Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.03.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030325018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903032501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903032501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-25
- Monat1903-03
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis tu d« Hauptexpedition oder deren Ausgabe. P«ll«u abgedolti vierteljährlich S.—, bei poetmasiger täglicher Zuteilung tu« Haut ^tl Ü.7L Durch die Post bezogen für Deutsch, lau- ». Oesterreich vtetteljöhrlich >tz L.KO, für -t» übrige» Länder laut Zeitungspreisüst«. Ledakttou und Lrve-Utou: Iohanutü-affe 8. Ferusprecher ISS uud FUtxlevPudtttM»»« r Alfred Hahn, Buchhandlg., llutvrrsitätsstr.S, L. Lösche, Katharinenstr. 1< u. KSuigüpl. 7. Haupt-Filiale vre-den: Marieufiraß« SL. Fernsprecher Amt I Nr. 171». Haupt-Filiale Serlin: T«l Ouucker, Herzgl. Bahr. Hosbuchhandlg., Lützowstraßt 10. Fernsprecher Amt VI Rr. 400S. Morgen-Ausgabe. MMer Tageblatt Anzeiger. Ämlsklatt -es Hönigkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und -es Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petttzerle LS H. Reklame» unter de» Redattiousstrich jägesvaüro) 7K vor dro Famtlleuuach- rtchteu Garspalteu) KO Tabellarisch«! und Zissernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahmr »k L, (excl. Porto). Extra-Bei läge« (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, oha, Postbeförderuag «0.—, mit Postbesärderuug 70.—^ Aunahmeschluß für Äiyei-eu: Abeud-Ausgabe: Lormtttag« 10 Uhr. Marge».Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeige» find stet« au di« Expedition -u richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet voa früh bi« abends 7 Uhr. Drmk nnd Verlag von L. Pol» t» Leipzig. Nr. 152 Mittwoch den 25. März 1903. 97. Jahrgang. Unsere Osstabonnenten bitten wir das Abonnement auf das >l. Vierteljahr jetzt zu erneuern, damit für pünktliche Weiter lieferung garantiert werden kann. Neu-Abonnenten machen wir darauf auf merksam, daß jedes Postamt sowohl Bestellungen auf Vierteljahrs- wie auch Monats-Abonnements entgegennimmt und zwar zum Preise von Mt. 4.5« für das Vierteljahr und Mr. 1.50 für den einzelnen Monat. Die politische Lage in Frankreich. Kein Zweifel: trotz der immer noch in Paris und den nordöstlichen Departements anhaltenden nationalistischen Strömung weht zur Zett ein demokratischer Wind in Frankreich. Das Endergebnis der inneren Krise der letzten Jahre ist eine reinliche Scheidung -er Geister: Die Linke hat zuguterletzt doch noch den weitesten Boden für sich ge wonnen, die Rechte, durch eine unüberbrückbar scheinende Kluft davon geschieden, hat sich nur ein kleineres Gebiet erhalten können: aber dieses Gebiet ist Paris und der ein flußreiche Norden. Ihr steht in blanken Waffen die Armee in der erdrückenden Mehrheit ihrer Offiziere zur Seite, zu ihr stößt die schwarze Garde in Soutane, Kutte und Roque- kaure, der alte legitimistische Adel, die Bonapartisten und — was mehr als dieses alles sagen will — auch die franzö- fische Frau sind nationalistisch. Die Jugend Frankreichs ist entweder sozialistisch oder chauvinistisch. Die Mittel parteien lösen sich auf. DaS Frankreich von heute ist republikanischer geworden, al- man nach der Katastrophe des großen Krieges annehmen konnte. Wirb aber auch daS Frankreich von morgen republikanisch sein? Die kapitalistisch-bourgeoise Republik, die als die dritte ihrer Schwestern im September 1871 ihre Herrschaft an trat, war eine behäbige alte Dame, die heutige Republik macht Anstalten, die phrygische Mütze sich wieder keck aufS Haupt zu drücken, und sieht der „Frau Marianne" der äußersten Bergpartei schon recht ähnlich. Die ThierS umd Mac Mahon gingen nur mit süßsaurem Gesicht an die republikanische Verfassung. Die Republik sollte konser vativ sein, oder sie sollte überhaupt nicht sein. Um allzu unüberlegten Streichen der Stürmer und Dränger in der Deputtertenkammer «inen Riegel vorzuschieben, setzte man den „Rat der Allen", den Senat, ein. Und heute? — Im Palais Bourbon hat sich die Republik schon oft nur mit Mühe ihrer Feinde erwehren können, im Luxembo-ng aber, im Oberhause Frankreich-, hat sie die Zügel unbedingt in der Hand. Der Ruf „Vive la rSpudliqus" ist ein inner politischer Schlachtruf geworden, der die Anhänger der rodtkal-bemokrattschen Republik vereint. So ändern sich die Zeiten, und Herr CombeS könnte darüber nachdenkliche Betrachtungen anstellen. Denn heute ist die herr schende Generation republikanisch, und die Jugend, der die Zukunft gehört, schwärmt für Frankreichs „Ty rannen", die Ludwig XIV. und Bonaparte. Das Ministerium hat einen großen Sieg errungen, die Demokratie scheint völlig gesichert. Die Regierung sah mit Recht in den Kongregationen den Todfeind der Repu blik. Um nicht wieder Rückschläge in den Volksströmungcn zu erleben, soll die Jugend für die Republik gewonnen werden, der Unterricht wird den staatsfeindlichen Orden genommen, der Einfluß der Kirche auf den Nachwuchs Frankreichs wirb anSgcschaltet. Nicht Loyolas Geist, son dern Rouffeaus Ideen sollen von nun an die Jünglinge begeistern. Man wird im einzelnen diesem Gedanken gange recht kritisch gegenüberstehen können, und man wird doch zugeben muffen, daß Herr CombeS nur folgerichtig im Sinne feiner Partei handelte, als er für Unterdrückung der Kon gregationen eintrat. Tr hat aber mit seiner Me thode, den KlerikaliSmus zu bekämpfen, einen wetteren Schritt auf der steilen Bahn bergab getan, die er nun seit 9 Monaten wandelt. Um den UltramontaniSmuS zu Boden zu werfen, hat er sich dem Radikalismus und So- zialtsmuS in die Arme geworfen. Hierin gleicht sich aber Rom und die fanatische Linke. Reicht man ihnen den kleinen Finger, nehmen sie die ganze Hand, dazu den Arm und verschlingen schließlich ihr Opfer mit Haut und Haaren. 179S feierten die SanSkulotten ihre Delirien, zwanzig Jahre später kamen in Weihrauchwolken und mit Glockendrühnen die Bourbonen zurück und mit ihnen die Münch« und landesflüchtigen Feudalen. Weber die Rechte noch die Linke hat in der tränen- und blutreichen Ge schichte von Frankreichs letzten hundert Jahren etwas ge lernt ober etwa- oergellen. Heute ist die Demokratto obenauf und sie setzt ihren Willen durch, ohne die Vielgerühmten „Menschenrechte" ihrer Gegner zu achten. Die Mafsenabschlachtnng der Kon gregationen sam vorigen Mittwoch) war ein schwerer Verstoß gegen das formale Recht, was der Abgeordnete Ncnault-Moliöre einwandfrei nachwies. Das Vorgehen der RabieS und CombeS war aber mehr als daS: es war ein crimen laesns rnsjestutis gegenüber den Idealen der Republik. Die Abwürgung der durch aus korrekten Eingaben der Kongregationen en bloc und ohne Einzelberatung war ein kleiner Staatsstreich, der einen Augenblickserfolg gezeitigt hat, der aber, falls die Gegener geschickt operieren, verhängnisvoll werden kann. Ribot hatte ganz recht: nicht Combes hat ge siegt, sondern die Sozialdemokratie, deren Commis der Ministerpräsident mehr und mehr geworden ist. ES war bezeichnend genug, daß auch Jaures der denk, würdigen Sitzung präsidierte. Combes, der den ultra- montanen Intransigenten bei -er Frage des Konkordats noch mannhaft widerstanden, hat vor ihnen kapituliert. Er war ursprünglich im Sinne Waldeck-Rousseaus für E i n z c lberatung der OrdenSgesuche gewesen. Die äußerste Linke diktierte ihm aber für den Preis ihrer Ge folgschaft zwei Bedingungen: einmal Maffenablchnung, zweitens Stellung der Vertrauensfrage an die Kammer. Formell war für CombeS die Gefahr einer Obstruktion der Rechten bei Einzelerlcdigung der zahl- reichen Gesuche maßgebend, in Wahrheit fürchtete er den Zusammenbruch beS Block -er demokratischen Union. Für ihn gab «S nur zwei Wege: Kulturkampfpolitik in der milden Tonart Waldeck-RouffeauS und Bildung einer neuen Mehrheit unter Abstoßung der Sozialisten, oder Unterwerfung unter den Willen der JaursS und Pressens« und radikale Unterdrückung der Kongregationen. Er hat, da er sich des gemäßigten Zentrums keineswegs sicher fühlte, den zweiten Weg eingeschlagen und damit den Bruch zwischen sich und den ganzen opportunistischen Gruppen unheilbar gemacht. Er hat damit für den Augen blick den Erfolg für sich, ist aber nun der Gnade der äußersten Linken ausgeliefert, die bet d«r geringsten Un- botmäßigkeit des Ministeriums gegen ihre Wünsche das Kabinett in die Luft sprengen kann. Herr Combes hat einen Pyrrhussieg bedenklichster Art davon getragen. I'. Deutsches Reich. U Berlin, 24. März. (Folgen der Verabschiedung des Zolltarif«.) Wenn früher gegenüber den Klagen, welche von freisinniger Seite über den auf unserem Erwerbsleben insolge der Unsicherbeit der handelspolitischen Zukunft liegenden Druck erhoben wurden, auf die Nolw-ndigleit bin- gew>e>en wurde, den Zolltarif sobald als möglich zu verabschieden, um so wenigsten« zunächst «in« sichere Grundlage für den Abschluß voa Handel «ver tragen zu gewinnen, so pfl gte von jener Seite stet- mit Emvbase geantwortet zu Werren, daß im Gegenteil d« Annahme ter Zolliaxtsvorlage die Beunrubigung in Handel und Industrie nur steigern könnte, weil auf der Grundlage diese« au'vnomen Tarifs an den Abschluß von Handelsver trägen nicht zu denken sei. Jetzt aber begegnen wir in der freidändlerischen Presse und zwar auch in solchen Orzanen, welche sogar d-r Od»ruktion gegen di, Zolltarifvorlage da gort geredet baden, bei Besprechung der Gründe, welche die merkliche Besserung unserer wirtschaftlichen Lage herbei- gefühlt baden, der Bemerkung, daß, wen« auch die Zukunft unserer HandelSbeziebungen zum AuSlande noch einigermaßen unsicher sei, doch schon die Verabschiedung des Zolltarifs be ruhigend gewirkt unv nicht unwesentlich zur Wiede,belebung des Unternehmungsgeistes beigetragen habe. Man wird an- nehmen dürfen, daß diese Ausfassung in den Kreise» unteres Handels und unserer Industrie so deutlich und nachdrücklich bervortritt, daß auch die freibändle, ische Presse sie nicht unbeachtet zu lassen vermag. Wenn dem aber so ist, so darf weiter al- festgestcllt angesehen werden, daß man in der In- vustrie und im Handel und zwar auch in denjenigen Kreiien, welche mit der freibändlenschen Presse Füblung baden, ,u der Ueberzeugung gelangt ist, dec neue autonome Zoll tarif bilde eine gut« Grundlage für den Abschluß voa Handelsverträgen und es sei demzufolge mit einiger Sicher- beit auf die baldige definitive Erneuerung unserer zoll- uud handelspolitischen Beziehungen zum AuSlande durch lang- sristige Handelsverträge zu rechnen. Wie so bäufig, demen tiert so die Praxis auch diejenigen freidändlerischen Auf fassungen, welche bis dahin in diesen Kreisen als unumstöß liche Wahrheiten angesehen wurden, unv gibt umgekehrt der Politik gleichmäßigen Schutze« aller Zrwige der nationalen Arbeit Recht. Wenn ferner auch die F, «Wandler bereits an- e,kennen müssen, daß die Annahme der Zoll'ariivorlage wesent lich zur Uederwindung der wirtschaftlichen Krisis und zur Besse rung unserer wiltsckafllichen Lag« beigctiagen bade, so erbrüt w ederum auf das Deutlichste, wie ein großes Verdienst sich die Mehrheit deS Reichstag« durch die Niederkämpsung der Obstruktion um unser ganzes Erwerbsleben erworben hat. Man wird demzufolge eiwarten dürfen, daß Handel und 'Industrie bei den Neuwahlen zum Reichstage diej«uigea Parteien, au« welchen jene Reich-tagSmebrheit sich zusammen- setzte, kiästig unterstützen und so daiür sorgen werden, daß auch in dem neuen Reichstage eine starke Mehrheit sür lang fristige HandelSvertiäge auf der Grundlage de« neuen Zoll- larifS vorhanden ist. * Berlin, 24. März DaS deutsch-französische Abkommen vom 2. Juli 1902 wegen der Behand lung derHandlungsretsenden, das in diesen Tagen im „Reichsgesetzblatt" veröffentlicht wurde, ent spricht, wie der „N. Fr. Pr." von sachverständiger Sette mitgetcilt wird, im wesentlichen dem bestehenden Zustande. Deutschland und Frankreich behandeln sich auf Grund des Artikels 11 des Frakfurter FriedensvertrageS wechsel- fettig meistbegünstigt. Deshalb sind schon bisher bei uns die französischen Handlungsreisenden steuerfrei und ihre Warenmuster auf Zett zollfrei zugelassen worden, da in unseren Handelsverträgen mit anderen Staaten diese Freiheit von Steuer und Eingangszoll stipultert ist. Eben- so genießen umgekehrt die deutschen HandlungSretsenden in Frankreich Steuerfreiheit und für ihre Warenmuster zeitweilige Zollfreiheit. Nur insofern wurden bisher di« französischen Reisenden bei nns besonder- behandelt, al- sie sich ihre Legitimation bei ihrem Eintritt in Deutschland lösen muhten, während die Reisenden Oesterreich-UngarnS, JtalenS usw. auf Grund von LcgitimationSkarten zuge lassen werden, die von den Behörden ihre- HeimatslanbeS ausgestellt sind. Nunmehr sollen auch für die französischen Reisenden in Deutschland und umgekehrt für di« deutschen Reisenden in Frankreich die nach «inem bestimmten Muster im Heimatlande ausgestellten Legitimationen ausreichend sein. Eine solche Neuerung zu treffen, liegt in der oer fassungsmäßigen Kompetenz deS BundeSrateS. Im übrigen entspricht das Abkommen der geltenden Recht-- läge und enthält nichts, zu dessen Durchführung e- eineS Aktes der Gesetzgebung bedürfte. * Berlin, 24. März. (Freiherr v. Heerema» -f.) lieber den veistorbeoea Virepräüdenten de« preußisch,» Ab- geordnetenbaule« al« Parlamentarier und Kuustjchrrflstelltr schreibt die „Köln. Ztg.": Er war Ehrenritler de« Malteser-Orden«, Präsident de« West. fLlilchen Aaastverein«, Mitglied de« Krel«tage« de« Kreise« Münster und d«S Westfälische» Provinziallandtag«. Im Parlamrut war v. tzeeremau «in sehr gewiflenhafier, fleißiger Arbeiter. Ja seinen Reden trug «r im Gegensatz zu manchen demokratisch angehanchten Stürmern und Drängern seiner Partei «Ine gewisse überlegene staatsmännische Ruh« zur Schau, di« im Bereio mit seinen hervor ragenden Kenntnissen zuweilen recht wirksam war. Häufig betonte Heereman, daß er die gerade zur Beratung stehende Frage mit Mäßigung und rein sachlich behandeln werde, aber unter dem äußern Schein» einer gewissen Milve uud Dnl samkeit war seine Rede oft stachlicher und fanatischer als die anderer Parteigenossen, die, mit heftigen, derben Worten eifernd, au- ihrem Herzen keine Mördergrube machten. Zu den bellen Tagen in Heeremans langer politischer Laufbahn gehörte nicht der 23. März 1895, an dem er als Redner der ZentrumSpartei sich gegen eine Ehrung Bismarck« zu dessen 80 Geburtstag aussprach; freilich hatte damals die Reichstagsmehrheit die erbebende Genugtuung, daß selbst ein Mann wie der rote Marquis Rochefort, der grimmigste Teutschensresser, den Reichstag belobte und meinte, der Beschluß werde in der ganzen gebildeten Welt gebilligt werden. Als seiner Kunstkenner hat sich Heereman eine« Namen gemacht; er war Präsident des Westfälischen Kunstvrreias und ist auf diesem Gebiet« auch schriftstellerisch tätig gewrirn und hat 1881 ein Werk über die älteste Tafelmalerei Westfalens veröffentlicht. Auch wenn eS sich im Parlameni um Kunstfachen handelte, ergriff Frhr. v. Heereman sehr oft das Wort und fand dann stet- aufmerksame Zuhörer, da er außerordentlich kunstverständig war. Leider mußten die Berichte der Presse über seine Reden meist sehr unvollkommen sein, da das Organ v. Heere- mau- in keiner Weise für das Parlament ausreichte. Dieser Uebel- staod machte sich auch fühlbar, wenn v. Heereman als Vizepräsi dent die Verhandlungen leitet«; welche- Amt rr übrigen« tonst Feuilleton. Medinnilche Rundschau. Don vr. Richard Werner. Nachdruck verboten. Ein Erkenn unaSmtttel deS Scheintodes. — Schutz gegen Tod durch Elektrizität. — Elektrisch« Untersuchungen an Geisteskranken. — Die medulläre Analgesie. — Neben- nicrenextrakt al- SchmerzsttllungSmittel. — Zwei neue Heilsera. — Eiweiß im Harne. — Ernährung durch die Haut. — Die Wurmkrankhetten der westfälisch rheinischen Bergleute. — Die Plombierung großer Körperknochen. Zu den Problemen, welche den medizinischen Fach gelehrten in gleicher Weise interessieren wie den Laien, gehört die immer wieder neu auftauchende Frag« nach einem sicheren Unterscheidungsmerkmal zwischen Tod un- Scheintod. Einige alarmierende Nachrichten, nach welchen in den letzten Jahren in Rußland und Italien mehrfach scheintote Menschen wirklich beerdigt worden oder gerade noch im kritischen Momente dem schrecklichsten aller Schicksale entrissen sein sollen, scheinen nicht ganz des tatsächlichen Untergrundes -n entbehren. Berechtigte- Interesse erregt daher die Mitteilung des französischen Arzte- Jeard, der behauptet, in der Ein spritzung von Fluore-cinlösung unter die Haut ober in ei« Blutgefäß ein sichere- Mittel zur Entscheidung der Frage über Leben ober Tob gefunden -u haben. Er geht von der richtigen Tatsache au-, daß im Körper de- Schctntotcn immer noch eine gering, Säftecirculation von dem in langsamen schwache« Schlägen pulsierende« Herzen unterhalte» wird, fo daß schon nach wenigen Minuten eine Grirnfärbung des Augapfels und der Körperhaut bemerkbar wird, die natürlich an der Leiche nicht «intritt. Andere Acrzte haben dagegen eingewendet, daß unter Umständen gefärbte Flüssigkeiten auch am Lebenden an der Stelle, wo die Einspritzung vor genommen wurde, liegen bleiben können, ohne sich auf die Umgebung auSzubrciten. Kann demnach das Nicht eintreten der Grünsärbung nicht als absolut sicheres Zeichen deS Todes angesehen werden, so deutet das Fort schreiten der ersteren mit Sicherheit darauf hin, daß das Leben den Körper noch nicht gänzlich verlassen hat. DaS mit den einfachsten HülfSmitteln ausführbar« Verfahren muß somit als ein schätzenswertes Auskunftsmittel im Kampfe gegen den Tod in seiner heimtückischsten Gestalt bezeichnet werden. Seitdem die Elektrizität-industrie mit immer höheren Spannungen zu arbeiten gelernt hat, ist die Gefahr, vom elektrischen Strome getütet zu werden, für diejenigen, welche mit diesen Starkströmen umgehen müssen, in entschiedenem Zunehmen begriffen. Gegen über Strömen von 20 000 Bolt und mehr, wie sie bet Fernleitungen häufig in Gebrauch sind, versagt die iso lierende Kleidung au- Gummistoff, wie Handschuhe und Schuhe an- Gummi, die eine solche Dicke haben müßten, daß die Beweglichkeit d«S Arbeitenden -iS aufs äußerste behindert wäre. Professor Artemieff machte sich nun die Tatsache zu nutze, daß solche hochgespannte Ströme, die nur in Form von Wechselströmen verwendet werden, nie mals in die Tiefe der die Elektrizität leitenden Körper einbringen, sondern an deren Obersläch« entlang fort gleiten. Er konstruierte daher ein den ganzen Körper umschließende- Gewand au« feinem Kupferdrahtgewebe und ergänzte diese- durch eine ebenfalls au- Kupferdraht angefertigt« kapottenartig« Kopfbedeckung, deren au- f«iu«rr Metalls--«« bestechen-er Gesichtsschleier gerade «pH -«« Arbeiten-«» «ine» kchere» Durchblick ge stattete. In diesem nur 2 Kiloaramm schweren Kostüm, daS über der gewöhnlichen Kleidung angelegt wird, konnte Artemieff, der seine Erfindungen im Berliner elektrotechnischen Vereine vor zahlreicher Zuhörerschaft demonstrierte, durch Angrctfen mit den natürlich auch in dem Metallgewebe steckenden Händen den Kurzschluß zwischen zwei Drahtleitungcn Herstellen, deren DpannungSbtfferenz den ungeheuren Betrag von ISO 000 Bolt erreichte. Da- Metall, das sonst der beste Letter für den elektrischen Drrom ist, wird hier gerade durch diese Eigenschaft der beste Schutz de- Körper-, so daß man ArtemieffS Erfindung mit Recht al- daS „elek trische Et des Kolumbus" bezeichnen kann. Daß Geisteskrankheit stet- mit einer Ver änderung körperlicher Elemente de- Nervensystem- Hand in Hand gehen muß, kann dem philosophisch geschulten, logischen Denken zwar keinen Augenblick zweifelhaft sein, ließ sich aber bisher bei manchen Geisteskranken durch den Versuch nicht Nachweisen. Ein Wiener Psychiater hat vor kurzem diesen Beweis erbracht, indem er zeigte, daß bet Geisteskranken, die nur seelisch, aber nicht körperlich erkrankt zu sein schienen, die durch den elektrischen Strom gereizte Muskulatur nicht die nor male blitzartige Zusammenziehung erlitt, sondern nur eine langsame Kontraktion erfuhr, die man, medizinisch gesprochen, alv Zuckungtzträgheit bezeichnet, und al- ein sicheres Zeichen betrachten darf, daß die Lcitung-bahnen der Nervenstränge ober ihre Berbin-ungSzentren im Gehirn und Rückenmark pathologisch verändert sind. Einen direkten Gewinn für die Behandlung der Geistes krankheiten kann man zwar au- diesen Beobachtungen zur Zett noch nicht »bleiten. Immerhin wird aber die gewonnen« Erkenntnis nicht ohne Nutzen sein, al- sie auf- neu« darauf htnweist, daß psychisch« Erkrankungen, soweit si« überhaupt eine H-Uung-müglichkeit zulass«, »an- «t«nfo auf verSn-erMt^n in d«r N»»en-«ürn unb Fasern zurückzuführen sind, wie diejenigen Krankheiten, deren anatomische Grundlage bekannt ist, nicht aber durch einfaches Einsperren in die Jrrenzelle und Be täubung des Leidenden mit narkotischen Stoffen be handelt werden können, die nur ein verschämtes Ein geständnis der Tatsache sind, daß wir von der Pathologie deS Gehirns und der Nerven bis jetzt eben nur erst sehr wenig wissen. Dem Leidenden Schmerz zu ersparen, ist rin Ziel, daS neben dem Hauptzweck der Beseitigung der Krankheit durch Operation niemals außer acht gelassen werden soll. Einen ebenso genialen wie kühnen Weg zu diesem Ziele zeigte vor kurzem der Chirurg Bier, der, statt den Siy des Leidens mit großen Mengen Kokain, die immerhin doch recht bedenklich sind, zu überfluten, einfach an derjenigen Stelle der Rückenwirbclsäul«, wo die Nerven der erkrankten Körpcrstellc aus dem Rücken mark auStreten, eine Kokaineinsprttzung in den knöchernen Kanal der Wirbelsäule mit dem Erfolge machte, daß er dadurch eine durch Stunden anhaltende Schmerzlosigkeit und Unempfindlichkeit erzeugte, welche die Vornahme der langwierigsten Operationen gestattete. DaS als „medulläre Analgesie" bezeichnete Verfahren muß heute zwar noch al- ein chirurgisches Kunststück be zeichnet werden, da- zu seinem Gelingen eine Künstler hand vorauSsctzt, wird aber auf Kliniken, wo sich Spezialisten mit seiner Anwendung befassen, vielfach mit Erfolg angewendet werden können. Nicht minder interessant ist die Entdeckung, baß der Körper selber Säfte produziert, die eine intensiv schmerzstillende Wirkung auS- üben. Gemeint ist hier -er Drüsensaft der Nebennieren, jener pyramidenförmigen Organe, die den echten Nieren aufgelagert stad, deren Funktion bii-her gänzlich un bekannt war und voa denea man nicht viel mehr wußte, ckl» -aß th« ErkttmknuA ELtaxtun- -iH- batz
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite