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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190301252
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030125
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-25
- Monat1903-01
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1903
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Tabellarisch« «nd Ztfferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanaohme 28 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbrfSrdenmg -/l SO.—, mit PostbefSrderuug 70.—. Annahmeschluß siir Atyrizen: Ab end-Ausgabe: vormittag- 10 llhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet« au die Expedition H zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. l Truck «nd Verlag von L. Polz in Leipzig. Nr. 4t. Unsere portab-imemen, welche nur für Monat Januar abonniert haben, bitten wir im Interesse pünktlicher Weiterliefe rung das Abonnement jetzt zu erneuern. Jede ssostanstalt nimmt Bestellungen auf das „Leipziger Tageblatt" sowohl für die Monate Februar und Marz zum Preise von 3 Mk. wie auch allein für Monat Februar zum Preise von 1.50 Mk. entgegen. Aus der Woche. Die Etatsberatung im Deutschen Reichstage hat seit Jahren die Eigentümlichkeit gehabt, daß in ihrem Verlaufe vom Etat selbst herzlich wenig die Rede ist. In diesem Jahre ist es bei diesem Brauche nicht nur geblieben, sondern r- will uu- sogar scheinen, als ob man uoch weniger als sonst von den Finanzen selbst gesprochen hätte. Der Herr Staatssekretär des Reichsschatzamts besitzt nicht die innere und di« äußere rednerische Begabung, um hierin einen Wandel herbeizuführen, und seine Aufgabe wird ihm nicht unerheblich durch den Umstand erschwert, daß er seinen Zuhörern deshalb nichts Neues bieten kann, weil die wichtigsten Zahlen deS Reichsetat- schon vorher veröffentlicht sind. Aus der Mitte der Opposition heraus hat man die üblichen Klagen über Militarismus und MariniSmuS gehört; Herr Richter wider» holte dabei aus seiner Zeitung die charakteristische Anregung, wegen deS Defizits die Ausführung deS Flottenbauplans hiuauSzuscbiebrn! So schlimm aber steht eS mit den ReichSfinanzrn denn doch noch nicht. Allerdings haben sich die Verhältnisse so ungünstig entwickelt, daß selbst der Etatsredner deS Zentrums den Ruf nach einer Reichsfinanzreform begreiflich fand. Kann das Zentrum die praktische Inangriffnahme dieser Reform z. Zt. noch mit dem Hinweise bekämpfen, man müsse erst den Abschluß der Handelsverträge uud die finanzielle Rückwirkung davon auf die Zolleinnahmen abwarten, so wird zu dem genannten Zeitpunkte auch das Zentrum nicht umhin können, im Punkte der Reichsfinanzreform endlich vom Worte zur Tat über- zugehen. Wenn nicht an Allerhöchster Stelle die Schätzung des Wortes eine recht hohe wäre, würde der wichtigste Teil der letzten EtatS- beratuug nicht in Erörterungen über-die persönlichen Kund gebungen deS Kaisers bestanden haben können. Die Aufgabe des Reichskanzlers in solcher Debatte ist, wie man zugeben muß, ungemein schwierig. Denn einmal hat der Reichskanzler gegenüber dem Kaiser, der ihn ernannt hat und jeden Tag zu entlassen vermag, schwerwiegende Rücksich ten zu nehmen; sodann muß der Kanzler gegenüber dem Reichstage den konstitutionellen Anforderungen gerecht werden. Daß Graf Bülow dieser doppelten Ausgabe im allgemeinen sich völlig gewachsen gezeigt hat, ist billigerweise nicht zu be streiten. Gras Bülow ist einerseits mit der größten Ent schiedenheit für da- kaiserliche Recht auf Initiative ein getreten und hat sich mit nicht geringerer Entschiedenheit als Kugelfang vor den Kaiser gestellt. Nach der anderen Seite hin umschrieb Graf Bülow neben seiner staatsrecht lichen Verantwortlichkeit für Anordnungen und Verfügungen deS Kaisers seine moralische Verantwortlichkeit für persön liche kaiserliche Kundgebungen in einer Weise, die durchaus nicht die Neigung »ach Entlastung von eigener Verantwort lichkeit verriet. Zugleich gab der Reichskanzler von der Individualität de- Kaiser- und von ihrer Rückwirkung auf de« Verkehr zwischen dem Monarchen und den Ministern eine so freimütige Schilderung, daß die Schwierig keiten, di« gegenwärtig für den verantwortlichen Reichskanzler bestehe», in grellerer Beleuchtung al» bisher gezeigt wurden. Nachdem «in Bi«marck eutlafseu und ein Caprivi au seine Stelle getreten war, ist e- begreiflich, wen« die Reichskanzler Kaiser Wilhelm- II. mit der Stellung der Kabinett-fragc vorsichtig stad. Schwerer begreiflich jedoch ist e«, daß der Allerhöchsten Stelle die Nachteile, dir mit persönlichen Kund- Tonntag den 25. Januar 1903. gebungen des Träger» der Krone verbunden sind, trotz ver schiedener Erfahrungen als solche nicht rinleuchten. Gerade das letzte Jahr hat die Reih« solcher Erfahrungen vermehrt. Es kann heute niemand mehr bezweifeln, daß die Ver öffentlichung de« Swinemünder Telegramms an den Prinz - Regenten von Bayern lediglich dazu gedient hat, die politische Stellung der bayerischen Zen trumspartei zu verbefferu. Und von den kaiserlichen Kund gebungen, die im Anschluß au den Tod Krupps erfolgten, muß heute da» Gleiche gesagt werden. Der heilsame Einfluß der sozialen Gesetzgebung auf die Arbeiterschaft wird durch eine Agitation, zu der persönliche Kundgebungen deS Kaisers den Anlaß geben, nicht minder paralysiert, al- der heilsame Einfluß anderer Gesetze, die, wie der angekündigte Gesetz entwurf zur Sicherung des Wahlgeheimnisses, einen durchaus volksfreundlichen Geist atmen. Daß auch zu letzterem Gesetzentwürfe die Zustimmung deS Kaisers als Königs von Preußen erforderlich war, wird dem Volke von den sozialdemokratischen Agitatoren verborgen ge halten. Und selbst wenn die« nicht geschähe, würde der Ein druck einer flammenden Kaiserrede gegen die Sozialdemokratie bei den Massen im Sinne der sozialdemokratischen Agitatoren immer noch viel größer sein, als der eines arbeitersreund- licheo Gesetzes. Das vielberufene „Schweineglück" der Sozialdemokratie bewährte sich auf da» unerwartetste während der EtatSdebatte selbst. Präsident Graf Ballrstrem tat einen schier unverständlichen Schritt, al- er im Widerspruch mit seinen eigenen Grundsätzen die Erörterung von Kaiserreden auSschließen wollte, die im „Reichsauzeiger" mitgeteilt waren. Damit verhalf Graf Ballestrem der Sozialdemokratie zu der Aureole unge rechter Behandlung, in deren Glanze sofort 32 Volksversamm lungen in Berlin getagt haben! Der Abg. Professor vr. H a s s e wandte sich mit vollkommen gerechtfertigter Schärfe gegen den beklagenswerte» Mißgriff deS Reichstag-Präsidenten. Der Graf Ballestrem hat anscheinend die Verkehrtheit ^femes Schrittes dadurch rückgängig machen wollen, daß er dem Abg. Bebel schrankenlos gewährte, wa« er demAbg. v.Vollmar versagte. Aber gerade ein solcher „Umfall- ist nicht darnach angetan, die Autorität deS Präsidenten wieder herzustellen. Wenn Graf Ballestrem bald nachher unter der merkwürdigen Berufung auf einen Tadel der „Kreuzztg." sein Amt nieder legte, so muß man abwarten, ob er mit jener Berufung sich nicht eine Brücke zur Rückkehr auf den Prästdentenstuhi baute. Die Erklärungen des konservativen Fraktions führers uud de» Abg. Vr. Sattler deuten auf die