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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030123020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903012302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903012302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-23
- Monat1903-01
- Jahr1903
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osserteuannahme 25 H (exct. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung -X 70.—. Ännahmeschluk für Anzeigen: Abeub-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 41. Kl.'eitaft den 23. Januar 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Januar. Die Unke des Grafen Ballcstrcm. Graf Ballestrem hat gestern im Reichstage für den Willkürakt, mit dem er am Mvntag dem Abgeordneten v. Bollmar das Wort abschnitt, schwer büßen muffen. Hatte er damals gemeint, sich um Kaiser und Reich ein Verdienst zu erwerben, als er dem maßvollsten der sozial demokratischen Abgeordneten nicht verstattete, die an den „Fall Krupp" sich anschl'eßenden, vom „Reicheanzeiger" veröffentlichten Kundgebungen des Kaisers zur Sprache zu bringen, so mußte er gestern erfahren, daß er durch diese Handlungsweise lediglich einen der zügel losesten sozialdemokratischen Redner, den Abg. Bebel, zu einem Angriffe auf den Kaiser provoziert hatte, wie ihn der Reichstag kaum jemals erlebt hat. Allerdings hätte Graf Balleslrem gegen Bebel ebenso vorgehen können, wie er gegen v. Volkmar vorgcgangen war; aber da er wußte, daß dieses Vorgehen nirgends Billigung gefunden hatte, und daß er durch Beharren auf seinem am Montag eingenommenen Standpunkte einen Sturm gegen sich heraufbcschwörcn würde, so blieb ihm eben nichts anderes übrig, als Herrn Bebel reden zu lassen, und dankbar die Brücke zu betreten, die ihm der im übrigen so rabiate Redner zum Uebcrgangc auf die Seite der Präsidial toleranz dadurch schlug, daß er nicht nur den „Fall Krupp" ganz aus dem Spiele ließ, sondern auch von kaiserlichen Reden im allgemeinen und nicht von be stimmten sprach. Mit welcher Empfindung mag Graf Ballestrcm während der Bebclschen Rede auf den Reichskanzler geblickt Naben, dem nun die Ausgabe zusiel, sich nochmals vor den Kaiser zu stellen und ein schon zweimal behandeltes Thema nochmals abzuhandeln! Einen Händedruck hat er sür diese Nötigung vom Grasen Bülow gewiß nicht eingetanschr, obwohl dieser sich sagen durfte, daß er, mit alleiniger Ausnahme der Sozialdemo kratie, alle Mitglieder des Hauses zu Beifall und Dank verpflichtet hatte durch die geschulte und temperamentvolle Art,milderer dienonBcbel gegen den Träger der deutschen Kaiserkrone gerichteten Pfeile ans den Schützen zurück lenkte. Am Schluffe mußte sich Graf Ballestrem auch noch vom Abg. I>e. Hasse, der damit zweifellos der Ansicht der großen Mehrheit des Hanfes Ausdruck gab, sagen lassen, daß seine Partei stets sür das Recht dieses Hauses eintreten werde, authentisch veröffentlichte Reden des Kaisers zu besprechen, und für sie den Kanzler ver antwortlich zu machen. Damit war aber auch der Buß akt für den Präsidenten, für jetzt wenigstens, zn Ende. Professor Dr. Hassc ging nach diesem Monitum auf das eigentliche Thema der Debatte zurück, indem er über den Kolouial-Etat svrach. Hoffentlich ist damit dem Hause auch die Richtschnur für die Fortsetzung der Etatsbcratnng gegeben. Aus der gestrigen Debatte dürfte nur noch hervorzuheben sein, daß Graf Bülow mit keinem Worte auf die von Bebel gegen den Kronprinzen er- hobcnen Vorwürfe einging, und damit augenscheinlich zu erkennen geben wollte, daß er diesen Borwürfen ein gewisses Recht nicht abznsprecheu vermöchte. Auch auf die V e r ö f s e n t l i ch u n g der S w i n c m ü n d e r D e - p e s che ging er nicht ein. Vielleicht darf man daraus schließen, daß er Vorsorge getroffen hat, daß das „Wolff- sche Telegr.