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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030119014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903011901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903011901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-19
- Monat1903-01
- Jahr1903
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Tabellarischer and Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren filr Ätachweisungeu und Offertenannahme L5 (excl. Porto). Ertra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderung ^ii «0.—, mit Postbesörderung 70.—^ Annahmeschluß für Anzeige«: Abeud-Au-gabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgea-AaSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Pol» tu Leipzig. Nr. 32. Montag den 19. Januar 1903. 87. Jahrgang. Amtlicher Teil. Konkursmasse-Verkauf. Am Dienstag, den 20. und Mittwoch, de» 21. Januar werden die zur Konkursmasse Minkwitz L Gretzcr gehörigen, in gutem Zustande befindlichen Buchbindereimaschiuen, in der Fabrik Leipzig-Reudnitz, Tänbchenweg 28, III.» gezeigt und daselbst am Mittwoch, den 21. Januar, Nachmittags 8 Nhr öffentlich meistbietend und gegen sofortige Zahlung verkauft. Vorhanden sind: 1 Einsägemaichine, 1 Hebelschneidemaschine, 1 Stockpresse, 1 Satinirmaschine, 1 Pappscheere, I Schneidemaschine, 1 Bergoldepresse, 1 Anreibemaschine, Fabrikat Karl Krause. Drei Octavdrahtheftmaschinen, 1 Holländermalchine, I Blockdrahlheft- maschine, Fabrikat Preuße L Co. 1 Fadenhestmaschine, Fabrikat Gebr. Brehmer. 1 Dreifchneidemaschine, 1 kleine Bergoldepresse, Fabrikat Ang. Fomm, 1 große Bergoldepresse, Fabrikat O. Ronniger, 1 Goldabkehrmaschine, Fabrikat Chemnitz. Ferner 1 Farbreibe malchine, Schriften, Platten und Gravüren. Freihändige Gebote auf eine große Anzahl Gebrauchsgegenstände sür Buchbindereien werden am 20. und 21. Januar entgegengenommen. r»ul i-ivttsellulell, Konkursverwalter, Leipzig, Kurprinzslraße 9. Nachlaß-Auction. Montag, den IS. Januar 1S08, von früh lO Uhr a», kommen Leipzig, Sophienplatz 3 pari.. Schränke, Tuche, Stühle, SophaS, Bettstellen, Kommoden, 1 Borsaalschrank, 2,50 m lang, 1 m tief, Wäsche, Kleider und ein größerer Posten Lumpen u. v. a. zur öffentlichen Bersteigeruug. Trummlltr, Localrichter. Bekanntmachung. Bei der unterzeichneten Behörde wird die Stelle eines Stadtraths wegen Uebertritts des seitherigen Inhabers in den Staatsdienst vom 1. April 1903 ab frei. Gehalt 3600 Mark, der nach je 3 Dienstjahren um 200 Mark steigt bis 5000 Mark. Anrechnung in anderen Aemtern verbrachte Dienstzeit ist zulässig. Die Wahl erfolgt durch Len Bürgervorstand zunächst auf 6 Jahre; Wiederwahl gilt auf Lebenszeit. Die Hälfte deS Gehaltes wird als lebenslängliches Ruhegehalt gewährt, im Falle Wiederwahl nicht erfolgt. Die Stelle ist pensions berechtigt und zur Wittwenkasse ausgenommen. Gewählt werden kann nur Jemand, welcher in einem deutschen Bundesstaate die Richlerprüsung ober eine ihr gleichstehende Prüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden hat. Bewerbungsgesuche mit Zeugnissen werden bis einschließlich 20. Februar 1903 erbeten. Altenburg, den 12. Januar 1903. Ter Stadtrath. Oßn>ald. Letzt« Nachrichten. KrönungS« und OrdenSfest. * Berlin, 18. Januar. Das Krönunzs- und Ordensfest wurde heute im königlichen Schlosse in den üblichen Formen gefeiert. Bei schönem, klarem Frostwetter begann frühzeitig die Anfahrt der Prinzen, Prinzessinnen und der Botschafter in Galakarossen, der Minister, Generale und Ordens damen in ihren Equipagen, während ein großer Teil der angehenden Ritter, die sich ja aus allen Ständen zu sammensetzen, zu Fuß dem Schlosse zustrebte, daS drei fachen Standartenschmuck zeigte. Eine zahlreiche Menschenmenge begrüßte den Kaiser, als er von einer Spazierfahrt zurückkehrte, mit stürmischen Zurufen. Die Schloßgarde-Kompagnie, die GardeS du Corps-Ehren posten in den roten Suprawesten, die Leibgarde der Kaiserin im Fridericianischen Dreispitz, das Pagenkorps, alle hatten ihre Plätze eingenommen. Gegen 10 Uhr waren die nen zu dekorierenden Herren in der ersten Braunschweigischen Kammer versarnmelt und empfingen bald darauf in der zweiten Braunschweigischen Kammer durch die Mitglieder der General-Ordens-Kommission die verliehenen Auszeichnungen. Die neuen Ritter des Noten Adler-Ordens, des Kronenordens und des Haus ordens von Hohenzollern wurden sodann nach dem Rittersaale geführt. Nachdem die Prinzen nnd Prin zessinnen sich im Kurfltrstenzimmer, die Hofchargen und die Gefolge sich in der Avisierten Galerie versammelt hatten, meldete um 11^4 Uhr der Präses der General- Ordens-Konrmission, General der Infanterie Prinz zu Salm-Horstmar, dem Kaiser, daß alles zur Cour bereit sei. In feierlichem Zuge, unter großem Vortritt und ge folgt von den Mitgliedern des Königlichen Hauses und den anwesenden Fürstlichkeiten, denen die Damen und Herren der Umgebungen sich anschlossen, schritten nun mehr die Majestäten zum Rittersaal. Der Kaiser trug große GeneralSnniform, mit dem Bande des Schwarzen Adler-Ordens und der Kette des Wilh-ssmS-Ordens. Die Kaiserin hatte eine Robe von gelbem Seideitbrokat angelegt, die ticsrote Cvnrschleppe, ans Seidcnmoiree mit Pelzbesatz, wurde von zwei Leibpagen getragen, ein Brillantdiadem hielt den weißen, herabwallenden Schleier. Im Rittersaal nahm das Kaiserpaar vor dem Thron Ausstellung, die Prinzessinnen traten rechts, die Prinzen links zur Seite, die Ritter des hohen Ordens vom Schwarzen Adler nnd die aktiven Staatsminister hatten bereits Aufstellung genommen. Die Cour begann, die neuen Ritter wurden den Majestäten vorgestellt, dann ebenso im früheren Königinnen-Gemach die nen deko rierten Damen des Wilhelms-Ordens, des Luisen- I Ordens, deS Berdienskkreuzes und der Roten Kreuz- I Medaille. Diese Damen schlossen sich dann dem Zuge I der Majestäten nach der Schlvßkapelle an. Hier hatten sich bereits die geladenen älteren Ritter und Inhaber, be sonders die im Fahre 1902 dekorierten, eingefunden,' vor dem Altar stand die Hofgeistlichkeit, auf der einen Seite saßen Staatssekretär Freiherr v. Richthofen und die Bok- schauer, die Herren des diplomatischen Korps, unter denen der chinesische Gesandte in seiner gelben Jacke auf fiel, und die Bevollmächtigten zum Bundesrat,' auf der anderen Seite die Ritter des Schwarzen Adler-Ordens, die aktiven und inaktiven Staatsminister, die Wirklichen Geheimen Räte, die Generalität und die übrigen Würden träger. Der