Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190303296
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030329
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030329
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-29
- Monat1903-03
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.03.1903
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS t« der Havpterpedttton oder deren Ausgabe stelle« abgeholt: vierteljährlich ^tl 8.—, bei zwetmaltaer täglicher Zustellung tnS Ha«s ».7». »urch die Post b^oqen für Deptich- land «. Oesterreich vierteljährlich ^il 4.80, für di« übrig», Länder laut ZeitungSpreiSltft«. Neküktt»» «nd Lrpedttio«: -N-nuntSgaffe 8. -»rnfMcher 188 und SSL. LUialmepsdMMe«» r Alfred H«h«, vuchhaudlg, UnwersttätSstr.ä, L Lisch«, Satharineastr. 1< u. Lüuigtpl. 7. Haupt-Filiale Vrer-e« : Marienstraß» 8L. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale -erli«: Tarl vnncker, Herzgl. Bayr.Hofi>»chhandlg„ Lützowstraß« 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4608. MpMer TagMalt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- nnd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Mates und des Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Nr. 18«. Sonntag den 29. März 1903. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklame» unter dem RrdakttoaSstrich («gespalten) 78 vor de» FamUuuiuuy. richten (6 gespalten) 80 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren sttr Nachweisungen und Osserteuaunahme L8 H (exel. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgeu-AuSgab«, ohne Postbesvrdernng ^4 60.—, mit Poftbesärderung 70-—» Annahmeschluß flr Auzei-eu: Abeud-LuSgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. An»eigen stad stet» au dt« Expedition zu richte». Die Spedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 97. Jahrgang. Für Monat April kann das „Leipziger Tageblatt" zum Preise von Mark 1,00 (Mark bei freier Zustellung ins Haus) sowohl durch sämtliche Zeitungsspediteure, wie auch durch die nachstehenden Ausgabestellen bezogen werden. Ausgabestellen des „Leipziger Tageblattes": Im Zentrum. Brühl St, E- F- Schubert'» Nachf., Kolonialwarenhdlg. Aatharinenftr. 14, L. Lösche, Cigarrenhdlg. 2S3L Rttterftr. 4, Lmckesche Leihbibliothek und Buchhdlg. Im dlorden. Gerberftr. 8, H. L. Kröger, Butterhdlq. 8824 Gnetsenauftr. 12, B. Uhlich, i. Fa. Ida Hartmann, Papierhdlg. Löhrftr 15, E. Hetzer, Kolonialwareuhdla. S7S Vorkstr. SS (Ecke Berliner Straße), F. W. Kietz, Kolonialwarenhdlg. Im Oste». Ivtzaunisgaffe 8, Hauptexpeditio« 222 Oftplatz 4, Alfred Elfte Rauftsche Gaffe 6, F. Fischer, Kolonialwarenhdlg. Schützenftr. 5, 9. Schümicken, Kolonialwarenhdlg. 1178 Tanchaer Ttr. IS, E. R. Reichel, Drogenhdlg. 8341 Im Lüde«. Arndtfst. 35, I. F. Canitz, Kolonialwarenhdlg. 3033 Vayersche Str. 45, H. Neumeister, Cigarrenhdlg. 3984 KöntgSplatz 7, L. Lösche, Cigarrenhdlg. 7505 Nürnberger Str. 45, M.E. Albrecht, Kolonialwarenhdlg. Zettzer Str. 35, V. Küster, Cigarrenhdlg. Im Westen. Veethovenftr. 21, Th. Peter, Kolonialwarenhdlg. 390l Frankfurter Str. 22 (Ecke Walbstr.), L. Siever«, Kolonialwarenhdlg. Ranftübter Glrtnweg 1, O. Engelmann, Kolonialwhdlg. 2151 Walbstr. SV, G- Vetterlein, Kolonialwarenhdlg. Westplatz SÄ, M. Leißnrr, Cigarrenhdlg. 2402 I« den Bor» und Nachbarorten. Anger-Trattenbarf, B. Friedel, Cigarrenhdlg., Zwei naundorfer Str. 6, O. Oehler, Bernhardstr. 29 Connewitz, Frau Fischer, Hermannstr. 23 » Fritz Koch, Pegauer Straße 17 Eutritzsch, Robert Aliner, Buchhdlg., Delitzscher Str. 25 820 Gautzsch, Ioh. Wolf, Ecke Ring- und Oetzscher Str. Gatzlis, Robert Altner, Buchhdlg., Linventh. Str. 8 820 » Paul Schmidt, Brüderstraße 8 Kleinzschocher, G. Grützmann, Zschochersche Str. 7» in L-'Plagwitz 2586 Leutzsch, Albert Lindner, Wettiner Str. 51 in L -Lindenau Ltndeuau, Alb. Lindner, Wettiner Str. 51 in L.-Lindenau Möckern, Paul Schmidt, Brüdrrstr. 8 in L.-Gohlis Neustabt, Paul Kuck, Annonc.-Exped., Eisendadnstr. 1 Neuschturfelb, Paul Kuck. Annoncen-Exp., Eisenbahnstr.1 vetzsch, Carl Scheffel, Ecke Ost- und Mittelstr. 6475 Plagwitz, Ä. Grützmann, Zschochersche Str. 7» 2586 Probftbetb«, Reinhard Sachse, Buchbindergeschaft U«>»»»ttz, W. Fugman», Marschallstr. 1 1516 » O. Schmidt, Koblgarteustr 67 1739 » Bernd. Weber, GadelSbergerstr. 11 Echlentzig, O. Grützmann, KönnerMstr. 56 2586 Selterdause», O. Oehler, Anger-Crottendorf, Bern- bardstraße 29, Part. Stünz, O. Oehler, Angrr-Crottend., Bernhardstr. 29, p. Ttzonbera, R. Häntsch. Reitzenhainer Str. 58 BoltmarSbarf, Paul Kuck, Änn.-Esped., Eisendadnstr. 1 « Georg Niemann.Konradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.) Wahren, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 in L.-Gohlis Aus -er Woche. In ihrem neunundzwanstgsten Artikel bestimmt die Ver fassung des Deutschen Reiches: „Die Mitglieder de» Reichs tages stad Vertreter de» gesamten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden." So nahe es lieg», an diese wesentliche Bestimmung zu erinuerv, da nun der Termin für die Reichstag-Wahlen authentisch bekannt und damit in di« Wahldewegung ring,treten worden ist, und so sehr dieser Satz ge«igoet scheint, gewissermaßen über da» ganze große Kapital von den Pflichten de» Abgeordneten als Ueberschrift gesetzt zu werden, so möchten wir doch für rin« Ausnahme von der Regel plädiere». Den künftigen Reichslagsabgrordneten sollt« unseres Erachtens in aller Form erklärt werden, ihre Wahl werd« geradezu davon abhängig gemacht, daß st, feierlich geloben und znsagen, den Sitzungen regelmäßig deizuwobnen, ihnen nur iu den Fälle» aller- driugrndstrr Verhinderung ferozubleiben. Der grandios« Reichst»,sba» enthält eine solche Füll« d«r Beschäs- tigung. Erhol«, »der Erfrisch»,, dienender Redenräume, datz bt« «moefentzsi^ „ ßch «tws» Selbstverständliche-, kein so ungeheuerliche» Verlangen bedeutet. Daß sie aber im Interesse de« Reiche« unumgänglich notwendig ist, hat sich gerade wieder im Laufe des durch dieOsterpause jetzt beendeten SessionSabschnittcS auf da» Krasseste gezeigt. Noch wahrend der wichtigen, aber nicht immer erbaulichen Debatten über die Person, die Reden und die Telegramme des Kaisers in ihren Wechselbeziehungen zu den konstitutionellen Verhältnissen und der öffentlichen Meinung waren die Parteien in stattlicher Kopfzahl vertreten. Beim Etat des inneren Reichsamtes dagegen begann nur gar zu bald die Absenz chronisch zu werden. Die Verlängerung der Sitzungen durch unbedeutende oder abstruse Reden ist ja unter gewissem Gesichtspunkt kein allzu großes Unglück. Man wird mit Recht sage» können, die Lektüre dieser Reden, zu der ohnehin Niemand gezwungen wird, sei zwar langweilig, aber nicht schädlich. Und doch muß hier ein schweres Bedenken erhoben werden: der politisch empfindende und denkende Leser darf nicht abgestumpft werden, wenn wir nicht in eine Stagnation de» öffentlichen Lebens geraten sollen, di« üb«r kurz ober lang den Boden sür schleichende, darum aber nicht minder schädlich wirkende Reaktion abgeben würde. Es lommt hinzu, daß bei dem Fehlen einer für den Beschluß, die Debatte zu enden, erforder lichen Mehrheit die Sozialdemokratie, wie wir es im Februar schaudernd miterlebt haben, ihre Reden an die Wählerschaft von einer Tribüne aus halten, die dem .blinden Hödur" weit mehr imponiert, als da» Rednerpult in der Wahlver sammlung. Wi« soll er nicht zu dem Eindrücke kommen, die Worte Bebels, Stadthagens, Bernstein- und wie sie sonst heißen mögen, seien eine wertvolle und wichtige Sache, wenn er liest, wie durch Wochen Gras Posadowsky und andere hochmögende Herren nicht nur die regelmäßigen Zuhör«r sind, sondern diesen Rednern auch auf allen Pfaden folgen, ihnen immer wieder Red« und Antwort stehen?' Da nicht zu bezweifeln ist, daß Diäten auch in der künftigen Tagung den Abgeordneten werden vorenthalten werden, so muß auf d«r Präsenz der bürgerlichen Abgeordneten be- standen werden. E» ist uns sehr Wohl bekannt, daß der bisherige und hoffentlich auch künftige bürgerliche Vertreter von Leipzig zu den pflichttreuesten, regelmäßigsten Mitgliedern des Reichs tages gehört. Dennoch mußte die allgemeine Beschwerde gerade jetzt wieder ausgesprochen werden, weil sie sich bei dem Rückblick auf den vorletzten Abschnitt der Legislaturperiode au» den an gegebenen Gründen geradezu ausdrängt. Wurden im Januar und Februar durch diese» endlose HinauSzerren die Sitzungen unerträglich, so machte sich in den letzten Tagen eine un natürlich« Hast sehr peinlich bemerkbar. Auch hier wollen wir nicht behaupten, das habe materiell großen Schaden verursacht. Aber eS schlüpft bei solchem Drange manches Wort ohn« Widerspruch durch, da- bei ruhigerem und gleichmäßigerem Tempo zu einer nützlichen Debatte Anlaß geben könnte. So frappierte eS uns, daß Abgeordneter Porsck vom Zentrum bei der dritten Lesung des Etat» den Kanzler von neuem auf die Iesuitenfrage anreden konnte, ohne daß ihm die verdiente Antwort erteilt wurde. Daß zu einer solchen Gras Bülow sich nicht aufgelegt fühlte, begreifen wir. Muß er doch, so ost er feine Additionen und Sub traktionen macht, zu dem Ergebnis kommen, daß sür das Centrum sein« Zusage betreff- der preußischen Stimmen höchst wahrscheinlich nicht viel mehr Wert haben wird, als wenn er ihm etwa den Stein der Weisen ver- sprochrn hätte. Heute stehl fest, daß, wenn nicht eine inten- stve Arbeit hinter den Kulissen Schwache zum Umfallen bring», im Bundesrat keine Mehrheit sür die von Preußen den Jesuiten zugedachte Begünitigung zu finden sein wird Aber grade darum, und um vielleicht dieses oder jenes Rück grat zu Härten, hätte in einer Gegenrede gegen Po,sch von liberaler Seite in seierlicher Form aus di« große Sturmbe- wegnug hingewiefen werden sollen, die da« unbedachte Wort des Kanzler» wir sagen, zum Heile de» Vaterlandes — herauf beschworen hat. Ein nochmaliger Protest gegen die Iesuitenplage wäre um so mehr angebracht gewesen, al« der Ultramontanis- muS sich noch immer von feiten der preußischen Konservativen nachdrücklicher Gönnerschaft erfreut. Man muß sich, um mit PodbielSki zu reden, an den Kopf fassen, wenn man sieht, w«e in der .Kreuzzeitung" gegen die bayerischen Liberalen zu Felde gezogen wird, weil sie in Nürnberg d,e Divise .Wider das Centrum" zur Wahlparole gemacht haben. Trotz der demagogischen Exzess« «ine- Schädle,, eines Heim schwingt sich bei der Besprechung der bayrischen Zustände da» .«vangelischr" und .monarchische" Blatt nur bis zu de« Zugeständnis auf, daß iutr» wuxos peccutur et wrtru. Das Organ der preußijchen Konser vativen hat sür die partikularistijchen Demagogen nur deswegen noch etwas übrig, weil sie Gegner der vrr- haßten Liberalen find. Da« Betrübende der Erscheinung wird nicht dadurch gemildert, daß dieje Politik in einem Münchner Briefe zum Ausdruck kommt, der vermnilich «in .Nordlicht" zum Verfasser hat, von dem man Ver ständnis dafür aber doch ei warten sollt«, daß mit der artig« Pnlemü gegeu die Librraleu Bayerns der national« Gedanke nicht gefördert wird. Aber leider ist eS ja sehr oft Mode, derlei Bedenke« hinter dem Parteiinteresse zurücklreten zu lassen. Die klerikale .Köln. VolkSztg.", die doch sonst nicht blöde ist, befindet sich in einem ganz unver- stündlichen Irrtum, wenn sie au« dem Ausschlüsse der Oeffcnt- lichkeit bei dem konservativen Delegierten tage den Schluß zieht, dort sei man übereingekommeo, mit dem Bund der Landwirte und den Nationalliberalen den Kampf gegen das Zentrum bei den Wahlen durchzusühren. An so etwas denken die um Loebcll uud Manteuffel auch nicht ent fernt. Verblendet in dem Wahne, die Konservativen hätten da- Hauptverdienst bei Zurückweisung der sozialdemokratische« Obstruktion gegen den Zolltarif gehabt, wetterten sie über die Liberalen als die Vorfrucht der Sozialdemo kratie und proklamierten den „Kampf de» Glaubens gegen den Unglauben". Man sollte meinen, es gehörte kein allzu seines Ohr dazu, aus diesen Reden herau-zuhören, daß der konservative Wind dem Ultramontanismu» keineswegs un- günstig weht. Die schwarzen Herren werden wohl nicht verfehlen, sich das alsbald zu Nutze zu machen. Dennwie versteht sich da» Zentrum darauf, d:e Kleinste der Kleinigkeiten in dem großen Zusammenhänge der ultramontanen Propaganda, und sei es auch nur in Form einer Arabeske, zu verwerten! Es war gewiß nur in der Ordnung, daß an der Bahre des Freiherrn v. Her re man, der so lange Vizepräsident des preußischen Abgeordnetenhauses gewesen ist, auch die anderen Parteien den Lorbeerkranz niederlegten, der dem unpar teiischen und rechtschaffenen Manne gebührt. Aber nachdem bei seiner Leichenfeier neben dem Vertreter des Kaiser» preußische Prinzen und die höchsten Würdenträger wie zu einem Staatsbegräbnis erschienen sind, muß doch auch weiteren Kreisen in Erinnerung gebracht werden, daß dieser ZentrumS- mann einer der schärfsten Eiferer gewesen. Wiederholt hat wm von ihm die These verfechten hören, daß der Staat überhaupt kein Recht habe, den Unterricht der Jugend in seine Hand zu nehmen, daß er au» den Schranken seiner Zuständigkeit trete, wenn er über da» OrdenSwesen Be stimmungen treffe. Also trotz der erfreulicheren Formen auch bei diesem Manue der echteste UltramontaniSmuS, vaSselbe Intransigententum wie bei einem Dasbach, dem der Kultusminister Studt verdächtig ist, weil ihm — ausnahms weise — die Nationalliberalen einmal ihre Zustimmung ausgesprochen haben. Bei solchen Zeichen der Zeit darf man nicht zurück halten mit freudiger Anerkennnng sür einen Abgeordneten wie Psarrrer Hackenberg, der auch jetzt wieder aus dem Posten ist. In Kreuznach hat er in einer Partei rede der Wählerschaft sehr eindringlich zugeredet, sich endlich einmal wieder auf die großen Gesichtspunkte zu besinnen, die hinter den Fünfzig-Psennig-Sorgen der Zolltarif-Streitig- leiten über Gebühr vernachläisigt worden sind. Gerade die jenigen Parteien, auf deren Stärke die Kultur-Interessen des deutschen Volkes angewielen sind, werben mehr und mehr be einträchtigt durch die Schwierigkeit der Verständigurg über vaS wirtschaftspolitische Programm. DaS Zentrum dagegen versteht die Differenzen auszugleichen, mit den allgemeinen Schlagworten des UltramontaniSmuS die .zentrifugalen" Bewegungen — Las Wort wird hier in seinem eigentlichen Sinne gemeint — hintanzuhalten. Möchten sich doch die wahrhaft liberalen Elemente für diesen so ungeheuer wich- tigen Kampf aufrasfeu und konzentrieren. Man lasse endlich davon ab, mit Quisquilirn wie die Einzelheiten des Dunkelkammer - Gesetzes dem weniger geschulten Leser c>aS Augenmaß dafür zu mindern, daß der nächste Wahlkampf uns einen Reichstag bringen sollt«, der das sozialdemokratische Uebergewicht auSgteichl durch eine Elite ves Bürgertums. Wir müssen es wieder dahin bringen, daß jür den Stand der großen deutschen Politik Sehnsucht des Zentrums nach den Jesuiten oder die Laune des .Gefangenen" im Vatikan nicht nur nicht den »Ausschlag gibt", sondern überhaupt gar nicht iu Betracht kommt. Die politischen Wirrnisse iu Oberschlesscn. In dem stark umstrittenen Wahlkreise Beuthen hat das Zentrum einen besonder» klugen Streich zu voll- führen geglaubt, indem es einen wasserpolnischen Berg arbeiter namens K r o l t k aufstellte. Es hoffte nämlich dadurch einerseits den Nattonalpolen und andererseits den Sozialdemokraten den Boden zu entziehen. Nun haben aber deutsch gesinnte katholische und konservative Elemente einen AmtSgerichtSrat An test aufgestellt, für den wohl auch die freisinnigen Wähler des Wahlkreises eintreien werden. Der Wahlkreis Beuthen wird also voraussichtlich mindesten» vier Kandidaten aufweisen, nämlich einen Kandidaten aller deutschgesinnten Männer, einer wasser polnischen Zentrumsmann, einen nativnalpolnischen Be- Werber und einen Sozialdemokraten. Da die national polnische Bewegung in Oberschlesien große Fortschritte gemacht hat und da auch die Sozialdemokratie speziell in Beuthen an Anhängerschast bedeutend gewonnen hat, so er scheint es durchaus nicht ausgeschlossen, daß der National pole und der Sozialdemokrat mit einander in die Stich, wähl kommen und -atz sowohl die klerikalen wtz die deutschgesinnten Wähler vor die Entscheidung gestellt wer den, ob sie lieber einen Sozialdemokraten oder einen ge schworenen Feind des Deutschtum» in den Reichstag ge- langen lassen wollen. Aehnlich wie hier, könnte sich auch in manchen anderen oberschlesischen Wahlkreisen die Lage gestalten. Gewiß ist ein derartige» Dilemma für einen national und antisozialistisch empfindenden Wähler höchst fatal, aber vielleicht könnte man darin eine gar nicht so unerwünschte Klärung erblicken. Wenn die grvtzpolnischen Bewerber in einem seit Jahrhunderten deutschen Gebiete in die Stich wahl und dann vielleicht zum Siege gelangen, so wird die preußische Regierung dahinter kommen, daß das Deutschtum in Oberschlesien nicht weniger gefährdet ist, als in der Provinz Posen und im Regierungsbezirk Marienwerder. Wenn anläßlich der Bewilligung der Beamtenzulagen für die Ostmark die »Kreuzzeitung" die Frage aufwirft, ob man nicht für Obcrschlesien dieselbe Maßregel hätte er greifen und ob man nicht überhaupt generell diesen Be zirk in den Bereich der Ostmarkenpolitik hätte einbeziehen sollen, so können wir ihr nur zusttmmen. Wenn e» in Oberschlesien erst soweit ist, wie in Posen und Marten- werder, so wird eine Abwehr des PolentumS viel schwerer sein, als heute, wo es in Oberschlesien doch immerhin noch nicht so straff organisiert ist, wie in Posen und West preußen. Ja, in gewisser Weise kann eS in Oberschlesien noch viel schlimmer werden, als in den beiden frühe* pol nischen Provinzen. Gaben nämlich die Polen erst einmal in Oberschlejien das Zentrum aus dem Sattel gehoben, so wird dieses gute Miene zum bösen Spiele machen und die polnischen Abgeordneten Oberschlesiens ebenso als Kämpfer für die gemeinsame katholische Sache betrachten, wie es schon die Abgeordneten Strzoda und Szmula mit sauersüßer Miene accevtiert hat und wie e» auch die polnischen Abgeordneten Posens und Westpreußens als Bundesgenossen und Schutzbefohlene behandelt. Dann aber wird die politische Zurückeroberung OberschlestenS für das Deutschtum viel schwieriger sein, al» die Posens und Westpreußens. In den posenschen, von den Polen umstrittenen Wahlkreisen schwankt der Anteil der katholischen Bevölkerung zwischen 40 und 88 Prozent; über 80 Prozent beträgt er nur in zwei Wahlkreisen; im Re gierungsbezirke Marienwerder schwankt der Anteil der katholischen Bevölkerung zwischen 41 und 77 Prozent, über 70 Prozent beträgt er nur in zwei Wahlkreisen. In Oberschlesscn hingegen bewegt sich der Anteil der katho lischen Bevölkerung zwischen 59 und 05 Prozent; in neun, also in drei Vierteln der zwölf oberschlesischen Wahlkreise, beträgt er über 90 Prozent. Hat also hier erst einmal daS Polentum den Sieg errungen, so ist es nicht wieder hev- auszubringen. In diesem Sinne also können wir die Aufstellung na- tionalpvlnischer Kandidaten bei den gegenwärtigen Wahlen nur begrüßen. Diesmal werden die National polen doch wohl höchstens zwei ihrer Bewerber durch dringen; das bedeutet für das Deutschtum noch keine Katastrophe, wird aber ein auSreiclxndes Warnungs zeichen für die preußische Regierung sein. Deutsches Reich. -s- Berlin, 28. März. (Splitter und Balken.) Im Wahlkreise Lübeck schic»» eine Einigung der bürger lichen Parteien auf eine gemeinsame Kandidatur zustande kommen zu sollen, wenigstens hatten sich Liberale und Frei sinnige auf einen volksvarteilichen Kandidaten geeinigt. Die Nationalsozialen aber wollen auf das Kartell nicht mit eingehen, sondern einen eigenen Bewerber auf stellen. Ein hervorragendes freisinniges Orgqn bemerkt dazu: „Die Haltung der Nationalsozialen hat sehr ver stimmt. Ein Zweck ist nicht recht einzuschen; denn wie die Dinge liegen, kann es sich bei ihnen nur um eine Zähl kandidatur handeln." Das ist richtig; denn bei den letzten allgemeinen Wahlen haben die Nationalsozialen nur ganze 64 Stimmen in Lübeck erhalten. Aber selbst wenn sie bei weitem mehr Stimmen bekommen hätten, so würden auch wir ihre Hintertreibung des Kartells im Interesse des Kampfes gegen die Sozialdemokratie lebhaft bedauern. Auf der andern Seite aber müssen wir sagen, daß die freisinnige Volksvartei in anderen Fällen ge nau so verfährt, wie die Nationalsozialen in Lübeck. So lehnen es beispielsweise die Freisinnigen in Magde burg ab, für eine nativnalliberale Kartellkandidatur ein zutreten, und wollen einen eigenen Bewerber aufstellen, der laut einer von dein fortschrittlichen Wahlverein in Magdeburg angenommenen Resolution „günstige Aus- sichten" hat. Die Freisinnigen haben aber bei den letzten allgemeinen Wahlen in Magdeburg nur 4200 Stimmen aufgebracht und sind damit nur um 500 Stimmen über die Antisemitrn hinanSaekommen, während die National- liberalen mit 10 683 Stimmen nahezu 3000 Stimmen mehr erhielten, als diele beiden Parteien zusammen genommen. Daraus ergibt sich, daß nur ein nationalliberaler Kan didat Aussicht auf Erfolg gegen die Sozialdemokratie haben kann, nnd deshalb ist die volksvarteiliche „Eigen- brödlerei" in Magdeburg nicht um ein Haar besser, al» die nationalsoziale in Lübeck. Berlin, 28. März. sG eneral st reik, Anarchis mus und Spitzelt» m.) Das GewerkschastSorgan „Metallarbeiter Zeitung" hat Len General- streik mit dem „Spitzeltum" in eine Verbindung gebracht, die das Blatt bald bereuen dürste. Gelegenheit dazu gab der «Metallarbeiter Ztg." eine von Siegfried Nacht verfaßte Schrift über den Generalstreik und die soziale Revolution —, eine Schrift, deren Radikalismus ein Organ der sozialdemokratischen Gkwerkschasten aller dings leicht zu dem beliebten Mittel greifen lassen konnte, sie als dcrs Werk eine» Spitzels anszugeben. Siegfried Nacht liefert nämlich vom Generalstreik folgende Defini tion: „Die Idee de» Generalstreik« besteht darin, im ganzen Lande jede Produktion, Kommunikation und Kon sum sür die herrschenden Klassen mit allen Mitteln zu mtterbrechen und »war für die Zeit, die notwendig ist, um
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite