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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190303089
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030308
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030308
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 1734-1737 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-08
- Monat1903-03
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.03.1903
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Hätten eS Pfarrer Hackenberg und seine national liberalen Gesinnungsgenossen überhaupt zu rechtfertigen, daß sie mit der Interpellation über den Erlaß des Bischofs Korum das Vorgehen dieses zelotischen Klerikers zum Gegenstand parlamentarischer Erörterung gemacht baden, so könnten sie sich, von allem anderen abgesehen, sehr wohl auf da» Urteil des Pariser „TempS" berufen. Dieses keines wegs katholikenfeindliche Blatt stellt Herrn Korum auf die gleiche Stufe mit dem Bischof von Pörigueux, der in seinem Fastenbriefe daS von allen Autoritäten des Staates ange nommene Vereinsgesetz die „schwarze und cynische Arbeit räuberischer Finanzgrößen- nennt, „die darauf auSgehen, unsere Gesellschaft planmäßig auszurotten im Interesse ihres Ehrgeizes und ihres Geldbeutels". In einem anderen Artikel heißt eS, Korum bade nicht nur die Frage der Konfessions schule von neuem auf die Tagesordnung gebracht, sondern es handle sich hier um die Grenzen des Einflußes der Zentrumspartei und der Konzessionen, die ihr Gras Bülow machen werde. Der Trierer Erlaß habe das Gefäß zum Ueberlaufen gebracht. Der unparteiische französische Zu schauer kommt somit zu dem gleichen Ergebnis, wie Hacken berg, Barth und Friedberg. Was scbon lange die Herzen aller national empfindenden Deutschen bewegt und bedrückt, daS ist hier zu lebendigster Aussprache gelangt. Nicht um Kulturkampf ist eS den Interpellanten zu tun gewesen. Sie denken nicht daran, die ganze große Frage der Stellung von Staat und Kirche mit allen ihren Konsequenzen in diesem ungünstigen Augenblicke zur Entscheidung zu bringen. Aber sie fordern mit ihrer Anfrage von der preußischen Regierung, daß sie dem klerikalen Versuch entgegealreten, den „großen Kampf der Zukunft" um die Schule durch Vorpoftengefechte eiozuleiten, deien günstiger Ausgang den Sieg vorbereiten würde. Es mußie einmal die Methode solcher Kleriker ausgcdeckt werden, die die wirklich paritätische Ausgestaltung der staatlichen Schulen bindern, um sie dann als einseitig konsefsionell zu brandmarken. Aus der Antwort der Minister mußte sich dann auch ergeben, ob sür den KlerikalismuS wirklich die Zeit des Schweigens vorüber, die Zeit des Redens und Handelns gekommen ist. Nur die absichtliche Verkennung von Würbe und Macht des Staates konnte hier von einer inneren Angelegenheit der Kirche sprechen. Sie ist es, wie Hackenberg mit glücklicher Schärfe darlegte, ebenso wenig wie Mobilmachung und Kriegserklärung einer feind lichen nationalen Macht. Die große Spannung, mit der im ganzen deutschen Volke die Antwort der preußischen Regierung auf diese Herausforderung erwartet wurde, war auch dem Grasen Bülow nicht entgangen, der sich sonst Wohl nicht gedrungen gefühlt hätte, den Darlegungen des Kultusministers persönlich eine Vorrede zu geben. Für die ganze Beurteilung der Frage, ob die Haltung des Kanzlers in diesem Falle dem nationalen Empfinden genügen konnte, ist entscheidend der Gesichtswinkel, unter dem wir den Fall betrachten. Vergleichen wir ihn mit den glänzendsten Episoden Biömarckischer Kampfesjahre, so haben wir nur Anlaß zu Enttäuschung und Betrübnis. Denn eS liegt kein Trost darin, daß die Roeren und Dittrich, an Windthorst und ReichenSperger gemessen, auch nur Epi gonen sind. Kann es doch nach Form und Inhalt