Möglich keit einer Wiederwahl des Grafen Ballestrem unverkenn bar hin. Die Mitteilungen des Reichskanzler» und de» Staats sekretär» von Richthofen über den venezolanischen Zwischenfall bezeuge«, daß nicht bloß Deutschland, sondern auch die mit ihm zusammengehenden beiden andern Mächte, Italien und England, die Politik der Entschiedenheit gegen den Präsidenten Castro durchführen wollen. Eine noch deutlichere Sprache redet das Bombardement des FortS Sau Carlos durch die deutschen Schiffe zum Zwecke einer wirksamen Aufrecht erhaltung der Blockade. Dem venezolanischen Siegesjubel ist rasch die Ernüchterung gefolgt, da nach der ersten — recht spät eingetroffeoen — deutschen Nachricht das venezolanische Fort schon am 22. d. M. vernichtet worden ist. Die Notwendig- keit zu diesem Vorgehen wird auch von englischer Seite, allerdings nicht von allen englischen Blättern, anerkannt. In den Vereinigten Staaten lärmt natürlich die gelbe Presse; aber sie wird sich darein finden müssen, daß Deutschland nicht Spanien ist. Nicht» wäre verkehrter, als wenn in der schwebenden Aktion gegen Venezuela die europäischen Mächte vor dem Unwillen amerikanischer Blätter zurückwichen. Jede derartige Nachgiebigkeit würde sich um so mehr rächen, je korrekter das Kabinett von Washington sich in dem ganzen Streitfälle verhält. Zn diesen Tagen, wo die Sozialdemokratie gegen die be stehende Gesellschaftsordnung besonder» laute Anklagen ge schleudert hat, ist es nützlich, dem „Vorwärts" an» der Rubrik „Vermischtes" eine klein« Notiz zu entnehmen. Sie enthält die Nachricht von dem Tode des Kommerzienrat« Naumann in Dresden, des Chef» der großen Firma Seidel und Naumauu. „Kommerzienrat Naumann", bemerkt der „Vorwärts", „hat als Schloskergeselle angefan gen und sich dann durch kluge Geschäftsoperationen zum Be sitzer einer der größten Nähmaschinen- und Fahrradfabriken emporzuarbeite» gewußt". — Nicht in jedem Schlosser gesellen kann riu Kommerzienrat stecken. Aber das ändert nicht» an der Tatsache, daß heute wie iu der Vergangenheit eine« wohlbegrüadeteu Anspruch auf Geltung rin Dichterwort hat, desse« Wert die Sozialdemokratie herabzusetzen oder zu leugnen liebt, nämlich das Wort: „In Deiner Brust sind Deine» Schicksal» Sterne!" Deutsches Reich. O. L. Berlin, 24. Januar. (Koalition der Bau arbeiter für die kommende Bausaison.) Die Bau arbeiter aller Branchen tragen sich für die kommende Bau saison mit sehr hochfliegenden Plänen; sie wollen überall mit hohen Lohnforderungen hervortreten und werden auch eine ziemlich starke Verkürzung der Arbeitszeit verlangen. Die verschiedenen Branchen des Baugewerbes wollen sogar für die bevor stehende Bausaison ein Schutz- und Trutzbündnis abschließen. Wie wir erfahren, ist zwischen den sozialdemokratischen Zentralverbänden der Bauarbeiter, Maurer und Zimmerer ein Kartellvertrag bereits abgeschlossen, der im großen und ganzen darauf ausläuft, daß, wenn die Maurer in einem Orte in einen Streik geraten, die Bauarbeiter und die Zimmerer eben falls die Arbeit niederlegen sollen und umgekehrt. Es ist genau geregelt, was die Maurer beim Ausbruch eines Streiks der Zimmerer und der Bauarbeiter nicht tun dürfen und was letztere zu unterlassen baden, wenn die Maurer streiken. So sollen z. B. die Maurer bei Bauarbeiterstreiks sich selbst kein Material zubereiten, auch kein Material heranholen oder beim Materialtransport tätig sein: sie sollen ferner kein Material verarbeiten, das ihnen von Lehrlingen zugetragen worden ist. Mit anderen Worten, beim Ausbruch eines Bauarbeiterstreiks haben die Maurer zu feiern, die Zimmerer dürfen bei Maurerstreiks weder bei der Zubereitung noch beim Trans port von Baumaterialien für die Maurer tätig sein und auch keine Gerüste bauen oder in irgend einer Weise dabei bebülflich sein, wenn dies bisher nicht die Aufgabe der Zimmerer war. Bei Ausbruch eines Streiks haben Ueber- wachungSkommissionen in Tätigkeit zu treten, die dafür zu wirken haben, daß Verfehlungen gegen die Solidarität nicht vorkommen. Auch die gegenseitige pekuniäre Unter stützung ist genau geregelt; kurzum, bei einem Streike der Bauarbeiter, Maurer oder Zimmerer, ist vaS ganze arbeitende Baugewerbe gegen die Arbeitgeber und das Kapital mobil gemacht. Daß dies die Aussichten in einem Lohnkampfe der Maurer oder Zimmerer wesentlich zu Gunsten der Arbeiter verschiebt, liegt auf der Hand; hoffentlich erkennen die Arbeit geber baldigst die ihnen drohende Gefahr und treffen bei Zeiten geeignete Gegeumaßregcln. * Berlin, 24. Januar. (Die Verwendung der Selbstfahrer in der Armee.) Der Militäretat für das Jahr 1903 wirft zur Weiterentwicklung des Selbstfabrer- wesenS 100 000 aus. Diese Summe ist gegen das Vor jahr um 70 000 .4k erhöht. Eine kurze Auseinandersetzung darüber, wie die Verwendung des Automobils in der Armer zu denken ist, dürste auch weitere Kreise interessieren: Zn erster Linie soll es bei den Kolonnen und Trains verwendet werden. Je größer die Heere werden, desto weniger können sie auS dem Lande, aus ihren Quartieren leben, desto wichtiger wird daher die Regelung des Nachschubes an Lebensmitteln. Mit dem Größerwerden der Heere und der Weiterentwicklung der Feuergeschwindigkeit aller Schuß waffen werden auch erhöhte Anforderungen an den MunitionS- ersatz gestellt. Bis jetzt erfolgt dieser Nachschub soweit wie möglich mit der Eisenbahn und alSdann bis zur Armee mit Wagen und Pferd. Mit dem Wachsen der Heere ist aber auch die Zahl der notwendigen Pferde für die Truppe gewachsen. Nimmt man noch die Unsumme von Pferden hinzu, die für die Kolonnen und Trains gebraucht werden — für das gesamte deutsche Heer über 100 000 — so kann sich jeder selbst sagen, daß es auch hierin eine Grenze der Leistungs fähigkeit eines Landes gibt. Rußland untersucht deshalb, um sich sein brauchbares Pf-rdematerial zu erhalten, jedes auSzusührende Pferd durch Kommissare an der Grenze auf seine Verwendbarkeit für die Armee und hält eS im Falle eines günstigen Resultates zurück. Es ist also sehr wünschenswert, daß rechtzeitig eine andere Zugkraft gesunden wird, welche die bis jetzt für die Kolonnen und Trains gebrauchten Pferde für die fechtenden Truppen freimacht. An dieser Stelle soll nun der Selbstfahrer helfend einspringen. Mit seiner Hülfe soll in Zukunft der Verkehr im Rücken der Armeen bis zu den Ausladestationen der Eisenbahnen bewältig» werden. Bis zur vollständigen Verwirklichung dieser Ideen ist es allerdings noch ein weiter Weg. Die jetzigen Modelle dürften noch nicht in jeder Beziehung kriegSbrauch- bar sein, deshalb muß im Interesse der Armee unentwegt an der Weiterentwicklung deS SclbstjahrerwcsenS gearbeitet wer den: der Mechanismus muß ein so einfacher werden, daß er unter allen Umständen trotz Wind und Wetter, trotz Regen und Staub funktioniert; kleinere Schäden müssen vom Perso nal selbst auSgebessert werden können; die Handhabung muß möglichst einfach sein; Steigungen müssen überwunden werden können: der Selbstfahrer muß im stände sein, eine Anzahl von Anhängewagen zu ziehen. Außer bei den MunitionSkolonnen und den TrainS kommen sie noch zur Personenbeförderung in Betracht. Zn England »st man sogar schon der Fortbewegung von Geschützen durch Automobile näher getreten. Wenn diese Versuche vielleicht heute noch etwas verfrüht erscheinen, so dürfte das, was die „Zeitschrift für Automobil-Industrie unv Motor bau" hierüber schreibt, allgemein interessieren: Zn England ist riu gepanzerter, mit Geschützen armierter Motorwagen erbaut. Dieser tragt einen Panzer von 6 mm dickem Vicker» scheu» Stahl, welcher gegen Gewehr- und Schrapnellkugeln schützt; er ist ausgerüstet mit einem elektrischen Schein werfer, zwei PomponS und zwei Marinegeschützen. Er kann auf Chausseen fahren und ist in erster Linie für Küstenver- teidlgungSzwecke erfunden, soll aber auch >m Feldkriege ver wendbar sein. — Abgesehen von vieler letzteren Verwendungs art ist die Bedeutung des Selbstfahrers für die Armee ein leuchtend, so daß der Heeresverwaltung auch trotz der mißlichen Finanzlage die geforderte geringe Summe ohne Abstrich be- willigt werden dürste, zumal sie wieder der deutschen Industrie zu gute kommt. * Berlin, 24. Januar. Ueber die durch die „Ver söhnung" zwischen den Konservativen und den Bund der Landwirte geschaffene zoll-und Handels- 97. Jahrgang. , politische Lage urteilt im „Schwäb. Merk." ein bekannter < ReichStagSabgeordneter folgendermaßen: Der Streit zwischen den Konservativen und dem Bund der Landwirte ist zu Ende gegangen, wie sich von Ansaug an vorauSsehen ließ. Kein Vertuschung-Versuch kann darüber täuschen, daß da- Einlenken zumeist auf Seiten der Konservativen gewesen ist. Die konservative Partei würde eben, wäre cS zum Bruch gekommen, in der schwächeren Position gewesen sein. Der Bund hat seine feste Organisation, hat agitatorische Kräfte in Hülle und Fülle, uud vor allem: er hat daS Geld. Im jetzt begonnenen „Kriegsjahr" erhebt er den doppelten Bundesbeitrag. Daran sollte« sich, meinte die „Kceuzztg." letzthin, die Konservative« rin Beispiel nehmen. Sehr schön; wenn nur die zahlenden Personen nicht in beiden Lagern dieselben wären! Dank seiner strammen Organisation und der eingelebten Praxi- wird der Bund di« verdoppelten Beiträge erhalten; um so geringer aber wird die Neigung sein, einen ähnlichen Tribut noch an eine andere Kasse zu opfern. Da fügen sich denn die Konservativen in die Zwangs lage, noch einmal den Bund für sich arbeiten zu lassen, unter der Bedingung natürlich, daß sie ihrerseits die Melodie des Bundes pfeifen. Vielleicht hätte sich die Lag« etwa- anders gestaltet, wenn die preußische Regierung, wozu angesichts der feindseligen Haltung des Bundes reichlich Veranlassung gewesen wäre, ihren Verwaltungsbeamten die Unterstützung deS Bundes untersagt hätte. Die Regierung aber scheint auch jetzt noch in ihrer bisherigen Passivität verharren zu wollen, und so werden denn die Dinge wohl ganz den alten Gang gehen. Dem Bunde kommt sehr zu statten, daß, wie nunmehr fest- zustehen scheint, neue Handelsverträge in diesem Reichstage nicht mehr zur Vorlegung gelangen wrrdeu. Wär« der Reichstag noch zu einer solchen Entscheidung gezwungen gewesen, so wär« eS in der konservativen Fraktion höchst wahrscheinlich zu derselben Spaltung gekommen, wie bei der Abstimmung über da» Zoll- tarifgesetz, und dann würde eine abermalig« „Versöhnung" mit dem Bunde noch vor den Wahlen doch ihre großen Schwierigkeiten gehabt haben. Jetzt aber wird man mit dem Bunde gemeinsam in die Wahlbewegung gehen unter der Parole: Handelsverträge nur dann, wenn in ihnen dir Interessen der Landwirtschaft ausreichend berücksichtigt sind. Ueber daS Maß deS Ausreichenden gehen freilich die Meinungen nicht nur auseinander, sondern eS liegt darin etue bewußte Zweideutigkeit. Die Frag, ist nur, ob der Bund sich da- gefallen taffen wird. Nach seiner bisherigen Praxi- ist vielmehr zu erwarten, daß er den ReichStagSkandidaten ganz bestimmte Verpflichtungen vorlegeu wird, von deren unbedingter Annahme sein Eintreten für sie abhängig gemacht ist. Werden die konservativen Kau dalen den unbeugsamen Willen haben, ein solche- impera tives Mandat zurückzuweisen? Die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß. Alsdann entsteht aber für die zu erwartenden Handelsverträge eine nicht geringe Gefahr. Man darf überzeugt sein, daß es der Reichsregierung, entsprechend der vom Grafen Bülow soeben noch im preußischen Abgeordneten hause abgegebenen Versicherung, durchaus ernst damit ist, der Land« wirtschast in den neuen Handelsverträgen alle nur irgend erreich baren Vorteile zu verschaffen. Eben deshalb aber sieht olle«, was links von den Nationalliberalen steht, diesen neuen Werbungen mit Mißtrauen entgegen. Als parlamrntarischeu Stützen der neuen Handelsverträge könnten also mit einig« Sicherheit nur die Nationalliberalen, das Zentrum und die Reichspartei in- Ange ge faßt werden, welche drei Parteien indes zur Stellung einer Majo rität, den heutigen zahlenmäßigen Bestand zu Grunde gelegt, nicht au-reichen würden. Man sieht daraus, ein wie bedenkliches Moment der Ungewißheit durch die konservativ-bündlerischc „Versöhnung" in die Lage hineingetragen wird. (-) Berlin, 24. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser nahm Hestern in Potsdam das Frühstück im RegimeutS- hause ein, machte daun mit dem General der Infanterie v. Plessen im Park von Sanssouci einen längeren Spaziergang und kehrte um 2 Uhr mit Sonderzug nach Berlin zurück. Nach der gestrigen Tefiliercour waren bei dem Kaiserpaare zum Thee geladen die hier weilenden fürstlichen Gäste, General-Oberst v. Hahnke, General der Infanterie v. Kessel, der Chef des Militärkabinett» Graf v. Hülfen-Häseler, Oberst und Flügeladjutant v. Böhm. — Heute morgen macht- der Kaiser den gewohnten Spaziergang im Tiergarten, besuchte den Reichskanzler und hort« von 10 Uhr ab im lönigl. Schlosse den Vortrag deS Staats sekretärs deS Reichs-Marincamts und des CbesS deS Mariue- KabinettS. Um l2 Uhr sand die Vorstellung der zur Ein stellung in die Armee heranstehenden Kadetten im Weißen Saale statt. (-) Berlin, 24. Januar. (Telegramm.) Die beiden freisinnigen Parteien des preußischen Abgeordneten hauses beabsichtigen, ihre früher getrennt eingebrachten Anträge über die Einführung der geheimen Stimmenabgabe bet den Wahlen zum Abgeorbnctenhause und betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 27. Juni 18K0 über die Fest stellung der Wahlbezirke für das Abgeordnetenhaus, entsprechend den in den letzten Jahren eingetretenen Ver schiebungen der Bevölkerung, zusammengefaßt wieder ein zubringen. G Berlin, 24. Januar. (Telegramm.) Gestern nachmittag wurden in derPrinz Louis Ferdinand-Straße mehrere von ihrer Arbeits stätte In der elektrotechnischen Fabrik, wo eine Arbeitsein stellung slattgcfunden hat, aus dem Heimwege befindliche Ar beiter von ausständigen Arbeitern überfalle«, zum teil durch Messerstiche leicht verletzt. L. Berlin, 24. Januar. (Privattelegramm.) Zn der gestern unter dem Vorsitz von vr. Freund-Berlin und unter offizieller Beteiligung des kaiserlichen Statistischen Amt» abgebaltenen Konferenz des Verbandes deutscher Arbeits nachweise betr. die Einführung einer einbettlichen ArbeitS- nachwe>--Statistik wurde eine vollkommene Einigung über die bei der Aufstellung der Statistik zu befolgenden Grundsätze
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