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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030310026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903031002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903031002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
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Anzeigen-Preis die SgefpaUene Pattzette Ld Reklame» unter dem NedaktionSstrich (4 gespalten) 7K vor den FamUieunach rtchtru (8 gespalten) KO Labellarischer und Ktfferusa- entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme Lk (excl. Porto) Extra-Berlage» gefal-H rar mit der Morgen-Uu-gabe, §hu« Sostbetördemag 40.—. «tt stoNbefärderuug 70.—. Aunahouschluß Ar Anzeigen: Ab«»d-Aa»gab«: Zormittag» 10 Uhr. Morg,».An-gaber NachurtttagZ 4 Uhr. Anzeige» stad stet» an die Expedition zu richten. Di« Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend» 7 Uhr. Druck und Verlag vou L, Pol» t» Leipzig. Nr. 126. Dienstag den 10. März 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Marz. Ter Sieg der preußischen Negierung In der gestrigen Sitzung des preußischen Abgeord netenhauses hat nun auch der Kultusminister vr. Studt Mitteilung über den Rückzug des Bischofs Korum ge macht, und zwar nach der „Nat.-Ztg." in folgender Form: Im Anfang seiner Rede hat der Abg. vr. Barth auch die An gelegenheit in Trier erwähnt. Inzwischen ist die Verfügung zurückgenommen worden, und ich habe namens der königlichen Staatsregierung folgende Erklärung abzugeben: Nach einem Berichte des Regierungspräsidenten in Trier hat die gestern in den Pfarr kirchen von Trier erfolgte Kanzelverkündigung folgenden Wortlaut: „Gemäß den Erklärungen der Minister im Abgeordneten hause und nach weiteren Mitteilungen hat die Regierung di« Absicht, den Wünschen der Katholiken in der hiesigen Schulfrage gerecht zu werden. Deshalb hat der Bischof in Uebereinstimmung mit dem heiligen Vater angeordnet, daß unsere Kanzelpublikation wegen ver änderter Umstände als nicht geschehen zu betrachten sei." (Hört, hört!) Die von der Regierung in dieser Angelegenheit ergangenen Mitteilungen gehen sämtlich über den Rahmen der in diesem hohen Hause von dem Ministerpräsidenten und von mir abgegebenen Erklärungen nicht hinaus. Die Regierung gibt sich der Hoffnung hin, daß nunmehr die Er haltung eines friedlichen Verhältnisses in Trier ermög licht ist." Wer sich erinnert, waö Graf Bülow und vr. Studt bei der ersten Besprechung dieses Erlasses sagten, der muß er kennen, daß zwischen der am Sonntag in Trier von den Kanzeln verlesenen Verkündigung und der an sie gestern vom Kultusminister geknüpften Erklärung ein Widerspruch besteht, der vorläufig nicht zu lösen ist. Der zurückgenommene Erlaß lautete: „Die heiligste Pflicht der Eltern ist die gute Erziehung ihrer Kinder. Die Religion muß aber die Grundlage der Erziehung bilden. Nach wiederholten Entscheidungen der Kirche ist es katho lischen Eltern nicht erlaubt, ihre Kinder in nichtkatholische oder konfessionslose Schulen zu schicken, besonders wenn an demselben Ort katholische Schulen vorhanden sind. Dieser Grundsatz gilt auch für Trier und für die hiesige konfessionslose höhere Töchterschule und kann nicht abgeändert werden. Daher erklären die Pfarrer der Stadt Trier im Anschluß an den Erlaß des hochwürdigsten Herrn Bischofs: Wenn katholische Eltern ihre Kinder ohne die wichtigsten, von der Kirche anerkannten Gründe, die für schulpflichtige Kinder höchst selten gelten können, und ohne die notwendigen Vorsichtsmaßregeln dieser Schule über weisen, so versündigen sie sich schwer und können im Sakrament der Buße nicht losgesprochen werden. Demnach bitten und beschwören die Pfarrer der Stadt Trier die katholischen Eltern, dieser ihrer heiligen Pflicht und ihrer Verantwortung vor Gott doch eingedenk zu sein." Die neue Verkündigung des Bischofs läßt also keine andere Deutung zu, als die, die Negierung habe, nachdem ihr dieser Erlaß bekannt geworden, dem Bischof oder dem Papste versprochen, dafür zu sorgen, daß katholische Estern in Trier ihre Töchter nicht mehr in die paritätische höhere Töchter schule zu schicken brauchten, also eine katholische Anstalt zu errichten. Nach der gestrigen Erklärung des Ministers aber hat die Regierung nichts getan, was über ihre kürzlich abgegebenen Erklärungen hinausginge. Und in diesen Erklärungen wurden von dem ihr bekannt gewordenen Beschwerden katholischer Eltern in Trier nur zwei als berechtigt anerkannt: die über die Erteilung des Unterrichts im Deutschen und in der Geschickte lediglich durch evangelische Lehrpersonen und die über das benutzte pädagogische Lehrbuch. Beiden Beschwerdepunkten hat der Kultusministers, wie er in der veiflossenen Woche besonders betonte, schon vor einem Jahre seine Aufmerksamkeit in der Ab- sickt geschenkt, Aeuderungen herbeizusühren. Bisher jedoch wurde, vermutlick wegen der durch den Bischof von Trier geweckten Gewissensbedenken, eine katholische Lehrkraft für die obengenannten UnterrichiSgegenslände nicht ausfindig gemacht; in dieser Hinsicht kann auch die Negierung gar nichts ver sprechen; in Sacken des Lesebuches bat sich der preußische Kultusminister dafür ausgesprochen, daß aus Luthers „Send schreiben" die groben Ausfälle entfernt oder ausdrück lich als Erzeugnisse ihrer Zeit erklärt werden sollten. Hal nun neuerdings die preußische Negierung dem Papste oder dem Bischof nichts versprochen, was nicht im Rahmen dieser vor acht Tagen abgegebenen Erklärung liegt, wie kommt der Bisckos dazu, von „veränderten Umständen", „weiteren Mitteilungen" zu reden und die Meinung Hervorzurusen, die Regierung sei willens, der paritätischen Anstalt in Trier eine seinen Wünschen entsprechende katholische Anstalt an die Seite zu stellen? Der Abg. vr. Friedberg sprach gestern die Ansicht aus, Bischos Korum habe durch die seltsame Form seiucö Rückzuges diesen nur verschleiern wollen. Ist das richtig, so ist bas Wort „Verschleierung" noch sehr mild. Ihm wird freilich von Seiten des Zentrums deshalb kein Vorwurf gemacht werden, während der Regierung, wenn sie etwas verschleiert hätte, die schwersten Vorwürfe nicht erspart bleiben würden. Einstweilen darf man also wohl annehmen, daß Herr vr. Studt die ganze Wahr heit gesagt und mit nichiS hinter dem Berge gehalten habe. In diesem Falle hätte er von einem vollen Siege der Negie rung sprechen dürfen. Eine Bestätigung erfährt diese An nahme durch die klerikale „Köln. Volksztg.", indem sie wörtlich schreibt: „Der Versuch, in einer Einzelfrage . . unter Anwendung des äußersten Mittels, der Absolutionsverweigerung, vorzugehen, mußte scheitern, weil eben in anderen Diözesen, speziell auch in Köln, eine Praxis vorhanden war, welche sich mit dem Trierer Vorgehen nicht vertrug." Auch die weitere Wendung des Bischofs vr. Korum, er habe „in Uebereinstimmung" mit dem Papste die Zurückziehung seines Publikandums ungeordnet, wird von der „Kölnischen Volkszeitung" dahin korrigiert, baß das Publikandum „auf eine päpstliche Weisung hin" zurück genommen sei. Die Beseitigung dieses Publikandums war crklärtermaßen das Ziel, welches Graf Bülow auf kein Wege direkter Verhandlung mit der Kurie erreichen wollte. Wir haben von anfang an auf dem Standpunkte gestanden, daß der Erfolg beweisen werde, ob der vom Grafen Bülow eingcschlazene Weg ricklig sei ober nicht. Wie der Ausgang der Trierer Angelegenheit sich heute darstellt, ist man berechtigt, zu sagen, daß der von der preußischen Negierung vertretene Slaatsgedanke einen vollen Erfolg über die klerikale Maßlosigkeit davongetragcn habe. Unterlegen in dem tollkühn beraufbesckworenen Kampfe ist aber nicht allein der Bischof vr. Korum, sondern auch die Zentrumspartei und die Zentrumspresse. Die Auf fassung des Zentrumsvertreters vr. Dittrich, daß der Vorstoß Korums sich ganz auf innerkirchlichem DiSziplinar- gebiete bewege, in welches die Regierung nicht eingreisen „dürfe", ist durch niemand anders als durch die Kurie aä ab8uräum geführt worden. Und das Gleiche gilt für den Zentrumsvertreter Roeren, der die Schuld für den Trierer Schulstreit ausschließlich der Regierung zu wälzte. Welche Gründe die Kurie zu ihrer unerwartet raschen nachgiebigen Entscheidung bewogen haben, wird sicher lich noch geraume Zeit verborgen bleiben. Jedenfalls spricht die Vermutung dafür, daß die Erwägung eine Haupt rolle spielte, durch Korrektur einer übermütigen Heraus forderung die preußische Regierung von einer Revision ihrer Gesamtstellung zur katholiscken Kirche abzuhalten. In den Rahmen solcher allgemeinen Ueberlegung gehört die Rücksicht auf einen einzelnen Fall, auf die von der preußischen Negierung betriebene Beseitigung des tz 2 des I e s u > t en ge setz es. Selbstverständlich werden sich die nichtpreußischen Landesregierungen in ihrer Stellung hierzu durch das Ent gegenkommen des Vatikans nickt beeinflussen lassen. Im Gegenteil! Je deutlicher der AuSgang beS Trierer Handels gezeigt hat, daß es grade die feste Haltung der Staatsgewalt ist, die der Aufrechterhaltung des konfessionellen Friedens dient, um so mehr müssen sich die Bundesregierungen eins fühlen in dem Wunsche, der Wahrung des konfessionellen Friedens durch Festigkeit gegenüber derjenigen Ordens genossenschaft zu dienen, die infolge ihrer satzungsmäßigen Feindseligkeit wider den Protestantismus nur zu leicht zum Störer beS konfessionellen Friedens werden kann. Im Reichstage scheint die allgemeine Debatte über den Militäretat nicht die vielfach gefürchtete Ausdehnung nehmen zu sollen; gestern ist bereits das Gehalt des Kriegsministers und eine Reihe weiterer Titel bewilligt worden. Die Debatte brachte fast nur Wiederholungen der Reden, die alljährlich bei dieser Gelegenheit gehört werden. Die Klagen über das Dnellwesen, die Soldatenmißhandlnngen und die zn starke Berücksichtigung von Aeußerlichkeiten wurden mit der bekannten, durch einige neue Fälle ergänzten Be gründung namentlich vom Abgeordneten Bebel in längerer Rede vorgctragen, nachdem schon vr. Müller- Meiningen in ruhigerer Form bezüglich der Be kleidung und Ausbildung verschiedene Reformwünsche vorgebracht hatte. Auch die Beschwerden der Polen fehlten nicht. Was die Duelle betrifft, so ist die Feststellung des Kriegsministers erfreulich, daß im letzten Jahre zwischen aktiven Offizieren überhaupt kein Duell statt gefunden hat. Auf die einzelnen Fälle von Soldaten mißhandlungen und unverhältnismäßig milder Be strafung der betreffenden Vorgesetzten, die der Mg. Bebel erwähnte, ging Herr v. Gvßler im Einzelnen nicht ein; grundsätzlich erkannte er an, daß für so schwere Mißhandlungen, wie sie in den Bcbelschen Berichten er wähnt sind, keine Strafe streng genug wäre. Der Abg. Kunert, der sich schon am Sonnabend eine Stunde lang über den „Militarismus" geäußert hatte, begann gestern eine Kritik kaiserlicher Befehle bei den letzten Ma növer« und widersetzte sich den Anordnungen des Prä sidenten, der dies nicht zulassen wollte, so hartnäckig, daß er sich drei Ordnungsrufe zuzog; der Wortentziehung entging er nur dadurch, daß er nach dem dritten Ord nungsrufe selbst aufs Wort verzichtete. Von der Rechten traten u. a. zwei Redner für das Duell auf, die Abgg. v. Tiedemann und v. Oldenburg. Daß letzterer noch das Wort ergriff, war einigermaßen seltsam, nachdem die Wahlprüfungskonnnission seine Wahl einstimmig für ungültig erklärt hat. Das Plenum hat zwar noch keine Gelegenheit gehabt, die Ungültigkeit des Mandats auSzu- sprechen, aber der Abg. Bebel hatte nicht Unrecht, wenn er sein Staunen darüber aussprach, daß unter diesen Um ständen Herr v. Oldenburg noch als Redner auftrat. — Die zweite Lesung des Militäretats wird heute fortgesetzt. Die Deutschenverfolgvage« in Ungar». Der Abgeordnete Schönerer hat kürzlich im öfter« rcichischen Abgeordnetenhause die Regierung wegen der Deutschenverfolgungen in Ungarn interpelliert. Hierzu wird uns aus Wien geschrieben: Die magyarischen Blätter sind über Schönerers „Dreistigkeit" ganz aus dem Häuschen, und man kann bei solchen Gelegenheiten einen Blick in jene schöne Seelen tun, die sonst gerne mit ihrer Teutschfrcundlichkeit prunken. „Budapests Hirlap", das führende magyarische Blatt, regt sich besonders auf; er findet, daß „die Siebenbürger Sachsen schon zur Zeit der Reformation gegen die Magyaren waren nnd daß dieselben immer mit den deut schen Kaisern gefühlt haben, wenn ihre Heere in das Siebenbürger Fürstentum hereinbrachen; auch im Jahre 1848 haben sie gegen ihr Vaterland gekämpft." So Hütten sie denn jetzt, meint das Blatt, die Bundes genossenschaft Schönerers gesucht, obwohl es ihnen doch in Ungarn nicht schlecht gehe, denn sie haben deutsche Zeitungen, deutsche Schulen usw. Das Blatt weist dann mit der obligaten Entrüstung die Einmischung der — „Krefelder Zeitung" in ungarische Angelegenheiten zu rück. Daß auch etwelche andere, und nicht gerade die letzten und kleinsten reichsdeutschen Blätter, sich mit der Frage der Deutschenverfolgung in Ungarn eingehend be schäftigt haben und immersort beschäftigen, — die Frage wird nicht so bald von der Tagesordnung ver schwinden —, das brauchen die Leser des „Bud. Hirlap" ja nicht zu wissen. W«S die Anspielung aus dir Gegner schaft der Siebenblrrger Sachsen in der Zett der Refor mation anbelangt, so ist dieselbe offenbar nur als Aus druck des Dankes dafür zu betrachten, daß hauptsächlich sie den Einzug der Reformation nach Ungarn vor bereiteten. Ihr Kampf „gegen das Vaterland" im Jahre 1848 galt aber dem von Kosfuths Ungnaden ab gesetzten — König von Ungarn. Und was die Behaup tung betrifft, die Deutschen in Ungarn haben sich an Schönerer um Hülfe gewandt, so ist unser Gewährs- mann in der Lage, auf das Bestimmteste zu versichern, daß ein solches Ansuchen an Schönerer von deutsch-ungarischer Seite nicht gestellt wurde, sondern daß er ganz aus eigenem Antriebe die Sache im Reichsrat zur Sprache gebracht hat, sowie es vorher Schrei ter und Lueger getan hatten. Gerade.in dieser Spontanität solcher Sympathieäuße- rungen von dentschösterreichischen Politikern verschie dener Parteirichtung liegt der große Wert der be gonnenen Bewegung. Wenn nun auch die Ansichten über die Form der Behandlung des Gegenstandes aus- einandergchen mögen — so z. B. scheint die Mottvierung der magyarischen Dcutschcnverfolgung durch französische Ränke etwas weit hergeholt, wenn auch nicht vergessen werden soll, daß viele Magyaren, darunter der gegen wärtige Handelsminister Lang, der Idee eines magya- Feuilleton. Miß Nachei AMonn. Roman von Florence Marryat. Nachdruck verboten. Rachel mißverstand ihre Gefühle. „Beunruhigen Sie sich nicht wegen des Geldes. Ich sagte schon Sir Henry, daß ichIhnen ein Jahr lang das volle Gehalt geben würde, und meine Tante Lady Mordaunt wird sich dafür inter essieren, Ihnen sofort eine andere Stellung zu verschaffen." „O, cs liegt nicht an dem Gelbe, Miß Saltvnn . . . Es liegt nicht an dem Gelbe . . ." sagte die alte Frau wie feierlich. „Sie sind durch meine schnelle Kündigung verletzt", er widerte Rachel, „nnd denken wahrscheinlich, daß sie ganz auf die gestrige Meinungsverschiedenheit zwischen uns zu rückzuführen ist. Tas ist aber nicht der Fall. Es liegt ein anderer Grund vor; ich brauche eine lebhaftere, tätigere, kurz, eine jüngere Gefährtin. Sie haben ein Lebensalter erreicht, in dem man sich nach Ruhe sehnt, und ich fange erst au, zu leben. Es wäre unrecht, von Ihnen zn ver langen, spät aufzubleiben oder mich oft in Theater oder Gesellschaften zu begleiten, weil Sic es nicht aushalten und zusammenbrcchcn würden. Sie verstehen mich wohl?" „O ja, Miß Saltvnn, ich verstehe Tic. Ich wurde am letzten Geburtstage vierundsechzig nnd bin mit meinen Kräften zn Ende", erwiderte die alte Dame und beugte sich über die Stickerei, auf die ihre Tränen herabtropttcn. „Nein, sagen Sie das nicht", fügte Rachel mit etwas weniger Würde hinzu, „Sie werden noch jahrelang für eine leichtere Stellung tauglich sein, als die hier jetzt sein wird. Quälen Sie sich nicht darum. Tante Mary wird bald ein passendes Engagement für Sie finden." „Darum quäle ich mich nicht", antwortete Miß Montrie. „Ich habe ja, Gott sei Dank, eine Heimat, wohin ich gehen kann, und Freunde, die sich freuen werden, mich wieder- zuseken!" „Warum weinen Sie dann?" Die Gesellschafterin warf plötzlich ihr Strickzeug aus die Erde und verbarg ihr Gesicht in dem Stuhlkisicn. „Sie werden bös« auf mich werben ... daS weiß ich ... aber ich muß r» sagen. Ich hab, Sie lieb, mein Kind ,.. und cö bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, daß ich Sie verlassen soll." Wenn ihr Bedienter Miß Saltvnn plötzlich erklärt hätte, daß er sie liebe, dann hätte sie nicht mehr erstaunt, ja beleidigt auskehcn können. Sic erhob sich mit ihrer stolzesten Miene von ihrem Titz und blieb schweigend uyd verstimmt auf dem Kamintevpich stehen. Sic konnte nicht begreifen, wie die häßliche, dumme, alte Frau, die in die Kissen des Stuhles hinein schluchzte, zu dem Unterfangen kam, sie lieb zu haben. Rachel hatte indes doch genug Gefühl, um nicht absicht lich unfreundlich zu werden, aber ihre Stimme klang sehr gezwungen, als sie antwortete: „Ich weiß nicht, inwie fern ich hierzu Veranlassung gegeben habe, Miß Montrie." „O, das kommt daher, weil ich Sic anders als die anderen ansehc, weil ich unter der Oberfläche zu lesen weiß, daß es nnr Ihr Stolz ist, der wie eine harte Kruste über Ihrem von Natur aus warmen und gütigen Herzen liegt." „Das ist nur ein Grund mehr, daß wir uns trennen müssen", erklärte Rachel unbeugsam. „Ich habe nicht gern Leute um mich, Miß Montrie, die mehr lesen,- als ich wünsche, daß sie lesen sollen. Ihnen mag cs ja ganz recht erscheinen, aber mir kommt cs wie eine doppelte Imperti nenz vor." Und ohne ein weiteres Wort überließ sie Miß Montrie ihren strömenden Tränen. * * * Der Wechsel war erfolgt. Miß Montrie hatte Cather stone verlassen und Kate Cranlcy herrschte an ihrer Stelle. Miß Saltvnn mochte ihre neue Gesellschafterin viel lieber als die alte, und ließ sich ihr gegenüber sogar zu größerer Vertraulichkeit herab. Und Mrs. Cranlcy schien nie im Wege zu sein und war doch immer zur Stelle, wenn sie gebraucht wurde. Tie nahm ihrer Herrin alle Mühen am Frühstückstische ab und flatterte überall in dem alten Hause herum, hier die Möbel oder Blumen anders stellend, dort die Falten einer Portiere zierlicher ordnend, bis alles einen neuen Glanz unter ihrem Einflüsse erhielt; denn sic hatte einen vortrefflichen Geschmack. Auch Rachel besaß Geschmack, aber sie hatte die meiste Zeit ihres Lebens mit ernstem Studium oder Träumen verbracht, und war nie darauf gekommen, ihr Gefühl für das Schöne auch aus so alltägliche Gegenstände, wie die Möbel ihres Hauses, zu übertragen. Kate Lranley dagegen war durch ihre beschränkten Verhältnisse gezwungen worden, das Schöne für sich selbst zu schaffen. Sie war klug, hatte Augen nnd Ohren offen gehalten und konnte mit Rachel beinahe über alles sprechen. Sie war eine gute Reiterin und hatte, solange ihr Vater gelebt hatte, einen eigenen Pony gehabt. Als Rachel dies erfuhr, ließ sie eins ihrer Pferde für sic satteln, und von dieser Zeit an begleitete ihre Gesellschafterin sic gewöhnlich auf ihren Ausritten. Aber obgleich Miß Saltvnn so freund lich und zuvorkommend war, blieb doch die eine unnah bare Stelle in ihrem Charakter, die Mrs. Cranlcy von Anfang an erkannt hatte, und die zu berühren sic sich sorgfältig in acht nahm. Sie war nicht so aufdringlich be scheiden, wie Miß Montrie, aber sie besaß das Taktgefühl, zu bemerken, wann sic nicht gebraucht wurde, und eine glückliche Gabe, gelegentlich zu verschwinden, die Rachel außerordentlich gut paßte. Der Salon, von dem sie gesprochen hatten, war in der Saison eingerichtet worden. Jeden Dienstag war Miß Saltvnn zu Hause, nm ihre Freunde zu empfangen. Bei diesen Gelegenheiten waren die Gartenanlagen und Terrassen von Catherstoue beleuchtet, und der ganze untere Stock, der auch eine Gemäldegalerie, einen Skulpturen gang und ein Billardzimmer enthielt, das in ein großes Gewächshaus führte, war zugleich mit allen Wohn zimmern für die Gäste geöffnet. Die Einladungskarten, welche für die ganze Saison lauteten, waren eifrig angenommen worden, und von allen Seiten kamen Bitten nm weitere Einladungen für wnlil- bekanntc Namen, oder die Aufforderung, Bekannte persön lich vorstellen zn dürfen. Nackxl sah bald, daß ihr wöchent licher Empfang Hunderte von Besuchern zählen würde, während sie sich nur aus denen etwas machte, die sich in Kunst oder Literatur ausgezeichnet hatten. Natürlich hatte sie auch an Mr. Satter eine Karte geschickt. Sie wollte ihn gern bei sich sehen, um seinen Rat cinzuholen wegen der Ausmalung der acht Paneele in ihrem Oktogon- Zimmer — das heißt, um ihn dahin zu bringen, daß er sie selber mit seinen Phantasicgebilden ausfüllte. Aber zu ihrer Enttäuschung lehnte Mr. Salter ihre Einladung ab. Er gab keinen Grund an, sondern schrieb nur, daß es ihm leid täte, daß er sic nicht annehmen könne. Rachel fühlte sich gekränkt, war aber zu stolz, dies merken zu lassen. „Mr. Salter sagt ab", bemerkte st« zu Mr». Lranley, al» sie den Umschlag geöffnet hatte. „Ich glaube, er findet eS zu weit, um abens herauszukommen." „Wie, eine halbe Stunde Weges von der Stadt?" rief Kate aus. „Das ist unmöglich. Es muß wieder seine Ein bildung sein. Verlassen Sie sich darauf, Miß Saltvnn, er hält sich für etwas zu Besonderes, um mit der gewöhn lichen Menge zn verkehren. Ich erinnere mich fetzt, daß Lady Bessant mir erzählte, wie er ihre Einladungen aus geschlagen, habe er ihr gesagt, er ginge nirgends hin, weil cs ihn in seiner Arbeit störe, oder ähnlichen Unsinn. Er will nnr von sich reden machen. Das ist alles!" „So kam er mir nicht vor", sagte Rachel nachdenklich. „Es ist vielleicht ivahr, daß eS ihn in seiner Arbeit stört und seine Phantasie beeinträchtigt. Es schien mir, als ob er mit ganzer Seele bei seiner Arbeit wäre, und es lag keine Spur von Prahlerei in seinen Worten, wie er da von sprach, nicht wahr?" „Nein", versetzte MrS. Cranlcy zweifelnd, „wenigstens nicht auf der Oberfläche. Aber meine Meinung ist doch, daß Mr. Salter ein stilles Wasser ist. Warum hält er sich von der Geselligkeit fern ? Andere Leute in seiner Stel lung tun es doch nicht. Sie sehen vielmehr in der Gesell schaft ein Mittel, sich vorwärts zu Helsen. Ich möchte wetten, daß er in den Künstlerklubs von London nicht un bekannt ist und daß er die halben Nächte dort zubringt. Wahrscheinlich hat er den Geschmack an anständiger Gesell schaft verloren. Das ist bei Künstlern oft der Fall." „Oh, dann können wir ihn hier nicht brauchen", rief Rachel erschreckt aus. „Aber warum sollte er dann zurück haltender sein als Mr. Furleu, Mr. Dichson und Sir Ed ward Laymann, die doch alle kommen?" „Vielleicht ist noch etwas im Hintergründe, Miß Sal- tonn. Mr. Salter hat vielleicht eine gewöhnliche Frau, die er in den Tagen seiner Verborgenheit geheiratet hat und die er sich nun schämen würde, uns zn zeigen oder Ihnen vorzustellen." „Ich lud nur ihn ein", erwiderte Rachel schroff. „Das weiß ich. Aber diese ungebildeten Frauen haben mitunter die Gabe, sich unliebsam bemerkbar zu machen, und er müßte vielleicht die Folgen fürchten, wenn er Ihre Einladung annälnnc." „Haben Sic je als gewiß gehört, daß Mr. Salter ver- heiratet ist?" fragte Rachel. „Nicht doch, Miß Saltvnn. Und ich glaube, es weiß j niemand etwa» von ihm. Sr hat dt« Geöurt d«» Früh-
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