02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030320027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903032002
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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VezugS-Prei- A» de« HmlvtrlpedMov ode, drrrv «a-g«b» -elle« «dzeholt: vtetteliähtttch »,— b«i »»ttmatian tLglich-r Z»»«ll,»o in» Haas ß Dirck »tt V»ß k«»oo-» tz, D»»tich- I»d «. v«ft«rittch «tttt-tjüdclich «»o, sü» dt> SdttW, Lü»de, Io»1 Re-skNo, und Lrveditio«: -odanatSgati« 8. lL» «d «L Fitial»w»dtttB«»«, TM«» Daß». «Wdi»a»dlg, L«w«ttitat-»r »k C. N»fch«, K»tharu>e»ttt l4, «. K-mglpt. Haipt/ttiale vrer-e«; Steed»»»«, Strode S W»«t»rrch«, Am» l «r. 171» -orwl.Liltalr Lrrtt«: U«t v«»«ker, -e^gt «a»r. Hostechhaidlg, vützovstrod« iE Uerulprecher Amt VI N« LAO» Mend -Ausgabe. MizyiM TlyMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nalizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.Preis die -gespaltene PeMzeüe LL Ls. R«kl,««a oater dem A«dakUon«strich sägefpattea) 7K vor den FamUieaaach- richte» (-gespalten) K0 Tabellarisch«! mid Ziffrraiatz entsprechend höher. — Gebübrea für Nachweisungen und Offertelurnnahme 8ü («xtt Porto). Ertra-Berlage» gesalzt), ,,r mtt der Morgm-Aa-aab«, shae Zoftbe'ordernng zü.—. »tt ßostb«fSrd«u»g 4 7v^-> Aanah«eschl»ß Nir Adrige«: Nboad-NaSg^or Sarmtttag» 10 Uhr. vio,g,,.»«e^»d«r Rach«Mag» 4 Uhr. Anzeige» stad stet» an di» Expedition -» richte». Di» rrveditio, ist Wochentag« «umrttrbr-ch« geöfjuet vo» früh - bi» abe«tz» 7 Uh«. Dnuk und Verlag vo» V. Pol- irr Leipzig. Nr. lii. Freitag den 20. Miirz I W3. WSNSSSMS»»««»!.-!ll — 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 20. Miirz. Auswärtige P,Iitii i» Reichst»»». Daß d«r j-tzigr Reichskanzler rill gewandter Redner ist, tau« ihm seldst »on ltinra <-.^n,rn nicht bestritten werden, »»» daß er vollends über r,„ Tbew», auf vag er sich vor- dereiien konnte, in fesselnder Weise sich ,u verbreiten versiebt, ist allbekannt. Da war »4 denn natiirl'ch, vast bei der gestern beginnenden zweiten Beiatung des Etats des Aus wärtige» Amts der Reichstag ungewöhnlich gut besucht war und auf den Tribiinen «in, zahlreickr Zuhiflerscba't sich ringesunden daN«. Und wa» Gras Bülow aus rin, Aniiagr de- Algrordneiea Frhr. v. Hertling, di, so an,g War» w»e neuerdings die meisten Fragen der Mit glieder der herrschenden Partei an den leitenden S'aais- mann zu s«iu pflegen, über seine au»wän>ge Politik sagte, war m der Tat interessant und fesselnd. Naiui gemäß nahmen seine Darlegungen ihre» Au-aang von der venezo lanischen Angelegrndeit. Der Reichskanzler fühlte die Giüode für unser Vorgehen nochmals an und würoiglr noch- mal» dir Ergebnisse der gememschasilichen Akiivn mit Eng land. Die Feststellung, daß trotz der mannigfachen Hetze»eien deutschfeindlicher Pläner unsere Beziehungen zu England und ru den Vereinigten Staaten günstige grdliebrn sind, ist um Befriedigung zu begrüßen. Angrzeigt war namentlich auch der Hinweis, daß da» Reich nicht für jede» gewagte Geickäti ,i«,»treten hab«; bi« Rotwendigkeit, Venezuela gegen, über für di« Zukunft ein warnende» Beispiel zu geben, ohne den Kostenpunkt allein in« Auge zu fassen, lwb Vraf Bülow mit Recht hervor. Daß der Reichs kanzler einem der gisligsteo amerikanischen Hetzblätter, dem „New Uork Hrrald", einen gehörigen Denkzettel erteilte, Wir» in Teuttchland, außerhalb der Sozialdemokratie, durch- weg shmpatdiich berühren. Zur Erneuerung de» Drei bunde» übergebend, tat Graf Bülow anschaulich von neuem die Bedeutung und Charakter tiefes lange bewährten Bünd nisse» dar. Sein lediglich deflnsiver Ebaraklex und seine Vcbrreinstimmung mit den dauernden Hulriessen der be- t„l'glen Mäckle sichern dem Dreibünde die Rolle, dl« «r in der großen P,l,tik spielt. M,l Befriedigung wie der Reichckanzler darauf hin, baß die Erneuerung deS Dreibund«» nicht mit zollpolitlschen Zugeständnissen er kauft sei. Auch der Art, wir er seinerzeit den Wert de« Dreibundes für Deutschland auf da« nüchternste öffentlich behandelt hat, duiflt Graf Bülow mit Zufrieden heit -»denken. In bezug auf die deutsche O i ie n i volitj k erneuerte Graf Bülow die Erklärung, auf der Balkanhalb- zulel nicht aktiv eingreisen und für niemand die Kastanien au» dem Feu«r holen zu w»U,n. Das Verhältnis zwischen dem Reiche und der Türkei, das sich auf dieser Basis ent- wiekelt Hot, wurde oom Reichsiansier gestern wohl schärfer als bieher charakterisiert. Wenn der Reichskanzler dabei die Wirkung de« Umstande» besonder« betonte, daß Deutschland in Konstan tinopel keine Vormachtstellung anstrebe, so hat die« vermutlich in deutschfeindlichen Ausstreuungen «nlßlgengesetzlea Inhal,ö seine« Grund. In der makedonisch«» Spezialsragt be stätigte Graf Bü>o«, daß da« Reich dar russisch-österreichisch« R'sormprogramlii unterstützt, da es den «uropäilchen Stand der Türke, und den Weltfrieden nicht gefährdet und zugleich die Möglichkeit zur Beruhigung MakrrouieaS durch Beschreiten »r« Reformwege« ermögricht. Da» alles war, wie gesagt, recht raterrssaut. Da es aber wenig N«u«S enthielt, so fühlte Graf Bülow wrhl, daß er, um rechten Eindruck zu macken, noch einiger Pikanterien bedürfte. Und da ihm zu solchen der ZentrumSredner keinen Anlaß gegeben batte, so ersah er sich den Abg. Vr. Ha'ie zur Zielscheibe. Dieser Abgeordnete, bekann'lick ein icklag'eriiger Gegner der neuen I luiienpolitil des Kanzler-, Kat den Vorzug, vomGrasenBülow besonders dock eingeickäyt zu werden. Dieser gebt wckt nur aus die Parlamente reden des Führer« deS Alloeuticken BerbandeS stets lebhaft w d mit besonderer Schärfe ein, sondern verfolgt auch sein« auß r- parlam nlarischen Kundgebungen mit ickmeickelhastem Interesse und zirbt sie in bre Debatte. So auch gestern wieder, wo die ley'e Leipziger Neve Hasse« dem Kanzler Gelegrnbeit geben mußte, seiner Versickerung bezüglich der Ricktverm schung der poliliscken Dreibundeve,Handlungen mit zvUpvlinscken Kragen ein« periö licke Spitze zu geben. Auch als bann der Abgeord nete sür Leipzig-S'adl lelbsl das Work ergriff, um der Miß stimmung weiter Kreise über die Anrufung der Bermiltelung Amerikas in der venerolanischen Angelegenheit, über da« Aus treten des veu'sckeu Vertreters in Washington und über da zu große Vertrauen aus Ungarn Ausdruck zu geben, fand sick der Kanzler zu einer drionvri« schaifcn Entgegnung gegen diesen Abgeordneten veranlaßi, obgleich d«r Abg. Or. Oeitel Hasies Ausstellungen sick nicht nur angeeignet, sondern auch noch verschärft hatte. Wenn man sich vergegenwäiligt, daß der Kanzler in erster Linie das Erreichbare anruitreben und und zu verteidigen bat, während der Abg. Hasse seiner Ab- g«0idneteu,flickt dadurch gerecht wird, raß er da- Erstrebens werte betont, so begreift man, daß zwei solche Männer meist scharfaus einanderpiallen müssen. Abe,während derAbgeordneie nie bestreitet, baß der Kanzler mit dem Erreichbaren sich be gnügen muß, kann dieser es nicht lassen, die Hinweise auf oat Erstrebenswerte als Phantastereien zu bezeichnen oder gar im allgemeinen über Piofessorenw-'i-beit zu witzeln, die sür prakiitcke Staaiemänner keinen Wert bade. Auch in dieser Hinsicht war da« v>elge>üumke Vorbild des Grafen Bülow. Kürst Bismarck, anders. Ec hat, wenn er aus praktischen Gründen die« und das nicht sagen mochte, gar nicht selten den Abgeordneten gedankt, die aus Z ele hin- wlesen, zu denen er sich au« praktischen Gründen noch nicht bekennen konnte, oder einen Tadel ausspracheu, den er selbst gern ausgesprochen hätte, aber au« diplomatischen Rücksichten verschweigen mußte. Und wir basten cs für sehr wahr scheinlich, baß gestern auch Gras Bülow im innersten Herzen ganz froh darüber gewesen ist, baß aus der Mitte de« Hause« Freiherr Speck von Slernburg und die Herren Ungarn etwa« zu hören bekamen, wa« sie zwar nicht gern kören, aber zu hören wobl verdienen. klebrigen» ließ sich Graf Bülow im Eifer de» Gefechte« ein Wort rnt- ichlüpsrn, an da« er heute fickeilick nicht gern mehr denkt, obgleich es ihm reiche» Beifall eintrug. Um den Abg. vr. Hasse zu treffen, gestand er ein, baß er an dem chiue- silchrn Sübneprinzen genug habe. Direkter konnte er gar nicht zugesttben, baß der chinesische SÜVneprinz nicht auf seinen, de« Kanzler«, Wunsch h«rbeigezwungen worben «st Und baß also er, der Kanzler, damal- nickt leitender sondern leidender Sisatemanu war. Bi.lleicht bekommt er da« heute zu hören. Von dein Abg. Or. Paafcke freilich nicht, venu dieser, peinlich berührt von dem Kanzlerwitz über die Pro- fessolenwelSheit, glaubt seine eigene Weisheit dadurch in da rechne Licht rücken zu müssen, daß er von seinem Kollegen Hasse ab, tickte und dem Grasen Bülow wegen seiner un garischen Politik eine Verbeugung machte. Zur Jesuitensrage. Die klerikale „Köln. BolkSztg." ist bemüht, den Bun desrat der Aufhebung von 8 2 de» Jesuiten- geseyes dadurch geneigt zu machen, daß sie ihm ver- fassmigsulabige Bedenken vor Augen fuhrt. Da» leitende Zentrumovrgan verwertet dabei die ihm au» begreiflichen Gründen höchst unangenehmen Protestversanmuungen gegen die Abbröckelung de» Jesuitengeseve» durch di« Be hauptung: wenn die jetzige Agitation „bei dem Bundes rate Glück haben sollte, so würde die Methode, durch Ent- rüslungöstürme in den Gang der Gesetzgebung etnzu- greisen, wohl zu «iner ständigen Einrichtung werden . . ., zwischen Regierung und Parlament würde sich ein neuer zu berücksichtigender Faktor schieben, nämlich di« Agi tation ... Die letzte Konsequenz wäre die Einführung der Plebiszite." — Loche klerikale Besorgnisse nehmen sich in einem Augenblick, da die „kochende Volksseele" in Bayern den Sturz de» Ministerpräsidenten Grafen von Crailsheim herbeigeführt hat, sehr eigenartig aus. Aber verzichtet man aus dielen Seitenblick und hält man sich lediglich an den Kassandraruf der „Köln. BolkSztg." al» solchen, dann gelangt man sehr rasch dazu, die Haltlosigkeit der mit so ernster Miene vorgetragenen Berfafsungs- bedenken zu erkennen. Tenn diejenigen politischen Ele mente, welche jetzt in den Protestverfammlungen gegen die Abbröckelung des Jesuitengesetze» zu Wort kommen, sind von nichts weiter entfernt, al» von den demokratisch-um stürzlerischen Gedanken, welche die „Köln. BolkSztg." an die Wand malt. Tag rheinisch« Zentrum»biatt tut so, als ob bloß protestantische Pastoren und alldeutsche Agitatoren hinter der gegenwärtigen Protestbewegung ständen. Aber die „Köln. BolkSztg." berichtigt sich hierin selbst, indem st, zugtbt, „daß ein« Mehrheit der konservativen und auch der liberalen Wähler" sür die Aufrechterhaltung von 8 2 de» Iesuitengesetze» sei. Schon dieser Hinweis auf die poli tische Richtung der Wählermassen, di, hinter den jetzigen Protcstversannnlungrn stehen, genügt vollständig, um di« Grundlosigkeit der klerikale« Furcht vor der Einnistung plebiszitärer Gewohnheiten darzutun. Ist e» denn aber wirtlich die A g t t a t t o n, die die Mehrheit de» Bundes rates — wt« man heute wohl al» sicher annehmen bars — von der Zustimmung der Aushebung br» 8 S abhältk Nichts wär« unrichtiger, als eine derartige Annahme. Die verbündeten Regierungen sind durch die Ankündigung des Reichskanzlers, daß die preu- bischen Stimmen im Bundesrate für die Beseitigung des 8 2 würden abgegeben werden, ebenso Über rascht worben, wie die öffentlich, Meinung. Seitdem der Reichskanzler Kürst Hohenlohe am 17. Juni 1Ü86 im Reichstage erklärt hat, daß der Bun- deSrat der Aufhebung des IesuitengesetzeS nicht zusttmmen könne, sind die Vertreter der verbündeten Regierungen den Retchstagsverhandlungen über eine Abschwächung de» Jesuitengeseyes regelmäßig fern geblieben. Aus diesem Verhalten ist allgemein, das Zentrum etngeschlossen, ge folgert worden und mußte gefolgert werden, daß di« verbündeten Regierungen jener Aktion de» Reichstages ablehnend gegenüberstehen. Wenn darin für Preußen eine Aenderung eingetreten ist, so beweist das noch lange nicht, baß auch bei der Mehrheit der übrigen Bundesregierungen sich ein Umschwung in der Krage des Jesuitengesetzes vollzogen hat. Di, jeder Abbröckelung des Jesuitengesetzes abgeneigten Bundes- staaten würden demnach lediglich in einer s,tt langen Jahren beobachteten Haltung verharren, falls sie auch nach -er Sinnesänderung Preußens jede Ab schwächung de» Jesuitengesetzes ablehnten. Die neuesten Erfahrungen, welche die verbündeten Regierungen in Bayern mit dem Sturze de» Grafen v. Erail»« heim, in Preußen mit dem Vorstoß« de» Bischof» von Trier gemacht haben, konnten ledta, lich die Ueberzeugung verstärken, daß -ie Zeit ganz und gar nicht danach angetan ist, dem Kleri- kalismus durch die Erfüllung eines auf ihn zurück-»- führenden Verlangens Wasser aus die Mühlen zu letten. Die Volksbewegung gegen die Beseitigung von 8 2 be» Jesuitcngesetzes muß naturgemäß den Widerstand der Re gierungen gegen die Abbröckelung deS Jesuiitenaeseyvt- verstärken. Es wäre der reine Hohn auf die Verfassung»» mäßige Versammlungsfreiheit der Staatsbürger und es wäre der reine Hohn auf die jahrzehntelange Haltung -er Regierungen in der Jesuitenfrage, wenn wegen der herausgetüftelten Plebiszitfurcht des KlerikalismuS der Bundesrat moralisch zur Beseitigung de» 8 2 gezwungen werben sollte. Gerade ein derartiger Zwang wäre verfassungswidrig, weil -er Bunde-rai mit dem Reichstage als gesetzgebende^ Faktor gleichbe rechtigt ist — ganz zu schweigen von dem bunoeS « staatlichen Charakter des Reiches, der jedem Bundesstaate die volle Freiheit der Abstimmung gewähr leistet und auch in einer Krage gewährleisten muß, die der führende Bundesstaat ein Menschenalter hindurch edens» beurteilt hat, wie die jetzige Mehrheit des Bundesrate». Sollte das Zentrum unter solchen Umständen di« Jesuiten, frage zur Wahlparole machen, wie die „Köln. Volks zeitung" heute „droht", so würden die Gegner der Jesuit-n dies wahxlich nicht zu beklagen haben! Drei Wahlniederlage« hi«tcrei«auder hat bekanntlich dieenglische Regierungspartei erlitten: SLewmarket, Woolwich, Rye. Im letztgenannten Sussex«? Wahlkreis hat der Liberale vr. Hutchinson heute den Kon» servatioen Edward Boyle geschlagen. Der Wahlkreis war seit 1885 im Besitz des konservativen Obersten Brookfield gewesen, der jetzt einen Konsulatsposten erhalten und des halb sein UnterhauSmandat niedergelegt hat. Die vo« Brookfield erzielte Mehrheit betrug bei -en 1890er Wahlen 2189 Stimmen, fünf Jahre später wurde er kampflos wicdergewählt. Jetzt hat sein Gegner eine Mehrheit von S34 Stimmen Lavongetragen. Die Wahlbewegung war diesmal sehr lebhaft, und beide Kandidaten durcheilten im Automobil das Kampffeld. Der Regierungskandibat Boyle trat für einen wirksamen, aber nicht aggressiven Imperialismus ein. Den Ausschlag zu Gunsten deS liberalen Mandatswerbcrs gaben die Landarbeiter im Zentrum de» Wahlkreises, welche besonder» mit der Unter richts-Bill in hohem Grade unzufrieden sind. Die neue Wendung in der innerpolitischcn Lage, welche sich die Ministeriellen von dem Wieder-Lrscheinen Chamberlain», des „starken Manne»", erhoffen, dürfte durch diesen neuen Wahlsieg der Liberalen eine Verzögerung erfahren. Der „Daily Telegraph", der jetzt wieder bisweilen als Sprach rohr -er Regierung gilt, äußert in einem gesperrt ge druckten Artikel über die parlamentarische Situation, man vermöge den Eindruck nicht abzuweisen, daß die neu« Gruppe — da» Blatt nennt sie die „aufsässigen Unio nisten", es sind aber fast nur Konservative — die Auf lösung anstrebe. Sollte die Regierung bei einer Abstim mung unterliegen, dann bliebe Balfour allerdings nicht» übrig, als Neuwahlen auszuschreiben. Set es der neuen Gruppe darum zu tun, dann je eher, desto besser, denn Feuilleton. ) mit verändern nsichten und seine iS, Miß ttachel Saltonn. Roman von Florence Marrvat. Vlactzd>»a vrrbolen. Nach Catherstone zurückgekehrt, fand Mr». Cranley ihre Herrin allein und mit Lesen beschäftigt. Dieselbe fragte freundlich, wie sie sich in London unterhalten habe, und wandt« sich dann wieder ihrem Buch« zu. Sie schien z« lesen, aber Kat« schloß au» den gesenkten Augenlidern und dem halben Lächeln, das um ihren Mund spielte, daß si« träumte — und es schienen angenehme Trüume zu sein. «o war e» pnch in der Tat. Rachel hatte jeyt sechs Wochen lang täglich Geoffry Gatter verkehrt, und ihr Charakter verär sich unter feinem Einflüsse. Seine Ansichten und »an», Art -u denken, standen so hoch über allen», wa» sie sonst in ihrer Umgebung zu hören gewohnt war, daß e» sie -ernst demütigte, aber später erhob. Seine Aufrichtig keit, seine Nichtachtung dessen, wa» die Welt sagt, und leine Wahrheitsliebe, die sich bi» auf da- Kleinste er streckt«, hatten sie, die im Grunde ihrer Seele ebenfalls dem Großen und Edcln zugetan war, mit tiefster Be wunderung erfüllt. Die Ueberzeugung dämmerte in ihr a«f, daß er Recht hatte und die Bibel Recht hatte und daß da» Christentum eine erhabene Wahrheit und der Himmel etwas Wirkliches war. Veossr» Lalters Neben und Bemerkungen hatten, unabsichtlich und ihr selbst un bewußt, Len Nebel d«S Materialismus zerstreut, der »evischen Rachel Eattonn und allem Guten lag, und sie begann zu dtm Glauben ihrer Kindheit zurückzukehren a«d wieder an da» Dasein Gottes zu glauben. Da» war es, wa» Rachel an diesem Abende so träumerisch, rublg und behaglich stimmte. Sie fühlte, baß st« wieder glaubte, daß der Nebel, der ihre Gedanken in Duutel gehMt, sich ver-ogcn hatte und daß alle», wa» sie ltevte «nd schätzte — ihre Gesundheit und Jugend und Mackt — Geschenke «tue» liebenden BatcrS waren. Geosfr» hutte sie aelehrt, von der göttlichen Natur -um G»ttc üb^ der Natur auf-ublicken. Rachel war glück lich und bereit, die Hand zu segnen, die sie geleitet patte. WaS für ein Freund war er ihr in jedem Sinne deS Wortes gew«se«l Am anderen Morgen stand sie, noch ehe Mr. Salier da war, vor ihrer Staffelet und verglich ihre Malerei mit dem haibvollendeten Paneel, das sie kopierte. Als der Maler eintrat, sagte er nach der ersten Be grüßung: „Ich freue mich, daß Sie so fleißig sind; denn wir müssen diese Woche doppelt schnell arbeiten. Ich möchte am Sonnabend mit meiner Arbeit hier fertig sein, da ich mich verabredet habe, am Sonntage mit einem Freunde nach Italien zu reisen. So muß ich den Dorf brunnen mit der alten Weide so schnell wt« möglich vollenden." Rachel blickte ihn an und fragte langsam: „Nächsten Sonnabend?" „Ja, nächsten Sonnabend", antwortete «r rasch. „Meinen Sie, daß es nicht gehe? Fordern Sie mich zum Beweise heraus! Meine größte Zett hier ist vorüber, wie Tic wissen, Miß Taltvnn. Ich hätte mich mit den Pa neelen mehr beeilen müssen, und fürcht«, ich habe mich in Catherstonc zu sehr dem änlo« kar nient« hingcgebe». Nun ist es Zeit, zu gehen .. . und ek ist auch am besten, daß ich gehe", fügte er leiser hinzu. „Dann werde ich keine Malstunben mehr haben", sagte Rachel mit einem Seufzer, indem sie Palette und Malstvck in die Hand «ahn». „Bou mir wohl nicht,' aber eS gibt genug andere Fisch« iu der See", erwiderte Geoffry, sich an seinem Gerät zu schaffen machend, „und Sie haben große Fortschritte ge macht. Jeder kann Sie jetzt weiter fördern." „Finden Sie wirklich, -aß ich Fortschritte gemacht habe, Mr. Laster?" „Ich denke immer, wa» ich sage, Miß Saltonn. Sie haben nicht nur große Fortschritte gemacht, sondern Sie haben ein Talent entwickelt, das ich Ihnen, ehrlich gesagt, nicht zutraute. Wenn Sie Geduld und Ausdauer besitzen, dann werden Sie Ihre Bilder eine» Tages in der Akademie ausstellen. Sic sind eine Künstlerin, ein höheres Lob kann ich Ihnen nicht erteilen." „Ich banke Ihnen", sagte da« Mädchen leis«. In diesem Augenblicke trat «in Diener mit einem Briese und einem Sonnenschirme ein. „Dicv wurde eben durch einen Herrn für Eie abgc. aeben, Madam. Er sagte, Sie hätten den Sonnenschirm bei Miß Monirie liegen lassen, als Sie sie besuchten. Tr würde ihn schon früher gebracht haben, wenn er Zeit gehabt hätte. Der Bries ist von Miß Montrie, Madam, und der Herr sagte, baß Doktor Osborne ihr sehr genützt habe." „Ich danke Ihnen, James", sagte Rachel, heftig er rötend, und nahm den Brief in Enrpfang. „Geben Sie Mears den Sonnenschirm." Geoffry, der die Unterhaltung gehört hatte, wandte sich um und blickte Rachel fest an. Und si, schlug die Augen zu ihm auf und lachte schuldbewußt. „Sie haben Miß Montrie «inen Besuch genmcht?" „O ja, schon vor längerer Zeit. DaS arme, alte Ge schöpf ist an Rheumatismus sehr krank gewesen." „Und Si« haben Ihren eigenen Arzt hingeschickt?" „Doktor Osborne hatte sie hier auch behandelt, wissen Sie", erwiderte Rachel zögernd, „und ich dachte, er würde ihre Natur besser kennen, als «in Fremder." D-r junge Mann sah sie ein« Weile schweigend an und kehrte sich dann mit den Worten: „Li, sind eine echt« Frau!" wieder seiner Arbeit zu. Eine Pause entstand. „Mr. Satter", begann Rachel -anu, „da wir uns so bald trennen norden, möchte ich Ihnen gern noch etwa» sagen, «he Li« fortgehcn." „Um was handelt es sich, Miß Saltonn?" „Ich glanbc, es wird Ihnen Kreude machen, zu wissen, daß ich nicht mehr so unsicher und verwirrt in meinen An sichten bin, wie früher. Ich glaube, ich verdanke e» -ur Hälfte Ihrem schönen Bilde und zur Hälfte Ihnen selbst. Sie sind so ganz, wie Ihre Bilder; ich kann Sie nicht da von trennen, sind sie doch beide so rein und wahr, so von Gott und Natur erfüllt. Und Sic haben mich einsehen ge lehrt, wie töricht und hochmütig es war, je an einem z«. künftigen Leben zu zweifeln." ,„^ft der Zweifel vollständig geschwunden?" fragte er freudig. „Ich glaube, ja. Ja, ich bin ganz sicher, und r» ist mir, als ob mir eine schwere Last von den Schultern gr- nommen wäre. Ich war sehr unglücklich, Mr. Salier, ob gleich ich es nie jemand sagte. Ich fühlte mich so verlassen." „Das kann ich mir denken." „Und nun . . ." begann Rachel. „Nun werden Sie sich nie wieder verlassen fühlen." „TaS hoffe ich wenigstens", antwortete sie travrtg. Der Künstler wandte sich wieder um und blickte sie freundlich an. „Sie sind l>e«te nicht ganz evvhl", meinte er dann. „Wäre es nicht gut, wenn Sie die Arbeit sein ließen und etwas in die frische Luft htnauSgtngen? Mit zerstreuten Gedanken läßt sich nicht gut malen." „Ich will Ihren Rat befolgen; denn ich fühle mich wirklich nicht wohl", erwiderte Rachel. Sie stellte ihre Leinwand beiseite und ging hinaus. Aber als sie das dunkle Gebüsch erreicht und auf einer Bank Platz genommen hatte, kam ein Gesühl über sie, dem sie keinen Namen geben konnte — halb bittere Ent täuschung, halb Schmerz über «inen Verlust — so sehr, daß sie ohne Grund in einen Strom von Tränen au» brach. Wer, der die stolze, hochgeborene Rachel Saltonn kannte, hätte es wohl für möglich gehalten, daß sie wie ein gewöhnliches weibliches Wesen weinte, weil ein Künstler, mit dem sie Freundschaft geschlossen hatte, im Begriffe stand, ihr Hau» zu verlassen, weil ihr war, «IS ob si, sich auf eine starke Stütze gelehnt hätte, die ihr plötzlich ent zogen würde, und sie allein und trostlos zurttckblleb. Si« verstand die Bedeutung ihrer Tränen nicht, blieb aber den ganzen Tag über niedergeschlagen und ver stimmt. Zwölfte» Kapitel. Kate Cranley brauchte nicht lange, um den Wechsel in Mik Saltonn» Stimmung zu merken; sie sah, daß si« sanfter, stiller und weniger hochmütig als gewöhnlich war, gl» ob sie da» Bedürfnis empfände, sich in einem Kummer auf ihre Mitmenschen zu stützen. Und Kate Cranley bemerkte noch mehr, als den Wechsel; sie erriet auch die Ursache davon. Ihr« weibliche Klugheit führte si« zu dem richtigen Schluß, daß Miß Saltvnu plötzlich zu dem Bewußtsein der Gefahr gekormnen fei, mit der sie gespielt hatte, und entsetzt vor dem Abgrunde zurückscheute, in den sic beinahe gefallen war. Jetzt war die Zett gekommen, den Abgrund unüberschrcitbar z« machen. Denn Rachel ihn in ihrer augenblicklichen Ver fassung zu lange betrachtet« — wenn sie anfing, seine Länge, Brette und Tiefe zu ermessen, bann konnte fte leicht zu dem Schlüsse gelangen, daß er nicht so schlimm war, wie man ihn ihr »orgest«llt hatte, und daß, wenn sie den Mat hatte, ihn zu überschreiten, drüben mehr Freude al» L«td sic erwarten würde. Kate blickte auf do» schimmernd« Halsband, daS auf feiner samtenen Unterlag« in ihrem Schmuckkästchen lag, «nd n,hm sich vor, e» bei nächster Gelegenheit durch «inen küha-n Streich eudgüliig z« gewinnen. Es war jetzt September und die Herbstabende trotz b«
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