Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189911252
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18991125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18991125
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-25
- Monat1899-11
- Jahr1899
-
1
-
2
-
3
-
4
-
5
-
6
-
7
-
8
-
9
-
10
-
-
-
-
-
11
-
12
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1899
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ISS Gegen Abend wurde sie ruhiger. Ein kühles Windchen lockte sie in den Garten. Tie niedergehende Sonne schien in einem Meer von Gold zu schwimmen und warf dunkle Schauen über die kiesbestreuten Wege. Marie suchte ihr Liebling-Plätzchen auf und erging sich kort, wo die dichte Weißdornhecke den Park von dem Walde abgrenzte. Tief- traurip blieb sie einen Augenblick stehen, um die letzten Sonnenstrahlen hinter den Baumwipfeln verschwinden zu sehen. Eine bekannte Stimme rief sie hinter der Hecke beim Nömen. Sie erzitterte beim Klange derselben, preßte die Hand auf ihr heftig hockendes Herz und begann die Liebes arie aus „Robert der Teufel" zu singen, während sie ihren Spaziergang wieder aufnahm. Sie that dies, um nicht den Verdacht der eventuell hernmlungernden Diener des Hauses oder von Spionen zu erwecken. Am Ende des Weges blieb sie vor dem kleinen Teiche stehen und bewunderte die Gold fische. In Wirklichkeit ließ sie ihre Blicke spähend in der NUnde schweifen und als sie sich überzeugt hatte, daß kein ldiderufener in der Nähe weilte, nahm sie ihre Röcke zu- soonnen und schlüpfte hinter die Hecke, von welcher her die , Stimme erklungen war. Htrdlin wahnsinnig werden zu müssen und fuhr nach Schloß Prachatitz hinüber. Ter alte Graf und die Gräfin «chfingen sie sehr kühl, denn sie konnten ihr noch immer Nicht verzeihen, daß sie einen Russen geheirathet, und rouUirten sie in die Klasse der geheimen Spione. Sie slWden ihr, Helene sei ausgeriuen, aber von den Dienern Hotte sie erfahren, daß ihre Freundin auf mehrere Wochen Herreist sei. Marie fühlte sich entmuthigt und sehr un- > ßßkcklich. Woronzoffs Abschiedsworte hatten sich wie ver- Lkstete Pfeile in ihr Herz gebohrt. Sie hielt sich für schul- tt- Hjnd glaubte, daß ihre erste verräther.schc Handlung ste auf das Niveau des Feindes gestellt habe. Sie erglühte Vor Scham und Zorn bei dem Gedanken, daß ein Russe «mnnehr das Recht habe, sie zu verachten — sie, die die Nolle einer Märtyrerin freiwillig auf sich genommen hatte. - Sie verbrachte eine schlaflose Nacht, bestellte am nächsten Morgen ihr Pferd und den Groom und ritt in die Richtung Von Leckinau. Sie hatte nicht die bestimmte Absicht, Oberst Woron- Dvfs aufzusuchen, hoffte aber, ihn durch Zufall zu treffen, «ud ihre Hoffnung sollte sich erfüllen. Als sie die lange , Sasse hinabritt, stieß sie, schon fast am Ende derselben, mit He« von der Hebung heimkehrenden Regiment zusammen. Sie mußte zurückweichen, um dem Borbeiziehen von Grau röcken Platz zu machen. Zum Schluß kamen die Offiziere Hoch zu Roß und mit ihnen auch der Oberst. Er bemerkte sie, biß sich in die Lippen und ritt, steif und kalt salutirend, an ihr vorbei. Die Landschaft tanzte in einem rothen Schleier vor ihren Lugen. Äe schalt sich, hergekommen zu sein, haßte sich, weil sie sich über ihre Niederlage kränkte und empfand > dennoch, daß sie das größte Opfer bringen würde, um sich in den Lugen ihres Feindes zu rechtfertigen. Ihr Stolz bäumte sich unter ihrer eigenen Verachtung. Sie galoppirte nach Hause und sauste unterwegs wie ei» Sturmwind an Baruschkin vorbei, der Miene machte, sie anzusprechen Im höchsten Grade erregt, warf sie sich M»sS Bett und drückte ihr heißes Gesicht in die Kissen. Sie war zu gÄkräntt und gedemüthigt, um sich durch Thronen «leichter» zu 'armen. Morgen schon wird es Stadtgespräch sei», daß ihr Gatte sie öffentlich hatte seinen Zorn fühlen lossen Welche Schmach und Schande für eine Gräfin Leß- Da lag, wie sie vermuthet hatte, Ladislaus bleich und erschöpft, an Kopf und Schultern verbunden, ein Bich des Jammers. Ihn unbeachtet ins Haus zu schaffen, war ihre nächste Sorge. Zum Glück konnte sie Warneford und Anna unbedingt vertrauen. Ueberdies stiegen drohende Wolken am Himmel auf und versprachen eine stürmische Nacht, sodaß wohl kein Diener oder Gärtner draußen herum lungern würde. Sie brachte Ladislaus in ein Garten häuschen und beschwor ihn, sich bis zur einbrechenden Dunkelheit daselbst ruhig zu verhalten; uüd dann schlen derte sie langsam ins Schloß zurück, um weitere Anord nungen zu treffen. Bon ihrem Schlafgemach führte eine Geheimthüre in eine kleine Kammer, dort ließ sie ein Feldbett aufstellen. Als es dunkel geworden war, holten die treuen Diener den ohnmächtigen Ladislaus. Sie wuschen und verbanden seine Wunden, so gut sie konnten und brachten ihn mit schwerer Mühe zum Bewußtsein. „Maruschka!" flüsterte er, als sie endlich allein waren, „Du mußt mir einen Dienst erweisen. Bewahre dieses Päckchen sorgfältig auf, und wenn ich sterbe oder entdeckt werde und niemand cs nach Ablauf eines Monats von Dir verlangt, vernichte es. Verstehst Du mich?" „Nicht ganz! Wer soll es verlangen?" Ladislaus rich tete feine blauen, fieberglänzenden Augen prüfend auf ihr Gesicht: „Dürfen wir Dir vertrauen? Ja, ja, ich Weitz eS, Tu bist fest wie Stahl, Maruschka. Komm ganz nahe zu mir heran!" Er richtete sich unter heftigen Schmerzen auf und flüsterte ihr einen Namen ins Ohr, einen Namen, der sip bis an die Lippen erbleichen machte. „Du giebst die Schriften keinem andern, denn Niemand sonst ist sicher. Wenn sie in russische Hände geriethen, wären wir verloren. Man Hal sie mir anvertraut, trotzdem ich noch so jung «nd unerfahren bin; ich lege meine Ehre und das Leben vieler Landsleute in Deine Hände!" „Ich verpfände Dir das meinige dagegen. Bist Du zu frieden?" Er nickte und sank erschöpft in die Kissen zurück, aber die großen Schmerzen ließen ihn nicht schlafen. Luch stellte sich ein heftiges Wundfieber ein. Die drei treuen Seelen theilten sich in seine Pflege. «Fortsetzung folgt) Am Todtensomrtag.' Todtenfoontag! Treu Gedenken Weckest du in unfern Herren An die Tbeurrn, die gesch'edro Bon der Erd« Lust und Sch»erzen! R'nnnermehr sind sie vennfsen In de« Leben- H"st und Ei'rn; — A*er heot soll unser Denken Nur bei unfern Todtrn weilen. Bei den lieben Baterberzen Die nun ruhn vom Erdenkummer, Bei den t euen Mutteraugrn, Die schon schloß der «w'ge Schlummer. Bei man»' zarter Menkchenblnme, Die der Tod riß obn' Erbramenf Au« der sroben Kinder Mitte, Au« der treuen Eller» Armen. Wunden, die der Tod oeschlagsr. Nimmer sind sie zu verschmerzen. — Tobten sonn lag! Treu Gedenken Weckest du in unfern Herzen! Miwck «ck liwrüW vo» La»>«r K winterlich iu Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt in Riesa. Erzähler an der Elbe. velletr. Gratisbeilage r» »Riesaer TagMatt". Nr. 47. Riesa, ve» LS. Nove«b« L8S». »L. Jstchr^ Gräfin Leßczynska. BonfHarrtet BuFley. , ^AutorisirteHBearbritung »o» Beytha Kätscher. (Kortsrtzmrg.) IV. ES vergingen mehrere Tage, ehe Woronzoff wieder in Ziedlin vorsprach. Er kam nur, um sich ganz formell nach dem Befinden der Gräfin zu erkundigen. Ihr Leben floß eintönig wie immer dahin, nein, noch eintöniger als sonst, denn Ladislaus weilte noch immer auf Schloß Pra chatitz und umschwärmte die schöne Helene. Frau Wallis aber war nach England abgereist. Sie schrieb fleißig, und Marie antwortete ihr, erwähnte aber kaum den Namen des Obersten und nichts von den Ereignissen, die am Hochzeits tage vorgefallen waren. Die Ueberzeugung, daß die Poli zei ihre Eotrespondenz überwache, mahnte zur Vorsicht. Uebrigens fühlte sich Marie durchaus nicht unglücklich, und hätte sie nicht die ewige Sorge um Ladislaus gehabt, sie wäre ganz zufrieden gewesen. Das Reiten gab sie, da sie keinen Begleiter hatte, gänz lich auf; dagegen machte sie fleißig Spaziergänge in dem ausgedehnten Park. Eines Tages war sie bis an die Grenze des Waldes gerathen und hörte sich plötzlich bei ihrem Namen rufen. Sie blickte verwundert auf und sah Helene Prachatitz im Reitkleide hinter einer Hecke stehen. Im Schatten des Waldes hielt ein Groom die Pferde am Zügel. Marie begrüßte ihre Freundin herzlich und lud sie ein, aufs Schloß zu kommen, aber Helene lehnte ab. „Ich kann nicht lange bleiben und bin auch nur ins geheim in wichtiger Mission zu Dir gekommen. Laß Dich aber ansehen, denn vorerst muß ich ergründen, wie weit Du schon russifizirt bist" ,Lch bin, was ich immer war und bleiben werde — eine gfute Polin," entgegnete Marie vorwurfsvoll. „Ist dem wirklich so? Darf ich Dir rückhaltslos ver trauen?" „Wenn ich Dir, ohne meinen Mann zu verrathen, zu Diensten sein kann, dann ja; aber wenn nicht, dann bitte ich Dich, nicht zu vergessen, Helene, daß Du jetzt zur Gräfin Woronzoff sprichst" „Kann ich das vergessen? Bin ich doch die Schwerer Stefans! Aber ich bin nicht gekommen, um Dir Borwürfe zu machen," fuhr sie nach einer peinlichen Pause fort,", „Tu bist nicht muthig und konntest nicht anders. Lassen wir Vergangenes vergangen sein. Wir haben Wichtigeres zu thun, als über verschüttete Milch zu Lagen. Weißt Tu, wo Oberst Woronzoff jetzt ist?" „In Büdnitz." „Nein! Er ist nach Leckinau abcommandirt worden, wo sich die Pulvermagazine befinden. Marie, es ist unbe dingt nöthig, daß er morgen bis nach Mitternacht von seinem Posten fernbleibt, verstehst Du?" „Wie willst Du das anstellen?" „Du, seine Gattin, mußt uns dazu verltclfen. Lasse ihn holen und halte ihn bis nach Mitternacht in Ziedlin zurück. Keine Widerrede, Marie, als Stefans Braut schul dest Du das Deinem Vaterlande." „Ich wage es nicht " „Du mußt!" unterbrach Helene sie bestimmt. „Ich kann nicht, es wäre ein Berrath an ihm;" jam merte Marie verzweifelt. „Er ist mein Gatte." Helene blickte prüfend in das Antlitz ihrer Freundin, und da sie darin kein Zeichen der Nachgiebigkeit fand, ent- gegnete sie ruhig: „Nun, wenn ich Dich nicht dazu bewegen kann, werde ich einen Vermittler suchen, der es kann;" dabei faßte sie die Sträubende am Arm und zerrte sie in die Richtung des Waldes, wo der Groom mit den Pferden stand. „Sprich Du mit ihr, Ladislaus, sie ist halsstarrig und will nur ihrem Stolze opfern." „O, es ist nicht Stolz, aber ich bin sein Weib!" „Was thut das!" rief Ladislaus. „Verlangen wir denn Unrechtes von Dir? Geh, Maruschka, sei gescheidt, wir ver- langen ja nicht viel; thu's Polen zuliebe oder, wenn Du willst, mir zuliebe." „Auch Du, Ladislaus!" stöhnte sie händeringend, „auch Du bist im Complott! Es ist ein Malstrom, dem Niemand entrinnen kann. Muß ich Alle verlieren, die ich liebe? Zu erst Stefan und nun auch Dich! „Wie lange glaubtest Du, daß ich ein geduldiger Sklave bleiben würde? Sie werden uns früher oder später ver nichten, das ist zweifellos; aber die Frage ist, ob wir als Schafe oder Füchse sterben werden. Ich werde bis zu meinem Tode beißen. Und weshalb auch nicht? Du bist versorgt, und ich benütze meine Freiheit, um mich meinem Vaterlande zu widmen." „So wahr ein Himmel über uns ist, Ladislaus, glaube mir, ich habe nur deinethalben geheirathet," entgegnete sie bitter. Eine lebenslängliche Tragödie lag in ihren Worten, aber die beiden waren vou ihren eigenen Wünschen und Ideen so sehr erfüllt, daß sie gar nicht darauf achteten. „Laß Dir erklären, wie wenig wir von Dir wollen. Wir planen einen Angriff auf die Pulvermagazine, und Woron- zoffs Abwesenheit würde uns die Sache sehr erleichtern. Ich bitte Dich, nichtMur in unserm Interesse darum, Leines Schwesterchen, sondern auch in dem seinigen. Tu bist ja sein Weib." „Und deshalb solltet Ihr mir auch nichts sagen und mich um nichts bitten." „Dein Mann ist ein tapferer Soldat, und wenn es zum Kampfe koinmen sollte, wird er in der ersten Reihe fechten, wie ich selbst Sei nicht thöricht, Kind, Wasil ist ein netter Mensch, und ich bin ihm gut, trotzdem er ein Russe ist Es wäre schade um ihn. Schreibe ihm, Tn rettest damit sein Leben." „Ich kann nicht." „Dann mag er sterben! Ich habe mein Möglichste- gethan, ihn zu retten; wenn Du es aber vorziehst, Wittwe zu werden, so ist das Deine Sache. Baruschkin wird gern; bereit sein. Dein zweiter " „Tu bist schlecht, Marie," unterbrach ihn Helene. „Be greifst Du denn nicht, daß einer von den Beiden sterben muß. Wenn der Anschlag gelingt, ist's Woronzoff, wenn er mißlingt — Ladislaus. Aber Dir scheinen beide gleich- giltig zu sein " „Wie wagst Du es, das zu behaupten?" schrie die Gräfin entrüstet auf. Nun gut, wenn ich es thun muß, werde ich es thun, aber ich werde keinem Russen mehr den
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht