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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190303110
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030311
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030311
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-11
- Monat1903-03
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1903
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Dabellartscher und Ziffernfatz entsprechend höher. — Bebühreu siir Nachweisungen und Offerteuaanahm« 8S H (excl. PoNo> Extra-Vellage« (gesalzt), nar mit der Morgeu-Ausgabe, ohne Jostbeförderung S0.—, «lt Popbeförderuug ck 70.—. Annahmeschluß fLr Anzeigen: Sb»«d-Au»gab«: vormittag» 10 llhr. Morgea-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« stob stet» au dl» Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abead» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. Nr. 127. Mittwoch den 11. März 1903. S7. Jahrgang. Vas König!. Aachs. Justimnnisterium und die Muserringe in Auktionen. k. Der preußische Handelsminister hat bekanntlich vor nicht allzu langer Zeit Instruktionen fiir die Auktionatoren in Preußen erlassen, welche dazu beitragen sollen, gesundere Zustände auf dem Gebiete des Ver- steigerungswesenS herbcizuftihren. In 8 13 dieser Vor schriften heißt es: „Weiß er (der Versteigerer) oder muß er den Umständen nach annchmen, daß Vorbereitungen getroffen sind, auf Grund deren andere vom Mitbteten oder Weiterbieten «-gehalten oder Sachen (durch vor geschobene Personen) versteigert werden sollen, um unter den Teilnehmern sodann zu gemeinsamem Vorteile ver äußert zu werden, so hat er die an solchen Verbindungen Beteiligten, nötigenfalls mit polizeilicher Hülfe, zu ent- fernen. Er kann die Versteigerung auch abbrechen." Damit wollte das Ministerium die sogenannten „Käufer ringe" in den Auktionen sprengen, denn diese Ringe wirken gegen die Interessen des Gläubigers, der ver steigern läßt, und des Schuldners, dessen Vermögens objekte versteigert werden. Im Ringe setzt man fest, wer anbtetet und wie hoch. Es wird bestimmt, wie hoch im einzelnen Falle geboten werden soll. Bictlustige, welche dem Ringe nicht angehören, werden durch Herab setzung der Ware oder durch den Hinweis auf die Aus sichtslosigkeit ihres Bietens, da man ihnen auf keinen Fall die Pfänder lassen, sondern selbst das Letztgebot ab geben werde, vom Mit- bez. Weiterbieten abgcschreckt, ja, es kommt sogar vor, daß man diese unbequemen Mitbieter gegen eine kleine Entschädigung „abschiebt". Läßt sich aber einer gar nicht irre machen, nun, so öffnet sich ihm schließlich der Ring und er wird in die Gemeinschaft aus genommen. Auf diese Weise kommt eS natürlich zu keinem ordentlichen Gebote. Die Pfänder gehen zu einem Spottpreise weg und der Ning hat das Geschäft gemacht. Der Gläubiger wird nicht befriedigt und der Schuldner wird durch erneute Pfändungen schließlich ganz ruiniert. Wir sehen daher mit dem preußischen Ministerium in dieser Ringbildung auf Auktionen eine schwere soziale Gefahr. In derselben Angelegenheit hatte sich nnn eine Leipziger Samenhandlung unlängst an das König lich Sächsische Justizministerium gewandt. Die Firma hatte bei einem Schuldner Waren pfänden lasten, die bei der gerichtlichen Versteigerung dem Meistbietenden für eine verhältnismäßig geringe Summe zugeschlagcn wor den waren. Sie wies nun darauf hin, daß dieser Miß erfolg der Versteigerung nur darauf zurückzuführen sei, daß in den Auktionen zuweilen „Käufcrringe" für Schleuderpreise sorgten, durch welche zwar die Gerichts kosten, der Gerichtsvollzieher und der Auktionator ge deckt würden, für den Pfandgläubiger aber wenig oder gar nichts übrig bliebe. Um nun zu verhüten, daß bei Konkursen und Auktionen eine Verschleuderung der Waren unter dem Werte