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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030318027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903031802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903031802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-18
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VezugS.PrelS 0 ß» v«vr,kp«dMo» «d« »««, «»»-»L». stell«, «d-«ho!t: vterteliShtttch ^l ».—, bet pveimallg« täglich« Zaftellvaa tu- Hau» I.7L. Durch 01» Poft b,»v«e, ft», Devkiäp laud ». Oesterreich ttert-ljSdrlich «.»0, 'ür di» ädrige» Länder laut Zettu»g«pret»üst«. Lrdaktiou und Lrvedttio»! Jvhanntägaffe 8. Fernsprecher td» «ch 8SL Fttta>ev»e»ttt-«-«r UIFedHad», vuchtzaadlg, üaloerfltüt-str.H R. ittsch«, Kathattueaftr l< ». Mäutgäpl. 7. Hairl-Filtale Vrer-eu: Strehleaer Straß« ä. Fsrufpvech«» Amt l Nr. 171L Ha«p1-Filtale Lerli«: E«l Dumker, Herzgt Bayr. Hofbvchhaudlg^ Lützowstraß« lv. Fernsprecher AuU VI Nr 4Ü06. Abend-Ausgabe. MpIgcr TagMM Anzeiger. ÄmLsvlatt des Königrichen Land- «nd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Aales und des Aotizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzergeu.Prek- u» ffgefpaltme Petltzettt SV H, Neklame» uuler dem Redaktiou-strich (4 gespalten) 7K H vor dru Familien aalt» richten («gespalten) KO H. Tabellarischer and Kiffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osserteuannahau »S (exel. Porto). Ertra-Beilagen gefalzt .,,r mit der Morgen-Au-aab«, aha« Postbrtarderuug ^it Zü.—. nit ßoUblsörderaug »4 /v.—. Lmrahmeschluß kLr Ltyeigt«: Id«»d-Lu»-ab«r Tormittag- 10 Uhr. Mor-iu-RaS-aber Nachmittag» 4 Uhr. Auzei-« st-tz stet» «, d», ErpeOttio» za richte». Die Expedition ift Wochentag» mnwterbrochen -«öffnet von früh 8 bi» ab«»» 7 Uhr. Druck and Verla- von E. Polz t» Leipzig. Sir. I'to. Mittwoch den 18. März W03. 97. Jahrgang. PolMsche Tagesschau. * Lei-zi-, 18. März. Siu Druckmittel des Zentrum». Wie die „Köln. Zig.- erfährt, erzählt man sich in den Wandelgiingen de» Reichstag«, da» Zenirum habe in Aufsicht genommen, gegen dir Aufnabme einer Anleihe zur Deckung des Fehlbetrags des Neichsbausdall« für 1SV3 zu stimmen und dafür einzutrelen,daß dei Fedlbetiag durch Mairikularumlagrn gedeckt werd«. „DaS Zentrum", so fährt da» rheinische Blatt fort, „glaubt durch eine solch« stärkere Belastung der mittleren und der kleineren Bundes- staateo einen Druck auf die Regierungen aueüben zu können, um diese sür dir Aufhebung des tz 2 de« Jesuiten- gesetzt» umzustimmen. In ZentrumSkieisen siebt man in der Tat diese Frage mit einer sehr getrübten Brille an. Es wird kein Hehl darau» gemacht, daß da» unzeitgemäße und zwecklos« Vorgehen de» Bischof» Korum in hohem (Arad« di« Zirkel des Zentrum» gestört und bei vielen Re- aieruugeu dru Widerstand gegen die Aushebung dcs I 2 hervoraerufen und gestärkt hat. Diesen Regie rungen gegenüber glaubt das Zentrum seine Macht dadurch fühlbar machen zu können, daß eS die schon an sich finanziell überlasteten Staaten durch eine Vermebrung der Maiiikular- umlagen zu bedrücken sucht. Wir verzeichnen diese Mit teilungen, da sie ein Helles Lickt auf di« unangenrbme Lag« Weifen, die das kriegeriicke Vorgehen des BuckorS Komm sür da» Zentrum bervorgerusen Hal. Der Plan des Zentrums rst ja der dem namentlich auf der Rechten zur Gewohnheit ge wordenen schlechten Beiuche deS Reichstags an