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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030309022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903030902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903030902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-09
- Monat1903-03
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Vezugs.Prei- A der Havptrxpedittoa odei derer, stusgab» -Ale» >b,«h»lt. ««siellährüch , bet zvetmalig», täglicher Zok»ll,ou tu« -au- -.7- Durq die Post brzoueo fst. Deutsch- Km- u. Oesterreich vleiteliahrlich «.SO, für dt« üdrtgea Länder «aal Zeü-ng«pret«liste. Ne-aktio« v«d Lrvr-itio»l Tadanut-gast» 8. Ferajprecher ldö »ad SSL Ftttal >v»»d ttl-v e«, Alfred Hahn, vuchhaodt^ lUttversitüt-str.0^ 8. titsche Lacharme nstr rch «. «Svtg-pl. 7. Haupt-Filiale Dresden: tztrehleaer Straße S. Fernsprecher Am« l Nr. L71S. Haupt-Filiale Srrlin: Aarl Duncker, Herzgl vayr. Hosbochhandlg^ Lützowstraßr 10 Fernsprecher Amt VI Sk 4S0S, Abend-Ausgave. Ucip)igcr TagMM Anzeiger. ÄmlsvsM -es Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates un- -es Rolizeiarntes -er Lta-t Leipzig. Druck »ad Verlag »»» L. Pol» tu Leipzig. Annahmeschluß ckr Anzeige«: Abeud-Au-ga-a« Ivrmittag« 10 Uhr. Mvrg«»-Aa«ga-er NachiaMag« 4 Uhr. Anzeige» stad stets au di« Expedition zu richte». 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Ueber die Form dieser Verkündigung wird dem „Berl. Tagebl." au« Trier vom gestrigen Tage gemeldet: Bon sämtlichen Kanzeln der katholischen Kirchen wurde heute nach einer Verordnung des Papste« im Auftrag« des Bischof« Korum die Zurücknahme des bekannten Publt- kandum« über die Absolution-Verweigerung gegenüber solchen katholischen Eltern, deren Kinder die staatliche paritätische Töchterschule besuchen, in feierlicher Form verkündet. Es muß ein scharfer Druck gewesen sein, der von Rom auS auf den streitbaren Bischof geübt worden ist, um ihn zu einem solchen Schritte zu bewegen, der nicht nur ihm, sondern auch allen Absendern von Zu stimmungstelegrammen und dem ganzen Zentrum höchst pein lich sein muß. Aber gerade weil Bischof Korum einen solchen Schritt nicht getan haben würde, wenn er nicht unter scharfem römischen Drucke gestanden hätte, muß man leider auch be fürchten,daß der Meldung über den Sieg der preußischenRegierung der hinkende Bote in Gestalt einer Nachricht über erhebliche Gegenkonzessionen an den päpstlichen Stuhl Nachfolgen werde. Diese Besorgnis wirb genährt durch den Umstand, daß am Sonnabend zwar das „Berl. Tagebl." zu melden in der Lage war, der Vatikan habe sich bereit erklärt, den Bischof zur „Zurücknahme oder Modifizierung" seine« Erlasse« zu bestimmen, aber im Abgeorvnetenhause, wo die Be ratung de« KultuSetat« begann, der Kultusminifter vr. v. Studt aus eine Anfrage des Abg. v. Eynern über ven Stand der Korum-Angelegenheit nicht« zu sagen wußte. Daß die ganzen Verhandlungen mit der römischen Kurie hinter dem Rücken des Kultusministers geführt worden seien, ist doch wohl nicht anzunehmen. Man kann also nur vermuten, daß Herr vr. Sluvt am Sonnabend noch nicht einig mit sich war über die Form, in die er das Resultat dieser Ver handlungen kleiden sollte. Heute wird er vermutlich darüber im Klaren sein. Von seiner Erklärung wird es denn auch abhängrn, in welcher Tonart dir Beratung des KuliuSetatS vom Zentrum Weiler geführt werden soll. Am Sonnabend schien auch das Zentrum von der bevorstehenden Ungültigkeitserklärung des bncköslichen Er ¬ lasse« noch keine Kenntnis zu haben, denn die klerikalen Redner Dauzenberg unv vr. Porsch waren un ¬ erschöpflich in Klagen und Beschwerden über die unerhörte Bebanvlung, der die friedlichen Katholiken in Preußen aus gesetzt seien. Oder war den Herren bereits von Rom aus etwas über Gegenkonzessionen zugeraunt worden, die für den Druck auf den Bychof bewilligt worden seien und die Unterwerfung KorumS im Lichte eines zur Erwerbung eine« Goldstückes geopferten Nickels erscheinen lassen'? In diesem Kalle wird e« wenigstens von nationalliberaler Seile an energischer Kritik des Abkommens nicht fehlen. Am Sonnabend bewiesen die Abgg. v. Eynern und 97. Jahrgang. Montag den 9. März 1903. vr. Sattler, daß sie fest gewillt sind, ein Zurück weichen des preußischen Staates vor den ungezügelten An sprüchen der römischen Hierarchie nicht ungerügt zu lasten und nach Kräften zu bekämpfen. Der Reichstag bat sich am Sonnabend wieder einmal in seiner ganzen Glorie gezeigt. Er hielt zwei Sitzungen ab und war nicht im Stande, eine einzige Abstimmung vorzunehmen. Und waS geredet wurv«, ließ auch viel zu wünschen übrig. So war es ja an sich ganz lobenswert, daß die Abgg. Graf Oriola, Graf Roon und v. Kardorff beim Etat des allgemeinen Pensionssonds sich bitter über die Verzögerung der Reform des MilitärpensionSwesenS beschwerten und auf die Erklärung des KriegsministerS v. Goßler, die betreffende Vorlage sei fix und fertig, aber eS fehle an finan ziellen Mitteln zu ihrer Durchführung, darauf drangen, daß diese Mittel, unv wäre es auch durch eine Anleibe, beschafft würden. Ohne Zweifel bätle die Regierung die Pflicht, viel intensiver, als sie es tut, darauf zu bestehen, daß die Reform als unumgänglich nickt länger verzögert werde, aber was man in den Neven der Abgeordneten vermißte, war ein rückhaltloser Hinweis darauf, daß daS HauptbinverniS in der Mehrheit des Reichstages liegt, Vie jcve Erhöhung der Reichs steuern a Umills zurückwcist. Warum Hal man nickt die aus schlaggebende Partei, das Zentrum, vor allem Volk einmal gründlich verantworilich gemacht? Die ultramontanen Herren zogen cs vor, sich während dieser Debatte in undui chdringlicheS Schweigen zu hüllen, unv niemand störte sie darin. DaS ändert aber nichts an der Tatsache, daß e- einzig und allein an dieser Partei liegt. Denn von der radikalen Linken spricht man überhaupt nicht, wenn die berechtigten Erwar tungen der Militärpensionäre noch immer unerfüllt bleiben. — Nach der Erledigung des PensionSetats kam man zu der Assistentensrage der Reichspostver waltung zurück. DaS Plenum batte sie bekanntlich samt dem Anträge des Abg. Müller-Sagan, die Zahl der neu geschaffenen Assistentenstellen um weitere tausend zu erhöhen, von neuem an die Budget - Kommission verwiesen. Diese beantragte nun, den Antrag Müller abzulehnen, da, wie sie sich durch den Staatssekretär hätte überzeugen lasten, dafür kein Bedürfnis vorhanden wäre. Herr Müller beantragte für den Fall der Ablehnung seines An trages eine Resolution, nach der den nicht fest angestellten Assistenten nach fünfjähriger Dienstzeit das G-balt der fest angestellten gewährt werden solle. Andererseits beantragte der Abg. v. Waldow, mit der Vermehrung der etatsmäßigen Stellen für Postassistenten vorzugeben, sobald die zunehmende Steigerung des Verkehrs die Veiwendung einer höheren Zabl festangestellter Postbeamten irgenv zulasse. Eine wesentliche Debatte entspann sich über diese Frage nicht mehr. Als es aber zur Abstimmung über die ver- ichievenen Anträge kommen sollte — zur ersten wirklich um strittenen Abstimmung bei der diesjährigen Eiatsberatbung —, versagte das Haus, in dem kaum vier Dutzend Mitglieder anwesend waren und Vas also, wie auf einen sozialdemo kratischen Antrag sestgestellt werden mußte, beschlußunfähig war. Es blieb also nichts Anderes übrig, als die Sitzung zu schließen und eine neue auf eine halbe Stunde später anzu beraumen. Natürlich war auch diese beschlußunfähig, und so wurde die Abstimmung über die Posta! sistenkcn von der Tagesordnung abgesetzt und die Beratung des Militar- etatS begonnen. Weit kam man auch damit nicht. Nach dem sich der Sozialdemokrat Kuhnert eine Stunde lang in der von dieser Seite gewohnten Weise über Solvatenmiß- handlungen, Anstrengungen der Truppen bei den Manövern und das Eingreifen des Kaisers in die Manöver ergangen, wurde die Weiterberatung auf heute vertagt. Zm Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen wird damit gerechnet, daß der Milttärctat noch wesentlich mehr Zeit beanspruchen werde, als sonst. Aber nur keine Abstimmungen! Die wird man fein säuberlich aufheben müssen, um dann nach An sammlung einer größeren Menge für einige Stunden durch ungezählte dringende Telegramme 200 Abgeordnete zur An wesenheit zu bewegen. Lieber bayerisch sterben, als kaiserlich verderben. Der „Jngolst. Ztg." wird auS Dietfurt über dir dor tige Pap st feier gemeldet: „Rach einer kurzen Pause trat sodann der Hochw. Herr Stadt pfarrer Kohl an den Rednertisch, um vor Allem dem hiesigen Veteranenvrrein seinen Dank auszusprechen für die pietätvolle Ge sinnung, in welcher derselbe für die im Jahre 1703 hier ge fallenen Bayern heute einen Gottesdienst abhalten ließ. Hierauf schilderte er uns als geborener Redner in seiner bekannten meisterhaften Weise die äußeren und inneren Ursachen de- für Bayern so unsäglich traurigen spanischen Erbfolgekrieges, zeigte uns in packenden Worten die unmenschliche Grausamkeit, den infernalen Haß und den Vandali-mus, mit denen di« Oesterreicher im schönen Bayernlaudr wütheten und hausten, schlimmer noch al- ehemals die Schweden, und kam sodann aus das bei Dietfurt stattgefundene Gefecht, in welchem 103 Bayern, deren gemeintame Grabstätte leider nicht mehr ansfindbar ist, den Hrldenlot fürs Vaterland starben. Nach diesem unglücklich v«r- lausrnen Kampfe folgten für Dietfurt recht schlimm» Zeiten, wie uns der Hochw. Herr Stadtpfarrer an- müdfam in seinen Pfarr büchern zusammengesuchteu Notizen mitteileu konnte. Zweimal wurde unser Städtchen von den Oesterreicheru eingenommen und namentlich da- zweite Mal geplündert und gebraudschatzt von Husaren, welchen e« auf Rat seine- damaligen Pfarrherrn Borckl den Durchzog verweigert hatte. Doch endlich schlug auch für da verarmte, verwüstete Bayern die Erlöiungsstunde, als durch dos ganze Land hin da- Losungswort ertönt«: „Lieber bayerisch sterben al- kaiserlich verderben!" und in kurzer Zeit war da- österreichische Raubgesindel hinausgeworsen. Und diese treue Ergebenheit, welche damals, in jenen schweren Tagen, da» Volk seinem an gestammten Fürsten Max Emanuel, „dem Löwen der Schlachten", entgegengebracht, findet sich auch jetzt noch in jedem echten Bayern herzen, auch jetzt noch heißt eS: „Lieber bayerisch sterben als kaiserlich verderben!" Mit stürmischem Jubel wurde das vom Redner aus Se. königl. Hoheit den Prinz-Regenten aus- gebrachte Hoch ausgenommen und brausend in dasselbe eingestimmt Dieser Meldung ist nur hinzuzufügen, daß der Herr Stadtpfarrer von Dietfurt Mitglied nickt nur der dayerschen Abgeordnetenkammer, sondern auch deS Reichstag« ist und hier wie dort der Fraktion des Zentrum- angehört. Hoffentlich wird ihm im Reichslage, wenn seine FraktionS- genossen wieder einmal ihre Reichsfreundlichkeit betonen, sein reizendes „auch jetzt noch" ins Gedächtnis zurückgerusen. Ei» österreichisches Kvufnla« in Mitrowitza. Die österreichische Regierung ist dem Beispiele Ruß lands gefolgt und hat in Mitrowitza ein Konsulat errichtet. Den wichtigen Posten erhielt -er bisherige Bizekonsul in Antivari, lltitter v. Zambaur, und diesem ist bereits von der Pforte das Exequatur erteilt worden. Daß die Er richtung dieses Konsulats im Einverständnis mit Rußland erfolgte, ist sicher, denn dieses Vorgehen der Wiener Re gierung ist nur eine Konsequenz des vielbesprochenen sog. Balkanabkommens zwischen den beiden Mächten vom Jahre 1897, durch das gewissermaßen eine Parallelpolttik der beiden Reiche bei Aufrechterhaltung des statu» quc» auf der Balkanhalbinsel inauguriert wurde. Hoffentlich werden die Albanesen die Einrichtung des Konsulats ruhig geschehen lasten, nachdem sie erfahren mußten, daß ihr Widerstand auch den Einzug des russischen Konsuls Stscher- bina nicht verhindern konnte. Der an -er Mündung der Sitnitza in den Jbarfluß liegende Ort Nlitrowitza ist an und für sich, da er kaum 4000 Einwohner zählt, höchst un bedeutend, doch hat derselbe, wie der „Hamb. Korr." auS- führt, einen großen strategischen und kovmrerztellen Wert. Einerseits bildet Mitrowitza den nördlichen Endpunkt der von Saloniki in der Richtung auf den Sandschak von Novibazar und auf Bosnien führenden Eisenbahnlinie, und ist daher als Umladeplatz der von Norden nach Süden und von Süden nach Norden gehenden Waren von Be deutung, anderseits markiert Mitrowitza den Ausgangs punkt des natürlichen und künstlichen strategischen Dsfilös, das durch die nordalbanesischen Alpen und die Kopavnik Planina, sowie durch die Territorien Montenegros und Serbiens gebildet wird. Mitrowitza ist da- AuSfall-tor aus dem Sandschak von Novibazar nach Süden, nach Nord-Albanien und nach Makedonien, nach dem Fluß gebiete des Drin, nach dem Kossowo-Polje und dem Tale des Vardar-Flusses. Im Berliner Vertrage wurde diese strategische Bedeutung Mitrowitzas im Artikel 28 durch die Bestimmung charakterisiert, die Oesterreich-Ungarn daS Recht einräumt, „jusgu'au äslä clv Mtrovitra" vorzu dringen. Schwedische Landesverteidigung. Seitdem Schweden die größten Opfer auf sich ge nommen hat, »m die Verteidigungskräfte beS Landes zu entwickeln, steht die Anlage von starken Land befestigungen um Stockholm auf der Tagesord nung. Bon militärischer Seite wird darauf hingewiesen, daß die gegenwärtigen Seebefestigungen zwar genügen dürften, um, von der Marine unterstützt, den Angriff einer feindlichen Flotte