wette Raum der Kapelle hatte sich bis auf den letzten Platz in den tiefen Nischen gefüllt, der Glanz der Wachskerzen auf den goldenen Kandelabern strahlte über ein Meer von Uniformen und Orden, während oben zu dem Fenster der hochgewölbten Kuppel das Licht der Wtntersonne hereinbrach und widerstrahlte von dem Goldgrund der Fresken. Während der Domchor mit dem Psalm 47 („Frohlocket mit Haute», alle Völker") einsevte, nahte durch das Spalier der Pagen um 12s/r Uhr der Zug der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften, voran die Herren des großen Vortritts. Der Kaiser führte die Kaiserin, Prinz Eitel Friedrich die Prinzessin Friedrich Leopold, Prinz Heinrich die Erbprinzessin von Hohen- zollern, Prinz Friedrich Leopold die Prinzessin Heinrich, Prinz Albrecht die Herzogin von Albany, Prinz Adalbert die Prinzessin Alice von Großbritannien, Prinz Friedrich Heinrich die Prinzessin Karl von Hohenzollern. Die langen, leuchtenden Courschleppen der Prinzessinnen wurden, wie die der Kaiserin, von Pagen getragen. Die sonst anwesenden Prinzen folgten. Gegenüber dem Altar nahmen die Majestäten, die Prinzessinnen, Prinz Eitel Friedrich und Prinz Heinrich Platz. Hinter Ihren Maje stäten saßen die Ober-Hofmcisterin Gräfin v. Brockdorff zwischen dem Prinzen Joachim von Preußen und den schon genannten Prinzen, ferner die Prinzen Joachim Albrecht und Friedrich Wilhelm, Landgraf Alexis von Hessen, Prinz Partbatra von Siam, Prinz Max von Baden, Prinz Friedrich Karl von Hessen, Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg, der Erbprinz von Sachsen- Meiningen, Prinz Chlodwig von Hessen-Philippsthal, Prinz Ernst von Sachsen-Altenburg, Prinz Albert zu Schleswig-Holstein, Prinz Albert zu Schleswig-Holstein- Sonderburg-Glücksburg, der Erbprinz von Hohenzollern nnd Prinz Karl von Hohenzollern. Der feierliche Gottesdienst begann dann mit Ge meindegesang und Lithurgie. Hof- und Domprediger Kritzinger predigte über 1. Petri 5, Vers 5 bis 6 („Ihr Jüngeren, seid untertan den Nettesten,' denn Gott wider steht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. I So demütiget Euch unter die gewaltige Hand Gottes, daß I er Euch erhöhe zu seiner Zeit."). Er ermahnte zur Pflicht I der Pietät, ermahnte zu Eintracht und Dienstwtlligkeit untereinander, und daß ein jeder seinen Mann stehe in seinem Beruf in Selbstlosigkeit, Treue und christlichem Sinn. Das Niederländische Dankgebet, von Gemeinde und Chor gesungen, vom Kosleckschen Bläserchor be gleitet, schloß die Feier. Die Majestäten und die Fürstlichkeiten begaben sich nun zunächst nach dem Marine-Saal, wo sie verweilten, bis im Weißen Saal und den angrenzenden Gemächern die Scharen der Geladenen ihre Plätze an den Tafeln ange wiesen erhalten hatten. Alsdann, um 2 Uhr, schritten die Majestäten in feierlichem Zuge nach dem Weißen Saal, wo sie, unter den Klängen eines Marsches, ihre Plätze vor dem Thronbaldachin, den die KvntgSkrone und schwarz weiße Federbüsche zierten, einnahmen. Der Weiße Saal, seine Marmorwänoe und Vergoldungen strahlten im hellsten Sonnenlicht. Die Tafeln zierte der König liche Silberschatz nnd eine Fülle der herrlichsten frischen Blumen, darunter Orchideen, Maiglöckchen, Flieder. Wie immer hatte auch eine