Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030121027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903012102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903012102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-21
- Monat1903-01
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis i« der Hauptexpeditton oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich .4l 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 3.75. Durch die Poft bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich .X 4.50,' für die übrigen Länder laut ZeitungSpreisliste. Redaktion und Expedition: Ivhannisgasse 8. Fernsprecher 153 und 222. Fiiialeepeditionen r Alfred Hahn, Buchhandlg., NniversitätSstr.3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Kdnigspl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlener Straße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlin: Earl Duncker, Herzgl. Bayr.Hosbvchhandlg., Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4603. Abend-Ausgabe. MpMerTagMM Anzeiger 4 Ämtslilalt des Hönigkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales nnd des Aokizeiaintes der Ltadt Leipzig. Nr. 37. Mittwoch den Januar 1903. Anzeigen-Preis die Ogespaitene Petitzeil» 2d Ne kl am en unter dem NedaktioiiSstrich (4 gespalten) 75 vor den Famtliennach- richte» («gespalten) 50 H. Taoellarijcher and Zch'ernsay entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Hfterte»annal)me 25 (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderung ./i 60.—, mit Postbesürdcrung ./l 70.—. Ännahmeschluk für ^»zeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Volz ia Leipzig. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. Januar. Aus dem Reichstage. Während das preußische Abgeordneten» Haus die erste Lesung des Etats in zwei ruhig ver laufenen Sitzungen erledigt hat, scheint imReichstage die Generaldebatte über den Etat sich sehr lang aus dehnen und sehr stürmisch werden zu wollen. Satte schon am Montag der bayerische Zcntrnmsabgccndnete Dr. Sckiacvler wegen der Dwinemünder Depesche und ihrer Veröffentlichung einen grollenden Ton ange schlagen, so kam es gestern zu Donner und Bliy. Aber nicht etwa wegen der Swinemünder Depesche zwischen einem bayerischen klerikalen und dem Kanzler, sondern wegen der Absicht des Sozialdemokraten v. Vollinar, die im „Reichoanzeiger" veröffentlichten Kundgebungen des Kaisers über das Verhalten der Sozialdemokratie im „Falle Krupp" zur Sprache zu bringen, und dem Präsidenten Graf Ballcstrem, der daS nicht dulden wollte und in der Tat nicht duldete. Dieses Verhalten des Präsidenten war nin so auffallender und mußte um so aufregender wirken, als er nicht nur am Tage vorher eine Besprechung der nicht im „Reichsauzeiger" ver öffentlichten Swinemünder Depesche geduldet hatte, sondern auch gar nichts dagegen einzuwenden sand, daß gestern Herr v. Vvllmar abermals auf diese Depesche ein ging nnd vom Reichskanzler die am Montage schuldig ge bliebene Aufklärung über den Urheber der indiskreten und obendrein unter falscher Angabe erfolgten Veröffent lichung durch das „Wolfffche Telegr.-Bur." verlangte. Je duldsamer Graf Ballestrein in diesem Falle war, um so unbegreiflicher war es, daß er den sozialdemokratischen Redner, der sich überdies vor seinen Parteigenossen durch maßvolle Form auszeichnet, sofort unterbrach, als dieser den „Fall Krupp" nur erwähnte, und an diesem Ein sprüche auch sesthiclt, als Herr Bollmar versicherte, auf den Fall selbst nicht cingehen nnd nur über die im „Reichsanzeiger" veröffentlichten kaiserlichen Kund gebungen sprechen zu wollen. Enthalten doch diese Kund gebungen schlechterdings nichts, wofür der Reichskanzler nicht gut und gern die Verantwortung übernehmen konnte. Tie Anfrcgung aus der linken Sette des Hauses infolge der Haltung des Präsidenten war daher eine große, und man geht sicherlich nicht irre in der Annahme, daß Graf Ballestrein durch seine hartnäckige Weigerung der Sozialdemokratie den wirksamen Agitationsstoff geliefert lmt, den er ihr entziehen wollte. Daß er allerhand Gerüchten über die treibende Kraft, die hinter ihm gestanden, Tür und Tor öffnete, sei nnr neben bei erwähnt. Ruhiger wird die Wetterberatung des Etats nnn sicherlich nicht verlaufen. Das erreichte Graf Ballestrem allerdings, daß die vom Abgeordneten v. Vvll mar wieder angeschnittene Angelegenheit der Veröffent lichung der Swinemünder Depesche in Vergessenheit kam. Graf V ü l v iv vergaß sie gestern augenscheinlich, obgleich der sozialdemokratische Redner trotz seiner im ganzen gemäßigten Ansdrncksweise ziemlich scharfe Ausdrücke auf den Unbekannten anweudete, der trotz der Abneigung des Münchener HvfeS und des Reichskanzlers gegen die Veröffentlichung diese nicht nur veranlaßte, sondern auch das „W. T.-B." durch eine falsche Angabe länschtc oder zn einer falschen Angabe bewog. Aus dieser Vergeßlichkeit des Kanzlers darf man aber nicht auf die der bayerischen Klerikalen und Sozialdemokraten schließen, die dem Grafen Bülow diesen „Adler" gewiß nicht schenken, obwohl er gestern die Mitteilung machte, daß er beim Bundesrate einen Antrag eingebracht habe, der die Sicherung des Wahlgeheimnisses in der Weise verstärken solle, wie dies wiederholt im Reichs tage beantragt worden. Gerade in klerikalen Kreisen wird man von dieser Ankündigung nicht sonderlich erbaut sein. Im übrigen war auch die gestrige Rede des Reichs kanzlers sehr geschickt und in vieler Hinsicht erfreulich. Was er über das Wesen des Kaisers, seine Stellung zur soziale» Frage, zu Einsprüchen sezier berufenen Rat geber und über die auswärtige Politik sagte, wird manche irrige Anschauung berichtigen. Hoffentlich macht er in vertraulicher Unterredung dem Herrn Präsidenten kein Hehl daraus, daß er in der Wortbeschrünkung des Abg. v. Vvllmar einen Akt politischer Klugheit nicht zu er blicken vermag. Das finanzielle Verhältnis der Einzelstaaten znm Reiche. Daß für das Rechnungsjahr 1902 i m R eichsha u s- halte ein Defizit zu erwarten ist, hat der Staats sekretär des Reichsschavamtes, Freiherr v. Thielmann, irr der Reichstagssiyung vom Montage ziffernmäßig dar gelegt. Er berechnete es auf 30 Millionen Mark. Er freulich war dabei, daß die früher befürchtete Even tualität die Wirklichkeit würde hinter dem vom Reichstage in den Etat für 1902 eingeteyten Betrage aus der Zoll einnahme Zurückbleiben, nach der Schätzung des Staats sekretärs nicht eiutreten wird. Damit wird eine weitere Verschlechterung des finanziellen Verhältnisses der Einzel staaten zum Reiche ans dieser Quelle vermieden werden, wahrscheinlich sogar eine kleine Besserung ein treten. Mit einer solchen Besserung in den Einnahmen aus den Ueberweisungssteuern wird aber das finanzielle Verhältnis der Einzelstaaten zum Reiche für das Jahr 1902 noch durchaus kein absolut günstiges. Man wird nämlich nicht vergessen dürfet«, daß auch schon im Etat von 1902 den Einzelstaaten ein ungedeckter Matrikularbcitrag von über 28 Millionen Mark auf gebürdet ist. Nur wenn die Ueberweisungssteuern gegen, über den Etatsausätzen ein Mehr ill dieser Höhe auf weifen würden, würden die Einzelstaaten ke'ne besondere Last aus ihren« Verhältnisse zum Reiche zu tragen be kommen. Daran aber ist nicht zu denken. Die Einzel staaten werden schon, ebenso wie sie für 1901 eine Spannung zwischen Matriknlarbciträgen und Ueber- weisnngen, und zwar in Höhe von 15,2 Millionen Mark, auszugleichen hatten, anch für 1902 mit einer solchen Aus gleichung zn rechnen haben. Wahrscheinlich wird hier das finanzielle Verhältnis zum Reiche n v ch m e h r kosten als im Fahre 1901. Der Spracherrftrcit in Böhmen. Gestern nachmittag traten die Konferenzteil nehmer aus Böhmen zur Fortsetzung der Be ratungen der Verstüudigungsfrage zusammen. Abgeord neter Paeak gab die Erklärung ab, die Vertreter des böhmischen Volkes seien nicht in der Lage, auf Grund der in dem Negier»ngsentwurfe zum Ausdruck ge brachten Prinzipien in die Beratung über die Regelung der Sprache ns rage bei den landesörtlichen Be hörde«« des Königreiches Böhmen oinzugehen. Tie Regelung der Tprachenfrage könne nur den einzigen Zweck haben, die in den bereits bestehenden festen Staats grundgesetzen gegebenen Grundbedingungen durch eine entsprechende Durchführung der Vorschriften in der« prak tischen Gebrauch einzuführen. Als solche Grund bedingungen, innerhalb deren Grenze«« die zu er lassenden Sprachenvvifchriften sich bewegen müssen, seien nachfolgende Grundsätze zu betrachten: 1) Als Landessprachen sind im Königreiche Böhmen sowohl die tschechische als die deutsche Sprache in dem ganze«« Lande in jeder Beziehung gleich berechtigt und müssen deshalb in allen Geschäfts zweigen des offiziellen Dienstes gleichmäßig an gewendet werden. 2) Fede Person, welche sich einer Landessprache be dient, ist berechtigt, bei allen Behörden des ganzen Landes nach den gleichen Vorschriften diese Landes sprache zu gebrauchen. Die gleiche Sprachenbehandlung der Partei angehörigen bei allen Behörden des ganzen Landes sei eine seit uuoordentlichen Zeiten bestehende Hebung. Die Tschechen müßten darnach auf den« Standpunkte be harren, daß von jeder Behörde des ganzer« Königreiches die Parteieugesuche sowohl in tschechischer als auch iu deutscher Sprache angenommen und auch in der Sprache der Partei erledigt werden müßten, svivie daß vor allen Behörden des Landes mit der Partei, die sich einer der beiden Landessprachen bediene, in dieser Sprache zu Reckst verhandelt werden müsse. Tie Tscheche«« müßten sich ferner auch dagegen verwahren, daß die Regelung der Sprachenfrage iu Böhmen von der Reform der Staatsverivaltungsämler abhängig gemacht werde. Die tschechischen Abgeordneten könnten einer Dezentrali sation der Staatsverwaltung in Böhmen nur unter der einzigen Bedingung zustimmen, daß die Möglichkeit der Wahrung ihrer Einheit durch den Statthalter nicht nur nicht vermindert, sondern im Fnteresse des Landes und des Staates gekräftigt und vermehrt würde. Abgeordneter Eppinger erklärte namens der deutschen Kon ferenzteilnehmer, daß dieselben nur mit großer Selbst überwindung in die Versläudigungskonferenz eingetreten feie«« und darum um so peinlicher darauf bedacht sein müßten, daß für die Vertändlungen nur ein solcher Ausgangspunkt und ei,« solcher Leitfaden gelegt werde, welcher die Cieltendmachung der von ihnen wiederholt formulierten Forderungen ermögliche. Die eben ver lesene Erklärung der Tschechen entziehe aber «veite reu Arbeiten diese Voraussetzung. Der Ministerpräsident erklärte, die Regierung erwäge in ihren« Entwürfe, ei neu Ausgleich der beider seits streitigen Interessen anzubahnen) dieser Entwurf brauche nicht unabänderlich zu sein,- die Regierung würde sich vielmehr vernünftigen nnd praktisch durchführ baren Vorschläge«« gegenüber nicht ablehnend verhalten, nnd zwar deshalb, «veil nicht das Substrat für die Ver ständigung. sondern die Verständigung als solche die Hauptsache sei. Das Wichtigste bezüglich der Sprachenfrage sei, die Handhabung der Sprache in« äußere«« Schriftverkehr und die sprachliche Befähigung der Beamten usiv., eventuell auch ohne bestimmte Unterlage, im Detail durchzubesprechcn. Solche Tetailfragen fänden jedoch besser im kleinerer« Kreise ihre Erledigung, weshalb er die Verweisung der Diskussion an die Subeomit6ö für wünschenswert er kläre. Graf Snlva Tarvnea erklärt, er und seine Gesinnungsgenossen müßten cs lebhaft bedauern, wenn die Verstäudigungsaktivn schon in diesem Stadium scheitern sollte; es müßte alles versuckst werden, um den angcknüpften Faden der Verständigung fortznspinnen. Die Anregungen des MiuisterpräsiderUen zeigten den rechten Weg. Redner stellt alsdann den sorrnellen An trag, die Sitzung zu unterbrechen, um auf beiden Seiten über die weitere Behandlung der Verständigungsaktion schlüssig zu werden. Nachdem noch die Abgeordneten Baern re iter und Paeak sich diesem Anträge an geschlossen hatten, wurde die Sitzung auf eine Stunde unterbrochen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung er klärte der Abgeordnete Herold, nachdem der Ministerpräsident selbst davon ab gegangen sei, zu verlangen, daß der vom Ministerpräsidenten vorgelegte Gesetz entwurf die Grundlage der Besprechung bilde, seien die Tscheche«« bereit, Vertreter in das Subcomitv zu schicken, welches die einschlägigen Fragen, soivvhl der Sprcnheusragc, als der Verwaltungs reform, erwägen solle. Die Tschechen seien für die Bil dung eines einzigen Subevmitös, weil die Erledigung der letzteren ohne die vorhergehende gerechte Lösung der ersteren nicht möglich sei. Abgeordneter Eppinger er klärte nalnens der deutschen Vertreter, dieselbe«« hätten trotz der schwerlviegenden Bedenken den Regie- rungscntwurf als Grundlage der Verhandlungen an genommen. Irr der heutigen Erklärung der Tschechen würden Grundsätze sestgeslellt, von denen dieselben selbst gut ivüßteu, daß sie für die Deutschen unannehmbar seien. Durch diese Erklärung der tschechischer« Vertreter sei demnach die V e r h a n d l u n g ö g r u n d l a g e, welche von der Regierung selbst aufgestellt, aber nach den heutigen Erklärungen des Ministerpräsidenten teil weise verlassen «vorder« sei, zerstört, und dieselben machten auch die Wahl des Tubeomitüs so lange gegen standslos, als nicht eine für die Deutschen annehmbare Grundlage der Verhandlungen geschaffen würde. Hierauf wurde die Sitzung geschloffen. Deutsches Reich. H: Berti«, 20. Januar. (Das Dien st einkomme«« der preußischen Lehrer.) Mit Rücksicht auf die auf dem ziveitcn preußischer« Lehrertage erhobene Forde rung einer beträchtlichen Erhöhung des Mindestbetrages des Grundgel-alrs der Tienskaltcrszulagen der Volksschut- lehrer mag ei«« Blick auf die Entwickelung, welche die D i e n st c i n k v m m e n s v e r h ä l tn is s e der Leh - r e r in Preuße n seit einer Reihe von Fahren genom men haben, von Interesse sein. Das Durchschnittseinkom men der Lehrer in den Städten betrug im Jahre 1861: 840 .4^ ES stieg bis 1871 auf 1089 bis 1878 aus 1441 .4(, bis 1880 ans 1036 bis 1891 auf 1814 dis 1890 auf 2029 .4i. uud beträgt jetzt nach Durchführrmg des Lehrerbesoldungsgesetzes 2381 .4^ A u f d e m L a n d e be trug das durchschnittliche Tiensteinkommen der Lehrer im Fahre 1861: 548 .4', 1871: 705 1878: 955 .< 1886: 1136 .4: 1891: 1271 .4! und 1896: 1357 .4( Es beträgt jetzt infolge der Ausführung dcS Lehrerbesoldungsgesetzes 1040 Kür alle Lehrer zusammen ergibt sich folgende Entwicke lung der Durchschnittodiensteinkommen: 1861: 634 1871: 792 ./s, 1878: 1122 1886: 1294 1891: 1451 1896: 1583 .4s. uud 1901: 1901 Stuf der ganzen Linie zeigt sich mithin ein stetiges und verhältnismäßig starkes Steigen des durchschnittlichen Diensteinkommens, so daß sich in einem vierzigjährigen Zeiträume das Durchschnitts ei n ko mm en der Lehrerungefähr verdrei fach t hat, und zwar gilt dies in ungefähr gleichem Maße Feuilleton isi Frau Huna. Roman von Karl Taner a. -'iactivvuN verdoien. Nachdem die Wohnung vollständig eingerichtet war, befaßte sich Siradoma wieder eifrig mit ihren Sprach studien. Es war dies unbedingt notwendig, damit sie ihren Nesans Befehle geben und Einkäufe für den Haus halt allein, d. h. ohne Hülfe ihres Mannes, besorgen tonnte. Von der« drei Dienstmädchen lernte Kik sich an« schnellsten mit ihrer Herrin verständigen. Sie sah ihr las« a»r den Lippen ab, was sie wünschte. Natürlich ent standen auch vft genug Mißverständnisse, und dies gab stets von neuem Ursache zu Gelächter und Heiterkeits ausbrüchen. Anch an diesen Dienerinnen erkannte Siradoma deutlich die Gutmütigkeit, Naivetät und Kindlichkeit der Angehörigen der untere«« Klassen in Fapan. Weniger angenehme Eindrücke gewann sie schon nach kurzer Zeit von den Kollegen ihres Mannes. Nach etwa vierwöchigen, Aufenthalt in Tokio «ragte sie einmal Fzuna, ob sic denn gar keine Besuche innerhalb ihrer Kreise machen müßten'? „Nein, mein Kind", lautete die Antwort. „Wir haben in meiner Fakultät keinen verheirateten europäischen Professor, sonder«« nur einen Junggesellen. Meine verheirateten Landsleute tönuen «vir aber nicht gemeinsam besuchen, da dies nicht nur unserer Ditte zu stark entgegengesetzt «väre, sondern deren Frauen auch gar keine Ahnung hätten, wie sic sich dabei verhalten müßten." DaS «var also eine gründliche Bestätigung dessen, was General von Menzheim der jungen Fran auf dem „Fried- rich dem Großen" erzählt hatte. Dennoch fragte Siradoma weiter: „Ich werde also nie die Frauen deiner Kollegen kennen lernen ?" „LH doch, mein Kind. Sobald du die japanische Sprache genug beherrschen wirst, um einigermaßen eine Unterhal tung führen zu können, kannst du die Damen aufsuchen und dich mit ihnen bekannt machen. Dann wollen wir auch beginnen, in den« in Berlin besprochenen Sinne auf sie einzuwirken. Fch will bis dahin von jedem reforma torischen Auftreten in BHtehung auf die Frauenfrage ab sehen, weil ich mir zuerst in meinem eigentlichen Beruf als Professor der Ehirurgie eine angesehene Stellung er werben muß." Siradoma sah dies eil«, stimmte ihm bei, meinte aber doch: „Sv bin ich also, bis ich die Sprache besser erlernt habe, ganz auf den Umgang mit den Nesans angewiesen, wenn die Pflicht meinen lieben Gatte«« fernhält?" „Leider ja. Fch kann dir aber eine kleine Entschädigung geben. Ich «verde meine Kollegen hier und da abends zu einer Plauderstiinde bei Thcc und Zugaben einladen. Tn spielst dann, wie es in Europa Sitte ist, die liebenswürdige Hausfrau nnd wirst durch meine Hülse und die des Pro fessors Dnmartin, jenes Franzosen, der bet meiner Fakul tät angesteUt ist, auch eine Unterhaltung mit meinen Kol legen führen tonnen. Macht dir dies Vergnügen'?" „Ja, gewiß." „Gut, ich will die Herren gleich für übermorgen abend cinladcn." Siradoma bereitete sür die kleine Gesellschaft alles so gut «vie nur «noglick« vor. Sie deckte der« Tisch so nett, wie sie cs im Hause Edwald-Erzberg gelernt hatte, Platten mit enropäischcn und japanischen Delikatessen standen bereit, die Nesans wäre«« cingeschult, und die junge Krau konnte mit Befriedigung ans ihre Anordnungen blicken. Der Abend kam, die Gäste erschienen. Während Professor Du- «nartin ihr wie jeder europäischen Dame mit ausgesuchter Höflichkeit entgcgentrat und ihr respektvoll die Hand küßte, machten die japanischen Herren zwar ihre landes üblichen Verbeugungen, nahmen aber trotz der Be mühungen Fzunas, sie mit seiner Fran in ein Gespräch zu verwickeln, fast keine Notiz von ihr. Als man zu Tisch ging, führte Dnmartin die Hausfrau. Die beiden einge ladenen Japaner entsprachen keineswegs ihrer Aufforde rung, sich auf die ihnen bezeichneten Plätze, einer neben Siradoma, der andere neben ihren Gatten zu setzen, son dern sie hockten sich in einer Art an das von der Hausfrau entgegengesetzte Ende des Tisches, daß man ihnen deutlich anmcrkte, wie unbehaglich ihnen das Sitzen aus europäi schen Stühlen war. Hierauf suchten sie von dei« ausgestellte«« Speisen, ohne irgend eine Aufforderung von Frau Jzunu abzuwarten, die sapanischen Süßigkeiten heraus, ließen alle anderen stehen, unterhielten sich sehr freundlich mit ihrem französischen Kollegen nnd dem Hausherrn, berück- sichtigten aber die Hausfrau in keiner Weise. Diese schien kaum für sie zu eristieren. Fzuna ärgerte fick« auch über das sonderbare Benehmen der beiden Professoren, ließ sich dies aber ebenso wenig wie Siradoma anmerken. Als man sich vom Th««tisch erhoben batte, sahen sich die japa nischen Kollegen des Hausherr«« alle Gegenstände im Zim mer genau an und kritisierten dieselben. Fzuna mußte ihnen manches erklären. Gegen ihn und gegen Herrn Dumartin bewahrtet« sie stets die konventionelle Höflich keit und heitere Freundlichtcit. Aber auch jetzt würdigten sie Siradoma teiner Beachtung, und «venu diese in liebens würdigster Weise einige japanische Fragen an sie stellte, so antworteten sie so kurz als möglich, oder sie bemerkten, sie hätten nichts verstanden. Als sie die Radierung nach dem van Tyckschen Bilde sahen, sprachen sie leise mitein ander, so daß weder Fzuna noch Dumartin sie genau ver stehen konnten, kurz daraus verabschiedeten sie sich unter dem üblichen Lächeln und Verbeugungen, welche sie dies mal natürlich auch vor der Hausfrau ausjsührten. kaum waren sie weggegangen, sv bemerkte Professur Dumartin zu Fzuna und seiner Gattin: „Unsere beide«« Kollegen fühlten sich in diesen reizenden und sv entzückend eingerichteten Räumen ziemlich unbehaglich. Fch habe es «nir aber gleich gedacht, als ich sic sah. Professor kaibara ist in Beziehung auf das Familienleben ein auögesprvche- ncr Vertreter altsapanischcr Sitten und Gebräuche. Er hat einmal bei einer großen Festlichkeit geäußert: „Fe mehr Fapan gezwungen ist, sich der Wissenschaft und der Technik Europas anzupassen, desto mehr muß inan in den Häusern und Familien danach streben, die gute altjapa nische Sitte zu erhalten, um der nach meiner Ansicht in« allgemeinen verdorbenen europäischen Moral bei uns keinen Eintritt zu gestatten." Er sieht es daher sehr wenig günstig an, daß mein verehrter Kollege Fzuna eine so schöne nnd liebenswürdige Gattin aus Enrvpa mitbrachte und in seinem Hause europäische Gebräuche zugelassen hat. Ja, ja, mein lieber Fzuna", wendete er sich nun direkt an den Hausherrn, „Sie ahnen gar nicht, wie sehr sich in den vier Jahren, welche Sie in Deuischland gelebt haben, hier die Verhältnisse änderten. Tic altjapanische Partei hat wieder Lberwasser erlangt. Man glaubt, die europäische«« Lehrmeister bald ganz entbehren zu können, und hat darum schon die meisten weggebracht. Mich wird man auch bald verabschieden. Tas kann ich Ihren Landsleute«« nicht einmal so sehr verargen. Sie wollen sehen, wie sic mit den von uns erlernten Wissenschaften nun allein durch- kommen. Aber daß die Partei wieder so sehr in die Höhe kommt, welche nur die praktischen Wissenschaften und tech nischen Vorteile annehmen, sonst sich aber so streng wie fvllher gegen eine jede weitere, vor allem gegen eine moralische Aufklärung absckcktcßen will, halte ich nicht für gut. Auch daS neuerliche, ablehnende Verhalten gegen das Christentum, «vie es ebenso Professor Kukuzawa mer ken läßt, «st ein schlimmes Zeichen. Sie hätte«« nur be obachten sollen, «vie sich letzterer gegenüber kaibara übe« die schöne Radierung dort lustig gemacht hat." Während Frau Fzuna an Herrn Dumartin verschie dene Frage«« über die bei den Herren der Universität herr schenden Anschauungen richtete, sann ihr Gatte über die i soeben gehörten Worte nach. Er war in seiner Meinung geteilt. Tas Vorgehen der Japaner gegen die fremden i Professoren und Lehrer überhaupt erschien ihm sehr sym- ! pathisch. Der allgemein bei den modernen Japanern der j höheren Klassen herrschende Hochmut und Eigendünkel j hatte ihn ebenfalls ersaßt, so daß er auch glaubte, sein j Vaterland könnte nun die fremden Lehrer ganz entbehren. Selbst gegen die antichristliche Richtung hatte er trotz seines äußerlichen Ueberirittes zum Christentum, den er hier in Fapan aber vollständig tvrschwieg, nichts einz«rwenden. Dagegen hielt er noch immer das Annehmer« nicht nur der : europäischen Wissenschaft, sondern auch der europäischen - Kultur, Sitten und Gebräuche sür notwendig, weil er glaubte, daß die ganze Modernisierung Fapans sonst nur I halb, nur ein Stückwerk bleiben werde. Er urteilte ebei« doch klarer, als jene seiner Landsleute, welche Europa nicht durch der« Augenschein kannten. Schließlich beteiligte er l sich wieder am Gespräche und erklärte Herrn Dumartin > seine Ansichten über diese Verhältnisse, insbesondere über ! die Aufklärung und bessere Stellung der Frauen. „Sie haben vollständig recht, verehrter Herr Kollege", entgegnete der Franzose, „aber Sie sind um einige Fahr zehnte zu fiZiih daran. Denken Sie an mich zurück, wenn Sie nach jahrelangem, vergeblichen« Bemühen die erfolg lose«« reformatorischen Versuche aus diesem Gebiete ver zweifelt aufgcben. Ebenso jstberraschenb schnell Japan aus praktische«« : Gründen, unterstützt durch die mit den Dchvgunen ent standenen Mißhelligkeiten, die europäische Wissenschaft und Technik annahm, genau so überraschend halsstarrig wird - es sich dem Eindringen unserer moralische» Kultur und i unserer Sitten verschließen. Das ist von Ihren Lands- leuten in mancher Beziehung sehr vernünftig gehandelt. Ich kann es Ihnen gewiß nicht verdenken, daß sie durch ein Herinnen des christlichen Einflusses sich vor religiöse«« Streitigkeiten und Gehässigkeiten bewahren wollen. In der Hauptsache aber ist cs töricht gehandelt und beruht nur in der — verzeihen Sie. Herr Kollege, wenn ich mich offen anSdrückc — große«« Selbstüberschätzung, der viele der maßgebenden Persönlichkeiten Japans verfallen sind.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite