. Jin Jahre 1884 schuf der Mikado ! europäische Adeldtitel, wie Marquis, Graf nnd so weiter, j In diesem Ncnadel, Kwazvku genannt, gingen die alten Kuge, Taimiv und Samurai auf, neue kamen hinzu, und dieser Adel trat als Offizier in die neue Armee, und zur Flotte, als Beamte in die Staatsverwaltung, als Pro fessoren ins Lehrfach, nnd erhielt sich dadurch im alten Ansehen. Aber der neue Geist gestaltete auch den bisher von solchen Stellen ausgeschlossenen Ständen, sich nm sie zu bewerben. Das noch an seinen Traditionen ans der feudalen Zeit hängende Volk unterscheidet aber immer noch scharf und erweist den Nachkommen der alten Geschlechter mehr Achtung, wie den neu cinporgekommenen Beamten und Professoren. Freilich wird sich dies mit der Zeit immer mehr anSglcichen. In Beziehung auf Ihres Gatten g-sellschaftlichc Stellung kommt cs also darauf an, ob er ans einer alten, adeligen Familie abstammt oder nicht. Misten Sie dies, gnädige Fran?" „Ich kann cs nicht sagen, Herr General. Ich weiß nur, daß sein Vatex praktischer Arzt in Nagoya ist." „Da fürchte ich, daß er auch ans einer jener braven und ehrenwerten, aber nicht zum Adel gehörigen Familien stammt, die sich allmählich cmporgearbeitet haben und die Haupturhcbcr deS Kampfes gegen das alte Feudalsystem nnd damit zur Umwälzung wurden. So sehr man gerade vor diesen Familien Achtung haben muß, sv läßt sich doch nicht leugnen, daß deren Angehörige in den gleichen Be rnsen eine schwierigere Stellung l-aben, als die Nach kommen der Adeligen." Julie sah einige Zeit still vor sich hin. Dann fragte sie etwas zagend: „Wie meinen Sic dann, Herr General, daß meine gesellschaftliche Stellung als Profcssorenfrau werden wird?" „Das läßt sich sehr schwer Voraussagen, und ich speziell habe hierüber keinerlei Erfahrung. Ich denke mir aber, daß Sie bald in den internationalen diplomatischen Kreisen von Tokio Boden gewinnen werden. Dort verkehren auch die Frauen der wenigen noch an der Universität ange- stclltcn europäischen Professoren. Ich Begegnete vor drei Jahren zwei deutschen Damen darunter. Aber wenn auch diese heute nicht mehr in Tokio wären, so glaube ich doch, daß man Sie in freundlichster Art aufnehmcn wird. Eine junge Dame von so vorzüglicher Erziehung, so lieben». würdigem Mesen, nnd so hübsch, — bedenken Sie, daß kein jugendlicher Schmeichler, sondern ein alter Großvater zn Ihnen spricht —, eine solche Dame reiht man gern auch den sonst sv verwöhnten diplomatischen Kreisen ein." „Wird man aber auch meinen Mann dort ansnehmcn?" „Das weiß ich nicht, gnädige Kran. Es kommt vor allem darauf an, ob er es selbst will? Sehr häufig haben Japaner den nach meiner Ansicht sehr berechtigten Stolz, daß sie lieber gar nicht in Kreisen, in denen sie nicht als voll gelten würden, verkehren, als daß sic sich über oie Achsel ansehen lassen." „Das glaube ich, und hoffe ich auch von meinem Mann. Wie denken Sie aber, Herr General, daß man mich in japanischen Kreisen anfnchmen wird?" „In japanischen! Ja, meine liebe, gnädige Frau, japanische Kreise, in denen die Frauen mit den Männern ähnlich wie in Europa verkehren, die gibt cs nicht." „Ach, Sie haben recht. Ich wußte es auch. In dieser Beziehung wollen wir ja reformatorisch wirken." Trotz dieser Antwort entschlüpfte doch ein leichter Seufzer den Lippen Juliens. Sie sah immer mehr ein, daß ihr recht ernste Schwierigkeiten bevorstanden. In ihrem Herzen griff die Sorge »m sich. Der General schien ihre Gedanken zu erraten. Er sah sie freundlich an und bemerkte halb scherzend, halb ernst: „Kopf in die Höhe, junge Frau. Mer A gesagt bat, muß auch B sagen. Ich stand im Kriege 1870 bei der Armee des Großherzogs von Mecklenburg unten an der Loire. Da haben wir ost ge glaubt, es könnte nicht gut ausgchen, weil die feindliche Ucbermacht zu groß und die Lchwiorigkeiten jeder Art zu gewaltig erschienen. Aber eö ging doch. Wir griffen stets mit frischem Mut an, und dadurch bezwangen wir alles. Also frischen Mut, gnädige Krau. Sie haben das Zeug, zu siegen. Sie werden es." Julie sah, wie wohlwollend sein Auge aus ihr ruhte, sie fühlte, wie gut er es mit ihr meinte. Sie blieb stehen, gab ihm die Hand und sprach: „Wie innig ich Ihnen danke, Herr General, kann ich gar nicht sagen. Sie haben mir sehr geholfen, wenn auch manche Ihrer Erzählungen mich stark erregten. Aber Sie haben mich gewappnet, allem, was mir bevorsteht, fester entgegenzngehcn. Nochmals, ich danke Ihnen." Das Spiel der anderen Partei war beendet. Jzuna kam. Tie ging ihm lächelnd entgegen. Niemand merkte ihr an, was sie in ihrem Innern bewegte. Am nächsten Vormittag fuhr der „Friedrich der Große" im Hafen von Colombo «in. Wenig Haken der Erde haben eine sv idyllische Umgebung, wie dieser. Ein Gürtel von herrlichen Kokospalmen umrahmt ihn, aromatische Düfte ziehen über ihn hi», nnd den Hintergrund bilden die grünen Berge des Innern von Ceylon. Wegen des kur zen Aufenthaltes von nur wenigen Stunden konnten die Passagiere nur einen kleinen Ausflug in die Stadt Co lombo nnd deren Umgebung machen. Julie war wiederum in höchstem Maße entzückt. Die Flora von Ceylon ist ja auch eine wirklich paradiesische, und die Stadt selbst mit groß artigen Garten- und Parkanlagen geschmückt, sowie von unvergleichlich schönen Palmcnhainen umgeben, so daß man schvn hier einen Eindruck von der Pracht des Pflan zenreichs im Innern erhält. Ebenso erregten die An gehörigen der verschiedenen Menschenrassen nnd mannig faltigen Völker das Interesse der jungen Frau. Sie sah Singhalescn und Tamnlcn, Afghanen, Mohammedaner ans Arabien, Indien nnd Bclndschistan, Parsen und Nord inder, Birmanen, Ehincsen, Malanen ns«v. Es war ein reines Völkerkaleidoskvp, das sich vor ihren Augen ent rollte. Man muhte aber bald ans den Dampfer zurück kehren, sv sehr Julie auch bedauerte, die wunderbare Insel schon verkästen zn müssen. Der Originalität halber fuhr sie mit ihrem Gatten in einem der kleinen, schmalen Boore 0er Eingeborenen zum Schiff. An diesem Boot über raschte sic sehr der sogen. Auslieger, welcher den Druck des Windes ausgleicht und sich entweder aus dem Wasser erhebt und ein Gegengewicht bildet, oder in demselben schwimmt und auswärts drückt, je nachdem daS Gleich gewicht erhalten werden muß. An Bord des „Friedrich des Großen" war das Bild sehr verändert. Eine grohe Zahl der aus Europa mit gekommenen Passagiere hatten das Schiff verlassen, um ans Ceylon zu bleiben, vielleicht auch die indischen oder auch australischen Dampfer zn benutzen. Dagegen waren neue Reisende gekommen und unter ihnen verschiedene erotische Ein indischer Radschah, dem eine zahlreiche, bunt ge kleidete Dienerschaft folgte, mehrere reiche Parsen, ein chinesischer Grohkansmann nnd zwei sehr elegant aus tretende Japaner bildeten nnter mehreren Deutschen, Eng ländern und anderen Europäern den Zuwachs der ersten Klasse. Da aber die alten Passagiere sich beim Diner nm den Kapitänstisch gesammelt hatten »nd die Neuangekom menen infolgedessen die Nebentiichc im Speisesaal ein nahmen, lernte man sich nickst gleich kennen. Professor Jzuna erkundigte sich sofort beim Kapitän nach seine» beiden Landsleuten und erfuhr, es seien zwei höhere Offi ziere, welche mit dem vorhergehenden Slovddamvf«r an»
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