Deputatton des Eisernen Kreuzes uud des Allgemeinen Ehrenzeichens an der Haupttafel Platz gefunden: StabStrvmpeter, Wachtmeister, Krongardisten: ihnen gegenüber saß u. a. Präsident von Kröcher neben dem chinesischen Gesandten und dem Grafen v. Hochberg, weiter die Minister, die Generale, daS diplo matische Korps, die dekorierten Damen, die höchsten Hof chargen, Parlamentarier, der Oberbürgermeister von Berlin, der Rektor der Universität, die kleine Excellenz Menzel — und hinter den Stühlen der Herrschaften die Scharen der Pagen, Hosbeamten, Hoffuriere, Lakaien. — Die Anordnung an der Hauptseite der Tafel war folgender Der Kaiser saß rechts von der Kaiserin. Nach rechts fola- len zunächst Prinzessin Heinrich, Prinz Friedrich Leopold, Herzogin von Albany, Prinz Albrecht, Prinzessin Carl von Hohenzollern, Prinz Friedrich Heinrich, Fürstin A. Rad- ziwill, Prinz Friedrich Wilhelm, Frau Minister v. Del- brück, Landgraf von Hessen, Frau Minister v. Thielen» Prinz Max von Baden, Frau General v. Ltgnitz, Erb prinz von Sachsen-Meiningen, Fran General v. Stülp nagel, Prinz Ernst von Sachsen-Altenburg, Frau General Gräfin v. d. Göbcn u. s. f., nach links Prinz Eitel Fried rich, Prinzeß Friedrich Leopold, Prinz Heinrich, Erb- Prinzeß von Hohenzollern, Prinz Adalbert, Prinzeß Alice von Großbritannien, Prinz Joachim Albrecht, Oberhof meisterin Gräfin v. Brockdorff, Prinz Paribatra von Siam, Oberhofmeisterin Freifrau v. Seckendorfs, Prinz Friedrich Carl von Hessen, Palastdame Gräfin Keller, Her zog Adolf Friedrich zu Mecklenburg, Hofdame Gräfin zu Stolberg, Prinz Chlodwig von Hesscn-PhiltppSthal, Ober hofmeisterin Gräfin Schwerin, Prinz Albert von Schles wig-Holstein n. f. Gegenüber den Majestäten saß Ordens- kanzler Fürst Pleß zwischen den Botschaftern Grafen Lanza nnd Herrn v. Szögyeny-Marich. Weiter rechts hatten zunächst Platz genommen: Botschafter Graf v. b. Osten-Sacken, Statthalter Fürst Hohenlohe-Langenburg, Feuilleton. Delrs Philipp inentraum. Eine Pensionsgeschichte von Luise E ist c r (Schloß Nachvd-Böhmen). Flachdruck verbot«». „Dele, liebe, kleine Dele, aber so weine doch nicht so sehr sieh doch die herrlichen Rosen " DaS Schluchzen wurde ruhiger und die beruhigenden Worte der treuen Freundin blieben nicht ohne Einfluß auf die kleine, hübsche Dele. Es war aber auch zu traurig. Wie konnte sich dieser Mensch, dieser Riebe, der stets so unmoderne Schlipse trug, auch unterstehen, heute, an ihrem Namenstage, diesen großen Rosenkorb in das Pensionat zu senden. Hatten doch alle fünfzehn Pensionsschivestern kichernd die Köpfe zusammen gesteckt, getuschelt und gewispert und sich heim lich angestoßen. — Ganz rot war sie geworden, und ihr Frühstück, trockene Semmel, war unberührt liegen ge blieben. Nein, und abermals nein, sie blieb bei ihrer alten Meinung, er war ein unausstehlicher Mensch, und sic haßte ihn dafür, daß er glaubte, sic dermaleinst ganz sein eigen nennen zu dürfen. Freilich mar es schon seit längerer Zeit der Wunsch ihrer Eltern, daß sie Karl Ricbes Werben erhören möchte. War er doch der einzige Sohn und Erbe des reichen Brauereibesitzers. Seine blauen Augen, der blonde, kleine Schnurrbart und die rundliche Gestalt wollten aber der kleinen Dele ganz und gar nicht gefallen. Er sah so spieß bürgerlich aus. „Schwarz muß er sein, fein, fesch und blaß, einen breiten Schlips nnd einen Knick in der Hose haben", pflegte sie zu sagen. Du lieber Gott, das war bei Karl Riebe alles nicht vor handen, und bekümmert hatten Deles Eltern wahrnehmcn müssen, daß, sobald sich Karl Riebe Dele näherte, diese ein überaus schnippisches Wesen zeigte und die Gewohnheit hatte, über ihn fortzusehen! „Wenn sic mich doch nur ein einziges Mal ansehcn wollte", meinte Karl Riebe dann traurig, aber jede Er mahnung der Mutter fruchtete nichts, und schweren Herzens entschlossen sie sich, Dele in Pension zu geben. „Laß sie nur erst unter fremde Menschen kommen", meinte der Vater, „sic wird sich schon besinnen und ver ständig werden." Nun war sie schon drei Monate in dem dicht von Wald umkränzten Tale. Idyllisch lag die Villa Mary, in welcher das Mädchenpensionat des Fräulein Ludmilla Hartmann sich befand, am Ende des Ortes. Eine Forstakadcmie, auf welcher frische, schneidige Jünglinge ihre Studien vollenden sollten, befand sich zur größten Beunruhigung der PensionSvorsteherin in nächster Umgebung, und es be durfte der ganzen Strenge und Wachsamkeit deS alten ArLnletn». dk Ihr arwertrartten 1«n-en Mäbchenblüten vor den neugierigen, zudringlichen Blicken junger Forst studenten zu schützen. Es gab oft Gewitterstürme in der Villa Mary, wenn sich eine oder die andere Pensionärin gar zu auffällig dein Fenster näherte, sobald sich eine sogenannte „Weißmütze" blicken ließ. Seufzend hob sich dann die junge Brust, und ein wenig freundlicher Blick traf die Hüterin dieses Tempels. Dele hatte sich schnell hier eingelebt. Der stets unge bundene und lustige Verkehr zwischen den Pensions schwestern hatte ihrer bekümmerten Seele wohlgetan. Hier konnte sie lachen, scherzen und tollen. Der Tennisplatz war ihre ganze Seligkeit. Nnr selten noch gedachte sic der treu blickenden Augen Karl Ricbes. Im Anfang waren häufig Ansichtspostkarten von ihm gekommen, aber karg hatte sic diese beantwortet. Sie wollte Ruhe haben vor diesem zudringlichen Menschen. Und nun heute dieser prächtige Rosenkorb! „Komm, Dele", sagte die Freundin liebevoll. „Wir bringen den Rosenkvrb hinaus. Wen» du ihn durchaus nicht sehen magst, setzen wir ihn auf den Boden .... frei lich, schade ist cs um die herrlichen Blumen .... ich würde ja selig sein, wenn mir eine solche Aufmerksamkeit einmal zu teil würde. Aber ich bin ja häßlich", meinte sie dann betrübt, „meine lange Nase und die strohgelben Haare — ach, ich werde sicherlich eine alte Jungfer, ich muß die Göhren meiner Geschwister mal großwarten und ihnen als alte Taute Strümpfe stricken und die zerfetzten Höschen flicken." Dele vergaß all ihren Kummer über das gar so traurige Gesichtchen ihrer treuen Freundin, und hell auf lachend meinte sie: „Gertrud.... Goldmops, sei nicht so traurig. Du sollst Karl Riebe heiraten, ich gebe ihn dir gern . . . hier, nimm die Rosen .... trag sie ans dein Zimmer ... ." Es half alles nichts. Gertrud mußte den herrlichen Rosenkorb nehmen, nnd erleichtert verrichtete Dele ihre häuslichen Arbeiten. Ihre Gedanken waren nicht dabei. Wo mochte jetzt wohl der schlanke, schwarzlocksge Phfiippiner weilen? Mai er heute früh zur Vorlesung in die Akademie gegangen? Ganz ausfallend zeigte er, welches Wohlgefallen er an ihr fand. Freilich waren seine Huldigungen meist sehr kühn, nnd Fränlein Ludmilla Hartmann richtete ganz besonders ihr Augenmerk auf den „schwarzen Wilden", wie sic sagte. Kühn und wohlgezielt flogen Rosensträuße in das offene Fenster, was zur Folge hatte, daß alle fünfzehn Pensionsschwestern wie wilde Wölfe darüber herstürzten und eine jede die Blumen als ihr Eigentum verlangte. Empört über diese Unverschämtheit, gab Fräulein Hart mann den Befehl, die Fenster stets tagsüber geschlossen zn halten, nnd seufzend saßen die jungen Seelen da und dursten nicht die Köpfchen recken, wenn auch ein ganz ener gisches Räuipern zu vernehmen war. „Rein, wie eine weiße Lilie, muß die Seele einer Jung frau sein", belehrte dann meist Fräulein Ludmilla ihre junge Schar. „ES ist unschicklich .... incksock.... nach leichtfertigen Studenten au»zuschauen.2 Ach, und wie gerne schauten alle nach den schneidigen Weißn.ützen aus. Sonntag war Rsunion in Herbesthal, einem nahe gelegenen Badeörtchen. Fräulein Hartmann hatte sich schweren Herzens dazu entschlossen, diese zu besuchen. Jubelnd war sie zum Danke dafür von ihren jungen Damen umarmt und geherzt und geküßt worden. Wahrlich, es war doch ein eigen Ding um die Jugend leichtfüßig begab sie sich in Gefahr. Aus der Reunion war es natürlich himmlisch. Die Weißmützen waren in oorpoio erschienen, und hatten zur größten Bestürzung Fräulein Ludmillas an einem großen Tische vw-ö-vis Platz genommen. Die arme 'Pensions vorsteherin saß wie im Kreuzfeuer der schwersten Schlacht. „Maricchcn, du dankst jetzt . . . Emma, laß dich nicht so fest beim Tanze halten, es ist nicht karr, wenn ein junger Mann eine jnngc Dame zu sich heranzieht .... Friede rike, sei nicht so entgegenkommend, du mußt mehr Zurück haltung lernen .... Lieschen, lache nicht so viel, es schickt sich ein- für allemal nicht.... Dele, und dir sage ich ganz energisch, du sollst mit dein frechen Wilden nicht so viel tanzen, cs ist eine Unverfrorenheit von dem Menschen, dir so auffallend den Hof zu machen ... ." Heimlich kichernd, stießen sich die jungen Mädchen au, nm, so bald sic aus dem Bereich ihrer gestrengen Pensionsmntter waren, genau wieder so vergnügt zu sein, wie vordem. Ach, das war doch reine, unversälschte Jugendlust, und welch' ein Unsinn wurde heimlich beim Tanze verstohlen geschwatzt. Dele jubelte. Franeesko Rubillv hatte ihr beim stotten Walzer seine Liebe gestanden. Feurig hatte er sie an sich gezogen und ganz heimlich ihre Hände gedrückt. „Werden wir sehen können uns bald ohne Drache vom Haus", hatte er in seinem gebrochenen Deutsch ihr leidenschaftlich zu geflüstert. „Gehe ich fort von hier .... bald, nach den Philippinen, nnd suche ich mir schönes Philippinen frau . .. ." Süßer Schauer durchrieselte Deles Körper, »ssr, dieser schwarze Jüngling entsprach dem Bilde ihrer Mädchen träume. Schwarz, schlank, blaß, fein, fesch, und der breite, moderne Schlips und Knick in der Hose fehlte auch nicht. Das war doch andere Liebe! Süß berauschend, senrig! — Und Karl Riebe? — Der törichte, schwerfällige Mensch mit seinem plumpen Rosenlorbe? War das Poesie? Wie im Traum verflog der schöne Abend. Svüt kehrte man heim. Merkwürdig, Fräulein Ludmilla hatte die Reunion plötzlich, ohne weitere Erklärung, verlassen und das Anspannen des Wagens befohlen. Essig, stumm saß sie in der Ecke des Wagens, ohne zu reden. „Das bedeutet „Sturm"!" flüsterte Cicrtrud, aber Dele horte nicht, sie war so tief in Gedanken versunken nnd schien der Gegenwart völlig entrückt zu sein. Halb entkleidet, eilig, verstohlen schl'ch sie, nachdem man sich gute Nacht gewünscht, an da» große Bücherregal, um sich Band P. de» großen Konverfatton-lexUons herauszuholen. Glücklich nnd ungesehen erreichte sie den Schlafsaal. P. P. P. Ihre kleinen Finger blätterten eifrig. Da — -— jetzt hatte sie, was sie suchte. Die Philip pinen Inselgruppe des Indischen Archipels — sie überflog gierig die Zeilen. Zimmt-, Pfefferbäume, Ur wälder, Papageien, Frauen gehen fast unbekleidet und nähren sich meist nur von Reis usw. Sic legte enttäuscht das Buch bei Seite. Nie niemals würde sie unbekleidet gehen und nur Reis essen. Reis essen war schrecklich für sie. — Und unbekleidet gshen ab . . . also daher der dreiste, verlangende Blick Kraneeskos auf ihren nur durch leichte Spitzen verhüllten Hals. Wirre Träume beunruhigten diese Nacht ihren Schliss Deles Glück sollte indessen nicht von langer Dauer sei«. Als sich die Gesellschaft beim Frühstück zusammcn- faud, saß die Pcnsivnsvorstchcrin schon steif und gerade wie ein Stock da. Die junge Schar kannte diese Miene ihrer gestrengen Pensionsvorstchcrin schon zur Genüge. Das Unwetter brach los. Einer jeden wurde eine Rüge erteilt, am bösesten kam Dele dabei weg. „Ich verbiete dir ein- für allemal, mit diesem frechen Wilden wieder zu reden. Ich habe von der Fran Post sckrctär schöne Dinge gehört. Erne Schauspielerin wohni im naben N., welche er gänzlich aushält. Das kleine Schustcrslreschen mit dem hübschen Gesicht geht heimlich mit ihm spät abends, zärtlich umarmt, aber was rede ich Sttokinkr mein gut renommiertes Pensionat dürst Ihr nicht ins Gerede bringen, und wenn du nicht folgsam bist, Dele, dann muß ich deinen Eltern Mitteilung machen .. . ." Dele stand zerschmettert da. Wie eine Rose im Winde ihre Blätter zerflattcru läßt, so flogen ihre Wünsche und Hoffnungen davon. Ihr keusches, reines Herz zog sich enttäuscht zusammen, und abends, als sic im Lchlaflaal den Band P. des Konversationslexikons liegen sab, war» sic diesen empört zur Seite und bedeckte ihn mit ssncm Tuche. Leise klopfte sie dann an die Tür deS nebcnliegcn- dcn Lchlafsaales, und als die treue Freundin Gertrud, schon lmlb verschlafen, öffnete, bat Dele ganz leise, über und über errötend: „Liebe Gertrud, willst du mir, bitte, die Roien zurück geben ... ich ... ich möchte sehen, ob sic noch nicht ver welkt " Verständnisvoll nickte Gertrud und reichte ihr die duftenden Blumen mit den Worten: „Wenn du sic pflegst, werden sie nicht welken, mein Liebling. Ich wußte, daß du sie mir nicht lassen würdest." Am anderen Tage lautete die Dankeslarte an -tz«rl Riebe gar nicht mehr so abweisend, nnd vier Wochen, nachdem Dele die Pension verlassen, erhielt Fräulein Ludmilla eine goldgeränderte Karte, ans der stand: Dele Goldbeck Karl Niobe empfehlen sich als Verlobte.
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