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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.03.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030323014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903032301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903032301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-23
- Monat1903-03
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Dabellarischer and Ziffernsatz entsprechend höher. — Nedüdrrn sür Nachweisungen und Offertenannahme 85 («xcl. Porto). Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morg«».Au4gabe, ohue Postbeförderung >il «0.—, mit Postbrförderuug 70.—. JinnahMschluß fiir Ltyeigr«: Abeud-AuSgade: vormittags 10 Uhr. Mvrgea-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sinh stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Potz in Leisqtg. Nr. 148. Montag den 214. März 1903» 87. Jahrgang. Amtlicher Teil. Die drei berechtigten Privatschnlen in Leipzig. Aufnahmeprüfung: Montag, den 20. April, von 8 Uhr ab. Beginn des Unterricht»: Dienstag, den 21. April. A uneldnngen werden täglich (außer Sonntags) von 11—12 Uhr »ntgeqengenommen. Dir. vr. kr. kotk (Teichmann-Or. Roth'sche Privatschule), Real schule mit Progymnasial« und Borschulclassen (Ecke der Untversitäts- und Schillerstrabe.) Fernsprecher Nr. 2059 Dir. l)r. L. Uarlli, Realschule mit Prvgymnasial- u. Elementar- classen (Ouerstr. 19 u. Georgiring 5.) Fernsprecher Nr. 4080. Dir. 0. Doller, Realschule (Gottschedstraßr 32). Aoiikurr-Aiiktrsn. DienStag, den 24.» und Mittwoch, den 25. März er., je von Vormittag 10 Uhr an, soll Lchjiz, MM 13 tttikglihknö Hess, im Auftrage des Konkursverwalter» Herrn RechlSanwalt vr. Wachtel da» zur Konkursmasse Wahnig gehörige AostLurLtivlls Illvviltar als: 1 6leit. Bierapparat mit 10 Stechhähnen incl. Zubehör. RestauratioNStische und -stühle, Schränke, 1 Pianino, 1 Kochherd mit Wärmer, 1 Eisschrank, groß« Partieen Alpaccasilber und Nickel, geschirrt, Kupfer- und diverses andere Ktichrngeschirr, Bier-, Wein- und Likörgläsrr, Restaurationswäsche, Weine, Liköre, Comerven u. v. m. öffentlich gegen sofortige Barzahlung versteigert werden. 8el>»»r8el>mlckt, Lokalrichtrr. Die Sparkasse Paunsdorf expediert täglich von 9—IS Uhr Bor- und 2—5 Uhr Nach mittag» und verzinst Einlagen mit 3^/zO/o. Letzte Nachrichten. * Verltr», 22. März. Der Kaiser empfing gestern vormittag noch den Regierungspräsidenten v. Günther und nahm militärische Meldungen entgegen. Nachmittag unternahm der Kaiser einen Ausritt in den Tiergarten und begab sich abends zum Dister beim Minister des Königlichen Hanfes v. Webel. — Heute morgen besuchten die Majestäten den Gottesdienst in der Garnisonkirche. * Eharlottenburg, 22. März. Das Mausoleum im hiesigen Schlosspark zeigte heute, als am Geburtstage weiland Kaiser Wilhelms des Grossen, reichen Schmuck von Blattpflanzen und blühenden Blumen. Gegen Mit tag erschienen Prinzessin Viktoria Luise und Prinz Joachim, bald darauf der Kaiser, die Kaiserin und Prinz Adalbert. Das Kaiscrpaar legte einen Kranz in der Gruft nieder. Im Laufe des Tages wurden weitere Kränze von den Generaladjutanten, den Leib regimentern Kaiser Wilhelms I. nnd von Krieger- und patriotischen Vereinen niedergelegt. Von auswärts traf u. a. eine Kranzspende von der Grobherzogin von Baden ein. Ter Besuch des Mausoleums seitens des Publikums war in den Nachmittagstunben ungemein stark. Berlin, 22. März. Die Reichsschulkommis sion war in den letzten Tagen znsammengetreten. Ihre Aufgabe ist, darüber zu wachen, dass den Anforderungen, welche die Militärverwaltung an die sich zum Ein jäh rig-Fretwilligen-Dien st Meldenden stellt, an den in Betracht kommenden Schulen nnd Bildungs anstalten möglichst gleichmässig im ganzen Reichsgebiete entsprochen werde. Man wird nicht fehlgchen in der An nahme, dass das Fortschreiten der Schulreform auch ans die Verhältnisse, welche für die Erlangung der Berechti gung zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst in Betracht kommen, Einfluss hat, und dass das Zusammensein der Ncichsschulkommission mit hierauf bezüglichen Er wägungen in Zusammenhang stand. * Berlin, 22. März. Im Reichstage besteht jetzt die feste Absicht, die Etatsbcratung am Montag und DienStag zum Abschluss zu bringen und dann in die Ferien cinzutreten, welche bis zum 21. April dauern werden. Durch den frühzeitigen Eintritt Ferien ist cs nicht ausgeschlossen, dass das Kranken kassengesetz unter den Tisch fällt. Die Vor aussetzung sür dessen Erledigung war bisher, dass die Kommissionsberatungen vor den Ferien beendet und der Bericht verteilt werden könnte. lMgdb. Ztg.) * Berlin, 22. März. In parlamentarischen Kreisen nimmt man an, daß der Bundesrat selbst eine Vorlage, betreffend Gewährung von Diäten an die Mitglieder des Reichstages, ausarbeiten und dem letzteren am Schlüsse der Session vorlegen werde. Bis zu diesem Zeitpunkte dürfte auch die Einbringung des Entwurfs wegen Sicherung des Wahl geheimnisses hinausgeschoben werden. Der vom Reichstage beschlossene Diätcngesetzentwurf wird in BundcSratSkreiscn in mehrfacher Hinsicht als unpraktisch beanstandet. sB. L.-A.) * Berlin, 22. März. UeberdieKanalvorlage berichten übereinstimmend Berliner Blätter nach einer Korrespondenz: „Dass die grosse wasserwirtschaftliche Vor lage Mittellandkanal und östliche Wasser straßen in der kommenden Session den neuen Landtag beschäftigen wird, kann schon jetzt als fest stehend angenommen werden. Wenn auch wohl ein förmlicher Beschluss des Staatsministertums über den Zeitpunkt für Einbringung der Vorlage noch nicht gefasst ist — ein solcher Beschluss erfolgt herkömmlich erst in einem späteren Stadium —, so ist die ernste Absicht, die Vorlage in der nächsten Tagung zur Verabschiedung zu bringen, bei allen massgebenden Faktoren unzweifelhaft vorHanden. * Berlin, 22. März. An der Hochzeit des Groß» Herzogs Wilhelm Ernst von Sachsen-Wei mar mit der Prinzessin Karoline von Neuß ä. L., welche am 80. April d. I. am Bückeburger Hofe stattfindet, wird, neueren Bestimmungen zufolge, der Kaiser allein teilnehmen. Der Kaiser trifft nicht schon am 28., sondern erst am 30. April in Bückeburg ein. (Post.) * Berlin, 22. März. Di« Verleihung des Ehren bürgerrechts von Bromberg an den Reichs kanzler hat folgenden Dcpeschenwechsel veranlaßt: Bromberg, 19. März 1903. Tie vollzählig erschienenen städtischen Körperschaften haben einstimmig beschlossen. Euerer Exrellenz das Ehrenbürgerrecht der Stadt Bromberg zu verleihen. Unser Wunsch, hierdurch der unwandelbaren Dankbarkeit der Stadt gegen Euere Excellenz sichtbaren Ausdruck zu geben, entspringt nicht nur freudiger An erkennung der bcdeirtsamen Schöpfungen Euerer Exrellenz innerhalb des städtischen Weichbildes, in der wissenschaft lichen Förderung der Landwirtschaft und der Erschliessung der natürlichen Entwicklungsbedingungcn unserer wichtigsten Industrie, sondern gründet sich vor allem auf die feste Ueberzeugung, dass die von Euerer Exrellenz im Auf trage Sr. Majestät des Kaiser» in grossen Zügen vorgezeichnete und furchtlos zur Durchführung gebrachte Politik der umfassenden wirtschaftlichen Fürsorge für alle Glieder und Gebiete der Provinz auf die Dauer der allein zum Ziele führende Weg zur Sicherung und kulturellen Entfaltung unserer hrimisck)en Mark ist. Im Auftrage von Magistrat und Stadtverordneten. gez. Knobloch, Oberbürgermeister. Hierauf hat der Reichskanzler mit nachstehendem Telegramm erwidert: Berlin, 20. März 1903. Oberbürgermeister Knobloch-Bromberg. Das Ehrenbürgerrecht der Stadt Bromberg nehme ich gern an. Hocherfreut, der Ostmark nunmehr auch persönlich anzu gehören, danke ich Ihnen und den städtischen Körperschaften herzlichst, dass Sie mich durch die grösste Ehrung einer Stadt einstimmig ausgezeichnet haben. Mächten sich die Hoffnungen in reichem Umfange erfüllen, welche sich an die Massregeln zur Erhaltung und Förderung deutscher Kultur und Sitte im Osten und insbesondere auch für die weitere erspriessliche Entwicklung Brombergs knüpfen. Ich bin gewiss, dass BrombergS Bürger schaft in unerschütterlicher Anhänglichkeit an König und Vater land allezeit wie bisher ein treuer Hort des Deutschtum» blechen wird. Bülow. * Berlin, 22. März. Das Befinden de» Abg. ».Heere- man hatte sich gestern etwas gebessert; er nahm auch Nahrung zu sich, nachdem er die Nacht leidlich gut ver bracht hatte. * Weimar, 22. März. Der Großherzog hat den Groß- herzoglichen Ministerialdirektor GtaatSrat vr. Paul Krausein Weimar, seinem Ansuchend entsprechend, vom 1. April d. I. ab in den Ruhestand versetzt und ihm den Titel „Geheimer Staatsrat" verliehen. Feuilleton. In Lönig Laurins Reich. Eine Besteigung der Rosengartenspitze. 'Uachdruct vervoleu Sonnenuntergang — Purpurn erglüht der zackige Saum der Rosengarten gruppe. In rotem Schimmer strahlt das kleine Schnee feld, das hoch oben in der zackrgcn Wildnis eingebettet ist: die Rosen in Laurins Zaubergarten sind erblüht. Tiefer sinkt der glühende Ball. In feuriger Glut erstrahlen all' die Zacken und Türme. Wabernde Lohe umleckt gierig des Zwerglönigs Felsen burg. Doch schnell erlischt die wilde Glut, und starr und schwarz ragen die Zinnen in den Abendyimmcl empor. Die Rosen im „Gartl" sind verblüht. — Dunkle Schatten erfüllen das Vajolett-Tal, das sich vom breiten Fassa-Tale heraufwindct in dieses grausige Felsengewirr. Der rasende Sturm, die rollenden Trümmer haben das anstllrmende Heer der Fichten und Lärchen stark gelichtet. Nur wenige wetterharte (Gesellen behaupten, wenn auch zerzaust nnd zerrissen, zäh die er- oberte Scholle. Bald werden auch sie im Kampfe er liegen, und zwischen den Felsblvcken wird ihr saftiger Stamm vertrocknen und bleichen in heisser Sonnenglut. Unten im Tale wirds lebendig. Graue Nebel wallen gespenstisch hin und her. Ein sanfter Windhauch treibt sie aufwärts. Die „saligen Fräuleins" weben und schweben hinauf in ihr Reich, getragen von duftigen Schleiern. Sie scherzen und kosen, sie schlingen den Reih'n, sie wiegen sich in den Hüften. Sie lösen sich los von den bärtigen Fichten, die sie mit hundert Armen festhalten möchten: „Ich will nicht länger Am Boden stocken, Lasst meine Hände, Lasst meine Locken, Lasst meine Kleider, Sie sind ja mein." Sie haben den Absatz erreicht, auf dem sich als einzige menschliche Ansiedelung in diesem Reich des Tode» «in kleines, steinernes Saus erhebt, die Schutzhütte der Sektion Leipzig des Deutschen und Oesterreichischen Alpen- vereins. Die Nebel bewirken, daß ich die Bank vor der Hütte verlasse und mich in bas gastliche Zimmer begebe, wo um deS Lichts gesell'ge Flamme sich die wenigen Gäste sammeln, di« sich, 2255 Meter hoch, im niedrigen, ge täfelten Stübchen, ans harten Holzbänken, an einfachen Holztischcn, bei Erbsensuppe und Thee, im wetterfesten Boden, wohler fühlen, alk im palastähnlichcn, komfor tablen Karersce-Hotel mit elektrischem Licht und Lift, mit Diner und Reunion, mit Lawn-tennis und Flirt in Lack schuhen und weißem Flanell. Lola, die angehende Sängerin aus Dresden, sitzt ver stimmt in der Ecke. Sie grollt ihrem Führer, den sie sich aus dem Stubai-Tal mitgebracht hat. Wie sich Hera«»- gestellt hat, hat er sic heute, anstatt zur Spitze, auf irgend einen Punkt d«S Roscngartcngebietes geführt. Acht Lage lang hat er ihr treu gedient; heute aber hat er den Ab schied bekommen. Auch der Engländer, der schon seit zehn Tagen in der Bajoletthütte weilt, grollt. Mit Verachtung straft er die Gäste, die es nicht leiden wollten, daß er seine langen Beine auf die wethgeschencrte Tischplatte legte — eine Stellung, die doch außerordentlich bequem zum Lesen ist. — Zwei junge Zermatter Führer stehen ihm zur Verfügung. Sic müssen ihn jeden Tag, ob Regen, ob Sonnenschein, aus einem neuen Wege zu irgend einem Gipfel führen. Ob er Aussicht hat oder nicht, ist ihm ziemlich gleichgültig. Zwanzig Gulden pro Tag kostet dem Lohne AlbionS dieses Vergnügen. — Anch die Führer sind schon mit der Hütten ordnung in Konflikt geraten: Die Decken ans dem Tou- ristenschlafraumc dünktcn ihnen gerade gut genug für ihr Heulager, bis eines Abends die energische Schaffnerin ihnen ihren Raub entriß und sie nicht gerade sanft aus süssen Träumen aufschrccktc. Den Mittelpunkt der kleinen Gesellschaft bilde» zwei Damen. Silbergrau glänzt der Scheitel; aber rosig glühen die faltigen Wangen und jugendlich leuchten die Augen der Fünfzigjährigen. Die Schwestern, die be rühmtesten Bergsteigerinnen Deutschlands, haben vor ein paar Tagen die Fünsfingerspitze nnd gestern den Winkler turm „gemacht"! Ein Renommieren von Seiten anderer mit irgend einer Tour kann angesichts solcher Leistungen gar nicht anfkommen. Fast beschämt gestehe ich auf eine Frage, daß ich „nur" die Rosengartenspitze mir als Ziel für morgen gesteckt habe, doch, wie ich mit Selbstgefühl hinzufüge, nicht auf dem ge wöhnlichen, sondern auf dem sogenannten Ampferer-Wege, benannt nach dem kühnen Innsbrucker Bergsteiger, der ihn als Einziger bis jetzt gewagt. Mein Führer, Luigi Rtzzi aus Campidello, hat mir versichert, daß diese An stiegsroute alles bieten wird, wonach das Herz sich sehnt: steile Wände und scharfen Grat, schmale Bänder und enge Kamine. Und mit den Helden, die einst auszogen, König Laurin zu bezwingen, sprech' ich: „Suchen will ich die Rosen rot, Und sollt' ich drum kommen in grosse Not." Eben tritt der Führer in das Touristenzimmcr, um mir. ehe er das Lager aufsucht, gute Nacht zu wünschen. Er reicht mir die Hand, wie einst Held Wittich, der grimme Degen, sich Herrn Dietrich von Bern verpflichtete: „Ich will euer Geselle sein Zur Fahrt nach jenem Garten, Wo unser Kämpfe warten. Den Garten und den Rosentand -stampf' ich nieder in den Sand. " Ich beende die Lektüre des kleinen Retlamhestchcns Nr. 1235: „Zwergkvnig Laurin", um mich durch sanften Schlummer auf heimischem Boden zum bevorstehenden Kampfe zu stärken. — Noch verbergen die mächtigen östlichen Wände des Vajo- lett-TaleS die aussteigendc Morgcnsonne und decke,« mit ihrem Schatten die gastliche Hütte, als wir sie am andern Morgen verlassen, — „Da hatte mit güldenen Borten, Mit Gold und mit Gesteine König Laurin. der Kleine, Die Rosen schon behangen." Vornweg schreitet Luigi. Unter d«m roten Fe», da- er als Sinziger im Fassatale trägt, quillt daS schwarze Kraus haar hervor. Doch verdrossen blicken die dunklen Augen; denn mühsam windet sich der Weg im lockeren Geröll, das kein rechter Dolomitführcr vertragen kann, empor. Ledig aller Bürd«, folg« ich ihm; den Rucksack und die sonstige Ausrüstung: Kletterschuh«, Gell und Proviant — hat der Trager übernommen, -er den Schluß der kleine» Karawane bildet. Treiviertcl Stande lang währt die Wanderung in der „Gartlschlucht" durch die Millionen abgebröckclter Steine, ans denen, wie aus einem steinernen Meere, die Dolomit riffe einvorragen. Tie Stelle ist erreicht, wo der „Einstieg" beginnen soll. Wir rüsten nns zum Kampfe, wie weiland der alte Hilde brand mit seinen Recken: „Sie haben zu diesen Stunden Die Helme fest gebunden." Jetzt konnnt Leben in meinen wackern Luigi; jetzt ist er in seinem Elemente, denn die Kletterei beginnt. Die benagelten Bergstiefel — mit solch' grobem Ge schütz ist dem hinterlistigen Zmergkönige nicht beizukom men — werden vertauscht gegen di« leichten Kletterschnhe aus Segeltuch und mit Bindfadensohlen. Auch von Eis- ptckcl und Bergstock «Nüssen «vir uns trennen. Diese be währten Freunde, dazu die Rucksäcke, den Proviant usw. nimmt der Träger an sich, um sie an unserer mutmaßlichen Abstiegstelle an der Westseite nieberzulegen. Keine unbe rufene Hand wird sich dort an ihnen vergreifen. Der Führer schnürt das 30 Meter lange Seil sich nnd mir um die Hüften — ein letzter Blick hinunter zum winzigen Schutzhause — der Aufstieg beginnt! Fest haften die weichen Sohlen auf dem zackigen Grunde. In schmalen, vorspringenden Absätzen baut sich der Felser« auf. Auf diesen oft kann« handbreiten „Bän dern" schlängeln wir uns langsam empor. Prächtige „Griffe" bieten die rissigen Wände der tastenden Hand. Prüfend mustert das Auge die steilen Felsen, um hier «inen Griff, dort einen Tritt zu erspähen und sofort zu benutzen. Katzenartig klimmt Luigi aufwärts. Sein kleiner, sehniger Leib schmiegt sich an s«de Vertiefung im gelblich-roten Gestein. Bald hängt er über mir, bald ist er meinen Blicken verschwunden; nur bas sich straffende Seil gibt mir die einzuschlagende Richtung an. Ich kralle mich förmlich fest und klettere ihm nach, nicht achtend der gähnenden Tiefe unter mir, nur die Steine fürcht««-, die oben abbröckeln, doch meistens im Bogen über mich Hin wegsausen. Nur abwechselnd wird „gearbeitet". Nährend der Tourist steigt, beobachtet ihn von einem höheren, sicheren Standpunkte aus d«r Führer. Er hat das Seil mehrmals um «inen vorspringenden Felsengrtff ge schlungen und drückt es fest in die Vertiefung. So gesichert, ist er im stände, den plötzlich Stürzenden zu halten; das Seil aus bestem englischen Hanf reisst nicht so leicht. Ein Riß zieht sich die Felswand hinauf. Der interessanteste Teil -er Tour, die Kletterei im Kamine, beginnt. U«ber 1 Meter sind die Wände von einander entfernt, und nur mit Beinspreitzcn seitwärts ist ein Fortkommen möglich. Ellbogen und Schultern müssen helfen, den Körper empor- zuschiebcn. Doch glätter werden die Innenwände de» Kamin», und die Füße finden an ihnen keine seitlichen Stützpunkte mehr. Da muß -er Körper eine horizontal« Lage einnehmen. Mit Schultern und Rücken stemme ich mich an die linke Wand, mit den Sohlen fest an die gegen- überliegcndc. Fast wollen die Zehen umbrechen, doch langsam rutsche ich so empor. Nicht achte ich der Risse, die die Lodenjoppe davonträgt — sind ja auch schon die Fingerspitzen von allzufestem Zugreifrn „durch". Ohne Pfand tut's König Laurin einmal nicht! Schlimmer ging'S einst jenen Helden der Sage: Den rechten Fuss, di« lm« Hand. Nach ziemlich zweistündiger Kletterei ist der nordöstliche Borgipfel erreicht, und das ersehnt« Ziel liegt vor unS. Auf schmalem Grate, bergauf, bergab, stürmen wir vor wärts zur Spitze, 2998 Meter hoch. Froh des gelungenen Werkes drückt mir Luigi die Hand. Verschwunden ist jede Mattigkeit, verschwunden der Schmerz in den blutenden Fingerspitzen, nicht spür« ich die empfindliche Kälte. Im Schauen versunken, fühle ich wie einst di« alten Recken des LtedeS: „Wer dorthin kam gegangen Nnd schaute all' die Herrlichkeit, Den verliess sein Herzeleid." Ein Wald von Zacken und Spitzen ragt empor. Wir weilen über ihnen und schauen über sie hinweg, über den Stabckr-, Winkler- und Delagoturm, diese schroffsten, unersteigbar scheinenden Gebilde. Zu unseren Füßen liegt, von den Laurinswänden gleich einem riesigen Gitter eingefriedigt, ein gleißendes Schneefeld, das sagenhafte Gartl. Schräg abwärts zu grünen Matten ziehen sich graue Schutthalden hin, die beredten Zeugen der allmäh- liehen Zertrümmerung der Alpen. Wie zierliche Flechten nnd Moose erscheinen die hohen Fichten deS Waldes tief unter uns, dessen Rauschen nicht in diese Einsamkeit her aufdringt. Nicht zu vernehmen ist das Rauschen der beiden Rosengartengewässer, des Tschamin- und Purga. metschbaches, die sich im Tierser - Tale vereinigen und dem wilden Sisack zueilen. Das Auge folgt ihnen, bis eS Bozen, in dunstiger Sonnenglut flimmernd, entdeckt hat. Als Hintergrund erhebt sich die gewaltige Mauer der Mendel, hinter der in blauer Ferne sich die Eisfelder des Ortler mit den Wolken des HinnnclS vermählen. Schweift der Blick nach Osten, so fesselt ihn die eiSge- panzerte Marmolaba, die wie eine Königin ihre Vasallen beherrscht. Nnr dte Palagruppe im Südosten versteht e«. sich mit ihren kühnen Gipfelbauten, mtt dem Ctmon della Pala, dem „Matterhorn der Dolomiten", Beachtung zu erzwingen. Im Schauen verrinnt die Zeit. Mehrmals muß der Führer zum Aufbruch mahnen. In di« Blechbüchse, die wohl eingebettet zwischen Steinen ruht, lege ich die Visitenkarte mit umgebogenerEcke, zumZeichen meines Be suches bei König Laurin. Nach seiner Bekanntschaft ge- lüstet eS mich nicht, da ich im alten Liede von ihm gelesen habe: „Er steckt voll arger List, Dass nimmer ihm zu trauen ist." Zum Abstiege wählen wir di« Route, die den gewöhn- lichen Aufstieg bildet. Es ist der westliche Abfall nach dem Gartl. Auch jetzt suchen wir wieder einen Spalt zu ge- winnen, und nach ?/rstiindiger Kletterei haben wir die Stelle des Gartls erreicht, «vo inzwischen der Träger Ruck sack und Proviant niedrrgelegt hat. — Mit der Fussbe- kletdung wird wieder gewechselt. Die Kletterschuhe kom men in die tiefsten Gründe deS Rucksacke», dort «euer, fröhlicher Taten harrend. Die Vergschuhe tragen uns sicher abwärts durch Schnee und Geröll. Einen Hellen Juchzer schicken wir voran», der schnrller als wir zur Hütte gelangt und unsere Rückkehr anmelbet. Er lockt die kleine Schar der Anwesenden ans der Hütte heraus. Manche Hand streckt sich uni» grüßend entgegen, und freundlich heißt man un- willkommen auf heimatlicher, auf Leipziger Erde! D. L
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