sich wobl aus führbar, aber er stellt auf alle Fälle ein sehr zweischneidiges Schwert dar, das in manchen Bundesstaaten dem Zentrum sehr schaden könnte. Wir möchten deshalb bezweifeln, baß bei der dritten Leiung der von der Regierung vorgeschlagenr Weg, den nach den reichlichen Streichungen im Heeres- und Floitrntiat üdrigbleibenden Feblbeirag durch rin« Anleihe zu decken, endgültig verworfen werden sollte." — Zuzuirauen ist dem Zentrum ein solcher Plan jedenfalls. Seine Presse sowohl wie «eine Parlamentsrrdner haben sich zwar mit großer Entschiedenheit und mit scheinbarer Entrüstung gegen die Annahme verwahrt, daß das Versprechen de» Grafen Bülow, die preußischen Siimmen im Bundes rate für die Aushebung deS tz 2 des JesrutengesetzeS abgeben zu lassen, die Folge eines vor dem Eintreien des Zentrums für die dem BundeSrate gefällige Form der Zolllariivorlagen abgeschlossenen „Kuhhandels" sei. Wer avrr die Gesäumt« und die Grundsätze dieser Fraktion lennt, wird nicht bezweifeln, daß sie mit Vergnügen bereit fein würbe, einen ähnlichen Kub handel mit anderen Einzelstaaten adzuschließen, ober aber, wenn diese sich weigern, dem Zentrum sür die Abwendung einer Erhöhung der Matrikularveiträge die Aufhebung jenes Para- grapden gleichfalls zuzugestehen, gegen die Aufnahme einer Reichsanleihe zu st urmen. Unc dei der Abneigung einer nickt geringen Zahl von Abgeordneten gegen neue Reichs anleihen ist die Gefahr, baß es dem Zentrum gelingen werde, im Bundesrate eine sür die Aufhebung jene« Paragraphen genügende Zahl von Bundesstaaten durch die Drobung mit Eihouung der Marrikulai beitrage gefügig zu machen, weit größer, al» die „Köln. Zig." au- oroimt. Sie kann nur abgewendet werben, wenn diejenigen Fraktionen, die seinerzeit mit dem Zentrum sür die Aul hebung de« H 2 de» JrsuiteugeseheS gestimmt, aber muilei- weile au» der durch das ganze Reich gehenden Bewegung die Erkenntnis ihres Fehlers gewonnen haben, voll zählig bei der Entscheidung über die Frage der Deckung deS FeblbeirageS deS Reichshaushalt- für 1903 im Hause erscheinen und geschlossen für tie Deckung durch eine Anleibe stimmen. Geichiebt dies nicht und fällt der Anleihevorscklag, so liegt bei der überaus trüben finanziellen Lage vieler Ein,elstaaten die Wabrschein- lichkeit nabe, baß der Bundesrat in ein und derselben Sitzung die Verwerfung der Erböhung der Manikularbeiträge und die Aushebung des tz 2 des JesuitengesetzeS be'chließt, um noch in letzter Stunde das Zentrum einer Anleihe geneigt zu machen. Hülfsmittrl de» JesuitiSmuS Von klerikaler Seite werden gegenwärtig große An strengungen zur Verbreitung der sogenannten Marianiscken Kongregationen gemacht. JnSbesonrere bemüht man sich in Preußen, eine Aufhebung des Verbotes der Marianiscken Kongregationen für ka'boliscke Schüler höberer Lebr- anstalten durchzusetzen. Der Zcntrumeabgeorduete Roeren ist dafür am 12. d. M. mr preußischen Abgeordneten bause in längerer Rebe eingetreten mit dem Hin weise, jeder, der auf dem Standpunkt steht, daß in der reli- giösen Festigung auch ein Schutz gegen die sittlichen Ge fahren liege, müsse alle jene Einrichtungen auch gestalten und zu sörbern suchen, die dazu bestimmt sind und auch ge eignet, den christlichen Geist unter der studierenden Jugend zu pflegen, zu schützen und zu fördern. Wörtlich führte der Abg. Roeren aus: „Zu diesen Einrichtungen aber gehören an erster Stelle unsere religiösen Bereine, unsere Marianischen Kongregationen, die statuten mäßig Len Zweck verfolgen, „den jungen Leuten in der gesähr- lichsten Zeit ihres Lebens einen möglichst sicheren sittlichen und reli- giöien Halt zu gewähren, sie gegen die großen Gefahren, die ihnen gerade in der Zeit der Entwickelung drohen, möglichst zu schützen und besonders ihr Bestreben zur treuen Erfüllung ihrer Standespslichten anhaltend zu fördern". Zu diesem Zwecke finden in diesen Vereinen regelmäßige Borträge statt, meistens in der Kirche, und gewöhnlich von einem Geistlichen, zuweilen auch von Mitgliedern des Vereins gehalten, und daran schließen sich dann gemeinsame Gebets« und Andachtsübungen an." Nach Herrn Roeren sind also die Marianiscken Kon gregationen ganz barmlose religiöse Bereinigungen. Folgt man aber der Aufforderung der Münchener „AUgem. Ztg.", >n „Wetzer und Weltes Kirckenlexikon oder Enzyklopädie der kaibolifchen Theologie und ihrer HülfSwissenschafteu" den Artilcl „Konglegationen" aufzmchlageu, so wirb man darüber belehrt, daß die Marianischen Kongregationen nichts weiter sind als ein HüsismiNel jesuitischer Erziehung. Der über die Marianischen Kongregationen bandelnde Teil des Ariiket» ist von den Jesuiten Lebmkubl versaßt unv belehrt uns, daß die erste Maiianische Kongregation sür studierende Jünglinge am römi'ch n Kolleg unter Leitung der Väter der Gesellschaft Jesu ins Leben trat. „Die für die Verehrung der Gottesmutter eifrigen Jünglinge vereinigten sich zu gemeinsamen geistlichen Hebungen, zum österen gemeinschaftlichen Empfang der heiligen Sakramente, zur An- hörung speziell sür ihren Stand berechneter Vortrüge und Er mahnungen." Nach dem Muster der Kongregation am römischen Kolleg wurden dann bald an den anderen Lehranstalten der Jesuiten ähnliche Vereine ins Leben gerufen. Gregor XHI. bestätigte am 5. Dezember 1584 die römische Kongregation als eine kirchliche Sovalität mit der Befugnis, sich als Erzbruderschasi ähnliche Vereine anzugliedern. Siptus V. und Clemens VIII. erweiterten dann diese Vollmacht dahin, daß solche fromme Vereine überall, wo Häuser der Gesell schaft Jesu wären, nicht bloß sür studierende Jünglinge, sondern auch sür andere Klaffen der Gläubigen in beliebiger Anzahl errichtet werden könnten. Zu Gunsten der Marianischen Kongregationen eiließ dann Benedikt XIV. die sogenannte „goldene Bulle",Lloriosao l)omiuLS,vom 27. September 1748 — Der Artikel des katholischen Kirchenlexikons schließt: „Mit der Wiederherstellung der Gesrllichast Jesu kamen auch die Marianlicken Kongregationen wieder zu neuer Blüte. Ain 7. März 1885 gab Leo XII. dem General der Geiell- sckast Jesu die Befugnis, jede kanonisch errichtete, d. h. mit Zustimmung und Gutheißung de« Diözrsanbischofs gebildete Kongregation, auch solche, die nicht unter der Leitung der Jesuitenpatres stünden, der römischen Kongregation einzugliedern und sie der jener verliehenen Gnaden und Ablässe teilhaftig zu machen. Damit wurde die Bildung von Marianischen Kongre gationen auch dort ermöglicht, wo die Gejellschajt Jesu kriue Niederlassung hat." Diese Ausführungen von kompetentester Seite genügen vollauf, um über Wesen unv Zweck der Marianischen Kongregationen aufzuklären. Sie sind rn der Hauptsache gedacht al« HülfS- mittel jesuirischer Propaganda. Das schweizerische Referendum über »en Lalltartf un» »re deutsche Sozialdemokratie. Das „vernichtende" Urteil, da« unsere sozial demokratische Presse über das Ergebnis der Volks abstimmung über den schutzzöllneri sch eu schweizerischen Zolltarif fällt, ist mr Hinblick auf den von der sozialdemokratischen ReichStagSfraklion am 19. De zember 1902 erlassenen Aufruf: „An das arbeitende Volk Deutschlands" besonders beachtenswert. In jenem Ausruse hieß eS wörtlich: „Ausschlaggebend für unseren zähen Widerstand gegen di« über hastete Durcharbeitung des Zolltarifs war, daß «ine Maßregel von so ungeheurer Tragweite nicht hätte beschlossen werden dürfen, ohn« daß daS Volk selbst bei allgemeinen Neuwahlen Stellung dazu nehmen konnte . . . Damit haben die Regierung und die Reichs. tagSmehrheit den berechtigten Einfluß de- Volke- auf di« Gesetz gebung unterbunden." Daß dieselbe Reichstagssraktion in einer Kundgebung vom 10. April 1898 die Masse der Wäbler gerade im Hin blick auf die handelspolitischen Aufgaben des neu zu wählenden Reichstages nachdrücklich bearbeitet batte, daran ser nur im Voiübergehen erinnert. Heute kommt eS uoS mehr auf den Hinweis an, daß eine Urabstimmung des Volkes über eineu neuen bochschutzzöllneriichen Tarif vom sozial demokratischen Standpunkte, gemäß dem Erfurter Pro gramm, noch ungleich wünichen-werter erscheint al» die Wahl einer Volksvertreiung. Wie aber lautet daS Urteil des „Voi- wart«" über die Urabstimmung deS Schweizervolkes, nachdem sich herauSgestellt hat, daß eine Mehrheit von reichlich 100 000 Stimme» den bochschutzzöllneriichen Tarif b^zt? „Ab hängigkeit und Einsichtslosigkeit", „dickste Lügen, Verdrehungen und Entstellungen, Beschimpfungen und Belleumdungen" haben den „modernisierten Straßenraub" betreibenden „Volts- Plünderern" zum Siege verbolfenl So lautet eine Blüten lese aus dem Urteil de» „Vorwärts". Genau die gleichen Register würden selbstverständlich von der Sozialdemokratie gezogen sein, wenn eine deutsche Reichstag-Neuwahl zu gunsten veS neuen TanIS ausgefallen wäre. Denn sobald die Massen anders stimmen, al« die sozialdemokra tischen Agitatoren e» wollen, müssen Abhängig keit und Einsichtslosigkeit, Verleumdungen, Lügen usw. ihr« Rollen spielen — sonst »rcht! Die Ruhestörungen tu Eo1«»ra. In Coimbra sind ernste Ruhestörungen wegen her Steuer erhebung au-gebrochen. E» gab «inen Kampf zwischen dem Militär und der Bürgerschaft und den Studenten, wobei zwei (nach anderen Berichten acht) Tote und viele Verwundete blieben. Die Verkauf-lädea, Werkstätten, Fabriken und Zeitungsdruckereien sind geschloffen und der Belagerungszustand erklärt. Auch die Umgegend ist in Aufruhr. Militär marschiert zur Verstärkung von Aveiro nach Coimbra. Die Luarcka Lscal hatte in einer bisher noch nicht erlebten Weise ihres Amtes der Tleurr- und Stempeleinriehuna gewaltet. Die Klagen darüber sind weder neu noch erlouea sie lediglich au« Coimbra, e» habe« unter andern in der Provinz Tras öS Monte- ähnliche, vielleicht nicht ganz so ernste Unruhen statt gefunden; in einem Falle wurde das Steueramt geplündert und zerstört. In Oporto hat kürzlich ein Sieuerprozeß das Publikum erregt. Steurrdeamte satten in einem Papier geschäfte Alkohol verstecken lassen und kamen gleich danach in Uniform an, um den künstlichen Schmuggel zu entdecken. Sie kamen aber an den Unrechten und verloren schließlich iure Stellung. In den meisten Fällen zahlen die Betroffenen aber lieber die Straf« von 200 di» 500 anstatt einen Prozeß zu führen, den st« zwar gewinnen, der ihnen aber weil mehr Kosten verursacht. Di« Zahl der Zollbeamten ist in« Ungeheuer« gestiegen; sie sind der Regierung für die Wahlen notwendig. DaS Gehalt ist ge,rng und so versuchen die angenehmen Wächter de» Gesetze« alle», um Siiafen auferlrgeu zu können, von denen sie ihren Anteil beziehen. Ja Cmmbra hat man nun zu dem letzten Mittel der Gewalt gegriffen, da» Hau» de» Slruerinipekior» und eia« Druckerei arg grichädigl und den Kampf mit Polizei und Militär ausgenommen. Di« beiden Loten sind Zivil personen. viel« und teilweise schwere Verwundungen sind auf b.iden Seiten vorgrkommen. Da die nächstliegenden Ort schaften sich vorbereitra, um sich dem Kampfe anzuschließea, iväir es nicht wunderbar, wenn sich di« Krankheit weiterhin auSdehnte. An Lrregungestoff fehlt e» nicht. Deutsches Reich. * Berlin, 17. März. (Gegen bi« Jesuiten.) Im Gegensatz zu den leitenden Blattern der konser- vativen Partei, die wesentlich im Interesse eines guten politischen Verhältnisses zum Zerttrum die Aufhebung des Paragraphen 2 deS I e suitengesetzes gegen den au» evangelischen Kreisen kommenden Widerspruch ver fechten, stellt sich der konservative „Reichsbote" der namentlich unter der Geistlichkeit einen starken Leser kreis hat, ganz auf die Seite der evangelischen Protest bewegung. DaS Blatt fragt in einem längeren Artikel, waS sich denn geändert habe, warum Graf Bülow jetzt Lrrirlletsn. 101 Miß Uachel Lattonn. Roman von Florence Marryat. Viaauxuo ricrvolen. „Welch eine schreckliche Bezeichnung!" rief sic geziert. „Und ich dachte immer, Ihr genialen Männer wäret außergewöhnlich empfänglich für die Liebe. Ich hörte einmal, daß, wenn die geistige Anstrengung nachläßt, die Natur nach der entgegengesetzten Richtung treibt und Euch zu weichem Wach» iu der Hand einer Krau macht." „Wirklich? Wie wenig angenehm, besonders für die Frau! Aber mein Geist läßt noch nicht nach, MrS. Eranley. Im Gegenteil, er arbeitet mebr al» gewöhn lich, wenn ich mit einer schwierigen Ausgabe beschäftigt bin. Miß Saltonn will gern die Dorfschmicde auf einem dieser Paneele angebracht haben, und ich weiß nicht recht, wir ich ein gutes Bild davon machen soll. Aber sie wird nicht zufrieden sein, wenn ich sie weglasse." „Sie scheinen sehr besorgt zu sein, Miß Saltonn in jeder Beziehung zu befriedigen", bemerkte Kat« Eranley scheinbar bitter. „Natürlich. Die Paneele werden in ihrem Auftrage gemalt, und da hat sie wohl das Recht, die Vorwürfe dazu zu wählen." „O ja; sie hat da» Geld. DaS liegt allen guten Dingen auf der Welt zu Grunde. Mit Geld kann man alles kaufen, sogar Liebe!" Geoffry Satter antwortete nicht mehr, und Kate drehte sich, einen Walzer summend, im Zimmer umher und tändelte zu ihrer Musik in kindisch alberner Weise. P ötzlich trat Rachel ein. „Aber, Mr». Eranley!" rief sie mit rmporgezogenen Brauen, „haben Sie in der Hellen Mittagssonne Plötzlich den Verstand verloren?" „O, ich bitte um Verzeihung, Miß Saltonn; ich hörte Sie nicht kommen. Ich tanzte mir nur einen kleinen «erger von der Seele; das ist so mein« Gewohnheit. Aber wenn Str Henry fort ist, dann will ich zu meiner Arbeit in der Bibliothek zurttckkehren. Er unterbrach mich mitten in meiner Wochemrbrechnuna." „Ja, er ist fort: er konnte nicht bleiben", ka-t« Rachel, wiener in tbr« Malblusr schlüpfend. „O, Mr. Satter, wie schnell Sie malen! Sie sind mir meilenweit vor ausgekommen während meiner kurzen Abwesenheit. Haben Sie Mitleid und halten Sie ein Weilchen inne! Sagen Sic mir, wie ich Ihnen nachkommen kann!" Als Kate Eranley das Zimmer verließ, beobachtete sie noch, wie lebhaft der junge Künstler aufsprang und neben Miß Saltonns Staffelei trat. „Ich wußte nicht, daß ich so weit gekommen war", sagte Geoffry, als er Miß Saltonns Malerei betrachtete; „die Zunge Ihrer Gesellschafterin lief so rasch, daß mein Pinsel gleichen Schritt mit ihr gehalten haben muß. Sie weiß geschickt zu reden." „Ja, sie ist sehr unterhaltend, nicht wahr?" „Hm, daS kommt wahrscheinlich auf ihren Zuhörer an. Ich könnte es nicht behaupten." „Ich glaubte, Sie wäre eine Frau, die auf den ersten Blick gefiele, besonders den Herren. Sie ist doch sehr hübsch!" „Ja, sie ist hübsch, wenigstens äußerlich ganz gewiß." Rachel lachte. „Ich sehe schon, daß Sie ihr die vier Kardinaltugenden nicht zutrauen, ehe Sie sie geprüft haben. Aber jeden falls ist sie unterhaltend und paßt für mich. Ich brauche eine heitere, gewandte Gesellschafterin, die in meiner Ab wesenheit meine Freunde empfangen kann. Ich hatte jahrelang ein armes, alteS Wesen um mich, von der Zeit an, wo ich aus der Anstalt kam. Sie würden gelacht haben, wenn Sie sie gesehen hätten, Mr. Satter. Sie hatte ein rundes, wohlgenährtes, ausdrucksloses Gesicht wie ein Baby und war auch in ihrem Benehmen beinahe kindlich. Sie fing gleich an zu weinen, wenn ich ein Wort zu ihr sagte." „Vielleicht war sie Ihnen sehr zugetan." „Auf ihre Weise, ja. Aber eS war eine etwas ge walttätige Art. Sie war immerfort hinter mir her, wie eine Katze hinter ihren Jungen, und das konnte ich nicht aushalten. Auch nützte sie mir gar nichts, und so schickte ich sie fort." „Aus keinem anderen Grunde?" fragte der junge Mann. „Sie war anmaßend geworden", sagte Rachel mit leichtem Erröten. „Anmaßend! Das ist ein grober Fehler, besonders bei einer abhängigen Person. Zweifellos bereut eS die arme, alte Dame jetzt sehr. Sagte sie e» Ihnen nicht?" „Sie hatte keine Gelegenheit dazu. Ich habe Miß Montrie nicht wiedergesehen, seit sie Eatherstone verlassen hat. Sie kann tot und begraben sein, ohne baß ick e» ahne. Sie hat mich so gelangweilt und geärgert, baß ich sie nie Wiedersehen will." Der Künstler schwieg. „Soll ich für den Vordergrund Indischrot nehmen?" fragte Rachel und blickte von ihrer Palette auf sein Gesicht, das einen ernsten und strengen Ausdruck zeigte. Er nickte mit dem Kopfe als Antwort. „Sie scheinen der Ansicht zu sein, daß ich mich nach ihr hätte umsehen müssen", fuhr das Mädchen eifrig fort; „aber wenn Sie wüßten, wie sie mich gequält hat und wie ich es hasse, wcnu mich jemand immer küßt und bähet Tränen vergießt, bann würden Sie gewiß begreifen, wie froh ich bin, sie los zu sein- Uebrigens hat sie viele Freunde, und es wird ihr ganz gut gehen." Geoffry ergriff seine eigene Palette wieder und nahm seine Arbeit auf. „Sagen Sie es doch heraus, daß ich unrecht habe, aber halten Sie nicht in so herausfordernder Weise den Mund geschloffen!" rief Rachel ungeduldig. „Welches Recht hätte ich, irgend etwa» unrecht zu finden, was Sie sagen oder tun, Miß Saltonn?" er widerte Geoffry. „Ein Recht vielleicht nicht; aber es ist ärgerlich, daß Sie ganz über die Sache schweigen. Ich weiß, Sie halten mich für gefühllos und hartherzig und denken, daß ich mich nicht hätte von Miß Montrie trennen dürfen. Warum sagen Sie es nicht ehrlich heraus?" „Weil es mir nicht zukommt, Ihnen dergleichen zu sagen, Miß Saltonn, und weil ich auch die Verhältnisse nicht genau genug kenne, um sie beurteilen zu können. Nach dem, nms ich Sie gestern für Ihre Pferde tun sah, könnte ich Sie nie für hartherzig ober gefühllos halten, ich bin daher überzeugt, daß Sic einen triftigen Grund hatten, sich von ihrer Gesellschafterin zu trennen, be sonder» wenn sie Sie lieote. Sie würden gegen ein« alte Frau nicht weniger rücksichtsvoll sein al» gegen Ihr« Pferde." „Ich fürchte gerade, weil sie «ine alte Frau war, schickte ich sie fort. Sie konnte nicht» mehr leisten und war nervös und geschwätzig. Ich habe sie nie wieder ausgesucht, ja, ich weiß nicht einmal, wo sie lebt . . . und ich habe schon manchmal -«dacht . . . habe mir mit unter gesagt, baß, daß . . ." Miß Saltonn kam mit ihrer Rede nicht zu Ende; sie beugte sich, rot und aufgeregt, über ihre Malerei, und merkte nicht, daß Mr. SalterS Augen auf ihr ruhten. Mit einem Male blickte sie auf und begegnete seinem Blick. Wie ernst er war, und doch so gütig und teil nahmsvoll! Von den meisten Leuten würde Rachel diesen Blick als Beleidigung aufgefaßt haben, aber von Geoffry Satter durchfuhr er sie seltsamerweise wie eine Offen barung ihres innersten Wesens, und sie senkte den Kopf und fühlte, baß ihr Tränen in die Augen traten. Die stolzen Lippen preßten sich fest zusammen, um die de mütige Schwäche zu verbergen; aber sie ließ sich nicht unterdrücken. Sie mußte wider Willen eine rasche Be wegung mit dem Taschentuch an ihre Augen machen und hoffte nur, daß Mr. Satter eS nicht gesehen habe. „Sie haben sich gewiß gesagt", fing er da an, „daß eS kaum wert war für eine junge Dame wie Sie, die alles besitzt, waS die Welt bieten kann, daß sie sich über die Schwächen eines armen, alten Geschöpfes ärgert, das wabrscheinlich sehr wenig sein eigen nennt? Ich darf wohl sagen. Miß Saltonn, daß Sie, so von Luxus und Liebe umgeben . . ." Rachel schüttelte den Kopf. „Nein", sagte sie, „ich bin allerdings von großem LuxuS umgeben, aber von Liebe wenig. Onkel Henry und Tante Mary lieben mich ja natürlich auf ihre Art, aber bas Liebste auf der Welt bin ich seit dem Tode meiner Eltern für niemand. Die Saltonns machen sich wenig genug au» mir» und ich habe weder Brüder noch Schwestern, um die Lücke auszusüllen." „Ich wundere mich, daß Sie dann selbst die Liebe einer untergebenen Persönlichkeit verachten konnten, Miß Saltonn. Sie lieben doch Ihre Tiere so sehr. Habe ich doch oft gesehen, wie Sie Ihren Hund und Ihr Pferd liebkosten . . ." „Ja", antwortete sie, mit einem Lächeln zu ihm auf blickend; „aber di« sind auch viel netter zu küssen al» solch eine alte Frau!" Doch Geoffry lächelte nicht. „Finden Sie? Mir kommt e» vor, al» ob alte Frauen in der Welt recht schlecht behandelt würden. Wenn man bedenkt, daß sie auch jung waren und vielleicht hübsch und da» Glitt? ihnen zu Füßen lag . . . und nun, weil die Zeit weitergeschritten ist und sie Schönheit, Hoffnung und ffreundschast verloren haben, lacht man über sie. Da- kommt mir oft entsetzlich hart vor." „Und wie ein Mann, der s<in« Mutter liecht und »et dem Gedanken zittert, daß sie ihm genommen werd«»
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