zurückzuwetsen: gegen einen An griff von der Landseite liegt aber die schwedische Haupt stadt eigentlich ganz offen. Wie mit Sicherheit zu er warten ist, wird Stockholm demnächst mit einem Gürtel vorgeschobener Forts umgeben werden: wenn die bedeut same Angelegenheit bisher noch nicht entschieden worden ist, mutz dies lediglich dem Umstande zugeschrieben wer den, daß die Frage der BcrteidigungSmannschaft für die befestigte Hauptstadt noch in der Schwebe ist. In mili tärischen Kreisen ist man der Ansicht, daß es unter keinen Umständen zulässig wäre, auch nur einen kleineren Teil des eigentlichen Heeres für die Verteidigung der Haupt stadt zu verwenden, indem man betont, daß im Kriegs fälle die dem Heere zustehenden Aufgaben groß genug sein würden, um alle seine Kräfte in Anspruch zu nehmen. Es erscheine deshalb als angezetgt, eine besondere Heeres, abteilung für die Verteidigung Stockholms zu organi- Feuilleton. Miß Kachel äaltonn. Roman von Fl o re n,.c « Marryat. Siachvrua rcrbolen. Mr. Salier war dieser Ruhm indessen nicht zu Kopfe gestiegen. Er blieb ruhig in seinem Atelier in Haverstvck Hill und arbeitete fleißig weiter, um sich womöglich noch selbst zu übertreffen. Das Atelier war ein großer, von ihm schön hergerichtcter Raum. Au den Wänden hingen Gipsabgüsse von Händen und Füßen, Blumen und Früchten, zugleich mit zahllosen Skizzen und Entwürfen. Auf einem persischen Teppich standen zwei kostbare Ruhe betten, die mit Decken aus Damaskus in bunten, weichen Farbentönen bedeckt waren. Jede Farbe itn Atelier war zu den Tönen auf der Leinwand und dem matten Goldc der Rahmen abgcstimmt, und gleich auf deu ersten Blick sah man, daß der Künstler nichts so sehr liebte, als Blumen. Ueberall befand sich Blumenschmuck, und Farn und Palmen bildeten den Hintergrund, io daß das Atelier eher einem Gewächshause als einer Arbeitsstätte glich. Mitten darin stand Geoffrn Salier, die Hand auf seinen Liebling, einen Wolfshund, gestützt. Auf den ersten Blick wäre der romantisch veranlagte Beschauer wohl durch seine Erscheinung enttäuscht worden. Ter Mann in dem ein- achen, modernen Anzug besaß zwar eine hervorragend chöne Gestalt, und hätte er sich, wie viele seiner Kollegen, n einem Samtrock mit umgclcgtem Mantelkragen gezeigt und sein dunkles Haar lang wachsen lassen, dann würde er wie ein Bild von VelaSquez ausgesehen haben. Aber Gcoffry Salier hatte nichts von weiblicher Eitelkeit an sich. Er wttrbr jede Summe für den Schmuck feiner künstle rischen Umgebung angewandt haben, aber nur das Aller notwendigste für sich selbst. Lein Gesicht war sehr an ziehend und hatte einen traurigen Ausdruck, der es noch interessanter machte: aber sein dunkles Haar war ganz kurz geschnitten und an den Setten zurückgcbürstet, und fiel ungeschcitelt auf die Stirn in einer natürlichen Lock«, die er in der Erregung mit der Hand zurückzmverfen pflegte, was sehr charakteristisch für ihn war. Denn Mr. Salier war leicht erregbar und schüchtern. Er besaß «in sehr zart empfindendes Temperament, dem offen ausgesprochenes Lob, das den meisten Leuten eine Wonne ist, geradezu weh tat. Er errötete gewöhnlich tief, wenn er von Fernerstehendcn angeredet und genötigt wurde, irgendwie in den Vordergrund zu treten, unter hielt sich aber unbefangen mit einem Freunde oder Kunst genossen. Seine großen, tiefblauen Äugen, die so dunkel waren, daß sie beinahe ganz schwarz erschienen, hatten einen eigentümlich in die Ferne schauenden Blick, als ob sie nur halb dessen bewußt seien, was um ihn vorging: und sein durch keinen Bart verdeckter Mund ließ in auffallen der Weise die innere Festigkeit des Charakters vereint mit «incm weichen Gemüte erkennen. Als er so dastand, hörte man mehrere Cabs und Wagen Vorfahren. Es war die Stunde gekommen, die er für den Besuch seiner Freunde angegeben hatte, und sie zeigten ihre Ungeduld durch ihr pünktliches Erscheinen. Eine Minute später war das Atelier von einer eifrigen Menge gefüllt, alles wechselte Händedrücke mit dem Künstler oder stellte Freunde vor, und der Löwe des Tages, das große Akademiebild, war von einer Schar von Bewunderern umgeben, während Mr. Salier bescheiden zur Seite stand, eine Hand auf die Staffelei gestützt, die das Kind seiner Muse trug, halb besorgt, wie eine ängstliche Mutter, ob seine Freunde sich auch nicht als Feinde erweisen und ihm durch ihre übermäßige Bewunderung Schaden zufügen möchten. Es war ein sehr hervorragendes Bild. Die lebens große Figur eines jungen Mädchens ruhte auf einem Mooslager und erwachte soeben vom Schlaf. Sie lag in einem Walde, im Schatten eines Baumes, und ringsumher spürte man die Morgendämmerung. Der erste Strahl der Sonne tauchte am Himmel auf und die Nebel der Nacht entschwanden in der Entfernung. So zart war der Bor wurf behandelt, daß man sich einbilden konnte, man sähe das Leben der Blätter und das Aufbrechcn der kleinen Waldblumen beim Hauche des Morgenwindes. Die Vögel waren erwacht und sangen in den Zweigen, ein Schmetter ling flatterte über das blumige Gras, auf dem noch der Tautropfen glänzte. Und das menschliche Geschöpf schien auf die Offenbarungen der Natur zu antworten. Sie war in halbsitzender Stellung gemalt und lehnte sich auf den Ellbogen, während ihr Antlitz der ausgehenden Sonne zu- gewandt war. Aber der Ausdruck ihres Gesichtes machte den Hauptzaubcr des Bildes aus. Er war nicht.mißzu verstehen. Während ihre Gestalt unter dem Wunder einer groben Entdeckung zu zittern schien, waren ihre Augen groß aufgeschlagen und die halbgeöffneten Lippen schienen laut zu sprechen und die Worte zu sagen: „Ich glaube!" Mrs. Ommaneys Gesellschaft, die an sich ziemlich welt lich gesinnt war, stand in ehrfurchtsvollem Schweigen da vor. Die Botschaft hatte selbst zu ihnen gesprochen. „Wie schön!" sagte Mrs. Ommaney endlich halblaut. „Mr. Saltcr, Sie haben uns einen großen Genuß bereitet. Ich habe nie im Leben etwas Aehnliches gesehen." Mr. Salter errötete in seiner knabenhaften Art und antwortete einfach: „Es freut mich, daß es Ihnen ge fällt." Seine Stimme war eigentümlich leise und wohl klingend, und erregte Miß Saltonns Aufmerksamkeit, so daß sie hastig von dem Bilde auf den Künstler blickte. Wi^ aristokratisch und fein sah er aus, als er dort stand — ebenso hoch über den Federn, Blumen und Volants der Gesellschaft Mrs. Ommaneys, als er die samtgeklcideten, tabakdustendcn Künstler überragte, die im Hintergründe des Ateliers umhcrstandcn. Sie würde ihn nie für einen Künstler gehalten haben: er sah wie jeder andere gebildete Mann aus. Aber wie traurig er zu sein schien! Was konnte der Grund davon sein? Als sie hierüber nachdachte, hob Gcoffry Saltcr die Augen und sah gerade in die ihrigen mit dem ruhigen Blicke eines Kindes, und wandte sie dann ohne Ver wirrung nach einer andern Richtung. Er wußte weder, daß sie eine reiche Erbin, noch daß sie von hohem Adel war, und eS würde auch keinen Unterschied bei ihm gemacht haben. Er betracksiete sie nur als eine von Mrs. Omma- ncys Gästen, und beim ersten Blick erschien sie ihm als ein wenig hübsches Mädchen, das aber eine anmutige Haltung besaß und gut gekleidet war. Rachel wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Bilde zu, aber sie konnte den beinahe wehmütigen Ausdruck in Mrs. TaltcrS Augen nicht vergeßen. Das Erscheinen einer alten Haushälterin mit einem großen Thcebrett, auf dem sich Taffen befanden, brachte eine Abwechselung nach anderer Richtung hin hervor. „Nun, Mrs. Ommaney", bat der Künstler mit seiner gedämpften Stimme, „wenn Sie mein kleines Mädchen genug betrachtet haben, wollen Sie und Ihre Damen mir dann die Ehre erweisen, eine Taffe Thee ober Kasse« z« trinken? Bacmister und Marshall", fuhr er fort, „kommt her und reicht Kuchen und Obst herum. Sie müssen die Unjulüngltchkeit einer Junggesellenwirtschaft entschul digen, meine Damen, aber ich hoffe, daß meine gute alte Freundin hier, Mrs. Keene, ihr Möglichstes für Tie getan hat." „O, Mr. Salter, wie können Sic im selben Atem von so prosaischen Dingen wie Thee und Kuchen und Ihrem entzückenden Bilde reden?" rief Mrs. Ommaney. „Ich könnte es den ganzen Tag über anscyen, bis ich Hungers stürbe." Bei dieser Bemerkung zeigte Mr. Salter, daß er recht herzlich lachen konnte. Rachel blickte wieder auf und war noch mehr überzeugt, daß etwas ganz Besonderes den so unnatürlich traurigen Ausdruck auf seinem Gesichte verschulden müßte. Sein Blick traf ihr Auge, und er fuhr fort, zu lächeln, aber das Blut stieg ihm in die Stirn, und da ein paar andere Be sucherinnen seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, mußte er sich abwcuden. „Meine liebe Miß Saltonn", flitsterte Mrd. Onnnaney, den Mund voll Kuchen, „Sic sollten di« Paneele Ihres achteckigen Zimmers von Mr. Salter ausmalen lasten. Sir John Lamivell sagt, er hätte Freskomalereien sür das Speisezimmer des Herzogs von Cressy in Thorley Castle ausgcführt, die wunderbar schön wären. Sie müßten es gleich mit ihm abmachen: seine Preise werden von Tag zu Tag steigen." „Wie könnte wohl ein solcher Künstler die Paneele eines Zimmers malen!" rief Miß Saltonn, mit einem Blick auf das „Erwachen". „Es wäre eine Entwürdigung! Aber ich möchte misten, ob er Unterricht gibt? Wie gern würde ich bei ihm kernen! Ich liebe nichts so sehr, wie die Oelmalerei." „Sie brauchen ihn nur z« fragen, Liebste. Er kann es von einer Dame Ihrer Lebensstellung nur als ein Kompliment auffasten." „Ich könnte ihn nicht fragen", antwortete Rachel. „Ich würde fürchten, ihn zu verletzen." „Ach, Unsinn! Es ist schließlich nur eine Geschäfts angelegenheit. Ich will Ihnen den Weg ebnen." Wenige Sekunden später folgte MrS. Ommaney dem Künstler ans andere Ende des Ateliers. „Mr. Salter", begann si«, „haben Sic vielleicht ans Miß Saltonn ge achtet, die junge Dame, die sch Ihnen vorstellte ?" „Die Große in Crömc und Braun? Natürlich. Mrs. Ommaney." „Nun, sic ist eine ziemlich bedeutende Persönlichkeit. Sic ist die große Erbin Miß Rachel Saltonn, die Enkelin des
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