-Bnreau" nicht wieder versucht wird, unter falscher Angabe kaiserliche Kundgebungen zn vcröfseur lichen, deren Veröffentlichung im „Reichsanzeiger" er selbst nicht für zweckmäßig hält. Die Einzclstaaten danken! Der Abgeordnete Eugen Richter hat dieser Tage im Reichstage das Verlangen ausgesprochen, daß die E r- g ü n z u n g s a n l ei h e im R e i ch s h a u s h a l t s- etat für 1003 gestrichen und der Ausfall durch Ein setzung von Matrikularbeit rügen gedeckt werde. Um dieses Verlangen richtig würdigen zu könne«, muß man sich die Wirkung eines solchen Vor gehens vergegenwärtigen. In! Preuße n balanziert der unter der Voraussetzung einer so mäßigen In anspruchnahme für Reichszwecke, wie sie im Reichshaus- baltscrat vorgesehen ist, ausgestellte Staatshaushaltsetat für 1903 nur unter Zuhülfenahme einer Anleihe von nahezu 73 Millionen Mark. In demselben Maße, in welchem der durch Uebcrweisungen nicht gedeckte Betrag Preußens zn den Kosten des Reiches gesteigert würde, würde sich demzufolge der Fehlbetrag in dem preußischen Etat und auch die zur Ergänzung der Einnahmen not wendige Anleihe erhöhen. Nicht anders liegt die Sache bei den andern Bundesstaaten, deren Finanzverhältnisse durchweg — zum Teil sogar beträchtlich — ungünstiger sind als diejenigen Preußens und die ohnehin schon die größten Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben zu überwinden haben. In Hamb n r g hat man soeben zu diesem Zwecke den Höchstsatz der Einkommensteuer von 7 auf 8,4 Prozent erhöhen müssen. Aber durch diese steuerliche Mehrbelastung wird eben nur das Gleich gewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben unter der Voraussetzung hergestellt, daß der Beitrag Hamburgs au das Reich sich in den von dem Bundesräte im Etat gezogenen Grenzen hält. Würde Hambnrg im Zu sammenhänge mit der Beseitigung der Ergänzungs anleihe ein beträchtlich höherer Betrag an ungedeckten Matrikularumlagru auferlegt, so würde auch daraus ein nur durch Anleihen auszugleicheuder Fehlbetrag im Staatshaushaltsetat entstehen. Mit der Beseitigung der Ergänzungsanlcibe im Reiche und deren Ersatz durch Er höhung des Betrages von Matritularumlageu, die nicht durch Ucbcrweisuugcn gedeckt werden, würde daher die Nvtiveudigekeit, Anleihen zum Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben auszunehmeu, nicht entfernt beseitigt. Das Auleihebedürfnis würde vielmehr nur vom Rei che aus die B n n d e s st a a t e n ab - geschvben. Nun unterliegt es keinem Zweifel, daß, abgesehen von Preußen und allen anderen potenteren Bundesstaaten, denen der Geldmarkt ebenso offen steht wie dem Reiche, die Beschaffung der erforderlichen Mittel im Wege der Staatsanleihe ungleich größere Schwierig keiten bieten müßte, als wenn der ganze Bedarf vom Reiche selbst gedeckt würde. Ein Vorgehen, das ohne Ver minderung des Ante'hcbedürfnisses Deutschlands im ganzen lediglich eine Verschiebung herbeinihren würde, durch die dessen Befriedigung nur noch erschwert werden könnte, dürste aber nicht als der letzte Trumpf finanz politischer Weisheit anznsehen sein. Die Beschießung des Forts San Earlos. Mau schreibt uns aus Berlin, 22. Januar: Die Meldung, daß die drei deutschen Kriegsschiffe „Vineta", „Gazelle" und „Panther" das Fort Sau Earlos beschießen und letzteres die Beschießung erwidert, zeigt uns zu nächst, daß „Panther" nach der kleinen erfolglosen Attacke vollständig gefechtstüchtig geblieben ist. Auf venezolanische Nachrichten ist nichts zu geben. Was die Artillerie anbetrifft, die hier bei der Beschießung in Aktion tritt, so ist ganz zweifellos, daß das Fort San Carlos bald das Feuer ein st eilen muß; denn „Vineta" ist mit schwerer Artillerie nicht schlecht ver sehen, und die mittlere Artillerie ist nicht nur bei diesem geschützten großen Kreuzer, sondern auch bei dem ge schützten kleinen Kreuzer „Gazelle" gut und bet dem Kanonenboot „Panther" immerhin befriedigend. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Kommodore Scheder bei dieser hochwichtigen Aktion im Einvernehmen mit dem englischen und italienischen Höchstkommandierendcn ge handelt hat. Unser Höchstkommandierender auf „Vineta" und selbstverständlich der ganzen deutschen Aktion gegen San Carlos ist ein viel zu umsichtiger und erfahrener Seeoffizier, als daß er in diesem Kampfe die Stärke der Streitkräfte nicht gebührend in Berechnung gezogen Hütte. Die Armierung von Fort San Carlos ist hier nicht genügend bekannt, man glaubt aber kaum, daß Ge schütze der allerneuesten Konstruktion das Fort ver teidigen; im übrigen ist zu bedenken, daß die venezola nischen Artilleristen unseren blauen Jungens nicht die Wage halten können. „Vineta" hat 465 Mann an Bord, „Gazelle" 249 und „Panther" 121, so daß doch immerhin 835 Manu auf deutscher Seite in das Gefecht eingegriffcn haben. Man glaubt hier ganz sicher, daß Castros Wider stand so gut wie gebrochen ist. Direkte Nachrichten be stätigen uns, daß zwischen deutschen und eng lischen Seeoffizieren das denkbar beste Einvernehmen herrscht, alle gegenteiligen Nach richten sind in böswilliger Absicht aus der Luft gegriffen. Der Kaiser hat bekanntlich heute früh mit dem Reichskanzler eingehend konferiert; wir glauben ganz sicher, anuehmeu zu können, daß bei dieser Konferenz die venezolanische Angelegenheit eingehend er örtert worden ist. Gestern war übrigens Geh. Rat v. H anse m a n n bei dem Kaiser geladen; daß auch mit diesem die venezolanischen Verhältnisse im Mittelpunkte der Diskussion gestanden haben, bedarf wohl keiner Be tonung. Auf den Gang der kriegerischen Ereignisse kann und wird von hier nicht eingegrisfen werden, da ja ab solut nicht zu übersehen ist, wann ein Eingreifen not wendig ist. ES sei noch bemerkt, daß Kommodore Scheder in demselben Augenblicke, in dem ihm, obgleich nur Kapitän zur See, die Führung der Kreuzerdivisiou übergeben wurde, direkt dem Kaiser unterstellt wurde. Lord Kitchener in russischer Beurteilung. Tie englische Presse pflegt recht empfindlich zu fein, wenn an einem englischen Generale von deutscher Seite Kritik geübt wird; man hört in solchen Fällen englische Zeitungen sehr leicht über Böswilligkeit der deutschen Kritik, Herabwürdigung der englischen Heer führer usm. klagen. Unter Berücksichtigurig dieses Sach verhalts ist eine Kritik von Interesse, die an Lord Kitchener von der „Norvojc Wremja" geübt wird. Darin macht sich das genannte russische Blatt über das Beiwort „Herkules", das Lord Rvicbcrn zu Ehren Kitcheners ansgegraben hat, weidlich lustig, indem es u. a. schreibt: „Den Engländern gelang der Sieg über die Boereu hauptsächlich deshalb, weil die weiße Bevölkerung der Bvercnrevublikeu die bescheidene Ziffer von nur 200 000 Menschen aufwies. Wenn der Boereu zehn Mal mehr gewesen wären, so würben die britischen Truppen, selbst von dem Herkules Kitchener geführt, das völligste Fiasko erlitten haben. Kitchener hat sich in Südafrika durch nichts bekundet, als durch die Anwendung des kost spieligen, aber nutzlosen Systems der Blockhäuser. Im Sudan hat Kitchener allerdings die Mahdisten besiegt, aber bloß deswegen, weil sie fast unbewaffnet und für die englischen Kanonen und Gewehre eine bloße Zielscheibe waren. Wenn Lord Kitchener im Himalayagebirge seine militärischen Fähigkeiten anwenden müßte, stünde er vor etwas ganz anderem. Dort ist eine gute und große Armee erforderlich, also das gerade, was die Engländer nicht haben, und was weder ein Dutzend noch ein Schock Her- kules-Kitchener ersetzen können." — Dieses Urteil über den Lord Kitchener unterscheidet sich von der in England üblichen Verherrlichung Kitcheners so außerordentlich, daß die englische Presse, wenn sie die russische Kritik an eng lischen Heerführern auch nur annähernd mit gleichem Maße wie die deutschen messen wollte, die schärfsten Worte des Protestes wählen müßte. Die Arbeitslosigkeit in Rußland ist durch die industrielle Krisis außerordentlich gefördert worden. Namentlich in Südrußland begegnet man in den Städten Scharen von Leuten, die feK langem ohne Be schäftigung und ohne Geld und und die öffentliche Mild tätigkeit in Anspruch nehmen. Unter diesen Städten nehmen Charkow und Zarivyn einen hervorragenden Platz ein, weil in ihren Gouvernements zahlreiche Fabriken ihre Tätigkeit teils eingestellt, teils wesentlich eingeschränkt haben. Gefördert wird die Arbeits losigkeit durch die Not der Landwirtschaft, die immer weniger Leute ernähren kann, und die Zahl derer natürlich vergrößert, welche in der In dustrie Verdienst suchen. Aber auch dort werden ihre Er wartungen gegenwärtig verhältnismäßig selten erfüllt. Tie Zahl der Arbeitslosen ist so groß geworden, daß viele sich mich dem gepriesenen Dorado, nach Sibirien, wandten, in der Hoffnung, bei der sibirischen oder mandschurischen Bahn Beschäftigung zn finden. Aber auch das bat sich nicht erfüllt, oder doch nur in geringem Maße. Die russischen Ingenieure geben im allgemeinen ch i n e s i s ch c n K u l i s den Vorzug. Iinolgedeffen sind die sibirischen Städte Tscheljabinsk und Blagoweschtschensk ebenfalls von Arbeitslosen überfüllt. Daß alle diese Leute in höchstem Maße Not leiden, braucht nicht besonders ge sagt zn werden. Deutsches Reich. * Berlin, 22. Januar. (Neue Maß na bin en zur Er weiterung des Arbeiterfchuyes.) „Von bestunterrich teter Seite" will die „Tck. Rvsch." über die in Aussicht, teilweise auch bereits in Angriff genommenen weiteren Maß nahmen zur Ausdehnung des Arbeiterschutzes folgeuveS cr- fahren haben: Durch die kaiserliche Verordnung vom 31. Mai 1897 ist der wesentliche Inhalt der l35 -139 der Gewerbeorvnung über die Einfchiünkungen der Beschäitiznng von Kindern, jugendlichen Arbeitern und Arbeiterinnen in Fabriken ^Dauer dec Arbeit, Einhaltung von Arbeitspausen usw.) auf diejenigen Werkstätten der Kleider- nnd Wäschckonfcktion ausgedehnt worden, in welchen die Anfertigung von Kleidern nnd Wäsche im großen er- Feuilleton. Frau Huna. Roman von Karl Tanera. Nachdruck verboten. „Wie lieb du bist! Also, um mir eine Freude zu machen, willst du eiu unaugcnchmcs Empfinden unter drücken und einer Einladung folgen. Nun, ich hoffe, daß du dafür belohnt werden, und dich bei Graf W. und seiner entzückenden jungen Frau gut unterhalten wirft. Wir werden bald eine Einladung erhalten. Es ist mit der Annahme nur eine kleine Förmlichkeit verknüpft. Aber ich bin überzeugt, daß dich das nicht stört." „Das könnte das sein?" „Die Gräfin drückte sich mir gegenüber ziemlich deut lich aus, daß sic mich bei ihren Empfangsavendcn in euro päischcr Gcscllschaststoilctte zu sehen wünsche, da ja in den diplomatischen Kre'.seu nie Japanerinnen verkehrten. Ich muß also bei diesen Gelegenheiten eines meiner aus Deutschland mitgcbrachten Kleider anlcgeu. Das ist übrigens recht gut. Durch das fortwährende Liegen im Koffer verderben sie an und für sich, wenn sic nicht hin und wieder an die Luft kommen." Izuna beachtete die letztere Bemerkung gar nicht, son dern blieb plötzlich stehen und rief in scharfem Ton: „Wie, eine solche Bedingung hast du angenommen? Ich hoffe doch, daß du als Japanerin stolz genug bist, eine der artige, entwürdigende Zumutung abzulehnen!" Liradoma war sowohl durch die Härte seiner Stimme, als auch durch seine schroffen Worte in hohem Grade un angenehm berührt. Auch in ihr regte sich heftiger Unmut, und in ihrem Aergcr entgegnete sic: „Wie darin eine entwürdigende Zumutung liegen soll, tann ich wahrhaftig nicht cinscheu. Im Gegenteil! Wenn sogar die Gemahlin des Mikados bei solchen Gelegenheiten europäische Tracht anlcgt, so hätte cs doch gewiß für keine Japanerin etwas ihren Stolz Verletzendes, wenn sic diesem Bespiel folgen würde. Bei mir ist cs aber noch etwas ganz anderes, denn ich bin ja eine Deutsche." „Tu warst eine Deutsche, aber du bist jetzt eine Ja vanerin. Gerade weil du nicht von Kindheit ans zu unS gehörst, unrtzt du noch mehr wie jede meiner Lands männinnen dich hüten, etwas »u tun, wat man dir als eine Nachlässigkeit gegenüber deinem neuen Vaterland« auslegeu könnte. Du hast selbst durchblicken lassen, daß man dich im Hause des Grafen in europäischem Kostüm zu sehen wünscht, weil Japanerinnen in jenen Kreisen nicht verkehren. Mau hält also unsere Frauen nicht für eben bürtig. Tu würdest in der dir gebührenden Kleidung einer Japanerin wahrscheinlich Vernachlässigungen aus- acsevt sein. Gibst du dem Verlange» nach, dich in einem Anzuge zu zeigen, der für eine Japanerin als eine Mas kerade erscheinen muß.soverletzcst du den Stolz, den du als Angehörige unseres Landes und Volkes haben mußt, und du erstrebst also ein kurzes Vergnügen durch eine Selbst erniedrigung. Daß ich dazu nie meine Zustimmung geben werde, konntest du dir selbst sagen. Was du von unserer Kaiserin erzählt hast, paßt keineswegs. Sie will nicht durch Anlegung eines europäischen Kostüms sich ßu einen ihr sonst versperrten Kreis drängen, sondern sie ladet die Vertreter der europäischen Mächte zu sich ein oder erweist ihnen die Gnade einer Audienz, und ehrt sie, indem sie ihren Gästen zuliebe deren Kleidertracht auch für sich selbst wählt. Es ist dasselbe, wie wenn der deutsche Kaiser einem seiner Gäste zuliebe die Uniform eines Obersten der Armee seines Gastes anlegt. Ich wünsche also, daß du zu dem Feste des Grafen W. entweder in einer deiner besten ja panischen Gewandungen gehst, oder auf die Teilnahme überhaupt verzichtest." Sv bestimmt und befehlend hatte er noch nie gesprochen. Liradoma war schon dadurch cingeschüchtert. Außerdem erkannte sie aber, daß cr doch in vieler Beziehung von seinem Standpunkte aus recht habe. Sic wollte cs also auf keinen ernsteren Streit aukvininen lassen nnd beschloß, wiederum nachzugebcii. Nach einer kleinen Pause, wäh rend welcher beide Ehegatten schweigend nebeneinander gingen, begann sie: „Ich habe mir die Lache überlegt, Akira. Durch deine Worte ist mir der Gedanke gekommen, daß ich vielleicht doch etwas voreilig gehandelt habe, in dem ich der Gräfin znsagtc, in europäischem Kostüm zn er scheinen. Ich ivill dies wieder gut machen und ihr mit teilen, daß wir beide aus Rücksicht auf deine Kollegen, welche leicht sich unangenehm berührt fühlen könnten, wenn wir in einem auserlesenen europäischen Kreise ver kehrten, dein sie und ihre Frauen fern ständen, freund lichst dankten und nns nicht entschließen könnten, ihrer Einladung zu folgen. Eine solche Entschuldigung wird sic als berechtigt ansehen, und ich brauche dann die Kleider frage gar nicht weiter zu erwähnen. Bist du damit ein verstanden, mein Akiras" „Ja, vollkommen, meine geliebte Liradoma. Ich bin dir dankbar, daß du so verständnisvoll auf meine Dar stellung eingegangen bist. Wir wollen diese Sache nun nicht weiter erörtern, sondern zurücksahren. Wir kommen sonst nicht vor Sonnenuntergang nach Hause." Sie. stimmte zu, er rief zwei Rikschas herbei, sie führe» ab. Aeutzcrlich war also der kleine Zwiespalt wieder aus geglichen. Aber einen Stachel hatte er bei beiden im Innern zurückgelassen. Nur selten vergeht ja eiu auch unbedeutender Streit zwischen Eheleuten ohne jede Folge, meint er in grund sätzlich vcnchiedenen Meinungen beruht. Einige Bitter leit bleibt leicht zurück. Während der zweistündigen Fahrt durch die Ltadt überlegten beide die vergangene Lecne. Liradoma sah ein, daß sie nicht aus ihrer Forderung be stehen tonnte, ohne einen ernsteren Konflikt heraufzube- schivörcu. Sie berente es also nicht, nachgegeben zu haben, obwohl sic zu ibrcm großen Sä,recken einsab, daß ihr Mann immer mehr den Ansichten der altjapanischen Partei uachgab und gar keine Miene mehr machte, in reformatorischem Sinne bei seinen Landsleuten wirten zu wollen. Das zerstörte nicht nur einen ihrer Lieblings gedanken, nämlich mit ihm geistig und praktisch zusammen zu arbeiten, um die getnechtcte Frauenwelt Japans auf eine höhere Stufe zu bringen, sondern es drohte ihr da durch sogar eine direkte Gefahr. Wenn sie immer mehr dem Umgänge mit Europäern entfremdet wurde, so stand ihr eine völlige Vereinsamung bevor. Obwohl ihre Sprachtcuntttissc sich io gesteigert hatten, daß sic jetzt ganz gut eine geläufige japanische Iluterbaltung führen konnte, io war cs ihr aus anderen Gründen doch unmöglich, längere Zeit anregend mit Japanerinnen zu plaudern. Der Gesichtskreis auch der Prvfessvrenfrauen war eiu so beschränkter, und die von diesen geführten Osespräche «über Kleidung, Frisieren und Familien lagen wiederum Lira doma so fern, daß es letzterer als eine wahre Qual er schien, wenn sic einiae Stunden mit diesen Frauen zu bringen mußte. Dazu kam die übertriebene Förmlichkeit und phrasenhafte Höflichkeit derselben, ivvdnrch jeder innigere Verkehr ausacschlosien wurde. Eine Freundin konnte sic unter iolchen Verhältnissen nie gewinnen. Sie war also ganz aus den Umgang ihres Mannes angewiesen. Auch dieser mußte sie aber jetzt etwas mehr sich selbst über lassen, denn er bekam an der Universität sehr viel zu tun und war daher oft ganze Tage außer seinem Sause be- I schäftigt. Sie sah deshalb keineswegs mehr so hofknungS- freudig und zuversichtlich wie vorher in die Zukunft, und die erste bange Sorge stieg in ihrem Innern auf. Izuna machte sich ebenfalls wenig erfreuliche tz»e- dankcn. Er hing mit gleicher Liebe wie immer an itn. Aber da sich seine Dentuugsweisc, eigentlich ohne daß cr sich dessen recht bewußt war, so sehr geändert, und er wie der vollständig Japaner geworden war, empfand er cs schmerzlich und selbst mit einem Gefühl zornigen Un mntes, daß sie sich so wenig japanisicrte und trotz all' seiner Mühe immer noch ihre europäischen Ansichten und wohuheiten beibehielt, in letzter Zeit sogar denselben wieder starker nachlung. Tos durste er nicht aufkommeu lassen. Sollte ihre Ehe mit ihm, dem taiserlichcu Pro fessor au der japanischen Loudesuuiverütat, eine dauernd glückliche sein, so mußte sie nachgeven und lernen, gal>; nach japanischer Art zu leben. 'Nun baite ec bis jcüt uü*r mit sreuudlicheu Worten versucht, sie in diese Richtung ch briugeu. Damit war cr ober nicht durch gedrungen, und gerade, als er besonders sreuudlich gegen sie gewesen war heute im Schibapart benützte sie diese Stimmung, um ihm etwas avschmeichelu zu wollen, was nach seiner Ansicht vollständig unmöglich erschien. An» diese Weise tonnte es also nicht weitcrgehcn. „Aber, was tun?" Nach einiger Zeit sagte er sich: „So ichwer cs ist, uud so leid mir meine geliebte Sirodoma tut, ich muß härter gegen sie gustreien. Die Art, wie wir jetzt miteinander leben, geht nicht au» die Dauer. Ich selb» muß mich außer halb des Berufes mein meinen Bekannteil widmen, und Liradoma muß eine bessere Japanerin werden. Aber ich will nicht plötzlich unser Leben ändern. Dos würde das arme Wesen ,u drückend empsiuden. Allmählich werde ich sie mehr allein lassen, und anderseits ihr deu Umgang japanischer Frauen aufzwingeu, welche sie noch und nach mit unseren Litten besrcuudeü sollen." Nachdem er diesen Vorsatz gefaßt, beschäftigte er n>h nur noch kurze Zeit niit der schwierigen Angelegenheit, und als beide zu Hause antamen. war er wieder der hoi liche. zärtliche C>attc wie bisher. Liradoma tonnte ihre Verstimmung nicht ganz beherrschen, und somit trat all mählich eine etwas kühlere Stimmung ein. Izuna be uünte die Gelegenheit, daß ein Kollege durch einen Boten um eine schriftliche Auskunft bat, sich bei seiner Fran au» kurze Zeit zu verabschieden. „Ich gehe rasch in das Thcehaus in Meganibaschi, um dem Professor Inari mündlich Bescheid zu geben. ES geht gerade so schnell, als wenn ich ein langes Lchretve«
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