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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030120026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903012002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903012002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-20
- Monat1903-01
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Noch betrübender aber ist es für die E i n z e l st a a t e n, daß der Herr Reichsschatzsekretär nichts in Aussicht zu stellen wußte, was ihre durch die Finanznot des Reiches bedingte Notlage bald abzuwenden vermöchte. Er erkannte an, daß diese Staaten ihre di rekten Steuern nicht noch weiter anspannen oder gar zu Anleihen greifen können, um einen Teil der Bedürfnisse des Reichs zu befriedigen; aber eine Reichsfinanz - reform, die auf neueröffnete Einnahmequellen des Reichs sich gründet, bezeichnete er so lange als unmöglich, als die finanzielle Wirkung des neuen Zolltarifs sich nicht jüberschcn lasse. Dav ist ja richtig; aber was soll bis da hin geschehen? Läßt sich eine organische Gestaltung des finanziellen Verhältnisses zwischen Reich und Einzel staaten nicht vorher erreichen ? Wenn Anleihen gemacht werden muffen, so kann sie das Reich ebensogut machen, wie die Einzelslaaten, ja noch viel leichter. So setze man doch so bald als möglich fest, daß bis zu einer gewissen Grenze die Einzclstaaten nutzt zur Deckung der Reichs bedürfnisse lierangezogen werden dürfen, und Helse sich im Reiche bis zur Herbeiführung einer Rcichsfinanzrefvrm mit Anleihen, die dem Reichskanzler und dem Reichstag, nicht aber den Einzelstaaten aus die Nagel brennen und in diesen nicht die Neichssrendigkeit vermindern. Aber da von sagte leider der Herr Reichsschatzsckrctär nichts und auch aus dem hohen Hause erfolgte keine Anregung. Da für benutzte der bayerische Zentrumsführer Domkapitular l)r. Schaedler die längst ersehnte Gelegenheit, in der ihm eigentümlichen derben Weise allerhand Beschwer den vorzutragen, die eigentlich bei der Spezialberatung einzelner Etatstitel am Platze wären, aber nun einmal die Generaldebatte von den Hauptfragen abzulenken pflegen. Den Mittelpunkt seiner Klagen bildete das viel besprochene Sw t n e m ü n d e r K a i s e r t e l e g r a m m an den Prinz-Regenten von Bayern wegen der Ablehnung der für Kunstzwecke geforderten 100 000 .// durch die kleri kale bayerische Kammcrmajoritüt. Daß über diese An gelegenheit noch manches zu sagen und aufzuklärcn ist, läßt sich nicht in Abrede stellen. Aber das, was der Abgeordnete Tchaedler sagte, diente nicht dazu, Klarheit zu schaffen, sondern gab lediglich dem Herrn Reichskanzler Gelegen heit, Selbstverständliches in eleganter Form auszuführcn, nm die Hauptsache aber üerumzugehen. Daß der Kaiser privatim seine Empörung über diese Ablehnung dem Prinz-Regenten ausdrückte, war sein unbestreitbares Recht und ein Akt, durch den der Prinz-Regent sich zur Dankbar keit verpflichtet fühlte; daß das Reichsoberhaupt aus eige nen Mitteln dem bayerischen Regenten die abgelehnte Summe zur Verfügung stellte, war eine Handlung, die nur der Regent zu beurteilen hatte. Offiziell wurde die ganze Angelegenheit korrekt als Privatsache behandelt, denn der Depeschenwechsel wurde nicht im „Reichs anzeiger" mitgeteilt. Das alles lieferte also keinen ver nünftigen Grund zu Beschwerden. Eine solche konnte mit Recht nur darüber erhoben werden, daß jene vertraulichen Depeschen, die dieser ihrer Natur halber dem „Reichs anzeiger" vorenthalten blieben, vom „Wolffschen Tele- graphen-Bureau" veröffentlicht wurden, und oben drein unter der falschen Angabe, sie stammten aus M ü n ch e n. Ohne diese nnter falscher Angabe erfolgte Veröffentlichung, die auf eine grobe Indiskretion hindeutetc, wäre eine Erregung der bayerischen Empfind lichkeit unmöglich gewesen. Und deshalb hätte Herr Or. Schaedler sich darauf beschränken sollen, nach dem Urheber der sicherlich nicht von irgend einem Bedienten begangenen Indiskretion und Irre führung des „W. T.