Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030305015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903030501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903030501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-05
- Monat1903-03
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
NedakNo« und Expedition: Iohanntßgasse 8. Y«ru1v»cher 153 «ad SSL Ulf«-Hahn, Bmhha«dlg„ lloiversttSttstr.S, 8. Lösch«, Kathartaeoftr I«, «. »SnigSpl. 7. Vezufts PrekS d«e HanptexpedtNon oder Dereu Äusgabo» stelle» abgeholt: otertrljührltL S.—, Del zweiamltgei tägliche» J»ft»Il«na «« Hak» -ch 3.7L Dur» di« Poft bezog,II für Deutsch, las» ». Oefterrelch vierteljährlich ^l « 50, für die übrig« Länder laut ZeitsngspretSllste. Hlnvt-Filiale Vres-e»: Strahle«er Straß« «. Fanlfprrcher stmt I Nr. MS» Haavt-Filiale Serli«: Tatk vmtckrr, Herzgt Bayr. Hofbuchhandlg^ Lü-owstrotz« 10. Sernsprecher »ml VI N». BWA Morgen-Ausgabe. KiWger TlMblalt Anzeiger. Ämlsökatt des HönigNchen Land- «nd des Lönigtichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiarntes der Ltadt Leipzig. Extra-Beilage» lgefolzt), ,,, mV der Morgen-Äusaab«, oha, Poftbewrderuug »A > Mit dostdefürdenmg 70. Anzeigen Preis die SgejpaUeue PetUzerlr eL «ettamo» auter de» ««bakNmMstrtch (4 gespalten) 78 v« de» Komttteunoch- richten -(S gefpaltmi) 50 Tabellarsscher -ad Nlfferafa, «tlpmchm» höher. — Gebühren für Nachrveiluag« and Offerteiionnahme 85 H (excl. Portos Annahmeschluß fitr Anzeigen: Ibettd-Ausgabe! So,»IN»-« 10 llhe. Pko rg,»-Ln«-ab«! Aochmtttags 4 Uhr. Anzeige» find stets an HP ExpedMo» zu richte». Die Expedition ist wocheatags mnmterbrvche, g«Sff«1 oo» früh S bts ad«d« 7 llhr. Druck and Verlag von Ist. Polz tu Leipzig. Nr. »6. Donnerstag den 5. März 1903, S7. Jahrgang. Frankreich und der Vatikan. Dem greisen Jubilar auf dem Stuhle Petri ist in den letzten Tagen in allen Sprachen Preis und Lob gesungen. Aus der exlsnäick Isolation, in die Pius des Neunten hitzköpfige Politik den Vatikan als diplomatische Macht gebracht, habe Leo XIII., der Papst deS Friedens »nd der Versöhnung, das Schiss der Kirche wieder in ein freundlichere- Fahrwasser gelenkt und der heilige Stuhl stehe dank der Staatsklugheit deS Grafen Pecci heute machtvoller da als je. Mit Rußland habe die Kurie sich wieder verständigt, die Griechisch-Unierten wieder in den Bann Roms gezwungen, die katholische Kirche in den angelsächsischen Staaten glorreich gefestigt und in dem Ketzerlande -wischen Belt und Alpen führe das Zentrum, die Leibgarde Seiner Heiligkeit, seine Getreuen zu immer weiteren Triumphen. In der Tat, der „Nachfolger Petri" kann wohl zufrieden sein. Seine Lieblings beschäftigung in seinem langen Leben war es, glatte lateinische oarminL abzufassen und die deutschen Pro testanten — und sie bilden noch immer, wie zu den Zeiten Wilhelm- I., die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes — zu verfluchen und zu beleidigen. Und die Re gierung diese- Reiches widmet dem Manne, der die Mehrheit -er Nation in ihren heiligsten Empfindungen beschimpft hat, eine schwülstige Huldigungsapostrophe, die ebensogut in der Redaktion der „Osservatore Romano" als in der Wilhelmstraße zu Berlin verfaßt sein könnte. Aber in die Freude bei den Jubelfeiern, deren Leo LlH. jetzt jährlich drei bis vier zu begehen scheint, fällt -och ein finsterer Schatten. Frankreich, die älteste und geliebteste Tochter der Kirche, zeigt sich un gebärdiger als je, und alle Zärtlichkeit, dieRampolla an -le Republik verschwendet, wird mit kaltem Undank belohnt. Bei dem Zwist mit dem Ministerium Combes mag man im Vatikan wohl an die trübe Chronik von Avignon denken. Der Vergleich der jetzigen „Gefangenschaft" mit der damaligen Verbannung" läßt das Haus Savoyen in einem milderen Lichte erscheinen als die gewalttätigen Kapetinger und ihre Nachfolger in der Herrschaft, und man möchte fast annehmen, daß die Schule des ver storbenen Kardinals Parocchi, der den Ausgleich mit dem Ouirinal erstrebte, mehr Einfluß gewinnen könnte. Das wäre indes ein verhängnisvoller Irrtum. Noch hat Rampolla die Fäden der vatikanischen Diplomatie in der Hand, noch immer klammern sich die letzten Hoff nungen der päpstlichen Intransigenten auf eine Wiederherstellung des Kirchenstaates an Frankreich, das man sich trotz des Friedens mit der dritten Republik am liebsten als orleanistischen oder doch wenigstens bonapartistischen Staat denkt. So ist anzu nehmen, baß Rom, das sonst überall seinen Willen durch zusetzen vermag, bet dem neu auSgebrochenen In- vestiturstreite gegenüber der französischen Regierung nachgeben oder doch zu einem billigen Ausgleiche bereit sein werbe. ES ist alles schon dagewesen, und der Kampf um die Besetzung der Bistümer hat nicht nur zwischen den deutschen Kaisern und den Päpsten getobt, sondern auch Frankreichs Geschichte ist mit diesem Streite angefüllt. Durch das ganze Mittelalter ziehen sich die Erörterungen über die Investitur hin. Das Konkordat, das Franz I. mit Leo X. abschlotz, behielt zwar dem heiligen Stuhle das Recht vor, kirchlich unwürdige Personen nicht zur Bischofs würde »uzulassen, aber disTräger der französischewStaats- gewalt haben stets mit Nachdruck betont, daß die eigent liche Ernennung eines Kandidaten zum Bischof lediglich Sache des Staates sei. An Meinungsverschiedenheiten in einzelnen Fällen hat es freilich nicht gefehlt. Wir er innern hier nur an den berühmten Jnvestiturstreit, in dem drei Päpste nacheinander — Jnnocenz XI., Alexander VIH. und Jnnocenz XII. — die kanonische Institution der zwölf galltkanischen Beschüfe, die Ludwig XIV. ernannt hatte, verweigerten. Damals gab schließlich das Haus Bourbon nach. — Gleich nach der Neubegründung der Republik drohte der Kampf um die Investitur wieder auszubrechen. Nach den Stürmen des großen Krieges 1870/71 stand aber die französische Regie rung davon ab, ihre Meinungsverschiedenheit mit dem Kardinal Antonelli durchzufechten. Rechtlich haben indes auch die Vertreter der Republik nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie nach dem Wortlaute des letzten Konkordats die Ernennung der Bischöfe allein dem Präsidenten der Republik zusprechen, dem Papste da gegen nur die eonstitutio oanonioa. Um die kirchen- und staatsrechtliche Bedeutung dieser „Ernennung" der Kirchenfürsten durch das Staatsober haupt und die Bedeutung dieser „Ernennung" gegenüber der päpstlichen Institution dreht sich der Streit gleichfalls, den heute das Ministerium Eombes mit der Kurie führt. Bor einigen Tagen „ernannte" der Ministerrat, ohne p«rK«i»btgu»g -«» Vatikan», drei neu« Bischöfe, und zwar die von Constantine, Bayonne und Saint Jean-de» Maurienne. Der heilige Stuhl hat auf eine betreffende Mitteilung der vollendeten Tatsache bisher nicht geant wortet. Nach dem Kirchenrechte der Gelehrten des Vatikans ist diese „Ernennung" von Bischöfen, zu deren Zustandekommen der Papst überhaupt nicht zugezogen ist, nichtig. Nach Sebastianellt und Gobbio hat die Re publik lediglich ein Designattonsrecht, nicht einmal die Prä- fentationsbefugnis, geschweige denn die Vollmacht, den Bischof einfach zu „ernennen". Ein o«8us bsili wäre also an sich gegeben, und einer anderen Macht gegenüber, als Frankreich, würde der Vatikan es auf einen Zusammen stoß wohl ankommen lassen. Seine Position ist in diesem Falle aber etwas heikel. Erstens kann und will man aus politischen Gründen es mit der Republik nicht verderben und zweitens ist die formale Rechtsseite sehr anfechtbar. Thiers hat noch 1871 ausdrücklich festgestellt, daß das Oberhaupt der Republik es sei, und dieses ganz allein, welches einen Kandidaten zum Bischof mache (. . . Is oanckickst gus NOUS »von« kait svvqus — . .). Dieser unbequemen Tatsache gegenüber half sich Rom mit einem recht unchristlichen Mittel. Es erlaubte sich nämlich, in dem lateinischen Texte der Jnstitutionsbulle zwei aller liebste kleine — Fälschungen vorzunehmen. Der Text lautete eigentlich: „le, cznom prassos Oubsrnii — ack st«: per suas litisvas nomivavi t." Die gott seligen Kirchendiener machten daraus flugs — Ge schwindigkeit ist keine Hexerei — folgenden Satz: „Ts <zusw ... nc> t> is sä iioe ... nowiuavit et praessn- tavit." Durch das eingeschmuggelte nobis heißt nun nominavit nicht mehr „ernennen", sondern nur „Vor schlägen", und um diesen Eindruck zu verstärken, erfand man gleich in aller Eile noch ein „st praovkn- tavit" dazu. Auf eine recht deutliche Note aus Paris hin mußte sich wegen dieses kleinen Kunststückes seinerzeit Kardinal Antonelli entschuldigen. Das „et prsssentavit" gab man preis, auf dem eingeschobenen „nobis" bestand man aber weiter und besteht man noch heute. Wie wird nun der Streit enden? — Herr Combes wird kaum den Ultramontanen nachgeben, er wird aber ebensowenig den roten Sansculotten mit ihrem ewigen „60VLS62 I'intaine" zu Liebe das Konkordat auf heben. Er wird indes wohl bereit sein, -em Vatikan bei seinem unvermeidlichen Rückzüge goldene Brücken zu bauen. Vielleicht, daß die drei fraglichen Bischöfe wie bei dem Jnvestiturkonflikt von 1884 von selbst zurücktreten und damit wenigstens für diesen Fall den Streit aus der Welt schaffen. Die Prinzipienfrage wird freilich damit nicht gelöst. Zu guterletzt wird sich die Kurie doch dazu verstehen müssen, das famose „Xvbis" ebenso geschickt aus der Jnstitutionsbulle heraus zu eskamotieren, wie man es im frommen Glauben hineingezaubert hat. l?. IV. Deutsches Reich. Berlin, 4. Mär;. (Belastung und Entlastung der Armee.) Im Märzhefte der „Deutschen Revue" äußert sich Generalleutnant z. D. Metzler in bemerkenswerter Weise über die Belastung und Entlastung unserer Arme?. Metzler schaltet die von mancher Seite in der Armee wabrgenommene „Nervosität" als nock nicht bestehend aus der Mehrbelastung des HeereS aus. Letztere erblickt Metzler vielmehr vor nehmlich in dem schwierigen Stoff, der in kürzerer Zeit zu bearbeiten ist, und in der Abnahme der durchschnittlichen Körperkraft der Eingestellten. Zunächst für eine Entlastung der Offiziere eintretend, berücksichtigt Metzler vie Vor schläge, die General der Infanterie z. D. von Blume in einer Abhandlung über den Wert des Drills und seine Grenzen gemacht hat. Metzler pflichtet Blume in der An- sicht bei, daß der Exerz,erdrill betreffs des Parade- Marsche« und ähnlicher Hebungen eingeschränkt werden könne und daß der Besichtigungsmodus wegen des ungesunden Hinarbeiten« auf die gerade bevorstehende Inspizierung geändert werden sollte. Solche Vorschläge aber bedeuten