seines Er lasses Bischof Korum mit den streitbarsten Klerikern der siebziger Jahre sehr wohl ausnehmen. Einigermaßen erträglich wird der AuSgang dieser Interpellation nur dann, wenn wir Bülows Auftreten lediglich an dem Maßstabe seiner eigenen Persön lichkeit, seines sonstigen Auftretens, messen, ist Wohl auch Nachfolger des kann, daß er und Intensität Finden wir uns auch in solchen Momenten, die an den Staatc- manu die höchsten Anforderungen stellen, damit ab, daß ein BiSmarck in einem Jahrtausend nur zwei oder drei Mal beschert wird, so werden wir sogar einige Anerkennung für den Grafen Bülow haben. Für ihn, den Liebenswürdigen und Konzilianten, will eS schon etwas sagen, wenn er einem hohen Würdenträger der katholischen Kirche vorwirft, er habe den konfessionellen Frieden gefährdet, er habe eine schroffe Form gewählt, die Achtung vor den Rechten und der Würde des Staates vermissen lassen. Ohne ein Wenn und Aber hat der Kanzler erklärt, die Schuld an dem akuten Konflikt trage lediglich Korum; die Regierung müsse erwarten, daß er seinen Erlaß zurücknehme. Auch der Schluß der zweiten Rede mit der Forderung, daß auch von Seiten der Kirche und ihrer Organe der Friede gewahrt werde, und mit der Erklärung: „Wir werden jeden Versuch, die Würde, die Rechte deS Staates zu verletzen, mit Entschiedenheit zurück weisen", — alles daS beweist uns, daß auf den Grasen Bülow selbst der Streich deSTriersr Bischofs starken Eindruck ge macht hat. Diese Rede hat unS einen anderen Bülow gezeigt als den, der in der Abbröckelung de» Iesuitengesetzes nur eine ziem lich harmlose Sache sieht. Und deunoch können wir, auch unter dem oben angedeuteten relativen Gesichtswinkel zu keiner rechten Befriedigung über die Reden des Kanzlers kommen. Dem steht schon das Eine entgegen, daß er in geradezu kränkender und hinterher nicht genügend abgeschwächter Form den Ab geordneten Hackenberg gewissermaßen als friedstörenden Wider part deS Herrn Korum hinstellte. Dieser eine Satz mußte geradezu entmutigen, wenn man die an Objektivität das Un glaubliche leistende Rede des kraftvollen Verteidigers in diesem Falle nicht evangelischer, sondern staatlicher Rechte in Erwägung zog. Auch sonst blieb unS Graf Bülow mancherlei schuldig. Zumal in seiner zweiten Rede fehlte es mehrfach an dem richtigen Elan. Die Nachsätze waren merkwürdig matt, wenn im Vordersatz ein energischer Anlauf wahrzunehmrn gewesen war. Hierfür zwei Beispiele: Nachdem er die Hoffnung ausgesprochen hatte, es möchte sich hier um ein Wetterleuchten nach dem Sturm, um ein letztes Zucken aus der Kulturkampfzeit bandeln, fuhr Bülow fort: „Wenn eS aber zum Sturm kommen sollte . . .", — da hätte man nun eine markige Er klärung, es würde in diesem Falle die Regierung rücksichtslos gegen die Friedensstörer vorgehen, erwarten sollen. Statt dessen kam nur die schwache Be teuerung: „. . . so würde die Verantwortung die König liche StaatSregiernng nicht treffen." Dem bei den vielen ungünstigen Erfahrungen sehr treffenden Einwande Friedbergs, man hätte sich in diesem Falle nicht nach Rom wenden sollen, hätte mit Erfolg Bülow nur dann begegnen können, wenn er erklärt hätte, man würde, wenn nicht in gegebener Frist von feiten des Vatikans das Erforderliche geschähe, auch über RampollaS Kops hinweg gegen Herrn Korum vorgehen. Statt dessen erfolgte nur die Berufung auf BiSmarck, der aber, mit wem immer er auch verhandelte, schon durch die Macht der gewaltigen Persönlichkeit ein Uebergewicht hatte. Es war ja sehr schön, was Bülow von der Entschlossenheit sagte, not wendige Konflikte durchzufechten, gegen die Intoleranz nicht tolerant zu sein u. dergl. mehr; aber die Anwendung auf den vorliegenden Fall hätte viel schärfer sein dürfen und sollen. Wir gehen nicht so weit, zu behaupten, der Verlauf der Interpellation habe lediglich gezeigt, daß bei der preußischen Regierung Schwäche gegen das Zentrum obwalte und unter dem Regime Bülow Zentrum noch mehr als zuvor Trumpf sein solle. Aber wir sind auch ebenso weit entfernt von dem offiziösen Optimismus, der die berechtigten Erwartungen erfüllt sieht, mit denen die öffent liche Meinung der Antwort auf den Vorstoß Korums ent gegengesehen habe. Davon könnte eventuell dann die Rede sein, wenn die Zurücknahme des Erlasses in einer Form erfolgte, die von einem patvr peocavi sich nicht sehr wesentlich unterschiede. Nachdem aber soeben erst in der Jesuitenfrage Preußen seine Nachgiebigkeit bekundet bat, wo rauf soll sich die Hoffnung gründen, daß der Bischof von Trier zu einer Art Abbitte werde von Rom aus genötigt werden? Darum verschlägt unS auch die Er klärung sehr wenig, das Zentrum selbst und der Vatikan seien zwar in der Sache mit Korum ganz gleicher Meinung, dielten aber sein Vorgehen für inopportun. Als ob eS darauf ankäme! Wir brauchen eine Position des Staates, bei der überhaupt nicht in Frage kommt, welche Taktik in Nom oder bei den Hertling, Kopp usw. beliebt wird, eine Position, sür die eS ebensowenig in Betracht kommt, ob in ihren Erklä rungen die Konservativen einmal etwas mehr vom Zentrum abrücken. Es gibt in unseren Augen nur ein einziges Argu ment, daS gegen eine zu schroffe Behandlung Korums durch die Regierung spricht: das Bedenkliche, daS darin liegt, einen Märtyrer zu machen. Dort hat auch der Fehler des großen Kulturkampfes gelegen. Aber die Beflissenheit, diesen Fehler zu vermeiden, hat ihre Grenze nicht nur in den Kultur bedürfnissen, sondern auch in der Würde deS Staates. Die Lage, wie sie sich auch bei diesem Anlasse wieder ge kennzeichnet bat, macht eS ganz natürlich, daß die Bewegung gegen den UltramontaniSmuS an Heftigkeit zunimmt. Auf Seiten der Protestanten läßt der Evangelische Bund seinen Weckruf ergehen, weil von den Negierungen nicht genügend Rücksicht genommen wird auf die Erregung und Verdrossenheit, „mit der treue Patrioten mutlos und tatlos auf daS stetige Zurückweichen der Staatsgewalten gegenüber den ultramontanen Anmaßungen blicken". Erfreulicher Weise aber wird über diese Mutlosigkeit die Erregung mehr und mehr Herr. Von allen Seiten kommen Proteste gegen die Jesuiten-Politik Preußens, die Regierungen der Mittelstaatrn zeigen Geneigtheit, die Berliner Parole einmal nicht zu be folgen. Auch derAufruf zur Begründung einer anti- ultramontanen Wahlvereinigung bedeutet, einerlei, ob sie in den Rahmen deS Parteiwesens paßt, einen kräftigen Aufschwung staatlich-nationalen Empfindens. ES ist ein ge sunder Gedanke, daß auch dort, wo eS sich nicht um eine ultramontane Gegenkandidatur handelt, vor der Wahl eine Ec klärung darüber gefordert werden soll, wie der zu wählende Be werber seine Stellung zum Zentrum ausfaßt in allen denjenigen Fragen, bei denen Kulturfortschritt, konfessioneller Friede, Macht deS Staates berührt werden. Es darf nicht wieder vorkommen, daß etwa am Vorabend einer Reichstagsstichwahl, die mit Hilfe von ZeotrumSstimmen zu Gunsten de» national liberalen Kandidaten gewendet werden könnte, dieser Er klärungen abgibt in dem Sinne, daß er der Iesuitcnfrage keine große Bedeutung beimesse. Bei den heutigen Dis positionen der preußischen Regierung läge darin eine Ver sündigung gegen die Hauptaufgabe deS Liberalismus. Deutsches Reich. Berlin, 7. März. (Zur Veteranen-Für- sorge.) Die Verhandlungen des Reichstages vom 3. März d. I. haben leider wieder die traurige Tatsache feststellen müssen, daß fortgesetzt diejenigen Ansprüche vieler unserer Veteranen, die als berechtigt anerkannt sind, nicht befriedigt werden konnten, sondern wegen Mangels an Mitteln abgewiesen wurden. Und die Fälle der Versagung der Veteranen-Beihülfe werden sich in peinlicher Weise häufen, je mehr der Invalidenfonds, aus dem die Beihülfen entnommen sind, sich erschöpft. Die Frage, was an Stelle des versiegten Jmmlidenfonds zu setzen, und durch welche Drittel die Veteranen-Fürsorge zu bestreiten ist, mutz baldigst akut werden. Der An regung des nationalliberalen Abg. Prinz Schönaich- Carolath auf Einführung einer Wehr st euer steht der Reichsschaysekretär mehr als skeptisch gegenüber; er bezeichnete sie sogar indirekt als eine finanzielle Utopie. Deshalb darf von der Regierung kaum erwartet werden, daß sie -er Frage der Wehrsteuer von sich aus nochmals näher tritt; aber sie wird schwerlich wieder aus der öffent lichen Diskussion verschwinden und die unermüdlichen Vorkämpfer einer ausreichenden Veteranen-Fürsorge werden sie im neugewählten Reichstage um so nachdrück licher aufgreisen, als von ihr ganz wesentlich die Kraft unserer Landesverteidigung abhängt. Unter diesem Ge sichtspunkt führt der nationalliberale Abg. vr. Seni ler — ebenfalls in der Sitzung am 3. März — treffend aus: „Das Bewußtsein im Volke, insbesondere unter den Landwehrmännern, -atz für ihre Hinterbliebenen und im Berwundungsfalle für sie selbst ausreichend gesorgt ist, ist auch ein Teil der Landesverteidigung!" vr. Semler wies dann auf den Widerspruch hin, der zu Tage trete, wenn der Budgetkommission zugemutet werde, am Vor mittage für die Erweiterung der Landesverteidigung über 20 Millionen Mark zu bewilligen, und wenn am Nach mittag der Reichstag in allen seinen Parteischattierungen Klage darüber führen müsse, datz den dringendsten Be dürfnissen der Invaliden, Veteranen und Militärpensio näre nicht Rechnung getragen werden könne. Selbstver ständlich versagte mit dieser Gegenüberstellung vr. Sem ler nicht die Mittel zur Landesverteidigung, sondern er wollte nur hervorheben, datz nichts vernachlässigt werden dürfte, um die lebende Landesverteidigung der Sorge für die Zukunft zu entheben, wenn sie dem Feinde im offenen Schlachtfelde gegenüberstehen muß. Im Felde wird künftighin durch die Entwickelung, welche die moderne Taktik genommen hat, an den einzelnen Mann die höchste Anforderung gestellt. Leichteren Mutes kann er den Gefahren ins Auge sehen, wenn er weiß, daß im Falle seines Todes für seine Hinterbliebenen oder im Falle einer Verwundung für ihn selbst nach wiederherge- stelltom Frieden und nach seiner Entlassung aus dem Heeresdienst erträglich gesorgt ist. Dieses Bewußtsein des einzelnen Mannes darf als moralischer Faktor in der Kriegsführung nicht unterschätzt werden. So bildet eine wirkliche und weitreichende Beteranen-Fürsorge ein moralisches Element der Landesverteidigung, das zu vernachlässigen sich ebenso bitter rächen müßte, wie jede andere Unterlassung zur Hebung der Schlagfertigkeit unseres Heeres und unserer Landesverteidigung! Berlin, 7. März. (Seeschiffahrt und Kriegsfall.) Als 103. Band der „Schriften des Ver eins für S o zia l p o l iti k" ist soeben die zweite Ab teilung des ersten Bandes der Untersuchung über die Lage der in der Seeschiffahrt beschäf tigten Ar'beiter erschienen (Leipzig, Duncker K Humblot). Darin sind acht Abhandlungen enthalten: Pro fessor vr. Pappenhcim schildert die Entwickelung des See handels und seines Rechtes; Navigationslehrer Spillmann stellt die Verhältnisse in den Emshäfen dar; Hafenmeister Duge die der Seefischerei in Geestemünde; vr. Asmus die in Rostock und Wismar; vr. Meister die in Stettin; .üapi- tän a. D. Döbler die in den west- und ostpreußischen Häfen; Macrosty die in England; de Seilhac die in Frank reich. Als allgemeine Einleitung ist Professor vr. Pappenheims Abhandlung anzusehen. In ihr er scheint der Abschnitt über die Wirkung, die oer Eintritt eines Kriegsfalles auf die Seeschiffahrt aus übt, von besonderem Interesse, weil er den gegenwärtigen Stand des Völkerrechtes zur Lee in gedrängter Kürze umschreibt. Im Kriege werden bekanntlich auch die Inter essen der nicht am Kriege selbst beteiligten Staaten zur See ganz erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Das ist schon bet Verhängung der R l o ck a d e der Fall. Die An haltung und Visitierung bchufS Feststellung der Neutrali tät und ihrer Beobachtung sind zum mindesten sehr lästig. Bor allem aber kann daraus, daß ein Teil der an das Schiff geknüpften Interessen solche von Angehörigen einer kriegführenden Partei sind, eine Gefährdung auch der mit ihnen durch die Schiffahrt verbundenen Interessen Neu traler sich ergeben. In welchem Umfange dies der Fall ist, bestimmt sich nach den jeweils geltenden Regeln des Völkerrechtes, deren Beobachtung freilich wiederum in erheblichem Maße durch dir Machtverhältnisse der Beteiligten bestimmt wird. Im allge meinen ist nicht zu verkennen, daß im Laufe der Zett das Völkerrecht des Seekrieges sich in einer den Interessen des Scehandels günstigen, seine Gefährdung vermindernden Richtung entwickelt hat. Zwar ist, wie früher, das Privat eigentum von Angehörigen der kriegführenden Staaten im Gegensätze zu den für den Landkrieg geltenden Grund- sätzen auch jetzt noch berNehmungdurchdenFetnd ausgesetzt, und die Aufsichten dafür, daß dies in absehbarer Zeit sich ändern werde, sind nicht .eben groß zu nennen. Aber im Vergleich mit den Verhältnissen auch deS späteren Mittelalters bedeutet es doch einen ganz erheblichen Fort schritt, daß auch im Seekriege den Privaten das Beute- machen nicht mehr erlaubt ist, und daß die staatliche Erteilung von Kaperbriefen an Privatpersonen im 18. und 19. Jahrhundert wesentliche Einschränkung erfahren hat. Und wenigstens insoweit, als feindliches Gut, welches nicht Kriegskontrebande ist, auf neutralem Schiffe sich befindet, ist es abweichend vom früheren Rechte in Verfolg einer schon im 17. Jahrhundert beginnenden Entwickelung, zumal durch die Pariser See rechtsdeklaration von 1850, seitens der an ihr beteiligten Staaten von der Nehmung befreit worden. WaS aber die Neutralen selbst anbelangt, so ist nach langem Kampfe der zum Teil schon im Mittelalter anerkannte, von manchen Staaten aber noch im 18. Jahrhundert abge lehnte Grundsatz zuffast allgemeiner Anerkennung gelangt, daß das neutrale Schiff nicht um der feindlichen Ladung, die neutrale Ladung nicht um des feindlichen Schiffes willen der Wegnahme unterliegt. Berlin, 7. März. (Die preußische Ostmarken politik — ein Scheusal.) Nur angesichts der kommenden ReichstagSwablen ist der neueste Vorstoß zu begreifen, den daS Polenblatt am Rheine gegen die preußische Ost markenpolitik richtet. Bekanntlich bat die „Köln. VolkSztg." trotz allen HänderingenS die Polen in West-Deutschland vergebens beschworen, von der Aufstellung polnischer Kandidaturen in den 4 Wahlkreisen Essen, Dortmund, Bochum und Duisburg abzusehen, weil sonst das Zentrum für die Stichwahl sehr leicht ausfalle» könne. So versucht das führende Zentrumsorgan e» denn :n geradezu ungeheuerlicher Weise, durch Unterwürfigkeit unter das Polen- tum endlich seinen Zweck zu erreichen. Dies geschieht in einem langen Artikel, >n dem daS Vorhandensein einer groß polnischen Agitation mit nickt geringem Nachdruck für eine Fabel erklärt wird, als die Cristen, einer polnischen Gefahr w Osten, weil die Wiederherstellung eines Königreiches Polen unmöglich sei! Von solchem Standpunkte auS predigt die „Kölnische Volkszeitung" mit feurigen Zungen, den HakatiSmuS, will sagen dir preußische Ost markenpolitik, als „Scheusal" in die „WolfSschlucht" zu werfen. Nachdem der Präsident des preußischen Staats- Ministeriums in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. Januar 1902 an der Hand von Berichten der Ober präsidenten West-Preußens und PosenS zahlenmäßig die Ver luste des Deutschtums nachgewiesen hat und nachdem die großpolniscke Agitation in Parlament und Presse tausendfach charakterisiert worden ist, gehört ein parteipolitisches Brav otum dazu, im Interesse der MandatSergatterung sich über derlei notorische Tatsachen hinwegzusetzen. Schreitet die „Köln. VolkSztg." bis zum Wahltermine auf diesem Wege fort, dann ist ihr eine sklavische Abhängigkeit vom Polen- tum sicher. D Berlin, 4. März. (Telegramm.) Die Kaiserin besuchte gestern Abend das Konzert in der Singakademre und beute das Elisabet-Kinder-Hospital in der Hasenhaide. Später ließ sich die Kaiserin, wie alljährlich, im Königlichen Schlosse diejenigen Mitglieder der Berliner Feuerwehr vorstellen, die bei Ausübung des Dienstes sich besonder» aus gezeichnet, beziehungsweise Verletzungen erlitten haben. — Prinz und Prinzessin Heinrich sind beute morgen hier eingetroffen und haben im Königlichen Schlosse Wohnung genommen. * Berlin, 7. März. (Außerordentlicher deutscher Aerztetag.) Auf Veranlassung des deutschen Aerztevereins- bundes trat, wie schon kurz gemeldet, beute vormittag im Architektenhause der deutsche Aerztetag zu einer außer ordentlichen Tagung zusammen, um Stellung zu nehmen gegen die dem Reichstage vorliegende Novelle zum Kranken versicherungsgesetz. Der Andrang war gewaltig und der Sitzungssaal erwies sich als völlig unzureichend, um die Erschienenen zu fassen. Gegen r/,12 Ubr eröffnete der Vorsitzende Prof. Löbker (Bochum) die Verhandlungen mit einer längeren Ansprache, in der er aussübrte, daß es sich bier um die Abwehr einer drohenden Gefabr handele. Die Aerzte seien von der sozialpolitischen Gesetzgebung wahr lich nicht verwöhnt worden, obwohl sie die praktischen Vertreter der Humanität sind und nicht nur das Wort „Humanität" im Munde führten. Wo es die Ziele der Volk-Hygiene erforderten, da seien die Aerzte nicht nur dabei, sondern die Pioniere. (Bravo!) Cs sei leider nicht zu ver kennen, daß die Krankenkassen nicht nur sür die Versicherten, sondern auch für die Aerzte zu einer Brotfrage geworden seien. Wenn man sebe, wie die maßgebenden Kreise nicht das geringste Verständnis für solche Fragen zeigten, ja, die obersten Stellen noch nicht einmal wüßten, was unter freier Aerztewahl zu verstehen sei, dann dürfe es nicht wunder nehmen, wenn auch in ärztlichen Kressen manchmal Erbitterung Platz greife. (Lebhaftes Bravo!) „Diese Erscheinung hat uns veranlaßt, Sie zu vereinigen, um einmütig gegen eine solche Behandlung Verwahrung einzulegen. Aber noch eine zweite Frage bedarf der Er ¬ örterung: die scharfe Stellungnahme der Krankenkassen. Da ist es unsere Pflicht, zum Sammeln zu blasen, um auf dem Wege der Selbsthilfe (bei diesem Wort erbebt sich minutenlang anhaltender Beifall), der Organi sation das zu erlangen, was uns gesetzgeberisch versagt wird. (Stürmisches Bravo!) Es ist dies unerläßlich zur Hebung unserer ethischen, materiellen und sozialen Lage. Wir werden aber in diesem Kampfe nur dann nicht unterliegen, wenn wir unter der Devise zusammensteben: Einig und treu!" (Stürmischer, langanbaliender Beifall.) Der Vor sitzende macht hierauf die Mitteilung, daß eS gelungen sei» ein« Basis zu finden, auf der der Leipziger wirtschaftliche Verband und der Geschäft»- auSschuß deS deutschen A e r z t e v e r e i n s b u n d es Zusammengehen könnten in gemeinsamer Taktik. Der Leipziger Verband bleibt an sich selbständig, wird aber eine Abteilung des AerztevereinSbunoeS. (Stürmischer, nicht enden wollender Brisall.) Al» Referent erhält hierauf da» Wort
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