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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030306017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903030601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903030601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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Das ist ein Schachzug von großer Be deutung, der das Ansehen Großbritanniens im Westen Asiens erheblich stärken und ihm Rußland gegenüber nicht zu unterschätzende Borteile bringen muß. Die Engländer erscheinen in gewissem Sinne als Schiedsrichter, deren Spruche Perser und Afghanen, wenn auch nur in einer Grenzfrage, sich fügen, und die auf diese Weise die Möglichkeit erhalten, sich in die inneren Verhältnisse beider Staaten einzu mischen. Was aber für Rußland das Unangenehmste bei der Sache ist, das ist der Umstand, daß die Engländer dieses Recht des Eingreifens in persisch-abessinische Grenz angelegenheiten sich nicht gewaltsam genommen haben sondern es durch einen Vertrag besitzen, der vor 46 Jahren, am 4. März 1857, zu Paris geschlossen wurde. Der Grund zu diesem Abkommen ist in der Feindschaft und Nebenbuhlerschaft Persiens und Afghanistans zu suchen, die aber schon damals von Rußland und England sür ihre persönlichen Eroberungszwecke benutzt wurden. Der Schah hatte seine Augen auf Herat geworfen und mehrfach versucht, es seinem Reiche einzuverleiben. Er wurde darin von Rußland unterstützt. Im Jahre 1852 war ihm die Besetzung dieses wichtigen Platzes wirklich gelungen. Aber er mußte sich dem Einsprüche Englands beugen, das alsbald einige Kriegsschiffe in den per sischen Meerbusen sandte und seine Truppen auf persischen, Gebiete landen lieb. Drei Jahre später wiederholte Nasr-Eddtn auf Rußlands Anstiften sein Unter nehmen gegen Herat und erreichte ebenfalls rasch sein Ziel. Aber wiederum mutzte er vor England weichen und seine Eroberung herauSgeben. Dieses Mal war ein größeres englisches Geschwader im Golf erschienen, und man hatte unter anderem Buschir besetzt. Aber in London und Kal kutta begnügte man sich nicht mehr mit der Zurückziehung der Truppen aus Afghanistan, sondern zwang den Schah zur Unterzeichnung eines Vertrages, in dem er endgültig seinen Verzicht auf Herat erklärte und den Engländern gestattete, beim Ausbruch von Streitigkeiten an der Grenze Afghanistans vermittelnd und schlichtend einzugreifen. Dieses Recht ist niemals aufgehoben worben und hat noch heute seine volle Kraft. Die Engländer haben trotzdem eigentlich selten von der Befugnis Gebrauch gemacht. Nur, wenn sie glaubten, ihre eigenen Interessen schützen zu müssen, fühlten sie sich bewogen, vermittelnd zwischen die Perser und die Afghanen zu treten. Daß es dieses Mal geschehen ist, muß wohl auf das starke Vordringen der zarischcn Macht zurückgeführt werden, die den Norden Persiens bereits beeinflußt und auch auf den Süden und weiter, nach Afghanistan, begehrliche Blicke geworfen hat. In der Tat herrscht in Petersburg großes Mißbehagen über diesen jüngsten Schritt der britischen Regierung. Die Presse ver folgt mit gespannter Aufmerksamkeit die Reise der Kom mission und achtet genau aus jedes Vorkommnis. Man ist sich dessen genau bewußt, daß Englands Vermittelung zwischen Persien und Afghanistan dem Ansehen des Zarenreiches in jenen Gegenden nicht nützlich ist. Die „Nowose Wremja" fordert die Negierung auf, dahin zu wirken, daß das Abkommen vernichtet werde; aber sie verschweigt natürlich, wie das zu bewerkstelligen sei. Und sie tut gewiß sehr wohl daran. Denn jedenfalls würde ein derartiger Versuch auf den heftigsten Widerspruch der leitenden britischen Kreise stoßen und als unbefugte Ein mischung angesehen werden. Gewaltsam aber in dieser Sache vorzngehcn, werden die Russen gewiß unterlassen. Die größte Besorgnis ruft cS an der Newa hervor, daß es die Nachbarschaft des S e i st a n » Gebietes ist, in dem die Engländer den Akt der Vermittelung vornehmen. Dieser LandeSteil Persiens besitzt eine große militärische und wirtschaftliche Bedeutung: Kenner der Verhältnisse erklären cS für den strategischen Schlüssel der angrenzen den Gebiete Persiens, Afghanistans und BeludschistanS. Die Vorwärtsbewegung der englischen Politik nach dem Seistan-Gebiete hat den Russen schon manche Sorge be reitet, und namentlich glaubte man, bei der Eröffnung der neuen Karawanenstraßc Ouctta-Kirman im südlichen Persien den Anfang einer Aktion zur Besetzung dieses Landesteiles zu erblicken. Der Argwohn wurde weiter ge nährt, als die britische Regierung den Bahnbau von Quetta nach Nnschki beschloß, der nach seiner Vollendung allerdings im stände wäre, britische Truppen bis an die Grenze des Reiches des Schahs zu bringen. Zu dem allen ist denn jetzt die Kommission Mae Mahons gekommen, die den Russen als direkt gegen die Unabhängigkeit Persiens gerichtet erscheint. Nach russischen Blättern ist der Major von einer be deutenden Kavallerie-Eskorte und einer Kompagnie In fanterie begleitet. Das ist indes unmöglich ein Umstand, der auf kriegerische Absichten Großbritanniens in jenen Gegenden schließen liebe. Wenn die Russen ein Interesse haben, den Frieden in Asien erhalten zu sehen, so läßt sich das Gleiche von England sagen. Ja, letzteres hätte im Grunde noch mehr — den Verlust seiner gesamten Weltstellung — einzubüßen, wenn es von Rußland ge schlagen würde. An den Ausbruch von Feindseligkeiten wegen der Entsendung der Kommission an der Seistan- Grenz« ist deshalb noch nicht zu denken. Wohl aber wird die diplomatische Tätigkeit Rußlands und Englands stärker als bisher in Teheran einsetzen. Verschiedene Momente sprechen dafür, daß gegenwärtig das Zarenreich den größe-' ren Einfluß am Hofe Mussafer^EdüinS besitzt. Und es wird .diesen Einfluß, der ihm zum Abschlüsse des bekannten Handelsabkommens verhalfen hat, auch weiterhin energisch zur Geltung bringen. Im Norden des Reiches, in den Provinzen Ehorasan und Aserbeidjan, herrscht es ohnehin fast unbestritten. Ja, es hat dort, wie bekannt, den britischen Handel entschieden zurückgedrängt. Bei der Zähigkeit, mit der die Petersburger Diplomatie ihre Pläne verfolgt, wird man sich daher auf einen baldigen Gegenzug gefaßt machen müssen. Von diesem wird es abhängen, ob die persische Frage ins Rollen kommt. Vorläufig liegt eine Zuspitzung vor, die aber noch keine unmittelbaren Gefahren in sich birgt. Die nationale Frage der preußischen Ostmarkenpolitik aber ist seit mindestens einem halben Menschenalter in Parlament und Literatur so mannigfach behandelt worden, daß es gar nicht Wunder nehmen kann, wenn unmittelbar nach dem Mißerfolge der Caprivischen Versöhnungspolitik weniger das Bedürfnis nach professoraler Theorie, als nach staatsmännischer Praxis lebendig war. An Gelegen heit, sich „tiefere" Beweise für die Nichtigkeit der gegen wärtigen Ostmarkenpolittk zu beschaffen, hat es ohnehin nicht im mindesten gefehlt. Insbesondere enthalten, um nur zwei Sachkundige zu nennen, die Reden des Für st en Bismarck und Heinrich v. Treitsch- k e s, „Deutsche Geschichte", eine reiche Fülle von Beweis material betreffs der Nichtigkeit des jetzt wieder einge- schlagcnen Weges, den Gras v. Caprivi leider verließ. Nachdem die preußische Regierung im Jahre 1885 die heutige Ostmarkenpolitik sozusagen eingcleitet hatte, schrieb der damals von Ernst Delbrück herausge gebene „Europäische Geschichtskaleuder" aus das Jahr 1886: „In der inneren Politik Preußens hatte das Jahr 1885 eine neue Phase inauguriert auf einem Gebiete, auf dem mm, vielleicht noch größeren Dingen entgegengeht, durch Schließung der östlichen Grenze durch polnische und jüdische Einwanderung . . . Dieser abwehrenden Maßregel folgte das Jahr 1886 mit positiven Unternehmungen." Hierauf folgte die Auszählung der in jenem 5>abre er lassenen Gesetze und Maßnahmen, wozu vor allem die Er richtung des Ansiedclungsfonds und die Einsetzung der Ansiedclungskommission gehörten. Die Nachahmung dieser objektiven Berichterstattung ist dem heutigen „Euro päischen Geschichtskalender" dringend zu empfehlen; das Gegenteil davon ist die mittelbare Förderung des Polen- tums. Oie preußische Osimarkenpolitik und der „Europäische Geschichtskaleuder". Aus den Kreisen des Deutschen OstmarkenveretnS wird uns geschrieben: Der „Europäische Geschtchtskalender" auf daS Jahr 1962 ist, von Gustav Rotosf herauS- gegeben, mit dankenswerter Schnelligkeit schon jetzt er schienen. München, C. H. Beck.) Wie früber, so bringt auch der neueste Jahrgang eine Uebersicht der politischen Entwickelung des letzten Jahres. Im allgemeinen zzut unterrichtend, enthält diese Uebersicht eine auf die preußische Ostmarkenpolittk bezügliche Stelle, die zum Widerspruche und zur Kritik herausfordert. Es wird nämlich von der preußischen Ostmarkenpolittk u. a. folgen- des gesagt: „Es dürfte wenige Fragen geben, über die in der öffent lichen Meinung der nationalgesinnten Parteien — ausgenom men das Zentrum — eine so weitgehende Einigkeit herrscht, aber auch wenige, deren theoretische Begründung eine so ge ringe Vertiefung erfahren hat. Die Literatur z. B., in der die Vertreter der herrschenden Richtung ihre Anschauung dargelegt haben, läßt sich an Gehalt in keiner Weise mit der über eine andere brennende Frage der letzten Jahre, der maritimen An gelegenheiten, vergleichen. Offenbar liegt der Grund darin, daß die öffentliche Meinung über die Richtigkeit des eingeschla- gcnen Weges nicht die leisesten Zweifel hetzt und daher gar keiner tieferen Beweisführung bedarf und auch die Gegner dec herrschenden Anschauung, die namentlich unter den höheren Beamten und den Gelehrten zu suchen sind, kaum beachtet. Eine Neuerung gegen früher ist, daß sich das Ausland lebhafter mit der preußisä)en Pvlenpolitik beschäftigt, und zwar knüpfen derartige Erörterungen gewöhnlich an den Wreschener Prozeß an. So unbedeutend dies Ereignis an sich war, so hat cS doch die Härten gezeigt, zu denen die Konsequenz der angenommenen Grundsätze führen kann, und bietet so einen vortrefflichen Agitationsstoff." Diese Auslassung über die preußische Ostmarkenpolitik trägt das Gepräge der subjektiven Auffassung des Pro fessors Or. Hans Delbrück in so hohem Grade, daß der Wunsch sich aufdrängt, im „Europäischen Geschichts kalender" möge auch in der Uebersicht eine objektivere Be handlung der preußischen Ostmarkenpolitik beliebt werden. Mußte in Bezug auf den Wreschener Prozeß der ,Härten" gedacht werden, zu denen die Konsequenz der angenom menen Grundsätze führen könne, so hätte die Gerechtigkeit erfordert, der maßlosen polnischen Herausforderung zu erwähnen, die überhaupt erst in Wreschen die Anwen dung „angenommener Grundsätze" gezeitigt hat. Wenn ferner im „Europäischen Goschichtskalender" erwähnt wird, daß das Ausland sich lebhafter als früher mit der preußischen Ostmarkenpolittk beschäftigte, dann durfte nicht verschwiegen werden, wie entschieden die preußische Regie- rnng durch die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" vor jeder unzulässigen Einmischung des Auslandes in eine innerpreußische Angelegenheit gewarnt hat, und mit welchem Erfolge die- geschehen ist. Der Verzicht auf die Erwähnung der beiden letzten Momente kann von den aufgeregten Herren in Lemberg und Krakau nur zu leicht als eine mittelbare Aufforderung, sich mit der preußischen Ostmarkenpolittk „lebhaft" zu beschäftigen, mißverstanden werden. Ferner ist es eine ganz unzulässige Verallge meinerung, wenn der „Europäische Geschichtskalender" den Anschein erweckt, als ob «ine erhebliche Zahl von höheren Beamten und Gelehrten die preußische Ost markenpolitik bekämpfe. Wie Professor Delbrück unter den Gelehrten, so steht der frühere Provinzialstener- dtrektor Löhning unter den Beamten mit seiner Ver urteilung der Ostmarkenpolittk so vereinzelt da, daß die obige Wendung des „Europäischen Geschichtskalenders" nicht entfernt berechtigt ist. Endlich ist der Vergleich der Alottenfrage mit der Polenpolitik gänzlich verfehlt. Denn die weltpolitische Entwickelung, die uns die Beschäftigung mit der Flottenfrage anferlcgt hat, ist erst so jungen Da- tums, daß sic die wissenschaftliche Erörterung der Flotten frage naturgemäß in großem Umfange zur Folg« hatte. Deutsches Reich. lH Berli», 5. März. (Jesuitengesetz und Reichseinheit, j Aus Kreisen des Evangelischen Bundes wird geschrieben: In der Zeitungsschau der Nr. 99 der „Täglichen Rundschau" folgt auf eine Aeußerung der Verwunderung der „Kölnischen Volkszeitung" über die Resignation, womit die Bedrohung des 8 2 des Jesuiten- geseyes von den Gegnern des Jesuitenordens ausgenom men zu sein scheine, ein kräftiges Wort aus dem „ Leip- zigerTageblatt", das geschlossenes Zusammenstehen der evangelischen Regierungen gegen die führende Macht Preußens so lange für notwendig erklärt, als der gegenwärtige Reichskanzler die staatlichen und kulturellen Interessen, die Empfindungen und Rechte der Pro te st a n t e n nur als die große Vorratskammer behandle, aus der er den Hunger des ultramontanen Zentrums mit freigebiger Hand stille. Der das schrieb, empfand selbst ein Grauen bei dem Gedanken, daß nach 32jährigem Be stehen des neuen Reichs unter einem protestantischen Kaiser sich ein ovrpus svansselieorum nötig mache, und ist weit entfernt, eine Schwächung der Neichseinheit zu wün schen. Irrt er aber nicht, wenn er gegen die Aufhebung -es Jesuitengefetzes die evangelischen Regie rungen aufruft? Es wird so oft übersehen, daß das Jesuitengesetz schlechterdings nicht um des konfessionellen Friedens willen gegeben worden ist, sondern um daS junge Deutsche Reich vor dem zerstörenden Ein flüsse des Ultramontanismus zu sichern, der es so lange haßte, als er nicht hoffen konnte, es sich seinen Zwecken dienstbar zu machen. Das Gesetz liegt ganz außer ha lb des Gebietes der religiösen und konfessionellen Gegensätze, das das neue Deutsche Reich geflissentlich den Einzelstaaten überlassen hat. Gegenüber dem Toleranzantrag des Zentrums ist dies von dem Reichskanzler von neuem hervorgchoben worden. Das Deutsche Reich ist aber kein das gesamte Volksleben umfassender Staat, sondern hat für die Bun desstaaten bestimmte von den einzelnen nicht zu erfüllende gemeinsame Staatsaufgaben übernommen, zu denen die religiösen Angelegenheiten nicht gehören. So bedarf es nicht der Wiederherstellung des oorpu« ovanxoUoorurn, das die Schwäche des alten Deutschen Reiches teils bezeugt, teils gesteigert hat. Dagegen bedarf es freilich eines Z u - sammenschlusses anti-ultramontaner Ne gierungen wider alle schwächliche oder verblendete Nachgiebigkeit gegenüber dem Ultramontanismus, wo auch immer sie sich finden sollte. Gegen das politische System des jesuitischen Ultramontanismus muß der Reichs- und Staatsgedanke im Bundesrat scharf und entschieden verteidigt werben von allen Regierungen, die dazu die Kraft haben und vor dem Gedanken zurück schrecken, äußeren Machtzuwachs für daS Reich mit inner licher Abhängigkeit von Rom und seinen deutschen Herr schern zu bezahlen. Allerdings müssen die anti-ultramon- tanen Staatsregierungen den nächsten Rückhalt suchen und finden in den Evangelischen, den selbstverständ lichen Gegnern des Todfeindes ihrer Kirche. Diese müssen als Staatsbürger für den Fall, daß das Reich sich wirklich dem Ultramontanismus unterwerfen sollte, la n d e s- gesetzliche Ausschließung der Jesuiten for dern und als Reichsbürger bei den ReichStags- wahlen die Pflicht der Abwehr des JesuitiSmus und Ultramontanismus üben, die den Regierungen allein zu überlassen unbillig wäre. ES könnte nicht genug beklagt werden, wenn Gleichgültigkeit der evangelischen Kirchenregierungen, Synoden und Gemeinden und der freien evangelischen Vereini gungen die Hoffnung begründen sollte, daß die Auf hebung deS JcsitttengescbeS den konfessionellen Frieden nicht stören werde. Zweimal schon hat in diesen Ursachen der Evangelische Bund den Wächterruf ertönen lassen. Soll die „Kölnische Volkszeitung" sich noch weiter über evangelische Resignation freuen? O Berlin, 5. März. U«ber die Entwickelung und Tätigkeit der polnischen national- demokratischen Partei im Jahre 1962 legt der in Lemberg erscheinende „Przeglad Wszechpolskt" einen ausführlichen „Rechnungsabschluß" vor, dem wir die fol ¬ genden Stellen entnehmen: „Während die vorberge- gaugenen Jahre einen Zeitabschnitt vorbereitender Arbeit bildeten, traten im abgelaufenen Jahre in d«n politischen Gedanken neue Begriffe in die Erscheinung, und unter deren Einfluß fingen neue, der früheren Generation fremde Bestrebungen aufzutauchen an. Wir sind so frei, zu behaupten, und die kommenden Jahre werden es zweifellos bestätigen, daß das vergangene Jahr einen Wendepunkt in unserer Nationalpolitik bildet Für den abseits stehenden Beobachter ist die wichtigste Erschei nung unseres politischen Lebens im abgelaufenen Jahre das mächtige Hervortreten der national-demokratischen Partei. Im vergangenen Jahre gingen wir sehr schnell vorwärts, wir marschierten schneller, als dies vielleicht unter den normalen Umständen nötig gewesen wäre." Unter Bezugnahme auf die Wreschener Vorgänge heißt es dann weiter: „Die seit langer Zeit wachsende Entrüstung und der Haß gegen die teutonischen Barbaren brachen in sämtlichen polnischen Landesteilen los. AlS Ausdruck der Zusammengehörigkeit mit den Verurteilten und der poli tischen Solidarität der ganzen Nation sind die reichlichen Sammlungen anzusehen, welche zuerst in Galizien, dem nächst im russischen Anteil und zuletzt auch im Auslande, sogar in Nordamerika und Brasilien angestellt wurden. Diese negative, antideutsche, die ganze Natton umfassende Strömung sucht sich natürliche positive Ableiter. Die LebenSlogtk bezeichnet als solche die neue politische Rich tung, deren Programm lautet: „„Sich nur auf sich selbst verlassen, eine einheitliche Nationalpokitik betreiben, alle ehemals polnischen Lan desteile vereinigen und sie mit der Volksmenge im Sinne der neu-eitigen Demokratie deS politischen Lebens verbinden."" An dieses seit einer Reihe von Jahren in den national-demokratischen Blättern und in der vorwiegend geheimen, weil von der Regierung ver folgten Arbeit entwickelte Programm erinnerte die Gesell schaft der unlängst in Posen geführte Prozeß, in welchem die national-demokratischen Zuschriften und die Organi sation der Nationalliga nicht von der Tagesordnung kamen." Der national-demokratischen Partei wird so dann Anerkennung gezollt, daß sie die russische Schein- Heiligkeit entlarvt und die früher eifrig geführte ruflen- freundliche Propaganda zum Schweigen gezwungen habe. — Es wird hier, wie man sieht, offen zugestanden, daß eine im geheimen systematisch und erfolg reich betriebene Agitation gegen bas Deutschtum besteht, datz die national-demokratische Partei das Führertum einer selbständig und einheitlich ge dachten „polnischen Natton" anstrebt und die ,politische Solidarität" zur Unabhängigkeit der staatlichen Macht stellung fortzuentwickeln sucht. Man wird aus diesen Mitteilungen sich ein Urteil bilden können über die An schauungen und Absichten der Mitglieder der polnischen Fraktion, die in ihrer künftigen Zusammensetzung, wenn die erwähnten Angaben des Lemberger großpolnischen Organs zu Recht bestehen, vorwiegend die gekennzeichnete politische Richtung und Taktik der national-demokratischen Partei zum Ausdruck bringen wird. * Berlin, 5. März. In Sachen der Errich tung einer militärtechnischen Hochschule hat der Rektor der Charlottenburger Tech- nischenHochschule, Professor vr. Kammerer, ein Schreiben an den preußischen Kultusminister ge richtet: Die Professoren Müller- Breslau, Riedler- nnd S lab y-Berlin geben daS von ihnen geforderte Gutachten ab, daß m ö g l i ch sei: Teilnahme der Offiziere an dem Unterricht in den Vorbereitungswisscnschasten an der Technischen Hochschule, in dem bestehenden Labora torien, endlich die Einrichtung besonderer militärtech nischer Kurse. Ausgeschlossen sei: Einrichtung einer besonderen militärtechnischen Abteilung parallel zu den schon bestehenden.Angliederung von einzelnen Kursen, die von Ofizieren gelehrt werden sollen, Angliederung solcher Lehrgebicte, bei denen Geheimhaltung des Mate rials erforderlich ist; auch sei es unmöglich, auf dem Grundstück der Technischen Hochschule militärische An stalten zu errichten. Endlich wird der Name „Militär technische Hochschule" b e m ä n g e l t, da er zu Verwechse lungen Anlaß geben könnte, vorgeschlagen wird der Name „Militärtechnischc Akademie". (.) Berlin, 5. März. (Telegramm ) Die Kaiserin besuchte gestern abenv mit den zu längerem Ausentballe bier eingetroffenen Prinzessinnen - Nichten zu Schleswig- Holstein-Sonderburg-Glück.biirg daS Konzert des königlichen Domchors in der Kaiser Wilhclm-Gedächtniskirche. (D Berlin, 5. März. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung des Bundesrats wurde dem Ausschußberichte über die Vorlage, belr. die Verleihung von KorporaiwnSrechten an die deutsche Togo gesell sch ast, den Ausschußberichten, betr. die Berechnung der nach dem ReickShauShaltSetat sür 1963 zur Deckung der Gesamtausgabe der ordentlichen Etat« auf- ,»bringenden Matrikularb eiträge Zustimmung erteilt. (D Berlin, 5 März. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Die Behauptung der sozialdemokratischen „Münchner Post", daß der Kaiser den in dem „Grenz boten" veröffentlichten Brief an den Admiral Hollmann über da« Thema „Babel und Bibel" nicht selbst verfaßt haben solle, wird von der „Rbeinisch-Westsälischen Zeitung" mit Behagen breitgetreten. Wir stellen fest, daß dieser bedeutsame Bries vom ersten bis zum letzten Worte au« der Feder Seiner Majestät geflossen ist und kein von anderer Seite berrübrender Entwurf dabei irgendwie benutzt wurde. Selbst wer sich hinter die Unkenntnis dieser Umstände zurückueben wollte, bat schon auS allen äußeren wie inneren Merkmalen der Kundgebung, die Satz für Satz daS Gepräge der kaiserlichen Periönlickkeit trägt, entnehmen können, daß die in leicht erkennbarer Absicht aus gestellte Behauptung de« sozialomwkralijchen DlatieS falsch ist. Die „Rheinisch - Westfälische Zeitung" würde ihrem nationalen Standpunkt nichts vergeben, wenn sie der geistigen Bedeutnng de« Monarchen, die nicht auf byzantinischer Er- finvung beruht, unbefangen gerecht werden wollte, anstatt bei den sozialbemokrattscheu Verkleiaerungsiüaftru mitzuhelsen.
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