-B." sich zu erkundigen und den Reichskanzler zu fragen, was er getan habe, um der Wiederholung solcher, ihm selbst wegen ihrer Folgen reinlicher Zwischenfälle vvrznbeuge». Bei einer solchen Fragestellung hätte Gras Bulow sich nicht damit begnügen künen, das „W. T.-B." für ein privates Unter nehmen zu erklären. Lediglich Herrn I)r. Schaedler also ist es zu danken, daß seine Icremiade über die Swine münder Depesche ausging wie daS Hornberger Schießen und daß die Person, die eine private Angelegenheit nnter falscher Angabe an die Oefsentlichkeit gebracht hat, der öffentlichen Rüge entgangen ist. Die gestrige Etatöberatung im preußischen Abgeordneten hanse, über die wir im Morgenblattc nur kurz berichten konnten, ist in zweifacher Richtung von hervorragender politischer Bedeutung. Und zwar besteht diese Bedeutung einmal in einer neuen programmatischen Er klärung des Ministerpräsidenten zur O st m a r t e n p o l i t i k. Gras Bülow har durch sie, was allerdings niemand übersehen durfte, abermals vor dem Lande kuudaegeben, daß der bisherige Kurs in der Ost markenpolitik mit vollem Nachdruck weiter gesteuert werden soll. Tas ist auf alle Fälle erfreulich; von den Mitteln aber, mit denen die Regierung ihre Ostmarken politik fvrtzusetzen gedenkt, (an» »»r im allgemeinen das Gleiche gesagt werden. Das gilt vor allem von der Ab sicht, zur Hebung des V erke h r s in den Ostmarten 34 Millionen Mark für den Bau von Nebenbahnen auS- znwerfcn. Auch die Teilung der Ansiedelung«- kom Mission in je eine Kommission für Posen und sür Westprenßcn unter demVoisit?-' des betreffenden Ober- Präsidenten dürste den Zwecken der Ansicdclungöpvlitik praktisch besser entsprechen, als die bestehende Organi sation. Gegen den Entschluß, für das Beamtentum in der Ostmark wegen der Schwierigkeit seiner Stellung und seiner Tätigkeit besondere Zuwendungen zu machen, läßt sich ail sich ebenfalls nichts cinwendcn. Aber ebenso wenig, wie die Begründung im Etat, haben die Aus führungen des Ministerpräsidenten davon überzeugt, daß jene Zuwendungen an das Beamtentum einen wider ruflichen Charakter haben müssen. Diese Eigenschaft der Zuwendungen erscheint um so weniger geboten, je energischer Graf Bülow es für eine Pflicht der Regie rung erklärte, in der Ostmark keinen Beamten an seiner Stelle zu lassen, der seine nationale Aufgabe vernach lässigt. Schade, -aß gegenüber Herrn L ö h n i n g nach diesem vortrefflichen Grundsätze nicht verfahren wurde! Auf den Posener Sch loßplan ist der Minister präsident leinem nns vorliegenden, anscheinend stenogra phischen Berichte zufolge) in seiner ersten Rede charakte- ristischerweise mit keinemWorte cingegangen, obwohl der Vorredner, der klerikale Abgeordnete Fritzen, sich bereits gegen das Projekt ausgesprochen hatte. Erst, als Graf L i m b u r g - T t ir u m sich für den Posener Schloßplan geäußert, führte Graf Bülow an, daß das Straßburger Residenzschloß zur Verschmelzung zwischen Neichsland und Reich wesentlich beigetragen baue. Abgesehen von der Frage, ob eine Residenz in der Ostmark dieselbe Wirkung üben müsse, wie eine Residenz in der Westmark, werden von jener Auslassung des Ministerpräsidenten diejenigen überrascht worden sein, die glauben, keinem Irrtum zum Opfer zn fallen, wenn sic meinen, daß der Kaiser bei seiner Anwesenheit in Straß burg nur in den seltensten Fällen im Straßburger Schlosse selbst Wohnung genommen habe. — Die politische Bedeutung der gestrigen Etatsberatung liegt so dann in der V e r t r a u e n s k u n d g e>b u n g der nationalliberalen Fraktion des Ab geordnetenhauses für die nationalli be rate Fraktion des Reichstages in Bezug auf deren Haltung zumZolltarif. Da das Einverständnis beider Fraktionen nach dem Zeugnis des Abgeordneten Noelle ein vollständiges ist, so dürften nunmehr endgültig alle jene Meinungsverschiedenheiten begraben sein, die wegen des Antrages Kardorff inner halb der nationallibcralen Partei aufgctancht sind. Bombardement des deutschen Kanonenbootes „Panther" vor Maracaibo. Amtliche Meldungen über die vergebliche Beschießung -cö Forts Sau Carlos liegen auch heute «och nicht vor, was doch einigermaßen befremden muß, zumal da die Sache von Deutschland nicht freundlicher Seite gegen uns ansgcbeutet wird. So liegt u. a. folgende Mel dung vor: * New Aork, 10. Fannar. Nach Berichten aus Caracas haben bei dem Kampfe zwischen dem deutschen Kanonenboote „Panther" und dem Fort San Carlos bei Maracaibo meh rere Explosionen an Bord des „Panther" sratr- gefundcn und zwei Personen sollen getötet worden sein. G eneral Bello, der das Kommando aus dem Fort San Carlos führte, ist der Held des Tages in Venezuela, da der Ausgang des Bombardements als großer Sieg betrachtet wird. Ter General erklärte, das deutsche Fkuer sei fast wir kungslos gewesen, während der „Panther" derartbc- schädigt worden sei, daß er den Kampf nicht fort setze n konnte. Ter „Panther" ist anscheinend nach Curacao abgefahren. Die Bevölkerung in Caracas veranstaltete infolge dieser Affäre Umzüge. Niemand versteht, aus welchem Grunde die Deutschen vorgingen. Nach einer Hcraldmeldung war die Aktion schon vor einer Woche beschlossen worden und zwar auf eine Ordre von Berlin aus, daß ein Angriff erfolgen müsse, bevor der amerikanische Gesandte Bowen in Washington einträfe. Ter „Hcrald" deutet an, daß man in Berlin versuche, die Fricdenverhandlungcn zum Scheitern zu bringen. (Jrkf. Zig.) Das sind doch wohl haltlose Verdächtigungen. — Das deutsche Kanonenboot „Panther", das sich in einen un gleichen Kamps mit einem venezolanischen Fort bei Maracaibo eingelassen hat, ist erst im Jahre 1901 erbaut. Es hat eine Wasserverdrängung von 950 Tons, eine Geschwindigkeit von 13^/, Knoten und eine Besatzung von 121 Mann. Die Armierung besteht aus zwei Stück 10,5 Centimeter-Schnellfeuerkauonen, 0 Stück 8,7 Centi- mcter-Maschinenkauonen und zwei Stück 8 Millimeter Maschinenkanonen. Die Gefechtsstärke des „Panther" ist eine so geringe, daß er schon in Gefahr geraten wäre, als er es mit dem „Erste L Pierrot" aufnahm, wenn das viel größere haitische Kriegsschiff es überhaupt auf einen Kampf hätte ankommen lassen. — Die Laguna de Maracaibo, in welche der „Panther" vergeblich ein- zudringcn versucht hat, steht nur durch eine schmale Wasserstraße, die Saco de Maracaibo, mit dem Golfe von Venezuela in Verbindung. Die Stadt Maracaibo liegt an der Westseite der Laguna und hat 10 000 Einwohner. Maracaibo, das eine ansehnliche Industrie hat, ist der wichtigste Ausfuhrhafen sür Kaffer, von dem der größte Teil nach New York geht. Die Einfuhr und Durchfuhr nach Columbia beträgt etwa ein Drittel des Exports. Hier steht Deutschland (Hamburg) an erster Stelle. General Castro hat bekanntlich dieser Tage die Einfuhr über die columbische Grenze freigegeben, um die Wir kungen der Blockade abzuschwächen. Vielleicht steht das Vorgehen des „Panther" hiermit in Verbindung. Zur Fleischeinfuhr von Nordamerika nach Deutschland. Aus N e w ?) o r k wird der „Intern. Korresp." ge schrieben: Obwohl in Deutschland seit dem 1. Oktober 1902 der Verkehr mit Fleisch, welches mit Borsäure oder anderen chemischen Konservierungs mitteln zubereitet ist, durch Bundesratserlaß ver boten ist und deshalb auch die Einfuhr derartigen Fleisches aus dem Auslande nach Deutschland nicht mehr stattfinden soll, so haben doch bisher die nordamerika nischen Exportschlüchtereien diese Einfuhr nach Deutsch land in unvermindertem Maße fortgesetzt. Die nord amerikanische Regierung habe nämlich, wie hier be hauptet wird, der deutschen Regierung erklärt, daß der betreffende Bundesratserlaß nicht als Reichs gesetz angesehen werden könne. Würde deshalb Deutschland durch besondere Erlasse die Einfuhr amerika nischen Fleisches erschweren, so würde auch die nord amerikanische Regierung in der Lage sein, besondere Tr- schwernngsmaßregeln gegen die deutsche Einfuhr einfactz aus dem Verwaltungswege anzuordnen. Diese Vor stellung habe die deutsche Regierung insofern beachtet, als sie erklärte, bis zum 1. April 1903, an welchem Tage das deutsche Reichs-Fleischbeschaugesetz in seinem ganzen Umfange in Kraft tritt, auf die Unter suchung des eingeführten amerikanischen Fleisches im Sinne des vorbezeichneten Bundesratserlafses ver zichten zu wollen. Es besteht daher vorläufig in Deutschland der eigenartige Zustand, daß die Einfuhr des mit Chemikalien konservierten Fleisches verboten ist, daß aber die Zollbehörden von einer Untrsuchung darüber, ob dies amerikanische Fleisch mit solchen Chemikalien be arbeitet ist, absehen. Da nun aber dieser Zustand am 1. April beendet sein würde, so soll, wie versichert wird, die nordamerikanische Regierung auf Andrängen der be teiligten Exporteure bei der deutschen Regierung weitere Vorstellungen dahingehend erhoben haben, daß die Be stimmungen des deutschen Fleischbeschaugesetzes, soweit sie bei zubereiteten Fleischstücken, die in Fässern aus Amerika nach Deutschland eingefüchrt werden, die genaue Untersuchung, bezw. Zerschneidung jedes einzelnen Stückes anordnen, im Widerspruch mit -em zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Saratoga-Vertrage ständen. In diesem Ab kommen habe Deutschland ausdrücklich auf eine Einzel untersuchung solcher Fleischstücke verzichtet, sobald den Feuilleton iss Frau Huna. Roman von Karl Tanera. vtnaidruct verbeten. Am andern Morgen gestaltete sich der Abschied Sira- domas von ihren Schwiegereltern und Schwägerinnen in ähnlicher Weise, wie ihre Ankunft. Man lachte und kicherte, und kein ernsteres, kein herzlicheres Wort wurde ge sprochen. Man neckte die junge Frau bis zum letzten Augenblick wegen der Aussprache der Sätze, die sie erlernt hatte, man machte gegenseitig viele Verbeugungen, die beiden Rtksckms standen bereit, Akira und seine Frau stiegen eiu und fuhren zur Eisenbahn, ohne daß sie jemand von der zurückbleibenden Familie begleitete. Siradoma hatte ein Gefühl gehavt, als ob sie ihre Schwiegermutter und die beiden Mädchen zum Abschied küssen müsse. Aber cs war ihr rechtzeitig eingefallen, daß sich dies in Japan nicht passe, und darum und auch weil ja die drei Damen so stark r»t geschminkte Lippen hatten, unterließ sie cs. Nun ging cs der neuen, eigene» Heimat entgegen. Der erste Teil der Reise war sehr beschwerlich, eine Nacht fahrt in einem ^ivar bequemen Wagen erster Klasse, der aber doch kein «chlafwagcn war. Trotzdem hatte Sira- dvma ziemlich gut geruht, als sie frühmorgens 0 Uhr von ihrem Gatten geweckt wurde. „Bitte, mein Liebling, blicke hier links zum Fenster hinaus." Sie tat cs, und rief gleich darauf begeistert aus: „Oh, wie herrlich! Wie wunderbar schön! Das ist er, der stolze Berg, von dem du mir so viel erzählt hast, der Fudschi-no-Aama." „Ja, er ist es. Der Glanzpunkt unseres Landes, die schneebedeckte Stätte, welche zu sehen das Ziel eines jeden Japaners ist. Sieht er nicht großartig aus?" „Ja, noch viel schöner, als ich erwartete." Der kegelförmige, einstige Vulkan erhob sich unmittel bar aus der Ebene, denn die niederen Borberge kamen gegen seine gewaltige Höhe von 8792 Meter gar nicht in Betracht. Unten war die nach allen Seiten gleich ab fallende Pyramide mit hellgrünen Feldern bedeckt, welche im Glanze der ersten frisch aufgegangenen Saat wie Samt erschienen. Darüber schloß sich ein breiter Kranz unten hellgrüner Bambus- und Laub-, oben dunkel grüner Fichtenwaldungen an, nnd über diesen ruhte die mit blendend weißem Schnee gekrönte Spitze. Umgeben von dem prächtigen Blau eines wolkenlosen Himmels, sah der Berg wirklich erhaben, ja majestätisch aus. Sira doma wurde von Minute zu Minute mehr begeistert. Sie kannte den großartigsten Blick, den die Erde bietet, den auf den Himalaja, noch nicht und hatte überhaupt einen frei stehenden Berg von so mächtiger Höhe noch nie gesehen. Ihr Gatte war hocherfreut, als er bemerkte, welch' tiefen Eindruck dieser Glanzpunkt seines Vater landes auf sie machte. Die Fahrt führte weiter durch das liebliche, gut be baute Hügelland von Hakone. Die junge Frau ward immer wieder neu entzückt von den reizenden Bildern, die in reichem Wechsel an ihr vorbeizogen. Auf der Station Fudschiaja gab es einen längeren Aufenthalt, weil hier die Zweigbahn nach Bokohama abging. Siradoma wünschte eine Erfrischung. Ihr Gatte ließ ihr Thee bringen. Sie erhielt ein Kännchen voll heißen Thees und eine zugleich als Deckel verwend bare Tasse. Dafür zahlte Jzuna 3 Son, das heißt etwa 7^ Pfennig. Der Zug setzte sich in Bewegung. „Oh, wie schade! Ich Hütte so gern meinen Thee vollständig ausgetrunken. Hier sind Tasse und Känn chen. Gib sie schnell hinaus." „Wozu denn? Wir haben sie ja gekauft, sie gehören uns." „Wie? Für 3 Sen erhalten wir Thee, Kanne und Taffe?" „Gewiß. Das ist der Preis. Noch vor fünf Jahren zahlte man nur 2 Sen. Jetzt ist alles etwas teurer ge worden." „Welch' ein glückliches Land, in dem noch so billige Preise gelten! Ich freue mich unsagbar darauf, unseren Haushalt zu führen. Wenn die Preise in Tokio ähnlich niedrige sind, können wir ja ein wahres Schlemmer leben führen. — Haben wir noch lange zu fahren?" „Nicht mehr ganz eine Stunde, dann sind wir in Tokio." „So schnell. Das ist gut. In welchem Hotel werden wir denn absteigen, bis wir in die von deinem Bekannten sür uns gemietete Wohnung einzieben können?" „Wir fahren sofort in unsere Wohnung. Du wirst dort alles bereit finden!" „Wie! Man hat unsere Kisten auS Deutschland schon ausgepackt?" „Das wohl nicht. Aber die sind ja nebensächlich. Ich habe einem Kollegen eine Summe Geldes gesendet und ihn beauftragt, uns Decken, Kissen, Tabletten und was wir sonst brauchen, zu kaufen, drei Nesans zu mieten und alles so vvrzubereiteu, daß wir sofort einziehen und in unserem Hause wohnen können. „Aber, mein lieber Mann, die Einrichtung einer Wvhuuug ist doch in erster Linie Frauensache. Tas ver steht ein Mann gar nicht, und ein Japaner erst recht nicht, denn er hat ja keine Ahnung von unserem Geschmack." „Meine teure Siradoma, hier ist dies doch etwas anderes. Tn bist ja mit unserer Art der Einrichtungen nicht vertraut. Also mar es doch gut, einen Landsmann damit zu beauftragen." „Nein, nein, mein liebes Männchen- Das lasse ich mir nicht ans der Hand nehmen. Du hast mir ver sprochen, daß wir im Innern unseres Hauses europäisch, außerhalb desselben japanisch teben. Wenn ich auf der Straße in japanischer Kleidung gehen muß, so kann ich dafür auf dem mir zugcsagten Recht bestehen, daß inner halb unserer vier Wände meine gewohnte Lebens weise gilt." „Aber dies ist doch —" „Nein, nein». Ta gibt es kein „aber". Du hast mir dies zugestanden, und ich weiß, du hältst auch dein Wort. Ist es nicht so?" „Ja, du hast recht. Ta mußt du eben alles um ändern, was wir vorsinden, nnd selbst deine Anord nungen treffen." „Oh, das werde ich schon, und du sollst dich bald in unseren» Heim recht wohl und behaglich fühlen." Der Zug fuhr langsainer, man näherte sich den» ersten Bahnhof von Tokio, der Professor mußte das Handgepäck zurcchtlegcn. Diesmal hatte sic gesiegt. Sic freute sich innerlich darüber, ließ es sich aber äußerlich nicht anmerkcn und beschloß nur, fest auf ihrem Recht zu bestehen. Der Zug hielt. Schaffner riefen: „Schingawal" „Sind wir da?" „Noch nicht. Wir fahren nach der inneren Station, nach Lchimbaschi." Die jetzt erscheinenden Bilder waren anfangs nicht besonders schön. Ausgedehnte Arbeiterviertel ließen nur selten nach dem alten, unbedeutenden Hafen einen Durch blick. Da trat links der ausgedehnte Schibapark mit seinen uralten Bäumen in Sicht. Jzuna zeigte ihn seiner Gattin, und dadurch gewann sie einen freundlichen ersten Eindruck von ihrer neuen Heimat. Jetzt war man in der Hauptstation, in Schimbaschi, angckommen. Jzuna übergab einem Rikschamann das Handgepäck, engagierte zwei weitere, stieg ein, fuhr voraus, »lud Siradoma folgte. Es war ihr peinlich, daß er ihr nicht half, in den kleinen Karren zu gelangen Aber sie entschuldigte ihn irr ihrem Innern damit, daß er zu viel zu tun und diesen kleinen Dienst nur über sehen habe. Die Fahrt ging durch lange, grade, staubige Straßen. Tokio kam ihr ganz anders vor, als die Städte, welche die junge Krau bisher in Japan gesehen hatte. Aus fallend waren auch hier die zahlreichen Telephon- und Telcgraphenleitungen, Pferdebahnen und elektrischen Wagen. Sonst aber erschien ein Haus wie das andere, niedrig, ans Holz erbaut und ohne Luxus ausgestattet Als die Rikschas aber in die inneren Stadtteile kamen, dann in die breite Kasumigaschi einlenkten, erstaunte Siradoma sehr, solche gewaltige Bauten in europäischem Stil zu erblicken. Die verschiedenen Ministerien, der Justizpalast, die in reizenden Gärten gelegenen Gesandt schaften und vor allem das neue gewaltige Parlaments hans hätten jeder europäischen Großstadt Ehre gemacht. Frau Jzuna war es etwas peinlich, daß sie ver schiedenen europäischen Damen und Herren, welche in eleganten Dogcarts oder' in schönen Landauern vorüber fuhren, begegnete. Wenn sie Ebener«! v. Menzheim so sehen würde! Er kam aber nicht. Als die Rikschas bald wieder in die ganz japanischen Stadtteile von Seido, Hongo und Dangozaka einlenkten, beruhigte sie sich. Ihre Aufmerksamkeit wurde mehr aus ihre Umgebung gelenkt. Ein großer, vou schönen Bäumen umgebener Häuscrkomplcr siel ibr besonders auf. Vor demselben hielt Jzuna und winkte den Rikscha mann seiner Frau heran. Als die beiden Karre» neben einander standen, erklärte er ihr: „Dies ist das Feld meiner- Tätigkeit, die kaiserliche Universität oder, wie wir sagen, die Teikoku Daigaku. Nun sind wir bald zu Hause." Er fuhr wieder voraus, der zweite Rikscha mit seiner Frau folgte. Man kam an den kleinen reizenden Schtnobazu-See.
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