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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030115021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903011502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903011502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-15
- Monat1903-01
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Das ist charakteristisch nicht nur für die Vertrauensmänner der beiden parlamentarischen Körperschaften, sondern auch für deren jetzige Zusammen setzung und bildet eine beherzigenswerte Mahnung an alle Anhänger der Nationalliberalen, bei den bevor stehenden Wahlen nach Kräften auf eine gründliche Aenderung der Parterverhältnisse im Reichstage hin zuwirken. Gestern setzte dieser die Beratung der zum Zolltarif beantragten Resolutionen fort und nahm nach längerer Debatte mit 152 gegen 70 Stimmen die zweite Resolution an, die eine Differenzierung des Zolls für rohes und gereinigtes Petroleum zum Zivecke der Schaffung einer inländischen Raffinerie-In dustrie anregt. Bei dieser Anregung wird cs voraus sichtlich auch bleiben, da der Vertreter deS Rcichsschatz- amtö, Unterstaatssekretär v. Fischer, erklärte, die Differenzierung würde die inländische Raffinerie in Ab hängigkeit von den ausländischen Rohöl-Produzenten bringen und nicht nur ihren Zweck -verfehlen, sondern auch die Reichsfinanzen beeinträchtigen. Dann ging man zu der wichtigsten Frage, der Mcistbcg ü nstigung , über, die eine Resolution bei der Neugestaltung der Handelsbeziehungen in dem Sinne gelost sehen will, daß vor dem Abschluß von Handelsverträgen durch allgemeine Kündigung der Meistbegünstigungsverträge tabula rasa gemacht und fortan die Meistbegünstigung nur auf der Basis vollkommenster Gegenseitigkeit in Zollsätzen und AbferttgungSpraxts zugestauden werde. Ein minder radikaler Antrag will die möglichst baldige Lösung der bestehenden Meistbegünstigungsvcrhältnisse und Abschluß „reiner" Meistbegünstigungsverträge — d. i. solcher Ver träge, welche die Meistbegünstigung bedingungslos ge währen — nur nach Maßgabe der bfsherigen günstigen oder ungünstigen Ersahrurigcn. Zu diesen Anträgen äußerte sich der Staatssekretär Graf P v s a d o w s k » in höchst bemerkenswerter Weise. Der gegenwärtige Zeit punkt, so führte er aus, wäre der allcrungeeignetstc für eine eingehende Erörterung der von den Anträgen be rührten Fragen: er unterlasse es darum, einige Irr tümer zu berichtigen, und wolle nur, da mau das Ver halten der Schweiz als Muster hingestellt habe, bemerken, daß ein Land von der Weltstellung des deutschen Reiches auf seine äußeren Beziehungen andere Rücksichten zu nehmen habe, als ein kleiner, neutralisierter Staat. Die Meistbegünstigung grundsätzlich anfgeben, hieße für unsernWelthanbelSverkehr ähnlicheZnständc heübcifübren, wie sie sldr den innerdeutschen Handel vor dem Zoll vereine bestanden. Die Frage sei nicht ohne Rücksicht auf unser Handelsinteresse im speziellen Falle zu entscheiden, wenn Deutschland nicht Gefahr lausen wolle, seine Aus fuhr zu Gunsten eines Dritten ausgeschlossen zu sehen. Die Bereinigten Staaten seien nicht mehr m e i st b e g ü n stig t in unserm Sinne, nachdem sie ihre Auffassung zur Geltung gebracht haben, daß nach dem Bertragsschlusse Dritten gewährte Vergünstigungen nicht unter die Meistbegünstigung fallen. Es sei also eine irrige Annahme, daß, wenn Deutschland neue Handelsverträge mit dritten Län dern abschließe, die darin enthaltenen Konzessionen ohne weiteres auch den Vereinigten St-aaten zu Gute kommen. Allgemeine Grundsätze für die Anwendung der Meist- begünstigungsklauscl ließen sich nicht ausstellen, es werde vielmehr notwendig sein, die Frage in Zukunft indi vidueller zu behandeln als bisher. — Je bedeut samer diese Erklärung ist, um so gespannter darf man darauf sein, wie die Mehrheit des Hauses sich zu den beantragten Resolutionen verhalten wird. Zur Ab stimmung kam eS gestern noch nicht. Dekorative Polenpolitik. Obgleich das Gesamtdesizit des preußischen Etats sich in diesem Jahre auf 72 700 MO Mark beziffern wird, wer den im Etat des F'-nanzministeriums 50 000 ni> Vor arbeiten zur Herstellung eines königlichen Resi denzschlosses in der Stadt Posen gefordert. Je energischer im Jntersse einer wahrhaft preußischen Pvlcnpvlitil diese Forderung bekämpft werden muß, um so ausführlicher sei die Begründung wiedergegeben, die im Etat dafür entlmlten ist. Sie lautet wörtlich: „Die Provinz Posen entbehrt bisher einer königl. Residenz. Im politischen Interesse ist cs aber dringend erwünscht, ein regelmäßiges B er weilen Ihrer Majestäten in dieser Provinz und ihrer Hauptstadt zu ermöglichen. Denn es kann keinem Zweifel unterliege», daß hierdurch die Be völkerung in ihrem patriotischen Empfinden wesentlich gestärkt und eine innigere Verbindung dieses Landcstcilcs mit der Gc- samtmouarchie und dem gemeinsamen deutschen Vaterlandc hcrgestellt werden würde. Auch gegenüber den dieser Ver bindung widerstrebenden Bevöllerungsclementen würde das Kaiserschloß als äußeres Zeichen der unwidcrruflict-en Zu sammengehörigkeit der Provinz Posen mit dem preußischen Staate und dem Deutschen Reiche einen wirksamen Eindruck nicht verfehlen. Durch den Erwerb des UmwallungSgelätideS seitens des preußischen Staates wird sich die Gelegenheit bieten, ein für den Ban geeignetes Grundstück zur Verfügung zu stellen. Da der Ban aus politischen Gründen im staatlichen Interesse erfolgen soll, so werden auch die Baukosten aus der Staatskasse zu bestreiten sein. Eine alsbaldige Entscheidung- über die Ausführung des Baues ist erforderlich, da die Ge staltung des zur Zeit in der Bearbeitung befindlichen Be bauungsplanes für das Ilmwallungsgelände hiervon abhängt. Da ein Bauentwurf noch nicht vorliegt, so wird zunächst nur ein Betrag für Vorarbeitskosten gefordert, welcher zur Be streitung für die Kosten der Untersuchung des als Bauplatz zu zählenden Geländes und für die Ausarbeitung des Bauprojekts bestimt ist." Soweit die Begründung. Daß ein regelmäßiges Ver weilen des Kaiserpaares in Posen das patriotische Em pfinden wesentlich stärken würde, ist richtig,- man hat das während der Posener Kaisertage im September 1002 von neuem beobachten können. Aber gerade diese Kaisertage liefern den Beweis, daß der Kaiser nicht in einem Posener Kaiserschlosse zu wohnen braucht, u m d a S p a t r i v t i s ch e Empfinden zu kräf tigen. Erheblich längere Aufenthalte des Kaisers in Posen als damals müssen von vornherein für ausge schlossen gelten,- den größten Teil des Jahres hindurch ns Frau Huna. Roman von Karl Tanera. ViaAdrurt verboten. Die einzige Zeit, in der sie sich mit ihm allein unter halten konnte, war die Stunde, in welcher Jzuna sein Bad nahm. Sie richtete es daher so ein, daß der General gerade mit ihr und ihrem Gatten sprach, als letzterer zum Bad« unter Deck gerufen wurde. Nun wanderte sie mit Herrn von Menzheim auf und ab. „Herr General, ich möchte schon wieder nm Auskünfte bitten." „Stehe mit Freuden zur VersUgung, gnädige Frau." „Was Sie mir vom Leben der Krauen in Japan sagten, daß dieselben nämlich gar keine» geselligen Ver kehr mit den Männern hätten, beschäftigt mich sehr. Nun möchte ich gern noch wißen, ob denn die Männer nur unter sich verkehren und gar nicht mit Frauen?" „Oh, sie verkehren schon mit Frauen, aber nicht mit den ihrigen, wenigstens nicht außerhalb ihrer Familien." „Also gibt eS nie größere Feste mit Damen?" „Nach unserem Sinne nicht. Wenn Diners oder an dere Feierlichkeiten stattsinden, so werden dazu nur die Herren etngeladen." „Und die unterhalten sich nur mit Esten nnd Trinken? Ich dachte, die Japaner seien so sehr mäßig! Mein Mann wenigstens trinkt fast gar nichts." „Das sind sie auch, gnädige Frau." „Da kann ich mir diese Diners aber nur recht lang weilig denken.* „Dav ist nicht der Fall. Ich will ihnen erzählen, wie cs dabei zugeht, denn Sie sind ja eine vernünftige, kleine Frau, und es ist gewiß bester, Sie erfahren die japanischen Verhältnisse jetzt von mir ganz ine richtigen Lichte, als später nur halb durch einen Zufall, ohne baß Sic wissen, wie alles zusammenhängt. Im gesellschaftlichen Leben Japans spielen die Geishas eine große Nolle. Es sind dies ausgesucht hübsche, jüngr Mädchen, welche zu Sängerinnen und Tänzerinnen erzogen werden und für die Unter haltung der Kestteilnehmer zu sorgen haben." „Dav sind also sehr untergeordnete, ich will offen fragen, sehr zweideutige Wesen?" „Dies massen Ei« nicht sein, gnädige Frau, obwohl ich ebensowenig für ihre Tugend einstchen möchte. Sie stammen meist aus armen, aber guten Familien des Mittelstandes. Sehr jung, oft schon mit vierzehn Jahren, werden sie als sogenannte „Lingmädchcn" oder „Tanz kinder" einem Lehrer übergeben, eigentlich auf eine Reihe von Jahren, meist fünf, verkauft. Nun wird die kleine Geisha, d. h. Künstlerin, im Tanz, Gesang nnd Spiel ans dem Samisen, lH-kiu oder Biwa, welche einer Gitarre ähnliche, drei- oder mchrsaitigc Mnsikinstrlrmcnte sind, ausgebildet. Sie erhält auch Unterricht in anregender Plauderei, bekommt einen poetischen Namen, wie: Fräu lein Kirschblüte, Kleiner Schnee, Fvühlingsblnme, Fräu lein Fichte usw. und wird, sobald sie tanzen, singen und spielen kann, stundenweise vermietet, um die Gäste eines TheehanseS, einer Privatgesellschaft oder eines größeren Festes durch ihre Künste zu unterhalten. Als Kind erscheint sie im Gefolge der älteren GeifhaS und bekommt nur halbe Bezahlung, die sie aber fast ganz ihrem Lehrherrn ab geben mutz. Mit sechzehn, siebzehn Jahren ist sie aus gebildete Künstlerin und entspricht nun jeder Einladung zu Tanz und Spiel oder nur Plauderei und Amüsement. Ist sie geschickt, sanft, lustig und hübsch, so gewinnt sie bald einen großen Ruf, wird täglich engagiert und erwirbt, sobald sic von ihrem Lehrherrn frei ist, Geld, Dianranten, Perlen und Reichtümer jeder Art, und schließlich einen ordentlichen Mann, dem sie eine brave, durchaus treue Gattin bleibt." „Und solche sind also die Festteiluehmcrinnen, auch bei Diners von Herren der höheren Stände an Stelle ihrer eigenen Frauen und Töchter?" „Ja, gnädige Frau. Die eigenen Frauen und Töchter werden nie zu feierlichen Gelegenheiten beigezogen, nicht einmal in den höchsten Kreisen. Ich habe ein große- Re- prüsentattonsbiner mitgemacht, bei welchem die GetshaS ihre Nolle spielten." „Können Sic mir erzählen, Herr General, wie es dabei zuging?" „Gewiß, gnädige Frau, denn es wurde trotz der zwischen den vieisbaS nnd den Festgänsten allmählich ein tretenden Kameradschaft nie die Grenze deS Anstandes, natürlich nach japanischer Anschauung, überschritten. Wir waren etwa sünszig europäische Gäste deS Kaisers in Tokio. Er selbst erschien natürlich nicht, sondern war durch hohe Offiziere, Minister und Diplomaten ver treten. Im ganzen mißten wir 150 Personen gewesen sein. Als wir in den schön mit Blumen dekorierten Saal traten, hockten die Eingeborenen meist schon auf dem würde das Posener Schloß von Kastellanen und ähnlichen Leuten bewohnt sein, deren Gegenwart in Posen für die Stärkung des patriotischen Bewußtseins nicht ins Gewicht fiele. Wenn die Begründung weiter anführt, daß das Kaiserschloß für die Polen das äußere Zeichen der un widerruflichen Zusammengehörigkeit der Provinz mit dem preußischen Staate bedeuten und einen wirksamen Ein druck machen würde, so verdient eine derartige äußer liche Auffassung die schärfste Zurückweisung. Soweit Ge bäude als Symbol der Zugehörigkeit eines Landstriches zu einem Staate gelten können, kommt die G e s a m t h e i t aller öffentlichen Gebäude in jenem Landstriche in Frage. Der Kaiserpalast in Straßburg war noch lange nicht errichtet, als ein Franzose von den öffentlichen Bauten in Straßburg sagte: „Tie Deutschen bauen, als ob sie hier ewige Leute wären!" Genau ebenso steht es in Posen. Die dortigen schon vorhandenen öffentlichen Ge bäude, deren Zahl ständig wächst, erfüllen vollauf den dem Posener Kaiserschlosse zugedachten Zweck, die unwider rufliche Zusammengehörigkeit der Provinz mit dem preu ßischen Staate zu veranschaulichen. In Bezug auf die Polen aber wird es einen unverhältnismäßig größeren Eindruck machen, wenn an Stelle der Errichtung toten Mauerwerkes während eines kaiserlichen Aufenthaltes in Posen die lebendigen Kräfte gestärkt werden, die für die Dauer die Herrschaft des preußischen Staates über die Provinz Posen verkörpern. Solche lebendigen Kräfte sind die Spitzen der Eivi l- und der Militärbe hörden,- deren Autorität wird gerade dadurch gestärkt, daß der deutsche Kaiser und König von Preußen während seines Aufenthaltes in Posen unter ihrem Dache wohn t. Endlich scheint der Schloßbau vom rein finan ziellen Standpunkte ans verfehlt. Der Eisenbahn etat läßt auch in diesem Jahre berechtigteWünfche der Ostmark unerfüllt. Es wäre wirklich dringend zu wünschen, daß zu gunsten einer rationellen Verkehrs- pol'tik auf den Bau eines politisch überflüssigen und wert losen Prunkbaues verzichtet würde. Das neue englische Trunksuchtsgcsetz kommt jetzt in den Londoner Pvlizeigerichten täglich zur Anwendung, und es hat bisher schon dir Wirkung gehabt, daß es den Trinker mehr noch als bisher zu einer ge ächteten Person stempelt. Dem dreimal in einem Jahre polizeilich bestraften Trinker wird von dem Polizeirichter der Wirt-Hausbesuch und das Kaufen von Spirituosen auf drei Jahre verboten. Auch wer solchem Gewohn heitstrinker die Beschaffung von Spirituosen vermittelt, verfällt einer Polizeistrafe. Sämtliche Wirte und Spiri- tuoscnverkäufcr des in Betracht kommenden Polizei distrikts erhalten von der Polizei ein Signalement des Trinkers und die Benachrichtigung, daß die Verab folgung geistiger lAetränke an denselben auf 8 Jahre ver boten ist. Eine dreimalige Bestrafung in einem Jahre ist eine sehr niedrige Maximalgr-enze, denn in Wirklich keit verfiel bisher der Gewohnheitstrinker in England durchschnittlich viel öfter einer Polizeistrafe. Eine Blumcnverkäuferin, die am 3. Januar wegen Betrunken heit bestraft und dann auf die Liste der Gewohnheits trinker gesetzt wurde, war allein im Monat Dezember fünfmal schon bestraft worden, und einem Schuhputzer wurden sogar 250 Bestrafungen wegen Betrunken- seinS nachgewiesen. Die ersten Personen, die vom Polizcigerichte in Bow Street für Gewohnheitstrinker erklärt wurden, sind, wie der „Frkf. Ztg." geschrieben wird, eine Frau von 47 Jahren, die fünfmal im vorigen Boden herum und blieben auch hocken, da cs in Japan für höflich und richtig gilt, sich kleiner zu machen, wie der zu Beehrende, also zu sitzen, wenn er steht. Wir hatten der Landeösitte entsprechend ebenfalls die Schuhe ausgezogcn und hockten uns nnn auch zwischen die japa nischen Repräsentanten auf die uns zugewiesenen Plätze, auf Kissen. Nun erschienen MuSmes, d. h. bedienende Mädchen, sehr nett gekleidet, nnd stellten vor jeden Fest- tetlnShmer ein kleines Lacktablcttchen mit daranfstehcndcn Speisen und Sake, d. h. Reisbranntwcin, hin. Der höchste der Gastgeber machte ein Zeichen, und das Mahl begann. Man aß mit den Stäbchen, die Musmes in ihren goldstrotzenden, sehr reich gestickten Kimonos, d. h. Obcrgewändern, kredenzten den Sake; es mar sehr ori ginell. Nach einiger Zeit erschien, wie ein Schwarm von Schmetterlingen, eine Schar reißender Geisl-as. Sie waren fast überreich gekleidet, sahen pompös aus, näherten sich unhörbar, begrüßten die Gäste mit würde voller Grazie und setzten sich auf die freigelassenen Plätze zwischen den Fcsttcilnehmcrn. Nun plauderten sie mit letzteren, übernahmen das Kredenzen des Weines, kokettierten, lachten und bemühten sich, alle Anwesenden möglichst zu unterhalten. Bald hatte man den Eindruck, unter lauter alten Bekannten zu sein. Hier und da saugen und tanzten einzelne auf einem freien Raume in der Mitte, andere spielten auf den Samisen dazu, dann erschienen wieder andere, führten neckische Scherzspiele auf, nun schwirrten sic alle wie ein Schwarm Schmetter linge oder Singvögel durch den Saal, und zuletzt ließ sich jede wieder bei dem Gaste nieder, neben dem sie vorher gesessen hatte. Dort bemühte sie sich mit ver führerischer Grazie, ihn zu unterhalten. Schließlich be teiligten sich auch die Japaner selbst an dem UFtigen Treiben der Geishas. Sie sangen Lieder und scherzten und tanzten nrit ihnen. So wie bei diesem Feste geht eS bei allen ähnlichen Gelegenheiten zu. Die GeifhaS sind dabei so wichtige Zugaben, wie bei uns das festliche Decken und Schmücken der Tafel. Nie aber nehmen die Frauen und Töchter der Herren an solchen Festen teil." „Das ist ja abscknmlich. Und diese Sitte herrscht all gemein?" „Jo, gnädige Frau. Sie ist vielleicht auch dadurch be einflußt, baß eS in Japan für sehr ungebildet gilt, bet festlichen Gelegenheiten von politischen, dienstlichen und familiären Verhältnissen zu sprechen. Man liebt es auch nicht, sich dabei überhaupt in ernstere Gespräche, z. B. über philosophische Themata, cinzulasien. Die GetshaS Jahre bestraft worden ist, und ein junges Mädchen, das ebenfalls fünfmal im letzten Jahre Strafe erhalten hat. Das Verbot der Verabfolgung von Spirituosen an einen Gewohnheitstrinker ist mit der Ausweisung derselben aus dem Polizeibezirkc fast gleichbedeutend. Wird ihm also der Besuch aller Schaukhüuser im Polizeibezirke ver- rvehrt, so wird er sich in einen anderen Polizeibezirk begeben, bis er auch dort als Gewohnheitstrinker er kannt ist, und so wird er schließlich von einem Polizei bezirke zum andern gehetzt — was im freien England eine bedeutsame Neuerung ist. Eine Schwierigkeit be steht darin, daß es in England sehr schwer ist, die Iden tität einer aus einem anderen Orte oder Polizeibe^irke zugczogenen Persönlichkeit sestzustellen, weil es in Eng land keine Personenanmeldung und keine polizeilichen Personenregister gibt. Man hat darum ernstlich vor geschlagen, man solle den Gewohnheitstrinker mit einer., Zeichen tätowieren. Das Trunksuchtsgesetz vermindert auch die Trunksucht direkt, indem es Konzessions inhaber, die schon betrunkene Personen noch weiter be dienen lassen, mit besonderer Strafe belegt. Jetzt wird ein gewissenhafter Wirt nicht nur einer schon an getrunkenen Person weitere Getränke verweigern, son dern er sagt auch schon dem Gaste, der beinahe genug hat und den das nächste Glas betrunken machen könnte: „ES ist genug!" Eine besondere höhere Strafe trifft solche betrunkene Personen, die Kinder in ihrer Obhut haben. Der schlimmste Fall war der einer 80jährigen Frau, die mit einem fünfjährigen Urcnkelkinde in ihrer Obhut betrunken auf dem Straßcnpflaster gefunden wurde. Der flämische Wohltätigkeitsverei» i« Petersbur- hat am 8. Januar eine Sitzung äbgehalten, die in mancher Hinsicht einen bemerkenswerten Verlaus nahm. Bekannt lich hatte der Verband vor einiger Zeit ein Asyl für mittel lose sremdländische Slawen in Petersburg gegründet. Mit dieser Anstalt nun hat man schlechte Erfahrungen gemacht. Der Berichterstatter über die Tätigkeit des Asyls hob her vor, daß die Slawen in Scharen völlig mittellos nach Petersburg strömen, in der Erwartung, dort alsbald eine sichere Eristenz zu finden. Das trifft indes niemals zu, nnd nun fallen sie dem slawischen WohltätigkeitSverein zur Last. Sie werben im Asyl untergebracht; aber sie denken nicht daran, sich ernstlich nm eine Beschäftigung zu bemühen und verlassen infolgedessen die Anstalt nicht. Zahlreiche Slawen hat der Verein ans diese Weise grund los unterstützt, zahlreiche mußten aus seine Kosten in ihre Heimat znrückbesördert werden, aber der slawischen Sache sei dadurch, wie hervvrgehoben wurde, nichts genützt wor den. Die Fehler der fremden Slawen wurden so scharf gegeißelt, daß schließlich von einigen Mitgliedern die Schließung der Anstalt verlangt wurde. Dazu kam es nun freilich nicht, aber man will in Zukunft große Zurück haltung üben. Es scheint, daß der Slawenverein mehr und mehr an Boden verliert. Ob er unter diesen Um- ständen noch lange bestehen wird, ist die Frage. Deutsches Reich. * Dresden, 14. Januar. An den Reichskanzler hat der Sächsische P h o t o g r a p he n b u n d eine Denk schrift zum Entwürfe eines Gesetzes, betreffend das Ur heberrecht an den Werken der Photographie, eingereicht, indem er gleichzeitig Verwahrung einlegt gegen die an geblichen Interessen sämtlicher deutschen Photographen durch den Weimarer „Deutschen Photographen-Derein". mit ihrem Tändeln und Scherzen gelter, für das beste Mittel, jede ernstere Unterhaltung zu verhindern." „Dagegen muß man aber wirklich airftreten. Es ist freilich, wie ich wohl einsehe, ein schwieriger, langer Weg, bis man eine Aenderung in solchen lSewvhnheiten erzielen kann. Aber eS muß doch gehen. Wenn es erst gelungen ist, den Frauen selbst die Ansicht beiznbringen, daß sic nicht nur im Hause, sondern auch öffentlich zu ihren Männern gehören und sich nicht durch Geishas und Mresmes verdrängen lassen dürfen, dann wird cs auch möglich sein, sie für den Kampf um ihre Stellung zu be fähigen. Ich begreife, daß dies ein schwerer Kampf ist, denn während man die eigenen Frauen absichtlich be schränkt und ungebildet erhält, gibt man diesen Geishas eine Erziehung, welche nur das Ziel hat, den Männern zu gefallen. Da muh der Hebel angesctzt werden. Die Frauenerziehung soll besser rverden. Ich will mit meinem Mann alles in Bewegung setzen, um in dieser Beziehung gegen die unleidlichen, jetzigen Zustände aufzutreten." „Geben Die sich nicht zu großen Hoffnungen hin, gnädige Frau. Was durch Jahrhunderte, vielleicht durch Jahrtausende bei einem Volke gebräuchlich war, kann nicht in kurzer Zeit geändert werden." „Oh, doch, Herr General. Sie haben mir ja selbst erzählt, wie schnell man in Japan die europäischen staat lichen, technischen, militärischen und anderen Verhältnisse annahm. Sollte man nicht auch in moralischer Be ziehung sich eben so schnell auf einen höheren Standpunkt erheben können?" „Nach meiner Ansicht hier nicht, da die Japaner eine in moralischer Beziehung ungemein naive, ich möchte sagen, kindliche Anschammg haben. Was uns unmoralisch erscheint, halten sic nur für natürlich. Sie glauben so gar sehr richtig zu handeln, wenn sic ihre Frauen und Töchter von allem Verkehr mit den GeifhaS, Musmes und NesanS — letztere sind Kellnerinnen in den Thee- häusern oder Dienerinnen und meist in moralischer Be ziehung sehr leicht — fernhalten. Dagegen sehen sie eS als ihr Recht an, ihrerseits mit solchen umzug«hen. Beides läßt sich eben nicht vereinen. Sogar in Beziehung auf die ausschließliche Halbwelt denkt man in Japan anders »sie bei miS. In allen Städten haben die Venus priesterinnen eigene, nnd zwar meist die schönsten Stadt viertel inne. So ist ihr Stadtteil in Tokio, namens Joschiwara, der reichstauSgeitattete, beinahe eleganteste der japanischen Hauptüabt. Aehnlich ist eß in Yokohama und so weiter."
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