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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.01.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030131019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903013101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903013101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-31
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ÄmlsAE des Königlichen Land- nnd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Mates nnd -es Volizeiaintes -er Ltadt Leipzig. Anzeige«.Preis die 6 gespaltene Petitzeile 85 nut« da» NrdaSioasstrtch (4 gespalten) 7V vor de, FamUiemmch. richten (6 gespalten) SS Tabellarischer and Ziffernsatz «tspvechend höher. — Gebühren für Nachweisungen nnd Offerteuanuayma LL hexet. Porto). Grtra-Vellage» (gesalzt), nn, mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbesSrdeamg SO,—» mit PostbefSrdernng ^4 70^—» Aunahmeschln- für Atyrigrin Abend-Ansgader vormittag» W Uhu. Pror,«»-A»»g-L« 4 llhn Anzeigen Pud stet« « dia Expedtttou zu richt«. Di« Expedition ist Wochentag» mnmtrrbrochen geöffnet von früh » bi» abend» 7 Ähr. Druck «ld Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 55. 97. Jahrgang. Tonnabend den 31. Januar 1903. Arirgabest-ll-n de» Leipziger Tageblatte» von welchen dasselbe zu dem Abonnementspreise von I.— monatlich (uL 1.25 bei freier Zustellung) bezogen werden kann: Im Zentrum. vrsttzl SA, C. F. Schubert'« Nachf., Kolonialwarenhdlg. -at-arinenftr. 14 8 Lösche, Cigarrenhdlg. 2935 Nttterstt. 4» Lmckesche Leihbibliothek und Buchhdlg. Im Nordea. Gerberstr. 8, H. 8. Kroger, Butterhdlq. 8624 Gnetsenaustr. 12, B. Uhlich, i. Fa. Ida Hartmann, Papierddlg. Löhrftr 15, E. Hetzer, Kolonialwarenhdlg. 97S Aortstr. 82 (Ecke Berliner Straße), F. W. Kietz, Kolonialwarenhdlg. Im Oste«. JotzanntSgafie 8, Haupterpedition 222 Ranstsche Gaste 6, F. Fischer, Kolonialwarenhdlg. Tchützenftr. 5, I Schümicken, Kolonialwarenhdlg. 1178 Tauchaer Str. 13, L R. Reichel, Drogen hdlg. 8341 I« Lüden. Arndtstr. 85, 9. F. Canitz, Kolonialwarenhdlg. 3033 Batzerfch» Etr. 45, H. Neumeister, Cigarrenhdlg. 3984 iköntgsplatz 7, 8. Lösche, Cigarrenhdlg. 750b Nkrntzeraer Str. 45, M. E. Albrecht, Kolonialwarenhdlg. Zetyer Str. 35, V. Küster, Cigarrenhdlg. Im Westen. Beethovenstr. 21, Th. Peter, Kolonialwarenhdlg. 390l Frankfurter Ttr. 22 (Ecke Waldstr.), L. Sievers, Kolonialwarenhdlg. Ranstätzter Etetnweg 1, O. Engelmann, Kolonialwhdlg. 2l51 Waldftr. 88, G- Veiterlein, Kolonialwarenhdlg. Westplay 82, M. Leißner, Cigarrenhdlg. 2402 I« den Bor« «nd Nachbarorte«. Anger-Trotten-orf, B. Friedel, Cigarrenhdlg., Zwei naundorfer Str. 6, O. Oehler, Bernhardstr. 29 Connewitz, Frau Fischer, Hrrmannstr. 23 s Fritz Koch, Pegauer Straß« 17 Eutritzsch, Robert Alrner, Buchhdlg., Delitzscher Str. 25 820 Gautzsch, Ioh. Wolf, Ecke Ring- und Oetzscher Str. 3528 Gohlt«, Robert Altner» Buchhdlg., Linventh. Str. 6 820 - Paul Schmidt, Brüderstraße 8 itletnzschocher, G. Grützmann, Zschochersche Str. 7a in L.-Plagwitz 2586 Leutzsch, Albert Lindner, Wettiner Str. 51 in L.-Lindenau LinSenau, Alb. Lindner, Wettiner Str. 51 in L.-Lindenau Möckern, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 in L.»GohliS Neustadt, Paul Kuck, Annonc.-Exped., Eisenbahnstr. 1 Nruschönrfeld, Paul Kuck, Annoncen-Exp., Eisenbahustr.1 Oetzsch, Carl Scheffel, Ecke Ost» und Mittelstr. 6475 Plagwttz, G- Grützmann, Zschochersche Str. 7a 2586 Reudnitz, W. Fugmann, Marschallstr. 1 1516 - O. Schmidt, Koblgartenstr 67 1739 - Beruh. Weber, Gabelsbergerstr. 11 Schleußt-, G. Grützmann, Könneritzstr. 56 2586 Sellerhausen, O. Oehler, Anger-Crottendorf, Bern- hardstraße 29, Part. Stünz» O. Oehler, Anger-Crottend., Bernhardstr. 29, p. Thonbers, R. Häntsch, Reitzenhainer Str. 58 BolkmarSdors, Paul Kuck, Ann.-Exped., Eisenbahnstr. 1 - Georg Niemann.Konradstr. 55(EckeElisabethstr.) Wahren, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 in L.-Gohlis Rußland und England in Abessinien. V. 8. Rußland hat vor einigen Wochen einen neuen Ge sandten für Abessinien ernannt, der alsbald die Reise nach Afrika antrat und dort auch bereits eingetroffen ist. In Djibuti nun hat der Vertreter des Zaren einen Bericht erstatter empfangen und einige ausfällige und bemerkens werte Aeuherungen über die Taktik getan, die er in Äthio pien einschlagen wolle. Seine Worte gipfelten darin, daß Rußland den christlich gebliebenen Afrikanern aufrichtige Freundschaft entgegenbringe und das äthiopische Kaiser reich in seinem Besitzstände unversehrt erhalten wolle. Darin liegt jedenfalls eine deutliche Anspielung, daß mau in Petersburg die letzten Ereignisse auf abessinischem Boden aufmerksam verfolgt und ihre Bedeutung wohl er faßt hat. Man erblickt darin eine Schädigung der russi schen Interessen und wird sie nicht hinnehmen, ohne den Versuch, ihnen eine andere, dem Zarenreiche günstigere Wendung zu geben. Die Beziehungen Rußlands und Abessiniens trugen schon vor Jahren einen herzlichen Charakter. Mit dem bekannten Unternehmen des später von Menelik in den Grafenstand erhobenen Leontjeff begann eine An näherung, die angeblich gewisse Glanbcnsfragen der Völker begünstigte, in Wirklichkeit aber rein politische Zwecke verfolgte und im Austausch von Gesandtschaften ihren Ausdruck fand. Dieser Zustand wurde indes durch England gestört, welches im Jahre 1897 durch Sir Rennel Rodds ein vorteilhaftes Ab kommen mit dem Negus schloß und den rus sischen Einfluß dadurch stark zurückdrängte. Gleich darauf folgte der Raheita-Zwischenfall, der Ruß land der Möglichkeit beraubte, einen Flottenstützpunkt am Roten Meere zu gewinnen, und in Petersburg eine nicht geringe Verstimmung gegen Abessinien, aber auch gegen das verbündete Frankreich wachrief. Seit dieser Zeit be obachtete das Zarenreich eine auffällige Zurückhaltung den afrikanischen Angelegenheiten gegenüber, und selbst die Presse kümmerte sich anscheinend wenig um -en schärfer und entschiedener hervörtretenden englisch-französischen Interessengegensatz in Aethiopien. Das hat sich aber seit dem vorigen Sommer geändert, als die Engländer die Franzosen in ihrem Bahnbau Djibuti - Harar - Addis - Abeba zu hindern suchten und nahe daran waren, ihren Willen bei Menelik durchzusetzen. Damals begannen die Petersburger Blätter die Regie rung energisch aufzufordern, den britischen Ansprüchen entgegen zu treten und Abessinien nicht endgültig heraus zugeben. Diese Zeitungsstimmen waren insofern be merkenswert. als sie den Widerhall von Verhandlungen bildeten, welche im geheimen zwischen Petersburg und Addis-Nbeba geführt morden waren. Denn zu all gemeiner Ueberraschung erschien auf einmal eine außer ordentliche Gesandtschaft des Negus an der Newa, die vom Metropoliten Abuna Mateos geführt wurde. Es sollte sich angeblich nur darum handeln, die Bestätigung dieses Ktrchenfürsten als Oberhaupt der abessinischen Kirche, gegen den Willen des koptischen Patriarchen, durch Ver mittlung des Zaren zu erwirken. Aber deshalb hätte man schwerlich die Kosten und Mühsale der Reise auf sich ge nommen und zahlreiche Würdenträger aus Abessinien nach Rußland gesandt. Die wiederholten Konferenzen, welche Abuna Mateos mit dem Grafen Lambsdorff während seines Petersburger Aufenthaltes abhielt, sprachen jedenfalls nicht dafür, daß zwischen Rußland und Abessinien keine weitere Frage der Lösung harrte, als die Bestätigung -es Metropoliten. Man hat nun da mals über das Resultat der Beratungen nichts er fahren,' es ist freilich auch nicht bekannt geworden, ob der koptische Patriarch später seine Ansicht über die Tauglichkeit Abuna Mateos' als abessinisches Kirchen- yanpt geändert hat. Dafür aber hat sich das Zarenreich entschlossen, in der Person Herrn Lischins einen neuen Vertreter an Meneliks Hof zu senden, um seine Interessen mit vollkommenen Nachdruck wahrgenommen zu sehen. Der Ausspruch des Gesandten, Rußland wolle das äthiopische Kaiserreich in seinem Besitzstände unversehrt er halten, ist insofern symptomatisch, als die Engländer in folge ihres jüngsten Vertrages mit Abessinien ein Land- gsbiet von etwa 400 Hektar an den Ufern des Flusses Baro zur wirtschaftlichen Ausbeutung erhalten haben. An scheinend besteht zwischen England und Aethiopien ein freundliches Verhältnis und ist das Zugeständnis frei willig von Menelik gemacht worden. Aber bei dem Cha rakter des „Königs der Könige" darf man nicht vergessen, daß dieser Herrscher Verträge nur so lange hält, wie es unumgänglich nötig ist. Es ist deshalb keineswegs un wahrscheinlich, daß, während NasMakonnenin Lon don verhandelte. Abuna Mateos die Russen beruhigen und ihnen Gegenleistungen versprechen sollte, damit Abessinien nicht ganz unter englischen Einfluß geriet. Rußland hat um so mehr Veranlassung, das Abkommen zwischen England und Abessinien als seine Interessen ge fährdend zu betrachten, als e- selbst unter mancherlei Bor gesten weite Landstrecken in Asien erworben hat. Daß die Engländer mit der wirtschaftlichen Festsetzung auch eine politische verbinden wollen, unterliegt keinem Zweifel,' es fragt sich nur, ob Menelik solches zugeben will und ob er gerade die Russen um Hülfe anzugehen braucht. Das Eintreffen Lischins in Addis Abeba wird dem diplomatischen Kampfe zwischen den verschiedenen, in Abessinien interessierten Mächten zweifellos einen neuen Ansporn geben. Die Verstimmung zwischen Rußland und Frankreich wegen des Raheita-Zwischenfalles würde, wäre er nicht längst schon ausgeglichen, jetzt keine Rolle in den Beziehungen beider Länder weiterspielen. Beider Inter essen gehen in Abessinien Hand in Hand und richten sich gegen die Bestrebungen Englands. Letzteres sicht seinen alten Gegner nun auch in Afrika sich gegenüber. Die Russen werden die Ausnutzung des Gebietes am Baro- flusse durch unternehmungslustige Engländer vorläufig nicht hindern können. Aber sie werden dafür sorgen, daß den wirtschaftlichen Maßnahmen nicht auch politische folgen. Und sic werden alsdann ihre alten Pläne wieder aufnehmen und die Erwerbung einer Flottenstation am Roten Meere energisch betreiben. In jedem Falle wird sich mit dem Eintreffen der russi schen Gesandtschaft in Addis-Abeba die Lage für England erheblich verschlechtern. Abessinien aber tritt wieder mehr in den Vordergrund des öffentlichen Interesses und eS ist nicht undenkbar, daß wir dort bald abermalige und be deutsame Machtverschiebungen erleben. Deutsches Reich. O Berlin, 30. Januar. (Zurinternationalen Handelspolitik.) Die Ankündigung von der Aus arbeitung eines neuen russischen Zolltarifs hat die freisinnige „Voss. Ztg." mit der Üblichen Bangig keit um die handelspolitische Zukunft Deutschlands er füllt. „Man hat sich nicht bemüht", so ruft st« der deut schen Regierung vorwurfsvoll zu, „für eine Ermäßigung der fremden Zölle zu sorgen, sondern die deutschen Zölle zu erhöhen, und hat damit die Erhöhung der fremden Zölle notwendig heraufbeschworen. — Hierbei wird wieder einmal übersehen, daß die Schweiz mit der Verstärkung der Schutzzölle in ihrem neuen Tarif voran gegangen ist und daß Oesterreich-Ungarn nach einer seiner Zeit unwidersprochen gebliebenen Meldung des „Berliner Tageblattes" seinen neuen Tarif schon fertig hatte, ehe nur über die Zollerhöhungen des deut schen Tarifs etwas bekannt geworden war. Die „Voss. Ztg." schreibt ferner: „Rußland hat alles Interesse, Oester reich-Ungarn von Deutschland zu trennen, und wird daher wirtschaftlich gern mit der habtzburgischen Mo narchie zusammengehen, um sie politisch zu gewinnen. Und so kann eine fehlerhafte Handelspolitik auch schäd liche Rückwirkungen auf die auswärtigen Beziehungen des Deutschen Reiche- üben." — Als im Sommer vorigen JahreS der Dreibund erneuert wurde, stand der neue deutsche Zolltarif schon Monate hindurch im Reichstage zur Beratung! Tischt gleichwohl die „Boss. Ztg." jene wohlbekannte Wen dung auf, so bringt sie sich lediglich al- „Tante" 1« Er innerung. Berlin, 80. Januar. (Die Aufgaben der Sparkassen.) Im neuesten Hefte von SchmollerS „Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft" untersucht H. Kümmelin einer eingehenden Abhandlung die Aufgaben der Sparkassen in Deutschland alö Leben-versiche- rungsinstitute für die unteren Bolksklasfen. Kümmel er kennt an, daß die deutschen kommunalen Sparkassen sich im allgemeinen durchaus bewährt haben; einer Zentra lisation derselben widerspricht er deshalb, weil sie ohne schwere wirtschaftliche Nachteile für die Gemeinden sich nicht würde durchführen lassen und weil eine solche Zentralisation als mit den Traditionen des deutschen Staats- und Wirtschaftslebens unvereinbar schon aus politischen Gründen auf den Widerstand der gesetz gebenden Faktoren stoßen würde. Auch einen all gemeinen, vom Staate einzuführenden Sparzwang em pfiehlt Kümmel nicht, obwohl er dem Staate die grund sätzliche Berechtigung dazu nicht bestreitet. Aber vom Standpunkte der Zweckmäßigkeit aus hält Kümmel die Einführung des Sparzwanges nicht für geboten; denn hier fehlt es noch völlig an den erforderlichen statistischen Grundlagen, um zu bestimmen, wann der Sparzwang be ginnen kann, bis zu welcher Höhe er gehen soll usw. Ist demnach die Krage eines allgemeinen SparzwangeS heute Fottilleton. Von -er piam. Bon G. v. Mtnckwitz. Nachdruck verboten. Das bekannte Wort des griechischen Philosophen „Alles fließt" könnte man nachgerade in Bezug auf Venedig in „Alles wackelt" umändern. Das klingt ja nun recht humorvoll, leider ist aber die Sache, um die es sich handelt, gar nicht lustig. Denn die Piazza und die Piazzetta gehören zu jenen Stätten, an denen das Herz der ganzen gebildeten Welt hängt, und der Gedanke, daß das Bild dieser Stätte uns verkümmert werden könnte, ist unerträglich. Der Campanile ist nicht mehr, der Dogenpalast zeigt ernste Schäden, die Procurazien und nun auch Sansovinos herrliche Bibliothek sollen bedenk liche Sprünge aufwcisen. Mag wohl sein, daß ge schwätzige Neutgkeitskrämer gelegentlich übertreiben, aber die Venezianer wissen immer nur zu begütigen und zu vertuschen, und im ganzen wirb man doch die Empfin dung einer eingewurzelten Nachlässigkeit haben, die jeden, der je einmal bas herrliche Bild zu Füßen von San Marco genossen hat, mit Bitterkeit und Wehmut er füllen muß. Woher nun der unvergleichliche Eindruck, den man von dieser Stätte mitnimmt? Zum Teil wohl aus dem Bewußtsein ihrer Eigenartigkeit, ja Sonderbarkeit. Venedig besitzt nur diesen einen wirklichen Platz — einen, aber einen Löwen! Nur hier, vor dem Eingang zu Venedigs Hauptstraße, dem Canale Grande, haben sich die Venezianer, die mit jedem Fußbreit Erde auf ihren Inselchen rechnen mußten, sich den Luxus einer groben Raumanlage gestattet, aber auf sie haben sie dann auch von Pracht, Geschmack und Majestät alles, was zu ihrer Verfügung stand, gehäuft. Dadurch eben ist die Piazza mit der Piazzetta so vollständig zum beherrschenden Mittelpunkte der Stadt geworden, von dem alles Leben ausstrahlt und zu dem alles zurückflutet: das wahre Herz der Stadt, das mit jedem ihr Leben betreffenden Ereig nisse mitschlägt. In diesem ihrem Charakter sollte die Piazza unseren modernen Städteanlagen als eine Lehre uvd Warnung dienen. Bei uns pflegt auf eine gewisse Anzahl Straßenviertel in mehr oder minder kurzen Distanzen regelmäßig ein Platz zu folgen, und einer dieser Plätze schlägt den anderen tot. Hat aber ein ganzes Stadtviertel loder auch eine ganze kleine Stadt) nur einen einzigen großenPlatz und an ihnwerden die bedeutendsten und schönsten Gebäude gestellt, an seinen Schmuck die reichsten Mittel verwandt, so wiegt diese eine Anlage ein Dutzend charakterloser, am grünen Tische mit dem Zirkel entworfener Plätze auf, und sie wird das Leben aufsuchen und mit seinen bunten Bildern zieren. Das ist nicht die einzige Lehre, die die alte morsche Piazza den neunmal weisen modernen Städteerbauern geben kann. Sehr lehrreich ist es auch, einmal den Ur sachen ihrer unendlich harmonischen Gcsamtwirkung nachzuspüren. Da zeigt sich denn, daß die Venezianer dein Götzen der Modernen, der Regelmäßigkeit, kecklich ein Schnippchen geschlagen haben. Die Piazza ist nämlich kein genaues Rechteck, sondern nimmt nach Osten hin an Weite zu. Die Folge ist, daß man, wenn man von San Marco den Platz hinabblickt, die Procurazien in einer leichten perspektivischen Verkürzung sieht, die die Regel mäßigkeit dieser Bogenhallen malerisch belebt. Uebersieht man aber die Piazza von der Fabbrica Nuova aus, so weitet sie sich langsam gegen San Marco hin und bringt so die Majestät der Bastltca auch räumlich zum feinsten Ausdrucke. San Marco selbst aber ist wieder nicht streng in die Mittelachse des Platzes gesetzt, sondern etwas seit lich geschoben und dadurch ist der ganzen Anlage wieder die Freiheit und die malerische Leichtigkeit erhalten, die sie wie etwas Gewachsenes, nicht von Menschenhand Ge schaffenes erscheinen läßt. Hätte da- Gotteshaus genau die Mitte der Ostseite eingenommen, so hätte die be rechnende Absicht der Anlage niemandem entgehen können. Zu alledem endlich jenes herrliche Motiv des Doppelplatzes, daS wir in den guten alten Zeiten so oft antreffen, das aber vielleicht nie so wundervoll verwandt wurde, wie hier: die Piazzetta der Maßstab zum Ver ständnisse der majestätischen Abmessungen der Piazza, die sich gleichsam unabsehbar, wie die Dee vor dem den Hafen verlassenden Schiffe, vor uns öffnet, wenn wir sie von der Piazzetta her betreten; die Borhalle zum Allerhetligsten, die Anmut neben dem Grandiosen. Zu diesen sinnlichen Eindrücken gesellen sich aber an dieser Stelle wohl mehr, al- an irgend einer anderen, die lebendigen historischen Erinnerungen. Freilich sind sie im allgemeinen wohl etwa- blasser und undeutlicher Natur: würdige, alte Dogen in Prachtgewändern, schwarzgekleidete, strenge Senatoren, furchtbare In quisitoren mit maskiertem Gesichte, im Mondschein lauernde Bravi mit scharfen Stiletten, lustiger Fastnachts- Mummenschanz, üppige Frauen mit funkelndem Ge schmeide und leuchtendem Goldhaare, Dürer, Tizian, Goethe, Mohren, Türken und Griechen ... so ungefähr mag sich wohl die Phantasie der meisten Besucher diesen Platz beleben. Wie wenigen aber ist es bekannt, daß die Piazza ursprünglich gar kein geschlossener Platz war. Ein Kanal durchschnitt ihn, er hieß Batario; wo jetzt San Marco steht, befand sich eine dem heiligen! Theodor ge weihte Kapelle, auf der anderen Seite des Flusses stand eine Kapelle des heiligen Gemianv. Erst im Jahre 1172 wurde der Kanal ausgefüllt, der Platz einheitlich gestaltet und mit Säulengängen umgeben; in derselben Periode fielen auch die Befestigungen, Mauern mit Zinnen, die ihn bis dahin zu seinem Schutze umgeben hatten, und ein Jahrhundert später ward er mit Backsteinen gepflastert. Aber schon in der primitiven Gestalt, die die Piazza bis dahin hatte, bildete sie den bevorzugten Festplatz der Stadt. Hier fanden die beliebten Sticrhetzen, hier vor allem die Turniere statt. Dann befand sich die Loge des Dogen dem Hauptportal von San Marco gegenüber, auf erhöhten Estraden zu beiden Seiten nahmen die Edel frauen und das Volk Platz; Pavillons, Gemälde, Fahnen, Wappenschilder, Teppiche und Decken schmückten die Piazza und die umgebenden Gebäude. Einen minder lustigen, aber kaum minder interessanten Anblick bot die Piazza bei der großen Marcusprozessio», die die ganze Blüte der Stadt vereinigte; Gentile Bellini hat uns diese Scene mit der Gewissenhaftigkeit eines Historikers im Bilde aufbewahrt. Dieses Bild zeigt uns noch die alte Form der Piazza, die damals von Privatgebäuden umstellt war. Ihre heutige Gestalt geht in der Hauptsache auf die Zeit der Frührenaissance. Der Uhrturm, die alten Procurazien, der Campanile wurden damals vollendet; die neuen Procurazien tat erst 1584 Scamozzi ttiach dem Muster der inzwischen von Sansvvino an der Piazza errichteten köst lichen Libreria) dazu und der westliche Abschluß des Platzes entstand in der Napoleonischen Zeit. Bon dieser „Fabbrica Nuova" bis zum Dogenpalaste und San Marco gibt es an der Piazza kein (Scbäude, das nicht erhebliche künstlerische Fehler aufwiese — und dennoch bildet das Ganze einen Festplatz von unvergleichlicher Harmonie und Majestät. Einen Festplatz! In der Tat waren es hauptsächlich die Feste, in denen die ganze Geschichte und das Leben der Republik auf der Piazza ihr ^rcho fanden. Wie oft tönte zu den auf der Piazza promenierenden Venezianern die Musik aus dem Dogenpalaste, wenn zu Ehren fremder Fürsten oder Gesandten dort eines jener märchenhaften Feste gefeiert wurde, die einzig in der Welt waren. Bei erwünschten politischen Ereignissen — z. B. beim Sturze Lodovico Moros — brannten auf der Piazza Helle Freudenscuer, und die Menge hatte ihr Ver gnügen daran. Wenn sich am Kronleichnamstage die Prozession vor den Procurazien versaunnelte, dann spottete der Reichtum an Samt und Gold, die Hülle der Blumen, Dekorationen, vergoldeten Wachskerzen usw. jeder Beschreibung. Politisch hatte das Volk von Venedig ja nichts zu sagen, seitdem die Herrschaft der Adels- Oligarchie endgültig gesichert war» aber cs entschädigte sich und wurde mit weiser Berechnung entschädigt durch die großartigen Feste. Kein Gesandter kam, kein Sieg ward erfochten, kein neuer Doge odcr Proknrator trat sein Amt ^n, ohne daß eine unerhörte Fülle von Reichtum und Schönheit entfaltet wurde. Beim Karneval war die Piazza schwarz von Menschen; durch das dichte Gedränge bewegten sich „Tausende von Gold und Edelsteinen strahlende Masken, wandelten die würdigen Matronen, deren Schleppen von Dienern getragen werden mußten". Noch 1782 wurde zu Ehren russischer Fürstlichkeiten auf der Piazza eine große Schaustellung gegeben, deren Hauptstück ein Siegcszug der Friedensgöttin bildete. Dazu war ein riesiges Amphitheater auf dem Platze er richtet worden, das 1500 Fuß im Umfange batte und gegen San Marco hin durch einen 80 Fuß hoben Triumphbogen abgeschlossen war. Das mar, wie gesagt, im Jahre 1782. 15 Jahre später fanden sich im Saale des großen Rats 547 Senatoren zu sammen, von denen nur 30 den Mut fanden, gegen den siegreichen Bonaparte für die fernere Existenz der Republik von San Marco einzutreten. Die Fremden zogen ein, auf der Piazza ward das goldene Buch ver brannt, revolutionäre Lieder erklangen und Bacchan tinnen der Revolution tanzten halbnackt die Carmagnole um den FrcibeitSbaum. Seit dieser Zeit trägt Venezia la Bella den Witwenschleier und die Piazza weiß nur noch von vergangenen Festen nnd Herrlichkeiten zu erzählen.
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