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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.01.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030116016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903011601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903011601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
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Anzeige« «Preis die -gespaltene PetUzeüe >L Nekla««» «ter dm, «edawmwstttch (4gespalten) 75 Lh vm de» gaaNlimaach» richt« <6ges palte») 56 Tabellarischer and HistrrMatz entiprechmch höher. — Gebühren für Nachweisungen roch Ofierteaammhnw 96 ch lxxrl. Porw> Ertra-Beilagen (gefatzk^ »r mit der Morgen-Ausaab«, »ha» Vostbes»rder«g SO.—, «U PostbesörderuuD Amradmeschluk für Asneip« Abend-Ausgabe: vormittags 10 Nh«. Murgou-Aasgaber Nachottttags 4 llhr. Antigen stab stets an dis ErPedM« zu richten. Die Trpedttion ist »»cheutugs ummterbroch« geöffnet von früh 8 bis abend» 7 llhr. Druck und Verlag von L. Polz tu Let-zi-. S7. Jahrgang. Vie Reform -es Strafprozesses, i. Nur rvenbge Tage trennen uns noch von dem Zu sammentritt etner Kommission, welche die Grundlagen einer Reform unseres Strafprozesses begutachten soll. Die öffentliche Meinung wird es sicher nur gut heißen, daß das Reichsjustizamt eine solche Reform cinzuleitcu bemltht ist,' denn die bestehende Strafprozeß-Ordnung, das Produkt mannigfacher Kompromisse, ist das aner kannt am wenigsten gelungene der im Jahre 1879 in das Leben getretenen Gesetze, und nach einer 24jährigen Wirksamkeit wird man wohl nicht behaupten wollen, daß eS an der nötigen Erfahrung über das Gesetz fehle. Auch wird man nur billigen können, daß das Reichs justizamt die Reform der Strafprozeß-Ordnung gleich zeitig mit der Revision des Strafgesetzbuches in Angriff nimmt; bedingt doch letztere in vielen Fragen die der ersteren, vor allem bezüglich der Zuständigkeit der Ge richte. Die jetzt bestehende Dreiteilung der regelmäßigen Gerichte: Schwurgerichte, Strafkammern und Schöffen gerichte, hat hautsächltch die französische Dreiteilung der strafbaren Handlungen zur Voraussetzung, wenn sie auch zur Zeit der Dreiteilung der Gerichts-Hierarchie nicht durchgreifend zu Grunde gelegt ist. Allein gerade die bestehenden Abweichungen, wonach z. B. einzelne Ver brechen vor die Strafkammern, Vergehen vor die Schöffengerichte zu verweisen sind, machen eine bessere UeLeretnstimmung von Strafrecht und -Verfahren zum Bedürfnis. Ungewöhnlich dagegen ist das Vorgehen des Reichs- justizamtS bezüglich der Aufgabe, welche dasselbe der Kommission stellt. Die sich von selbst ergebende Regel beim Entwerfen von Gesetzbüchern war bisher die, daß ein erfahrener Mann beauftragt wurde, einen Entwurf anzufertigen, wenn ihm auch hierfür bestimmte Direc- tioen gegeben wurden. Diese gingen aber stets vom Leiter der Justizverwaltung aus. Zur Zeit liegt ein Entwurf noch nicht vor; denn die Novellen, welche seiner Zeit vom Reichsjustizamte dem Reichstage vorgelegt wor den waren, über welche aber Einigung nicht erfolgt ist, sowie die Reproduktionen dieser Novelle, welche der Abg. Rintelen unternahm, um die von ihm gebilligte Wieder einführung der Berufung durchzudrückcn, fallen nicht mehr ins Gewicht und waren als Revision der Straf prozeß-Ordnung auch ganz unzulänglich. Die Aufgabe, die der Kommission gestellt ist, stellt sich vielmehr als ein Versuch dar, für zu gewinnende Grund lagen eines Entwurfes die Autorität einer Kommission zu erlangen. Auch unvollkommene Institutionen können Gute- schaffen; es kann also auch nicht von der Un möglichkeit gesprochen werden, auf diesem Wege weiter- -ukommen; dennoch können wir uns des Bedauerns nicht erwehren, daß dieser Weg eingcschlagen wurde. Er be deutet vor allem einen Verzicht auf die eigene Autorität des Reichsjustizamts und dessen Befähigung, das Richtige zu erkennen. Die Spitze des Justizwesens im Reiche hätte nach unserem Ermessen bester mehr Selbstbewußtsein an den Tag gelegt. Man könnte eS noch begreifen, wenn der Kommission lediglich große Prinzipienfragen zur Beantwortung vorgelcgt worden wären. Hätte das Reichsjustizamt wissen wollen, was die öffentliche Meinung zur Zeit über die Frage der Berufung denkt oder darüber, ob die Geschworenen gerichte beibehalten oder durch große Schöffengerichte er setzt werden sollen (denn an die Eliminierung des Laieu- ElemertteS aus den Gerichten denkt heute wohl niemand), so wäre dies begreiflich gewesen. Aber dann hätte auch die Kommission anders zusammengesetzt werden müssen; in gleicher Weiser aber auch, wenn wirklich das Rcichs- justizamt das Bedürfnis gefühlt hat, schon für die Auf stellung der ersten Grundlagen eine außerhalb des Reichs justizamtes stehende Autorität zu gewinnen. Die Kom mission besteht lediglich aus Juristen: zwei Professoren, ausgezeichneten Theoretikern, welche sicher für die Auf gabe die richtigen Leute sind, vor allem der der Univer sität Leipzig angchörendc, einem Reichsgerichtsrat als Borsitzendem, besten Berufung von keiner Seite be mängelt werden wird, der Rest Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte, gewiß sehr tüchtige Leute — weshalb sollten sie sonst berufen worden sein? — aber weder Re präsentanten der öffentlichen Meinung, noch von im Publikum anerkannter Autorität. Wollte man die öffentliche Meinung hören, so mußten zur Kommission, da -er Reichstag reichlich vertreten ist, mehr Abgeordnete der Landtage und mehr Personen zugezogen werden, die in der Literatur einen Namen haben; die letzteren wären vorzugsweise am Platze gewesen, wenn man nach Auto- rttät gesucht hat. Die öffentliche Meinung wäre aber leicht ohne alle Kommission zu erforschen gewesen. Es war ein leichtes, die Kroge an die Oeffentlichkeit zu stellen. An Antworten würde e- nicht gefehlt haben. Hätte «an aber bet der Fragestellung erklärt, nur mit Nameq versehene Meinungsäußerungen berücksichtigen zu wollen, so hätte man die Meinungen auch wiegen, nicht bloß zählen können. Solche öffentliche und formlose Enqueten mären allerdings neu im burcaukratischen For malismus; allein neue Zeiten, neue Formen, das sollte doch auch der Bureaukratismus gelernt haben. So, wie die Kommission beschaffen ist, wäre sie gewiß geeignet, einen vorläufigen Entwurf zu begutachten. Da bei würde man freilich keine Garantie dafür gewonnen haben» daß der Entwurf entgegenkommende Anschau ungen im Reichstage findet. Hatte man diesen Zweck im Auge, so war es geboten, den Zusammentritt einer freien Kommission im Reichstage zu veranlassen, wie solche für volkswirtschaftliche Fragen sich zusammengcsunden haben und welche aus allen Parteien des Reichstags zusammen gesetzt zu sein pflegen. Allerdings würden hierbei die in Aussicht stehenden Neuwahlen einigermaßen im Wege stehen, allein so gewaltige Eile hat die Reform ohnedies nicht, und die berufene Kommission, welche mit Berück sichtigung der Berufsgeschäfte itner Mitglieder nur nach größeren Zwischenpausen zusammentreten soll, wird auch einige Jähre zur Lösung ihrer Aufgabe bedürfen. Hiermit sind wir an die Größe dieser Aufgabe gelangt. Die Reichsregicrung hat sich nämlich nicht auf wenige prinzipielle Fragen beschränkt, welche sie der Kommission zur Beantwortung vorlegt, sondern sie hat ein solches in Einzelheiten eingehendes Programm ausgestellt, daß deu künftigen Bearbeiter» des Entwurfs cinös Gesetzbuches fast nur noch die Redaktion übrig bleibt. Es muß aller dings anerkannt werde», daß die beiden Hauptfragen: „Wiedereinführung der Berufung und Beibehaltung der Geschworenen" nicht so einfach gestellt werden können. Hatte doch die Wiedereinsührung der Berufung ihre Klippen nicht in der Frage: „ob oder nicht?", sondern darin gefunden, unter welchen Umständen die Berufung cingcführt werden sollte. Ächnlich verhält es sich aber mit dem Schwurgerichte. Mancher würde sich vielleicht entschließen, demselben eins weitere Probezeit zu gönnen, jedoch nicht, wenn nach wie vor Rechts- und Tatfragc den Geschworenen zur unkontrollierbaren Ent scheidung überlassen bleiben sollte. Muß also zugegeben werden, daß ohne Eingehen in gewisse Einzelheiten der Ausführung ein Gutachten der Kommission ohne viel Wert sein würde, so hat doch das Programm der Reichs regierung eine Ausdehnung auf so viele rein technische Fragen gefunden, daß schon die Möglichkeit der Beant wortung aller dieser Fragen davon hätte abhaltcn sollen. Es sollen, wie schon erwähnt, Sitzungen der Kommission nur in Zwischenräumen stattfindcn. Dies, verbunden mit der Reichhaltigkeit der Fragen, läßt aber in Aussicht nehmen, daß die Kommission Jahre zur Erledigung ihrer Aufgabe bedarf. Wenn die Gründlichkeit in gleichem Maße fortgesetzt wird, werden kaum unsere Kinder die Früchte dieser Beratungen erleben. Hierzu kommt noch eine Schwierigkeit. Als die früheren Kommissionen mit großen Majoritäten sich für die Berufung aussprachcn, erklärte die Rcichsrcgic- rung, nicht ohne gewisse Kompensationen darauf cingchen zu können. Die Berufung sollte erkauft werden durch den Prozeß abkürzcnde und wohlfeiler machende Ab änderungen des bestehenden Gesetzes, in welchen die Kommissionen eine Verschlechterung der ersten Instanz erkannten und deshalb ein weiteres Eingehen darauf ab lehnten. Es war dieser Konflikt eine Haupt-, wenn nicht die einzige Ursache davon, daß bisher eine Novelle zur Strafgerichtsordnung nicht zu stände kam. Mit dieser Schwierigkeit hat selbstverständlich auch die neue Kom mission zu rechnen. Deshalb möge der Rat Gehör finden, daß man der Kommission in der Reihenfolge ihrer Be ratungen keine gebundene Marschordnung gebe, sondern ihr frei lasse, Zusammengehöriges auch außer der Ord nung zusammen zu beraten. Stößt sich dann die Regie rung an Beschlüssen in dem Maße, daß sie ein »ou possumuk entgegensetzen zu müssen glaubt, so kann wenigstens vor der Zeit den Qualen nutzloser Be ratungen ein Ziel gesetzt werden. Die Reichsregicrung hat sich Vorbehalten, das Er gebnis der Beratungen noch politischen und anderen, wähl finanziellen, Erwägungen zu unterstellen; und wir glauben in der Annahme nicht zu irren, daß dies ein Hinweis auf die Schwierigkeiten ist, welche bisher sich daraus ergeben, daß die Kommissionen zwar die Be ratung, aber nicht unter den Bedingungen der Reichs regierung wollten. Auf der anderen Seite ist aber jener Vorbehalt nicht sehr ermutigend für die Kommission, welche zu besorgen hat, daß sie nach jahrelangen Be ratungen leeres Stroh gedroschen hat. Um so mehr aber ist Gewicht darauf zu legen, daß der Kommission gestattet ist, die schwierigsten Fragen vornweg zu nehmen und auf untergeordnetere erst einzugehcn, wenn sie sich über jene mit der Reichsregicrung geeinigt hat. Ist sic auf diesem Wege zum Ziele gelangt, so bleibt, bis auf den ge wonnenen Grundlagen ein Entwurf bearbeitet und in Kommissionen beraten, vom Bundesrate genehmigt und vom Reichstage der parlamentarischen Behandlung unterzogen, dann wieder vom Bundesräte geprüft und endlich als Gesetz verkündet ist, ein leiblich langer Weg übrig. Deutsches Reich. -7- Berlin, 15. Januar. lEin Denkzettel.) Die Ersatzwahl in Danzig war, nachdem die freisinnige Ver einigung mit so großem Eifer an der sozialdemokratischen Obstruktion im Reichstage tciigenommcn hatte, die erste Reichstagswahl, an der die freisinnige Vereinigung er heblich beteiligt war. Hatte sie doch diesen alten Stamm sitz ihres verstorbenen Führers Rickert zu verteidigen. Nun, man kann schon jetzt sagen, daß die Partei -en Sitz auch behalten wird, aber trotzdem ist das Ergebnis der Hauptwuhl ein Denkzettel für die freisinnige Ber einigung. Sie hat an Stimmen verloren, während die Gegner von rechts und links, die Konservativen und die Sozialdemokraten, gewonnen haben. Die freisinnige Ver einigung hatte bei den allgemeinen Wahlen von 1898 7231 Stimmen aufgebracht, während sic diesmal nur 6178 Stimmen erhielt, also ein Verlust von mehr als 1009 Stimmen zu verzeichnen hat. Tie diesmalige Stimmen ziffer bleibt sogar, wenn auch nur unerheblich, hinter der jenigen von 1893 zuviick. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß bei den allgemeinen Wah en von 1898 sechs Kandi daten aufgestellt waren, diesmal aber nur vier. Tie kon servative Partei, die 1898 nur 2968 Stimmen erhielt, hat es diesmal auf etwa 4300 Stimmen gebracht. Tiefe Zu nahme ist einmal daraus zu erklären, daß die im Jahre 1898 abgegebenen ungefähr 400 antisemitischen Stimmen diesmal wohl sofort dem konservativen Bewerber zu sielen, und daß ferner daS Zentrum, das bei den vorigen Wahlen über 3000 Stimmen erhielt, diesmal keinen Kan didaten ausgestellt hatte. Nun hatte zwar das Zentrum offiziell Wahlenthaltung proklamiert, aber es dürfte doch ein Teil der Zentrnmswäh'er, katholische Beamte ulw., für den konservativen Kandidaten gestimmt haben. Am beachtenswertesten ist die für die Verhältnisse des Dan ziger Wahlkreises außerordentlich starke Zu nahme der sozialistischen Stimmen. Die Sozialdemokraten erhielten bei -en letzten allgemeinen Wahlen nur 3822 Stimmen, diesmal aber 5568, so daß ihre Stimmcnzunahmc sich auf rund 1750 beläuft. Ein der artiges Anschwcllen der sozialistischen Stimmen ist im Wahlkreise Danzig noch nicht dagcwesen. Die höchste Stim menzunahme dieser Partei l1890) betrug 1200 Stimmen; die Stimmcnzunahmc im Jahre 1893 belief sich nur auf 750 Stimmen und im Jahre 1898 hatte die sozialdemo kratische Partei sogar einen Rückgang von etwa 450 Stim men zu konstatieren, so daß in den elf Jahren von 1887 bis 1898 die Zunahme der Sozialdemokratie in diesem Wah'krcise im ganzen 1550 Stimmen betragen hatte. Mit hin ist die sozialistische Stimmenvermehrung bei der dies maligen Ersatzwahl größer gewesen, als in den elf Jahren bis zu den letzten allgemeinen Wahlen zusammengenom men. Dieser Fall verdient deshalb ganz besonders fest gestellt zu werden, weil er ein klarer Beweis dafür ist, daß die Assimilierung an sozialdemokra tische Taktik und die Verbrüderung mit dieser Partei nur der Sozialdemokratie selbst nützt, nicht aber der Partei, die sich an sic anschmicgt. Tie freisinnige Vereinigung hat nicht nur den Wahlkreis Danzig gegen die Sozialdemo kratie zu verteidigen; wir erinnern beispielsweise an Bremen, wo dank dem Eintreten aller si irgerlichen Ele mente für den Kandidaten der freisinnigen Bereinigung, Herr Frese in den Reichstag gelangte; wir erinnern ferner an Straßburg, wo ebenfalls der Zusammenschluß der bür gerlichen Parteien zu Gunüen eines Anhängers der frei sinnigen Bereinigung den Sieg des Sozialdemokraten ver hinderte. Wenn die von der Bereinigung unter Führung des Abg. Barth in der letzten Zeit beliebte Taktik in diesem Wahlkreise einen ähnlichen „Erfolg" sollte wie in Tonzia, — Bermebrung -er sozialistischen, Verminderung der bürgerlichen Stimmen, — so würde nicht einmal der Zusammenschluß aller bürgerlichen Elemente diele Kreise retten können. Vielleicht aber überzeugt das Danziger Ergebnis selbll Herrn Bgrth, daß seine Taktik eine voll kommen verfehlte gewesen ist, und daß cs höchste Zeit ist, sic zu ändern. 6. H. Berlin, 14. Januar. (Mittellose Deutsche im AuSlande und die Mili» ä > pflickt.) Zablrnche Deutsche iui Auslande, die zur Eriüllung der Miüiär- und Wehrpflicht beieit sind, sind nicht im Stanke, die damit ver bundenen Kosten, insbesondere die Aufwendungen für eine Reise nach Deutschland ;u Ira en. Dieie jungen Leute aeben daher dem Deutschtum regelmäßig verloren. Untere Regie rung hält eS dc-balb mit vollem Rechte für geboten, der vom ideellen wie vom Volk-wirtichastlich n Standpunkt auS gleich beklagenswerten Embuße, die das Deutschtum dgM't erleide», Einbalt ru tun. Nach dem Vorgänge anderer Länder, in denen gleichfalls die allgemeine Wehrpflicht besteht, ist daher in Aussicht genommen, mittelloieu Teuischen im AuSlande die Erfüllung ihrer Militär- und Wehrpflicht durch Unter stützung aus ReichSmilieln zu erleichtern. Die Höbe der Auf wendungen für diesen Zweck läßt sich zur Zeit nock nicht genau bestimmen; vorläufig glaubt man mu etwa 100 000 Mark auc kommen zu können; die Unterstützungen sollen aller dings nur in besonders geeigneten Ausnahmefällen ge- währt werben. * Berlin, 15. Januar. (Ehrhards Unter werf u n g.) Der Berliner ,^Volkszeitung" geht aus Rom ans „bewährtester Quelle" folgende, angeblich authen tische Mitteilung zu, die wir unter allein Vorbehalt ver zeichnen: „Tic Kongregation für Bestimmung der ver botenen und verdammten Bücher („8ac-ra OonM'eptrrtio Indiers") hat durch ihren Präfekten lVvrsitzcnden), den Kardinal Andreas St ein hu der von der Gesellschaft Jesu, denHerrn Albert Ehrhard, Professor für Kirchen geschichte an der Universität Freiburg i. vr., zur Verant wortung nach Rom gerufen. Veit den Dezembertaaen 1901 sind wider gen. Ehrhard, damals Professor an der Universität Wien, Denunziationen bei der römische« Kurie eingclaufen unter der Anschuldigung: „Der Angeklagte habe teils aus Schriftstellereitelleit, teils in Ueberschätzung der profanen Wissenschaften durch zahlreiche Stellen in seinem Buche „Der Katholizismus und das zwan zigste Jahrhundert im Lichte der kirchlichen Entwicklung der Neuzeit. Stuttgart und Wien, Verlag von Joseph Roth, 1SV2, unter teilweiser Billigung des Bischofs Wilhelm Keppler von Rottenburg" die Glaubens- und Sittenlehre der römisch-katho lischen Kirche verletzt, kirchliche Einrichtungen herabgewürdigt und bei den Gläubigen schweres Aergernis erregt." Tie Kongregation des Index hat alle diese Anklage« geprüft, auch diejenigen, welche auS dem Orden der Redemptoristen und der reichSländifchen Geistlichkeit („Journal de Colmar, 10. Dezember 1901" u. ff.) eimltefen, und nach gewissenhaftester Erforschung deS Wortlaut-, des Sinnes und aller Umstände für begründet erachtet und die Irrlehren in genanntem Buche auf vielen Veiten fest gestellt. Der Angeklagte, zu seiner Verteidigung vorge laden und gehört, hat sich dem Spruch der vereyrun-S- würdigen Kongregation deS Index löblich unter worfen. Durch feierliches Gelöbnis kn die Hand Tr. Eminenz des Präfekten, Kardinals Andreas Steinhuber 8. ck., T'itulars der Kirche S. Maria der Goten, und durch Unterschrift zu Protokoll hat Herr Alb. Ehrhard all« die ketzerischen und verdammten Stellen seines vuche- widerrufen und ihre Austilgung versprochen. Darauf wurde Herr Professor Albert Ghrharb zur Audienz bei Seiner Helligkeit Papst Leo XIII. zugelassen. Den Mitwissern dieser Verhand lung, sowie den im Dienste der Gesellschaft Jesu stehenden oder ihren Wünschen sich willfährig zeigenden uftramon» tanen Zeitungen ist die strengste Geheimhaltung dieser Aktion der Kongregation zur Pflicht gemacht worden." Dagegen wird der „Straßburger Post" von geistlicher Seite geschrieben: „Verschiedene Blätter bringen unrichtige Nachrichte« über Professor vr. Ehrhard, die meistens in der Behauptung gipfeln: „k^udabiläer 5e subjecit". Weisen Sie doch gütigst einmal auf das Ungereimte dieses Citars hin! Gegen Professor Ehrhard ist keinerlei Verfahren eröffnet; keinerlei Widerruf ist von ihm verlangt worden; kurzum — nichts ist gegen ihn im Gange. Wo cs aber an einem Angreifer so vollkommen fehlt, wie in diesem Falle, da kann doch auch von einem Unterwerfen nicht di« Rede sein." Wer hat nun Recht? Die eS am besten wisse«, schweigen, aber die Tatsachen reden folgendes: Der Re- formprvsessor Ehrhard war bis vor kurzem schlecht an- geschrieben bei der gesamten katholischen Intoleranz tn Oesterreich, Deutschland und Rom — so schlecht, daß er von Wien nach Freiburg wandern mußte. Eines „schönen" Tages wird er vom Papste empfangen und äußerst huld voll behandelt. Was war geschehen? Hatte sich Rom oder hatte sich Ehrhard gewandelt? Bon Ehrhard liegt darüber keine Auslassung vor, von Rom aber steht fest, daß un gefähr am Tage des Empfanges Ehrhards in Rotten burg ein Schreiben eintraf, in dem ein Bischof für sein Streiten wider die „Reformsimpel" und „Margarine katholiken" '-»m Auftrage des Papstes belobigt wurde. Also Rom ist Nom geblieben. Und ebenfalls zu gleich«: Zeit traten die Reformer Schell und Gen. auS ihrem Verhältnisse zum „20. Jahrhundert" des verstorbene« tapferen Kissens aus, wie man vermuten darf, unfrei willig; von Schell war es vorauszusehen gewesen und von uns schon angedcutet worden: Ein zweites Zeichen für die Denkart und die Praxis Roms. Und Ehrhard? Wir fürchten für ihn. Für die Katholiken gilt der alte Spruch immer i och: tzui waugs du paps eu meurk. (-) Berit», 15. Januar. (Telegramm.) An der geürigen Frübüückeüafel res Kaiservaare» nabm der Kron prinz teil. Nack derselben unternahmen de» Kaiser und die Kaiserin mit dem Kionprinzen einen Spaüergang im Tier garten. Später börte der Kaiser den Vortrag des CbrfS res ArmiralstabeS. Zur Abendtafel waren der Kronprinz und Reichskanzler Graf v. Bülow geladen. (-) Berlin, 15 Januar. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." melket: Der deutscke Kronprinz stattet« gestern nachmittag dem Reichskanzler Grajeu v. Bülow einen längeren Besuch ab. (-) Berlin, 15 Januar. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung des Bundesrates wurde den AuSschaßberickren über die Beilage vom 16. Dezember 1902 wegen Verlängerung der F» ist zur Anrechnung eines Einsubrsckemee und vom 27.Dezember, ketieffcnb die Aufstellung eine» amtlichen Warenver zeichnisses zum neuen Zolltarif, sowie vom ll. De- zember wegen Aenderung der Au»sübrung»b«stimmnngeu zu dem Gesetze, betreffend die Vergütung des Aakaozolles bei der Einfuhr von Kakaowaren, zugestimmt. Ebenso wurde dem AuSsckußberichie zu dem Entwurf eines Gesetze» wegen Fest stellung des Finanzbau-baliSetatS in Eltaß-Loihringea für das Rechnungejadr 1903 die Zustimmung erteilt. (-) Berlin, 15. Januar. (Telegramm.) Die „Nordd. Zig-' risäbrt, die Blättermeldung fei völlig au« der Luft gegriffen, daß die Retchspoftperwaltun, eine Anzahl der köderen Stellen mit Juristen zu besetzen plane und sich mit der preußischen und sächsischen Re gierung wegen des Uebertritl» von Assessoren in Derdia- rung gesetzt bade. L. Berlin, 15. Januar. (Privattelegramm.) Ein ParlameiiiSberickterstatter meldet, in einer gestrigen gemein- »amen Sitzung der Kre tonserpattprn und der UetchAtzirtrt sei beschlossen worven, sich dem Bunde der Lautzwtrte gegen über vorläufig Reserve auszueilegrn, später aber eine gründliche Abrechnung abzudalten. — Dem Reichstage ist die Bekanntmachung zugegangen, betr. Einfübrung von Lohnbüchern für die Kleidrr- und Wättde-Konsektion. Danach müssen in diesen Betriebe» vonr 1. April 1903 ab Lohnbücher emgeführt werden.
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