stattfinde, wünschte die Firma ein Handinhandgehcn des RichterstandcS mit den in Frage kommenden Gläubigern, bez. eine Benachrichti gung über den Sachstand vor der Auktion, damit der Gläubiger seine Maßnahmen treffen könne, oder die Hin zuziehung von Sachverständigen. Darauf hat das König lich Sächsische Justizministerium in ablehnendem Sinne beschicken. Der Bescheid lautet: „Die Versteige rung durch den Gerichtsvollzieher und am Orte der Pfändung ist nicht die einzige Art, auf welche gepfändete Waren verwertet werden können. Der Gläubiger, wie der Schuldner kann bet dem BollstreckungSgertcht auch eine andere Art der Verwertung beantragen. Der Gläubiger kann sich zu freihändigem Kaufe anbteten. Er kann auch bet der Versteige- rung selbst mitbieten und, soweit ihm Gegenstände zugeschlagen werden, den Erstehungspreis nach Abzug der ZwangSvollstrcckungSkostcn gegen seine Forderung aufrechncn. (88 825, 810, Abs. 4, 8l7, Abs. 4 der Civil- prozcßordnung.) Die Aufrechnung ist auch bei frei händigem Kaufe zulässig. Den Zeitpunkt der Versteige rung kann der Gläubiger alsbald nach der Pfändung von dem Gerichtsvollzieher erfahren, der ihm auch auf Ber- langen ein Verzeichnis der Pfänder erteilen wird. Der Konkursverwalter aber kann die bewegliche Konkursmasse auf beliebige Art verwerten. Der GläubigerauSschuß »nd, wenn kein solcher bestellt ist, die Gläubigervcrsammlung kann ihn bezüglich der Art und des Ortes ber Verwertung entsprechend beraten. So kann, wenn nur die Gläubiger von ihren Rechten Ge brauch machen, auch ohne Zuziehung besonderer Sachverständiger verhütet werden, daß die Sachen des Schuldners allzusehr unter dem Werte losgcschlagen werden. Die Zuziehung von Sachverständigen würde iibrigenS neue, den Gläubigern zur Last fallende Kosten verursachen." In der gleichen Weise sind, wie uns bekannt tft, auch schon Interpellationen in Bayern, Württem berg und Oldenburg von maßgebender Sette aus be antwortet worden. Indessen wird durch den Hinweis doch die oben angedeutete Gefahr nicht beseitigt. Wohl können sich nach 8 816 Gläubiger und Schuldner über einen anderen Ort der Versteigerung einigen, aber diese Einigung wird verhältnismäßig selten sein, da da- Tisch tuch zwischen Gläubiger und Schuldner meist zerschnitten ist. Die Vorschrift trifft auch den gerügten Uebelstand nicht, denn sie soll dem Gläubiger und dem Schuldner nur Gelegenheit geben, wenn etwa die Pfändung an einem kleinen Platze stattzufinden hätte, wo wenig Bieter in Frage kämen, durch Vereinbarung eines größeren Platzes sich auch einen größeren BieterkreiS zu sichern. Aber gerade an diesen größeren Plätzen liegt ja die Ge fahr der Ringbildung besonders nahe. Don der Ge legenheit des Mitbietens machen die Gläubiger ja oft genug Gebrauch, wenn auch das Ministerium mit Recht annimmt, daß dies noch häufiger geschehen könnte und die Pfandgläubiger nur zu oft dem laisssr aller huldigen. Freilich hat der Gläubiger für die Pfänder auch ofl gar keine Verwendung, so daß er von dem möglichen Zuschlag auf sein Gebot sich abschrecken läßt. Das ist auch der Fall bei dem freihändigen Verkauf, wenn der Gläubiger der Käufer sein sollte. Zuzugcben ist aber dem Mini sterium, daß auch von der Befugnis, einen freihändigen Verkauf der Pfänder herbcizuftihren, viel zu selten Ge brauch gemacht wird, und daß bei solchem freihändigen Verkaufe die Verschleuderung der Sachen sich leichter ver- meiden ließe. Freilich wird sich der Gläubiger auch oft den Weiterungen, die eine solche Verwertung der Pfänder mit sich bringt, nicht unterziehen wollen, namentlich wenn er selbst gar nicht am Orte der Versteigerung seinen Wohnsitz, bez. den Sitz seiner Handelsniederlassung hat. Die Manipulationen, welche die Leipziger Samen handlung mit ihrem Anträge treffen wollte, werden durch den Hinweis deS Königlich Sächsischen Justizministeriums auf die oben citierten Vorschriften der Civilprozcßord- nung nicht unmöglich gemacht. Die Versteigerung wird immer die reguläre Verwertung bleiben, während der freihändige Verkauf eine Ausnahmestellung einnimmt. Man sollte daher auch in anderen Staaten Deutschlands Vorschriften ertasten, wie sie der preußische Handels minister gegeben hat. Es liegt im öffentlichen Interesse, daß eine Reinigung der Auktionen von jenen Elementen stattftndet, welche bei der Versteigerung um ihres Vor teils willen zum Nachteile des Pfandgläubigers und des Pfandschuldners arbeiten. Deutsches Reich. --- Berlin, 10. März. (Ein unerwarteter Schmerz.) Nachdem sich die lokale Leitung des Bundes der Landwirte für die Unterstützung des Zentrumskandidaten in dem württcmbergifchen Wahl kreise Münsingen ausgesprochen hatte, sah das Zentrum den Sieg seiner Kandidaten als gewiß an. Um so größer sind Zorn und Schmerz, daß nun doch der volkspartciltchc Kandidat den Sieg über den klerikalen Bewerber davongetragen hat. Diesen Ge fühlen gibt die „Köln. Volkszeitung" in einem „Zentrum und Bund der Landwirte" überschriebenen Artikel be redten Ausdruck. Sie sagt u. a.: „In Köln hat man ein altes Sprüchwort: „Worte und keine Stüber", und dieses Sprüchwort wird man sich gegenwärtig halten müssen, wenn man die glatten bündlerischen Redewendungen richtig einschätzen will. . . . Der Bund der Landwirte hat gegen dasZentrumentschteden und den Demo, kraten durchgebracht, der unter keinen Umständen gewählt werden sollte! Das spricht Bände. Inzwischen renom miert die Korrespondenz des Bundes der Landwirte in ihrer jüngsten Nrnnmer noch mit dem Beschlüsse der Ver trauensmänner des Bundes in Münsingen. Sie hätte mit dem Artikel lieber noch einen Tag warten sollen. Ja, ja, „Worte sind keine Stüber!" Die „Köln. Volksztg." ist durch- aus im Rechte, wenn sie sagt, die Wahl in Münsingen spreche Bände. DaS Ergebnis dieser Wahl ist der klarste Beweis dafür, daß, Gott sei Dank, die Wählermassen sich nicht durch doktrinäre Ukase ihrer Führer um den ge sunden Menschenverstand bringen lasten. Nur ein Viertel der bündlerischen Wählerschaft hat der von der Leitung ausgegcbenen Parole gehorcht, drei Viertel bat das Gegenteil davon getan. Die Wähler sind sich eben klar darüber gewesen, daß die ultramontane Gefahr für Würt temberg und das ganze deutsche Vaterland viel größer und schlimmer ist, als die zollgegnerische Tendenz der süddeutschen Vvlkspartci. Dieselbe Erfahrung wie in Münsingen dürfte der Burr- der Landwirte, «nd mit ihm daS Zentrum, in Hildesheim machen. Dort hat be kanntlich -er Bund in Gemeinschaft mit dem Zentrum einen Kandidaten aufgestellt, ber nicht nur Katholik ist, sondern erklärt hat, für den Fall seiner Wahl sich dem Zentrum anzufchlietzen. Nun schreibt ein Mitglied deS Bundes der Landwirte an das Organ des Bundes in der Stadt Hannover, er werde Herrn Bauermeister — so heißt der gemeinsame Kandidat — nur dann seine Stimme geben, wenn derselbe erkläre, daß er einer der konserva tiven Parteien im Reichstage sich anschlteße, oder, wie der Abgeordnete Diedrich Hahn, keiner Partei angehüre. Könne B. diese Erklärung nicht abgeben, so hätten die Konservativen und bet Bund der Land- wirte entweder einen andern Kandidaten zu suchen, ober sich der Stimmabgabe zu enthalten. DaS Hannoversche Welfenorgan bemerkt hierzu sehr zutreffend: „Da Herr Bauermeister, nachdem er sich dem Zentrum beizutreten verpflichtet hat, die hier gewünschte Erklärung selbstverständlich nicht abaeben kann und zweifellos viele lutherische Bündler die eben wieder gegebene Ansicht teilen, so erscheint der Geivinn, den das Zentrum durch das Kompromiß mit dem Bunde der Land wirte davonträgt, als sehr problematisch." Auch wir glauben, daß das Zentrum in Hildesheim sich zwischen zwei Stühle setzt: Es erbittert die bisher stets mit ihm verbündeten Welfen, denen es ein Mandat abnehmen will, und es wird doch nicht die Stimmen des Juristentages der protestantischen Bündler erhalten." Durch die großartige Disziplin des Klerikalismns sind die Katholiken politisch, wenn auch nicht vollkommen geschlossen, doch der zehnfach gespaltenen protestantischen Wählerschaft bei weitem über legen. Diese Uebermacht nun auch noch dadurch zu ver stärken, daß protestantische Wähler von vornherein für einen Zentrumsmann nnd gegen einen nationalen pro testantischen Kandidaten stimmen, ist ein politischer Wahn sinn, den wohl Parteifanatiker auShecken können, dem aber der gesunde Menschenverstand niemals verfallen wird. * Berlin, 10. März. Ueber „VischofKornmund -en Reformkatholizismus" geht der Münchener „Allgemeinen Ztg." von katholischer Seite folgende Mit- teilung zu: Es dürfte auch für weitere Kreise wissenswert erscheinen, daß der Trierer Bischof Kvrum im Kampfe gegen den sogenannten Reformkatholizismus eine gewisse Rolle gespielt hat, ein Umstand, welcher darauf hinzuwcisen scheint, daß den jüngsten Vorstößen des Ultramontanismus eine einheitlicher, von jesuitischer Seite ent worfener Fcldzugsplan zu Grunde liegt. Kornm ist näm lich Jesuitenschttler und steht direkt unter jesuitischem Ein flüsse. Dein gegenwärtiger Vorstoß wird zwar in Rom nicht für opportun gehalten; dies beweist aber nur, daß Kornm vorzeitig losgeschlagen und seinen Meistern ins Handwerk gepfuscht hat. Was nun die Reformbewegung angeht, so ist vr. Korum derjenige, welcher wenigstens in direkt, Bischof vr. Keppler veranlaßt hat, zum Kampf gegen dieselbe in die Posaune zu stoßen, vr. Keppler hake sich nämlich bei ber letzten BifchvfSkonserenz in Fulda eingefunden, nachdem er einige ZZt zuvor in RavenSsinrg in Württemberg auf einer Versammlung der Görres-Gesellschaft eine Rede gehalten, in welcher er auch die vielbesprochene wissenschaftliche Rückständigkeit der Katholiken in einer Weise berührte, welche den Jüngern nnd Frennden Loyolas nicht gefallen konnte. Bischof v. Keppler war damals noch ein rechter Saulus, ehe ihm von Bischof Korum „der Star gestochen" wurde. Auf der Bischofskonferenz tadelte Korum den Rottenburger Anrts- bruder in schroffster Weise wegen seiner Ravensburger Rede, indem er seiner Verwunderung darüber Ausdruck gab, daß ein Bischof eine derartige Rede halten könne. Sprach's und ließ Bischof vr. Keppler stehen, wo dieser gerade stand. Doch eine gute Sache ist des größten Opfers wert und Bischof vr. Keppler zögerte nicht, dies Opfer zn bringen; der Besuch, den er von einem Jefuitcnprovinzial erhielt, mag ihn in seinem Vorhaben bestärkt haben. So hielt er nun gegen das allbekannte Buch Ehrhards, welches er früher im wesentlichen approbiert hatte, die nicht weniger bekannte Rede, in welcher er zu der früher von ihm erteilten Approbation des Ehrhardschen Werkes einen ganz merkwürdigen Kommentar gab. Bischof v. Keppler sandte eine Abschrift dieser Rede an Bischof Korum, effke weitere an die Münchener Nuntiatur. (D Berlin, 10. Mär,. (Telegramm.) DaS Kinfcrpaar machte gestern nachmitlag einen Spaziergang im Tiergarten. Zur Adendtafel waren gelaven Fürst Anton Ravziwill, Oias Perponcher, die Generale v. Strubberg, v. Lucakon und o. Plessen, Generalarzt Vr. v. Leutbold und Exceüenz Frbr. v. Reischach. — Heule vormittag unternahmen der Kaiser und die Kaiserin Len gewohnten Spaziergang im Tiergarten und besuchten dabei das Denkmal der Königin Luise. Später luhr der Kaiser beim Reichskanzler vor und hörte im königl. Schlosse die Borträge des Cdefs deS MilitärkabinellS und des Chefs deS Admiralstabes der Marine. — An die bevorstehende Reise des Kaisers nach Kopen hagen knüpfen englische Blätter allerhand Bermulungen über Verhandlungen mu dem Herzog von Cumberland, der zur Zeit am dänischen Hose weilt. Der „Hamb. Korresp." bemerkt dazu: „Man braucht kaum zu deine, ken, daß diese Vermutungen so ,alsch wie möglich sind." So'? — Dem, wie erwähnt, von Parlamentariern geplanten Immediatgesuch zu Gunsten des vr. Peters sollte nach der ,Fihetn.-Westf. Ztg." auch das Zentrum sym- pathisch gegenüberstehen. Demgegenüber konstatiert die „Germania", daß diese Mitteilung, so weit solche sich auf das Zentrum bezieht, vollständig aus der Luft gegriffen ist. Das Zentrum habe sich mit den von seinen Rednern im Reichstage seiner Zeit hinlänglich gekennzeichneten Hand lungen des vr. Peters in letzter Zeit überhaupt nicht be schäftigt und denke am allerwenigsten daran, dessen Re habilitierung zu veranlassen. — Die Abänderung deS Wahlreglements für dicReichstagswahlen zur besseren Siche rung deS Wahlgeheimnisses, die vom Reichs kanzler Grafen Bülow bereits am 20. Januar angekündigt wurde, läßt auffallend lange auf sich warten. Gegenüber der Vermutung, der Vorlage sei mit Rücksicht auf die Kon servativen etwas Menschliches passiert, hört die „Lib. Kor respondenz", baß die Verzögerung der Einbringung der betreffenden Novelle zum Wahlreglement lediglich die Folge von Verhandlungen mit den Bundes staaten über die Aufbringung der durch die Neuerung erforderlich werdenden Mittel sei. — Um eine Abstimmung über die Postassistenten, anträze und di« Frage der Gebali«erhöbunq der Oberstleutnants bei beschlußfähigem Hause zu ermöglichen, sind die abwesenden Abgeordneten der interessierten Parteien von ihren Fraktionen telegraphisch aufgrfordert worden, brrrbir zu kommen. — Eine allgemeine Arbeitgeber-Versammlung ist zum 28. d. M. nach Berlin rinberufen. Der Zentral ausschuß der vereinigten JnnungSverbände Deutschland» hat, der „Rd. W. Ztg." zufolge, in Gemeinschaft mit dem JnnungS- auSschuß der vereinigten Berliner Innungen Einladungen an alle Aibeilgeberkorporationen ergehen lassen zu einem Protest gegen die neuerdings in Aussicht gestellte Weiter belastung durch die sozialpolitische Gesetzgebung. Die Mitglieder deS Parlament- sollen zu der Tagung eingelaven werden. Weiter will man zu der finanziellen Mehrbesteuerung der Arbeitgeber durch die Er- böhung VeS Reservefonds der Berufsgenossenschaften Stellung nehmen. Eine Emgabe an die gesetzgebenden Körperschaften, die darauf adzielt, den in Betracht kommen den Beschluß deS Reichstags außer Kraft zu setzen, wird vorbereitet. Die Vorstände der Arbeitgeberverbände haben ihr« Beteiligung an der Protestversammlung bereit» zu gesichert. — Die „Rh. W. Ztg." schreibt: Angesichts der Wahlen beruft die Sozialdemokratie jetzt überall Radfahrer- Versammlungen ein. Die Arbeiter-Radfahrer sollen ganz bervorragend bei der Wahlagitation in Aktion treten, sie sollen auf den Stahlrossen in die Dörfer hinaus die Flugblätter bringen und sonst bei der Wahlarbeit zu allen Diensten auf der Landstraße herangezogen werden. Angeblich tollen ver Sozialdemokratie schon jetzt mehr al» 20 000 Rad fahrer zur Verfügung sieben. * Posen, 9. März. Angeblich auf direkte Anregung deS Kaisers (?) soll für die ReichStagSwahlen in der Provinz ein Kompromiß der deutschen bürgerlichen Parteien zustande kommen, und zwar auf der Grundlage gegenseitiger Wahrung des Besitzstände». — Der sozialistische Provinzialparteitag hat eine voll ständige Einigung erzielt. Deutsche Kandidaten werden m zehn, polnische in fünf Reichstagswahlkreisen auf gestellt. (Voss. Ztg.) * Göttingen, 9. März. Auch in unserer Stadt regt sich der Widerspruch gegen die Aufhebung des § 2 de« Jesuiten- geseyeS mit Entschiedenheit. In einer Reihe von Ge schäften ist eine Protesterklärung gegen die Wieder zulassung der Jesuiten aufgelegt, und die Bogen bedecken sich mit zahlreichen Unterschriften. * Gotha, 10 März. Der Regierungsverweser wird in der nächsten Woche auS DaooS, wo seine Gemablin, die Erbprinzesstn zu Hobenlobe-Langenburg, aus ärztliche Anord nung noch längere Zeit verweilen soll, zurückkehren und als dann während der folgenden Monate zunächst auf Schloß Friedenstein residieren. Zum 26. März wird hier die Ankunft des Herzogs Karl Eduard erwartet. r. Altenburg, 9. März. Der Landtag bat vor seiner Vertagung in zwei geheimen Sitzungen den Beschluß gefaßt, dem Herzog zu seinem im August stattfindenden sünfzig- lährigen Regierungs-Jubiläum aus Landesmitteln 100 000 als Geschenk zu überweisen mit der Bitte, diesen Betrag zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden. 2 Greiz, 10. März. Im Verlauf der gestrigen Sitzung des Landtages fragte Vizepräsident Henning noch an, welche Stellung die Landesregierung zu der beabsichtigten Aushebung des §2 des Jrsuitengesetzes einnehmen werde. Regierungspräsident v. Meding erklärte darauf: Ein Beschluß des Bundesrates sei noch nicht gefaßt, auch Beratungen Kälten nock nicht stattgefunden. Die fürstliche Regierung heg- daher Bedenken, bevor diese stattgesunden, über die Stellung der Regierung schon jetzt öffentlich Aus kunft zu geben. * Mainz, 9. März. Die Bischöfe der ober rheinischen Ktrchenprovinz beschlossen eine gemeinschaftliche Romretse. * Krruznach. 9. März. Ter „Fall Kirsch stein" ist immer noch etwas dunkel. Die Bioichüre deS Kreuznachcr Bürgermeisters über die dortige böhere Mädchenschule wi>d zwar weiter verkauft, aber aus einem Inserat des VeUegerS gebt hervor, baß der Verkauf auf Wunich deS Verfassers einige Tage unlerbrochen war. Dazu wird ber „Frankfurter Zeitung" geschrieben: Wie man dort, war alsbald nach dem Erscheinen der Broschüre dem Büraermeister vom Regie rungspräsidenten Frbrn. von Hövel zu Koblenz der Wunsch ausgesprochen worden, die Verbreitung der Schrift zu inhibieren. Eigentümlicher Weise stand diese letztere Nach richt eher in der klerikalen „Kreuznacher Ztg.", als sie dem Bürgermeister selbst bekannt war. (-) Darmstadt, lO. März. (Telegramm.) Die Zweite Kammer lehnte die Forderung von K58 000 als erste Rate für den Erweiterungsbau der diesigen technischen Hochschule ab, obwobl die Regierung lebhaft dafür eintrat. * Aus Bayern. Aivf dem Parteitage des bayerischen Zentrums in München hat der Abgeordnete vr. Heim, Realschullehrer in Ansbach, eine Rede gehalten, in der er von gekrönten Agitatoren sprach. Das ist den Zentrumsführern nicht angenehm gewesen, und sie haben deswegen eifrig versucht, die Angelegenheit nach Mög lichkeit einzurcnken. Schließlich war denn in der kleri kalen Presse kein Engel so rein, wie vr. Heim. Nun aber hat dieser in einer Versammlung zu Weiden erklärt: ES ist eine bekannte Feder in unserer Presse so gütig ge wesen, mich mit Uebereilung und dergl. zu entschuldigen. Für eine derartige Verteidigung, meine Herren, bin ich nicht einmal dankbar. Was ich gesagt habe, habe ich selb st zu verantworten und werde es verantworten. Wenn man glaubt, ich hätte etwas gesagt, was gegen Gesetz und Loyalität verstößt, so stehe ich hier und kann nicht anders. Man soll ruhig die Hand nach mir aus st recken. Es ist ja verlangt worden, daß ich pensioniert werden soll. Mir hat die ganze Hetze keine schlaflose Nacht bereitet, eher vielleicht anderen Leuten. Ich habe so viel ge lernt, daß ich auch pensioniert nicht ver hungern werde. Ms pensionierter Beamter würde ich nicht das Schicksal anderer Pensionisten teilen, die nur noch die Kunst des M o n o c l e k n e i s e n » zur Zeitausfüllung übrig haben. Wenn es einmal so weit kommen sollte, daß ich pensioniert werde, so werde ich gewiß nicht verhungern, viel-
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