für die Belastung der Offiziere nur eine Verschiebung in der Belastung, keine Entlastung, weil da« Exerzieren ein, geistig« Erholung gegenüber der individuellen Ausbildung von Unterführern und Mannschaften im Felddienste ist. Da nun eine Entlastung im Dienstzeitaufwand nicht möglich ist, empfiehlt Metzler eine moralische Entlastung, die mit einer Erhöhung der Freudigkeit im Dienste Hand m Hand zu gehen hätte. Wirksam müsse dies« moralische Ent lastung angesichts der herrschenden Neigung werden, die Leistungen der Offiziere auf allen Gebieten einem Verbleich ri, unterziehen. Gegen solche Neigung mit ihren Prämiierungen rc. macht Metzler geltend, daß der aller- wichligste Dienstzweig, die Gefechts- und Feuerdisziplin, nach den FrievenSresultaten am schwierigsten zu bewerten sei: „Eine Kompagnie, die beispielsweise die besten FriedenS- schießplatzresultate zu verzeichnen hat, ist »och lange nicht die beste im Marschieren vor dem Feinde, im Ertragen der blutigen Verluste, im Jmmerwieder- anstürmea und im Drange, zu siegen oder zu sterben! . . . Der deutsche Offizier mit seinem Pflichtgefühl bedarf keiner Anstachelung durch Vergleiche mit anderen und durch Prä miierung! Er vergleicht sich schon im stillen selber mit andern und exzelliert, je nach seiner Eigenart, in diesem, jener in anderm. So war «S früher, und da« hat rin gesunde«, neidlose« Streben gezeitigt und e« Hal die Freudigkeit im Dienste gefördert. E« mag hart klingen, e« ist aber wahr: eine gewisse Aeaastlichkrit ist ringetrelen, ob man auch in allem genügt, bei andern ein gewisses Streben, das in seiner Ausgeburt einem kalten, häßlichen Streber als Rückendeckung dienen könnte." — So Metzler wörtlich über die Notwendigkeit einer moralischen Entlastung un erer Offiziere. Wait aber die Entlastung der Mann- 'chaften anlangt, so tritt er für eine Erleichterung des Gepäcks ein. Die Ratsamkeit einer solcher Erleichterung fvtgerl Metzter aus der Herabsetzung der Anforderungen an vie Mindestgröße deS einzustellenden Mannes. Je kleiner der Mann wird, desto leichter wird er bei Annahme ivnst gleichmäßiger Verhältnisse, und je leichter er wird, desto schwerer fällt ihm das Tragen eine« gewissen Gewich'eS. Das Durchschnittsgewicht eines Mannes von 160 om G'öße beträgt 62,5 üg, von l57 ow 60 kg, von 154 om 57,5 kg. Der Mann mit dem zuletzt genannten Eigengewicht, auf vas durch die Anstrengungen und Entbehrungen deS Feldzuges auch mancher größere reduziert wird, hat demnach bei den jetzigen Gepäckoerbältniffen Vie Hälfte seines Eigengewichtes zu tragen. Die Frage, ob dadu ch seine Leistungsfähigkeit vor dem Feinde nicht höchst ungünstig beeinflußt wirv, drängt sich ganz von selbst auf. An eine Entlastung ver Mannschaft durch Gepäckserleichterung glaubt Metzler nicht eher, bis die Bedingung der langen Friedenstragezeiien der Ausrüstungs stücke geändert ist. Wenn ein Helm 40 Jahre, ein Kochgeschirr 15 Jahre, ein Leibriemen 12 Jahre ballen toll, muß er so solide gearbeitet sein, daß ein schweres Gewicht sich heraus stellt. Hier also bat die Reform einzusetzen. Berlin, 4. März. (WobnungSfürsorge und Wohnungsgeldzuschuß) Alle vaterländischen Kreise, vie es mit der Sozialreform ehrlich meinen, sind beute ver Ansicht, daß zu den wichtigsten Aufgaben der Zukunft die Lösung der Wohnungsfrage gehört. Es war deshalb dankens wert, wie der Staatssekretär des Innern bei der Beratung seines Etats im Reichstag den bieraufbezüglichen Anregungen Folge gab. Er stellte in Aussicht, dem nächsten Reichstage in einer Denk schrift bekannt zu geben, was in den Einzelstaaten zur Ver besserung der Wobnungsverbältniffe der unbemittelten Klassen geschehen sei. Er sprach aber auch namentlich leine Freude darüber aus, daß der aus dem fraglichen Gebiete sicher ungemein beschlagene Abg. Jaeger in seiner gründ lichen und umfassenden Arbeit über das Thema auch zu der Ueberzeugung gekommen zu sein scheint, der geeignete Weg sowohl für das Reich wie für Staat und Kommunen, den unbemittelten Bevölkerungsklassen billige Wohnungen zu schaffen, liege in der Anwendung res Erbbaurechts. Nur wenn Reich, Staat und Kommune in dieser Weise Eigentümer des Grund unv BovenS bleiben und auf dem Wege der Geooffenschatls- bildung billige Wohnungen für die unbemittelten Klassen errichten, wird es möglich sein, der Grundstücksspekulation in der Umgebung der Städte, namentlich der Großstädte, mirkiam und dauernd enlgeaenzutreten. Werven die Preise für Grund und Boden, so führte der Staatssekretär aus, in der Umgebung der sich entwickelnden Städte weiter getrieben, so wird eS auf die Länge der Zeil geradezu unmöglich werden, für die ärmeren Bevölkerungsklassen noch billige Wohnstätten in erreichbarer Nähe ihrer Arbeitsstätte zu schaffen. Denn nicht in den Kosten des Baues der Wohn stätten, sondern im steigenden Preise deS Grund und Boden« liegt dann eine solche Erhöhung der Mieten, daß sie von den ärmeren Klassen nicht mehr aufgebracht werden können. Der Staatssekretär sagte dann mit Recht, er glaube deshalb auch, die Kommunen, die der Wohnungsnot der unbemittelten Klaffen abhelfen wollten, täten gut daran, sich ausreichenden Grund und Boden in erreichbarer Nähe ver Stadt noch zu einer Zeit zu sichern, wo derselbe zu annehmbaren Preisen zu erwerben ist, und diesen Grund und Boven in Form deS Erbbaurechts an Baugenossenschaften zu überlassen. Es darf im Zusammenhang damit erinnert werden daran, daß geradezu vorbildlich in dieser Beziehung die kommunale Politik gewesen ist, welche seiner Zeit der verstorbene Miquel als Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt be folgt hat. In letzterer ist deshalb in viel geringerem Maße von einem WobnungSproletariat die Rede, als in Berlin. Im übrigen ist die denkbar schnellste Befolgung des Rates, den der Staatssekretär des Innern den Kommunen an die Hand gegeben hat, noch aus einer weiteren Rücksicht dringend empfehlenswert. Die Art, wie vielfach zur Zeit Wohnungsgeldzuschüsse an die Beamten gezahlt werden, ichreit zum Himmel. Wenn aber der ciroulus vitiosus. der sich dadurch herauSgebildet hat, daß die Preise für Grund und Boden in der Umgebung der sich entwickelnven Städte bis zum Schwindelhaften in die Höhe getrieben werden können, nicht durchbrochen wird, so gerät die Verpflichtung von Reich und Staat, Wohnungsgeldzuschüsse an die Beamten zu zahlen, in eine so unheilvolle Kollision mit den besten Traditionen einer rationellen Finanzgebarung, daß eine glatte Lösung deS Exempels geradezu unmöglich zu werden droht. * Berlin, 4. März. Zum Trierer Falle wird der -Köln. Ztg." geschrieben: „Als einen besonder« erschwerenden Umstand hatte der Reichskanzler mit Recht hervorgeboben, daß der Bischof Korum, bevor er zu der bekannte» Anord nung schritt, c« unterlassen bat, sich wegen seiner Beschwerden mit dem Reichskanzler und Ministerpräsidenten in Verbindung zu setzen. Ebenso überraschend wie dem Reichskanzler sind die Klagen de- Bischofs aber auch der Zentrumspartei gekommen, obgleich diese doch mit größter Sorgfalt alle« herau«sucht und im Abgeordnetenhaus? und wenigsten« in der Kommission für den KultuSetat vorbringt, was auch nur entfernt w,e eine Schädigung katholischer Interessen auSsehen önnte. W>e sehr das Zentrum solchen Klagepunkten nachgebt, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Zentrumsfraktion all- ädrlich au« ihren Mitgliedern eine sogenannte Beschwerde- komMission bildet, die den Kultusetat in besonder« liebe volle Behandlung zu nehmen hat. Auch dieser Kommission war die Kirchengesährlichkeit deS Trierer Seminars zanzlich entgangen, und auch Herr Korum, der sicher von ihrem Bestehen etwa« gewußt haben dürfte, hat e« nicht für angtzrigt erachtet, sich an dies« im Sinne de- Zentrum« doch gewiß richtige Schmiede zu wenden, woraus hervorzugehen scheint, daß da« ganz« groß« Unglück mit dem Trierer Demrnar vorher gar nicht in katholische» Kreisen al« solche« empsunven wurde und daß es der Hervorzerrung durch den Bischof bedurfte, um überhaupt bemerkt zu werken." Ferner wird dem rheinischen Blatte telegraphisch au« Rom berichtet: „Das Borgeben des Bischofs von Trier bat in vat > kanischen Kreisen sehr unliebsames Aufsehen gemacht, und lehr maßgebende kirchliche Persönlichkeit«« sprechen ihr Befremven darüber aus, daß Bischof Korum gerade den Augenblick zu seinem Vorstoß für geeignet gehalten hatte, in dem die deu sche Regierung, nachdem sie erst eben di« Straß burger V-rhanvlungen mit der Kurie zu einem beiderseitig befriedigenden Ende geführt bat, sich anschickte, einen wichtigen Paragraphen deS Jesuitengesetze» fallen zu lassen. Jeden falls findet Herr Korum mit seinem Vorgeben hier gar keinen Beifall und noch weniger Aneikennung und Dank." Wenn das zutriffl — und das ist wahrscheinlich —, so wird Bischof Korum die Weisung erhalten, seinen Erlaß in irgend einer Form zurückzunehmen und sich mit seinen Beschwerden an den Kultusminister zu wenden. Die wohlwollrnvste Prüfung ist ihm dann sicher, vielleicht sogar ei« LobeSartikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung". * Berlin, 4. März. Die Protestbewegung gegen die Jesuiten-Zulassung beginnt sich in Berlin au«zu- breiten. Gestern abend waren etwa tausend Personen in der Brauerei Patzenhofer in Moabit zusammengekommeu, wo Pfarrer Köhler von der Elisabetkirche über die Frage sprach: „Was hat die christliche Familie von den Jesuiten zu erwarten?" Nicht bloß der evangelischen, sondern auch der katholischen Familie droht Gefahr von ven Jesuiten. So haben eS die besten und ehrlichsten Katholiken selber zugestanven. Diese Gefahr liege einmal be- gründet in der ganzen jesuitischen Erziehung. Alle« GefühlS- und Gemütsleben wird systematisch im Jesuiten er stickt. Die Praxis des gegenseitigen Ueberwachen«, AuS- spionierenS und AngebenS macht ihn zum Seelsorger in der christlichen Familie ungeeignet, die auf der Grundlage des gegenseitigen Verstehen« und Verzeihens ausgebaut sei. End lich die ganze jesuitische Praxis: ihre Lehre vom geistlichen Vorbehalt, der auch über zerbrochene Eide schreitet — wird der vor dem Heiligtum deS Familienlebens Halt machen? Und in der Mischehen-PraxiS, welche Verwirrung, welche Verschärfung der konfessionellen Gegensätze werden die Jesuiten anrichten, deuen es im Interesse ihres Dogmas gleich gilt, die Frauen gegen die Männer und die Kinder gegen die Ellern aufzustacheln. Besondere Gefahr aber droht der deutsch-evangeliichen Familie. An einzelnen Bei spielen der Geschichte wies dies Redner schlagend nach. „Die Deutschen," beißt eS in der Denkschrift von Jesuiten, die Leibniz entdeckte, „sind das Golt und den Menschen ver haßteste Volk." Sollen wir uns fürchten? Wir Deutsche türchten Golt, sonst nichts auf dieser Welt. Und wenn die Welt voll Teufel wär'! Und den Jesuiten wünschen wir, was einer der ihrigen im zweiten Teile eines berühmten Satzes gesprochen: uou sirrt! Nie mögen sie mehr sein. Nimmer wenigstens in Deutschland! — Einmütiger Beifall folgte und einmütig nahm die Versammlung eine Protest erklärung gegen die Aufhebung deS ß 2 deS Jesuiten gesetzes an. Berlin, 4. März. (Telegramm.) Die Kaiserin stattete gestern nachmittag der Erzherzogin Friedrich von Oesterreich im Stabtschlosse zu PotSvam einen Besuch ab unv begab sich darauf nach der Kaiserin Augusta-Stiftung. (D Berlin, 4. März. (Telegramm.) Die „Berliner Korresp." erklärt, die Blätternachricdt, der zufolge mehrere EtscubahndirrkttonSpräsidciiten ihre Versetzung in ven Ruhe- stand nachgefuchl hätten, weil sie sich der Kontrolle durch eine vom Eisenbahnminister zur Prüfung der Diensteinteilungen und Wohlfahrtseinrichtungen eingesetzten Kommission nicht unterwerfen wollten, entbehre, soweit sie sich auf die Ursache des Abgangs der Beamten bezieht, jeder Be gründung. * Tanztg, 4. März. Nach einem gestern abend in einer vertraulichen Sitzung der Stadtverordneten gefaßten Beschlüsse soll am 9. Marz die Wahl des neuen ersten Bürger meisters vollzogen werven. Die Entscheidung wird jeden falls erst in der Stichwahl erfolgen, in die außer EhlerS unv Trampe-Danzig auch Oberbürgermeister vr. Teil en- vorn-Rheydt kommen dürfte. (Voss. Ztg.) (V) Wilhelmshaven, 4. März. (Telegramm.) Der Kaiser besichtigte auf der Werft unter anderm auch die auf dem Kreuzer „Medusa" angebrachte OrdenSdeko- ration für ven „Iltis" und fuhr dann nach vem neuen Offizierkasino, dessen untere Räume eingehend besichtigt wurden. Um 12 Uhr begab sich der Kaiser nach dem Stationsgebäude, wo ein Frühstück stattfand, an welchem u. a. Prinz Heinrich, der Großherzog von Olden burg und Staatssekretär v. Tirprtz terlnahmen. * Posen, 3. März. Der bisherige Oberprästdent der Provinz Posen 0r. von Bitter empfing heute eine Depu tation des Provinzial - Land tage«. Der Landtags- marichall hielt eine Ansprache an den scheidenden Ober- iräsidenten, welcher bewegt antwortete. Or. v. Bitter iprach einen Dank für die ihm erwiesene Anerkennung au« unv betonte, baß er nur eine« in der Provinz vermißt bade, daS rechte, provinzielle Heimattgefühl. Daß diese« Ge>üdl ter Zusammengehörigkeit erstarke, sei fein Wunsch für die Zu kunft, aus baß der hiesige Deutsche ebenso stolz darauf jei, em Posener zu sein, wie man da« bei Schlesiern, Märkern, Pommern bezüglich ibrer Provinzen wabrnehme. * Halle a. T., 8. März. Ist da« Gewerkschafts kartell ein politischer Verein? Wie die Polen ihre Sokol- sTurn-s Vereine gegründet haben und unter diesem unschuldigen Namen gegen das Deutschtum Krieg führen, ebenso liebt es die Sozialdemo kratie, ihren Bestrebungen ein Mäntelchen umzu hängen und sich so der Ueberwachung der Behörden zu ent ziehen. Auch in Halle wird cs so gemacht. Das Ge werkschaftskartell für Salle und Umgegend läßt eS sich schon seit einem Jahrzehnt angelegen sein, seine angeblich rein wirtschaftlichen Interessen der Sozialdemokratie dienstbar zu machen. Aber die Hallenser Polizei hat stets die Auffassung vertreten, daß da» Kartell et« politischer
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite