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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030321028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903032102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903032102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-21
- Monat1903-03
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2086 ffck deshalb mit dem Gedankt« befreunden, daß nur Nordamerika berufen sei, die Bei Mittelung in der Streitsache zu führen. Jniosern bezweckte der Antrag Argentiniens in feinem Endziel dir Einsetzung eine» allgemeinen ameri kanischen SchiedSgcrichtSboscS, an dem sich europäische oder andere Mächte bei eintretenden Streit fällen mit den einzelnen amerikanischen Staaten zu wenden hätten. In einem solchen Gerichtshöfe aber würden die Bereinigten Staaten, wenn auch in einer etwas bevor rechtigten Stellung, aber doch nur als ein Teil des gesamten Amerika erscheinen Die Anfrage Argentiniens bezweckte also, von den Bereinigten Staaten darüber eine Aufklärung zu erhalten, ob dieselbe tu der praktischen Durchführung der Monroe-Politik die übrigen amerikanischen Staaten als gleichberechtigt anzusehen geneigt sind. Die Ant wort, welche Staatssekretär Hay dem argentinischen Gesandten erteilte, war jedoch nichts weniger als befrie digend für Argentinien. Herr Hay wollte anscheinend den wahren Inhalt der Anfrage gar nicht verstehen, er teilte sofort den Zeitungsreportern mit, Argentinien verlange von Nordamerika, eS solle grundsätzlich allen südamerikanischen Staaten eine Gewähr dafür bieten, daß sie niemals von europäischen Mächten wegen unbezahlter Schulden oder sonstiger Schädigungen zur Rechenschaft gezogen werden könnten! Jedenfalls wirb ein solches Verhalten HayS nicht dazu beitragen, die Gefühle Südamerikas sür die imperialistische Politik Nordamerikas herzlicher zu gestalten. Deutsches Reich. * Berlin, 20. März. Die Gesellschaft für soziale Reform als deutsche Sektion der Internationalen Ver einigung batte aus der Delegiertenkonserenz Ende September 1902 in Köln an Referaten vorgelegt: 1. über die Frauen- nacktardeit in Deutschland von Fabrikinspektor Or. Fuchs in Karlsruhe; 2. über die Phosphor-Verwendung von RegierungSrat vr. Hölzer, Berlin; 3. über eine vergleichende internationale Unfallstatistik von vr. E. Lange in Berlin. Dem ersten Bericht über die Frauen nachtarbeit tritt jetzt ergänzend zur Seite ein zweites Referat von dem Abgeordneten vr. M. Hirsch, Anwalt der deutschen Gewerkvereine, das die Wirkungen der Frauennachtarbeit in hygienischer, sittlicher, intellektueller und wirtschaftlicher Hinsicht untersucht und Aenderungen der Ge setzgebung verschlägt, die auf allen Gebieten gewerblicher Tätigkeit die Frauennachtarbeit zu beseitigen geeignet sind. Die Arbeit vr. Hölzers über die Phosphor-Verwenvung bei Zündwaren hat in der Reichstagskommission für das Gesetz betreffend das Weißphosphor - Verbot die größte Beachtung gesunden, so daß die Kommission beschlossen bat, das Referat ihrem Bericht als Anlage unter den amtlichen Drucksachen des Reichstages beizufiigen. Endlich ist noch eine weitere Arbeit der deutschen Sektion für die Internatio nale Vereinigung m Vorbereitung; sie betrifft die Verhältnisse in den Bleifarben-Fabriken und wird von Prof. Or. Sommer feld-Berlin, einer Autorität auf dem Gebiet der Gewerbe hygiene, versaßt. Sie bilden mit den Berichten der andern Sektionen die Grundlage sür die Beratungen des permanenten Eomitös der Internationalen Vereinigung, das vermutlich in diesem Sommer zu Basel Zusammentritt und über Frauen nachtarbeit, Phosphorverbot und Bleifarben beraten wird. * Berlin, 20. März. Zu dem gestern im Reichs tage erörterten „Fall Buchholz" ist mitzuteilen: Die Frau Buchholz aus Charlottenburg, die nach dem Abg. Grad nauer nichts verbrochen haben soll, als daß sie bei dem Feste eines russischen Vereins die Göttin der Freiheit dargestellt hat, nach der Erklärung des Staatssekretärs v. Richthofen aber der Verbreitung revolutionärer Schriften verdächtig gewesen sein soll, wurde bei einem Besuche in Rußland verhaftet. Nach monatelanger Haft stellte sich heraus, daß die Frau nicht bestraft werden könne. Sie wurde ausgewiesen und zwar sollte sie aus dem Elappenwege nach Deutschland gebracht werden. Es muß anerkannt werden, daß das Aus wärtige Amt in diesem Falle, soweit es unmittelbar beteiligt war, seine Pflicht nicht vernachlässigt hat. Der Ehemann wandte sich an das Auswärtige Amt mit der Bitte, sich dafür zu verwenden, daß die Frau per Eisen bahn nach der Heimat zurückgebracht würbe. DaS Aue- wärtige Amt war bereit, diesem Ersuchen nachzu kommen. Der deutsche Botschafter in Petersburg machte der russischen Regierung eine entsprechende Mitteilung, und es wurde ihm zugesagt, daß die Frau direkt reisen dürfe, wenn das erforderliche Geld gezahlt werde. Als er jedoch das Geld, das sofort telegraphisch gesandt wurde, übergeben wollte, erhielt er die Mitteilung, die Frau sei schon auf dem Etappenwege. Die Frau, die ein Krank heitszeugnis eines hiesigen Arztes halte, wurde, so klagte Abgeordneter Gradnauer, von Gefängnis zu Gefängnis geschleppt, mit Verbrechern und Zuchthäuslern zu sammen transportiert, in den ekelhaftesten Räumen unter gebracht und des Geldes, das sie bei sich hatte» beraubt, so daß sie nicht einmal Lebensmittel kaufen konnte. (Hört! Höri!) Nach einer ganzen Reihe von Stationen kam sie ohne einen Pfennig Geld nach Eydtkuhnen und war auf daS Mitleid fremder Personen angewiesen. Staatssekretär v. Nichthofen bat dieser krassen Schilderung russischer Zustände nicht wider sprochen, aber auch keine Aenderung dieser Zustände in Aus sicht stellen können; Rußland bleibt eben Rußland, und wer sich dort anrüchig macht, tut eS aus seine Gefahr. — Der Kaiser ritt heute nach dem Frühstück bei dem 1. Garde - Ulanen - Regiment in Begleitung des Divisions- Kommandeurs, der Brigade- und der RegimentS-Komman- deure der Garde-Kavallerie-Divisiou von Potsdam nach Berlin zurück und traf gegen 5 Uhr im königliche« Schlosse ein. — Zu den am 26. März im ReichSamt des Innern stattsiiidenden Verhandlungen über Kartelle, Syn dikate usw. haben aus Sachsen folgende Herren Ein ladungen erhalten: Finanz- und Baural Busch mann (Mit glied ter Kgl. Gen.-Dir der S. StaatSb.), Stadtbaurat Hasse (aus Dresden), E. Hoffmann-Ebeling, Koblen großhändler, Leipzig, Direktor Wächter vom Zwickau- Oberhohndorser Steinkohlenbauverein, Zwickau. — Das Reichsdesizit bat sich durch die Abstricke und Zusätze der Budgelkommission um 60 Millionen verringert. — Eine Audienz beim Reichskanzler in Sachen der rumänischen Juden hatten vor einiger Zeit die Vorstandsmitglieder des Hülfsvereins deutscher Juden, Or. Paul Natban und James Simon. Sie schilderten dem Kanzler die traurige Lage der rumänischen Juden und die sich daraus ergebende Rückwirkung auf Deutschland, lieber die Entgegnung des Grafen Bülow und den Erfolg der Audienz spricht sich der Bericht wie folgt auS: „Wir haben alle Veranlassung, dem Herrn Reichskanzler für sein Ent gegenkommen dankbar zu sein. — Wie die „Lib. Korresp." von gut unterrichteter Seite kört, ist die Mitteilung, daß die Reichstagswahlen eine Woche früher als im Jahre 1898 stattfinden sollen, zutreffend. Bei den letzten Hauptwahlen 1893 und 1898 wurden näm lich die Stichwablen Ende Juni mehrfach durch die Ernte arbeiten beeinträchtigt. Der Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des Wahlreglements, dürfte dem Reichs tage unmittelbar nach den Osteiferien zugehen. — 8i cum ckesuitis von cum ^e»u itis soll eines schönen Tages am Ieiuilen-Kolleg in Innsbruck mit großen Buchstaben an geschrieben gewesen sein. Das war im Jahre 1845, wie aus einer Zeitschrift jener Zeit mitgeteilt wird. — Bei der in Vorbereitung befindlichen Vorlage zum preußischen Wablverfabren handelt es sich nur um eine Aenderung des Reglements. — Ter heutige 22. Adelstag wählte den Hausminister von Wedel einstimmig zum Vorsitzenden der „Deutschen Adels genossenschaft" an Stelle des zurückgctretenen Grasen Echulenburg- Beetzendorf. Der Genossenschaft haben sich in dem ver gangenen Jahre 73 Mitglieder neu angcschlossen, dem jedoch ein Abgang von 69 Mitgliedern gegenübersteht, von denen 31 durch den Tod ausschieden. Der Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, der als Ehrenvorsitzender präsidierte, regte an, für die Folge auch in anderen Städten Adels- tage abzuhalten, etwa in München oder Dresden usw., was die Versammlung beifällig ausnahm. Dem Diner, welches nach dem Adelstage stattsand, wohnten die Minister v. Wedel und Frhr. v. Rheinbaben mit ihren Gemahlinnen bei. — Unter dem Titel: „Robotnik polski" („Der polnische Arbeiter") erscheint vom 1. April ab in Bochum eine katholische Arbeiterzeitung für die polnischen Arbeiter in Len Pro vinzen Hannover und Sachsen, im Herzogtum Braunschweig, in Anhalt-Köthen und den thüringischen Kleinstaaten. — Für ihre Tätigkeit in China bat der König von England durch den britischen Botschafter dem Kapitän z. S. Pöhl und dem Korvettenkapitän Lans den Bath-Orden dritter Klosse über reichen lassen. Auf ausdrücklichen Befehl des Königs wurden die Jnsignen Les Ordens auch Len Angehörigen des verstorbenen Majors Christ zum Andenken an dessen hervorragende Tätigkeit in China überreicht. — Prinz Adalbert von Preußen hat dieser Tage die See« offizierprüsung bestanden und trat heute seinen Urlaub an, den er in Berlin zubringen wird. Der Urlaub dauert bis zum 14. April. — Zum Senatspräsidenten beim Kammergericht er nannt wurde als Nachfolger von Groschufs der Landgerlchtspräsident Lindenberg in Gnejen. Er war früher erster Staatsanwalt in Ratibor, dann Landgerichtsdirektor und Straskammervorsitzender in Breslau. — Kalau vom Hofe Pascha, der aus der deutschen Marine in türkische Dienste getreten war und dort kürzlich den Abschied ge nommen hat, erhielt vom Sultan den Osmanie-Orden in Brillanten. — Graf Pückler befindet sich zur Zeit in einem Berliner Sanatorium, in dem als Ches-Arzt Professor vr. Mendelsohn, als Ober-Arzt ein vr. Hirsch und als Assistenz-Arzt ein vr. Co hu tätig sind. Die„Deutsch-soz.Bl." nennen das einen unerhörten Skandal und bemerken dazu: Wir finden keinen Ausdruck zu richtiqerKennzrtchnung der Gesinnung jener Leute, die den edel und ideal veranlagten, aber krankhaft überreizten Mann jahrelang für ihre Zwecke mißbrauchten und jetzt nicht verhindert haben, daß er in dieser Weise zum Kinderspolt gemacht wird. Es gibt doch wohl noch in Berlin oder sonst im Deutschen Reiche Sanatorien mit deutschen Aerzten. — Der erste Vizepräsident des Reichstages vr. Graf zu Stol- berg-Wernigerode ist völlig wirderhergestelll. — Der Zustand de» Abg. Frhrn. v. Heereman läßt nach wie vor da« Schlimmste befürchten. Es ist große Herzschwäche ein- getreten und der Kranke liegt fortgesetzt in leichter Ohnmacht. * Braunschweig, 20 März. Es erregte seinerzeit ge legentlich der Tagung des evangelisch, sozialen Kongresses be rechtigtes Aussehen, als hier den Frauen von der Polizei die Teilnahme an de» Verhandlungen verwehrt wurde, weil nach dem braunschweigischen Vereinsgesetze Frauen von Erörterungen über „öffentliche" Angelegenheiten ausgeschlossen sind. Jetzt hat dieses Gesetz eine neue Absonderlichkeit ge zeitigt. Der Verein deutscher Privatschullehrer und -Lehrerinnen wollte zu Pfingsten hier seine Jahres versammlung abhalten, mußte aber davon absehen, weil nach dem Gesetz die Lehrerinnen wieder nicht zugelassen werden konnten. Der braunschweigische Landtag hat kürzlich wiederholt die Regierung um Aenderung des Vereinsgesetzes ersucht, aber die Regierung beruft sich daraus, die reichS- gefetzliche Regelung des Vereins- und Versammlungsgesetzes abwarten zu wollen, die freilich noch in ziemlich weiter Ferne stehen dürfte. — Zum Besuche deS Regenten Prinz Albrecht trafen beute mittag, von Hannover kommend, Generalfeldmarschall Graf Walde rsee und Prinz von Schönaich-Carolal b hier ein. Heute abend besuchte der Regent mit seinen Gästen das Hostbeater, wo die Oper „Hoffmanns Erzählungen" zur Ausführung gelangte. * BreSlau, 20. März. Der Oberpräsident von Schlesien, Herzog v. Trackenberg, sprach hier bei einem Diner über die polnische Frage in Schlesien. Es lasse sich nicht leugnen, daß eine weitgebende Erregung Platz greise. Die Regierung verfolge die Angelegenheit mit Aufmerksamkeit. Man müsse kämpfen und den Beweis der Ueberlegenheit der deutschen Kultur erbringen. * Altenburg, 20. März. Der „Hall. Ztg." wird ge meldet: In unterrichteten Kreisen verlautet, daß Herzog Ernst sein fünfzigjähriges Regierungs-Jubiläum in engerem Kreise auf seinem Jagdschlösse Hummelshain zu feiern gedenkt, wozu auch der Besuch Kaiser Wilhelms erwartet wird. An diese Feier soll sich ein festlicher Einzug in die Residenz anschließen. * Köln, 20. März. Bei dem klerikalen Festmahle zu Ehren des neuen Kölner Erzbischofs brachte der Dompropst vr. Berlage einen Trinkspruch, in dem er sagte: Ich denke mir das große Deutsche Reich beschützt von ver schiedenen Regimentern, die verschiedene Farben tragen. Jedes der Regimenter hat Treue gelobt und wird sie halten. Eines dieser Regimenter führt unser Herr Erzbischof. Wenn es gilt, dann werden die schwarzen Husaren ihm zur Seite stehen und kämpfen für Kaiser und Reich. Und einer soll es wagen, die Treue der schwarzen Husaren anzuzweiseln. Wir sind treu wie alle andern Regimenter und halten treu zu Kaiser und Reich. Viele Wachen sieben am Rhein; an der Spitze der einen Wacht steht unser neuer Oberhirt, und diese Wacht wird er zu allen Stunden zu ver- leidigen wissen, * Karlsruhe, 20. März. Der Jahresbericht der badischen Fabrikinspektion ist diesmal mit einiger Spannung erwartet worden, da er zum ersten Male nicht aus der Feder WöriShosfers stammt, sondern zum Ver fasser dessen Nachfolger, Oberregierungsrat vr. Bitt mann, bat, über dessen Richtung und Gesinnung in der Presse eine reckt verschiedenartige Beurteilung schon in den ersten Wochen seiner badischen Tätigkeit laut geworden ist. Der Bericht liegt nunmehr vor und steht an Umfang und Inhalt hinter den früheren Jahresberichten nicht zurück. Angenehm berührt es, daß der neue Vorstand seinem ausgezeich- neten Vorgänger einen warmen Nachruf widmet. Er nennt ihn einen ausrechten Mann, der geraden Weges, guten Mutes und warmen Willens seinen Zielen entgegengrschritten sei, und erinnert an die außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich namentlich in den ersten Jahren der Tätigkeit des Fabrikinspektors entgegen setzten. In der Erörterung von Mißständen macht der Bericht kein Hehl daraus, wenn es die Arbeitgeber oder Arbeiter an der Mitwirkung fehlen lassen, die gewünscht oder gefordert werden muß. So sagt er, wo von der Verwilderung der Jugend die Rede ist: „Hier könnte nur ein einmütiges Zusammenwirken der Industrie zu einem gesicherten Erfolge führen, und auch dies nur unter der Borausietzung, daß die Eltern und Vormünder sich nicht bequem abseits halten, sondern auch das Ihrige tun. Nicht minder müssen die älteren Arbeiter es als ihre Ausgabe betrachten, den jüngeren durch Belehrung und Beispiel aus die rechten Wege zu verhelfen. Die Sozialreform rechnet auf die Mitarbeit aller. Sie bleibt un fruchtbar, wenn der Eine vom Andern nur fordert, wenn der Eine am Andern nur herbe Kritik übt, ohne auch an sich selbst höhere Ansprüche zu stellen." In dem Kapitel über die Arbeitszeit der Frauen wird eine Verkürzung auf zehn Stunden und ein früherer Arbeitsschluß am Sonnabend durchweg als zweckmäßig und durchführbar hingestellt im Gegensatz zu den Aeußerungen der Korporationen, die eine solche Verkürzung ablehnen zu müssen ge glaubt haben. Oesterreich. Ungar«. Tie Ttudentcn-Krawallc. * Pest, 20. März. Die Studenten setzten am Nachmittage ihre Kundgebungen fort und zogen zu KossuthS Grab. Auf dem Rückwege kam es zwischen den Studenten und der Polizei zu Zu sammenstößen, wobei.beiderseits einige unbedeutende Verletzungen vorkamen. Im weiteren Verlauf der Kundgebungen zogen die Studenten vor das Klublokal der Unabhängigkeitspartei, wo eS zu einem heftigen Zusammenstoß mit der Polizei kam. Mehrere Personen wurden verletzt. Einige Abgeordnete, die vermitteln wollten, gerieten ins Handgemenge, wobei einer einen flachen Säbelhieb erhielt. Ein Kind geriet unter die Hufe eines Pferdes und wurde getötet. Abends nach dem Theater wieder- holten sich die Kundgebungen am Ring, wobei es abermals zu einem Zusammenstoß mit der Polizei kam. Mehrere Personen wurden erheblichverletzt. Die Polizeimannschasten patrouillieren die ganze Nacht durch die Ringstraße. — Im Laufe deS Abends wurden 41 Verhaftungen vorgenommen. Ministerpräsident v. Szell erschien am späten Abend im Polizeipräsidium, um mit dem Sladthauplmann Rudny den Bericht über dir heutigen Vorfälle entgegenzunehmen. Frankreich. Senat. * Paris, 20. März. Der Senat beginnt die GeneraldiScussion des Budgets. Girault bemängelt das Steuersystem und wünscht Entlastung der Arbeiter. Der Berichterstatter Dubost führt aus, die Militärverwaltung müsse sparsamer wirtschaften, sie solle, wie es in Deutschland und England geschehe, sich auf die Privatindustrie stützen. Wenn man das Kriegsministerium entsprechend reorganisiere, könne man eine Ersparnis von nahezu 100 Millionen erzielen und ähnliche Ersparnisse könnten auch bei den andern Ministerien erreicht werden. Finanzminister Rouvier erwidert, «r halte beim Kriegs ministerium Ersparnisse sür möglich, dieselben würden aber auch durch die aus dem zweijährigen Dienst sich ergebenden Mehr belastungen wettgemacht werden. Auch bei den übrigen Ministerien werde es möglich sein, sparsamer zu wirtschaften. Er habe sich ent schlossen, zur Balanzierung Les jetzigen Budgets von einer Anleihe abznsehen, glaube aber, daß man zur Balanzierung deS Budgets sür 1904 zur Einführung neuer Steuern werde greifen müssen. Die Finanzlage sei jedoch eine durchaus normale. Die GeneraldiScussion wird hierauf geschlossen. Großbritannien. Die Kolonien. * London, 20. März. Nach dem Empfange in der Guild-Hall begaben sich Minister Chamberlain und der Lord-Mayor in festlichem Zuge von dort nach dem Mansion House. Hier fand ein Frühstück statt, welchem der Premierminister Balfour, andere Mitglieder deS Kabinetts, Feldmarschall Lord Roberts, der Erz bischof von Canterbury und andere beiwohnten. Der Lord-Mayor brachte einen Trinkspruch auf Chamberlain und dessen Gattin aus. In seiner Antwortrede führte Chamberlain aus: Was England und seine Kolonien in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts tun, werde wahr scheinlich sür immer die Frage entscheiden, ob daS Reich gefestigt und aufrechterhalten bleiben oder in getrennte Stücke zerfallen werde, die sich nur um ihre lokalen Sonder interessen kümmern. Er glaube, daß die Kolonien nicht hinreichend erkennen, waS sie ihrer Stel lung als Mitglieder des Reiches schuldig seien. Die alte Anschauung von der durch den Zentral staat ausgeübten Herrschaft müsse durch eine neue Auffassung vom Wesen des Reiches, die sich aus die Gemeinschaft der Interessen gründet, ersetzt werden. Den Kolonien müsse der neue Geist eingeflößt werden, und alle müßten zu gemein- samen Opfern sür daS allgemeine Wohl beitragen. Premier minister Balfour führte aus, niemals sei in so kurzer Zeit ein so großes Ergebnis wie durch die südafrikanische Reise Chamberlains erzielt worden. Schweden und Norwegen. Konsulaisfrage. * Christtauia, 20. März. In der heute nachmittag statt gehabten Sitzung der Vertreter der Regierungen von Stock holm und Christiania, betreffend Errichtung emeS besonderen norwegischen Konsulatswesens, wurde die letzte Antwort der norwegischen Regierung auf den zur Beratung stehenden Entwurf vorgelegt und von den schwedischen Unterhändlern aü rokereuckum genommen. Die letzteren reisen morgen wieder nach Stockholm zurück. Asien. Die chinesische Borerbewegung. * Fast übereinstimmend wird ia den letzten Zeitungs berichten auS China von einer ernst zu nehmenden Aufstandsbewegung, die die im vorigen Jahre unter drückte an Bedeutung noch überragen würde, gemeldet. Speziell die englische Presse ist bemüht, die Gefahr riueS neuen Boxeraufstand eS als besonders bedrohlich von Anfang an gewesen, daß es ein Jammer wäre, alles zu verderben. Meinen Sie das nicht auch?" „Ein unendlicher Jammer", erwiderte Geoffry. „Ich vergab — was auch Sie vergessen haben müssen — wie oft wir über die Torheit des Heiratens gesprochen und erklärt haben, wie hoch Freundschaft über Liebe stände." „Ich hatte es ganz vergessen!" „Aber sind Sie auch wirklich nicht böse?" „Warum sollte ich böse fein? Weil Sie mir für einen Augenblick gestatteten, Himmelswonne zu empfinden? Es käme eher mir zu, Miß Saltonn, um Verzeihung zu bitten. Es war sehr unrecht von mir, höchst anmaßend und unver. zeihlich! Ich, ein Künstlerbursche, wie Ihr edler Groß vater sagen würde, und die hochgeborene Miß Saltonn! Ich wundere mich, daß Sie nicht Ihre Lakaien riefen, um mich vor dK Tür zu setzen." „O bitte, hören Sie auf!" rief sie aus. „Sie bereiten mir so unaussprechlichen Schmerz." „Tas glaube ich. Ich nehme an, daß wir beide unschul digerweife für die nächste Zeit unaussprechlichen Schmerz empfinden werden. Denn Sie lieben mich, Miß Saltonn. Ihre Lippen strafen Sie ebenso wenig Lügen, wie es Ihre Augen schon seit einiger Zeit taten. Und ich liebe Sie wie mein eigenes Leben; suchen wir weder einander noch uns selbst zu betrügen. Aber die Scheidewand richtet sich zwiichen uns auf. Ich begreife Ihr Zögern, Ihre Reue; Tie brauchen es nicht in Worten auszudrücken. Wir lieben uns; aber wir dürfen nicht ans Heiraten denken. Wir mögen unser Leben lang leiden, dennoch dürfen wir nicht heiraten. Wir können einen anderen Mann und eine andere Krau betrügen, indem wir uns unter dem Vor geben mit ihnen verbinden, daß unsere Herzen frei seien. Wir können uns nach einander sehnen, für einander leiden; aber die Scheidewand bleibt bestehen und wir dürfen nicht heiraten . .." „O, still, still, Mr. Salier, nm Gottes willen!" rief Rachel. „Ich kann heute nichts mehr ertragen." Damit stürzte sie ans dem Zimmer und ließ den Künst ler allein. Dreizehntes Kapitel. Nachdem sie sich in ihr eigenes Zimmer geflüchtet hatte, vermochte Rachel ein paar Augenblicke lang nichts zu denken. Tie verriegelte ihre Tür und lehnte sich dagegen, beide Hände an die Stirn gedrückt. Ihr Geist war ganz verwirrt. WaS hatte sie getan? Was war ihr geschehen? Was für ein schreckliches Geschick drohte sie zu über wältigen? Sie liebte ihn, ihn, Liesen genialen Mann, den sie ver ehrte, diesen Mann von gewöhnlicher Herkunft, den sie niemals heiraten konnte. O, es war grausam, bitter, hart und grausam! Ihre Seele empörte sich gegen die gesellschaftliche Schranke, die sich zwischen ihnen beiden erhob. Ihre wahre Natur, die edel und mutig genug war, um in ihrem Streben nach Wahrheit und Tugend alle erbärmlichen Rücksichten zu übersehen, schrie ihr laut zu, sie solle ihr Selbst nicht verleugnen und ohne Erröten ihre Liebe ein gestehen. Aber Rachel war in der Schule der Konvenienz auferzogen, und Sitte und' Gewohnheit haben großen Einfluß auf uns alle. Sie sagte sich: „Ich bin stark und mutig und will daher mit der Versuchung kämpfen, bis ich überwunden habe. Wie kann ich meine edle Geburt, meinen vornehmen Namen, meine gesellschaftliche Stellung und alles, was mich umgibt, unter die Füße treten! Wie würde ich dastehen und was könnte ich dazu sagen, wenn die Gesellschaft erführe, daß der Mann, den ich mir aus der ganzen Welt erwählt, um lebenslang mein Gefährte und Freund zu sein, eines Strumpfwirkers Sohn sei! Ich könnte es nicht ertragen, es würde meinen Stolz zu sehr verletzen. Es würde mich töten! . . . Nein, es ist unmög lich. Was es mir auch kosten und was ich dabei fühlen mag, ich muß diese Schwäche ausrotten, bevor sie zu mächtig in mir wird." Aber die Erinnerung an Geoffry Tasters Antlitz, an den Blick höchster Glückseligkeit, der ihrethalben in seinen dunkelblauen Augen aufgeleuchtet und in dem ihre Seelen zusammenzuströmen schienen, und besonders an das Genie, bas seine Seele durchstrahlte, und an die Güte, die sein Herz erfüllte — die Erinnerung daran strömte ihr heiß durch den Kopf, und die stolze Rachel Saltonn warf sich auf ihr Bett und schluchzte fassungslos. „O, ich kann ihn nicht ausgeben", stöhnte sie. „Ich liebe ihn! Er ist der einzige Mann, ja, das einzige Ge schöpf, das jemals an mein besseres Selbst gerührt und das Verlangen in mir erweckt hat, ihm ähnlich zu werden. Ohne ihn geht alles wieder verloren. Ich werde wieder das hoffnungs- und haltlose Ding, das ich war, ehe er mich an die Hand nahm. Und schließlich, warum sollte ich mich um das kümmern, was die Leute sagen? Ist es nicht meine Seele, die nach der seinigcn verlangt? Ich bin reich und frei und unabhängig . . . was nützt mir das alles, wenn ich bei dem wichtigsten Schritte meines Lebens nicht meiner Ansicht folgen kann! Geoffry Salter bedeutet das Heil für mich. Ich will nicht feige sein. Ich will tun, was ich für recht halte, mag die Welt sagen, was sie will." Als sie zu diesem Entschlüsse gekommen war, richtete sich Rachel zu sitzender Stellung auf und fuhr sich mit dem Taschentuche über die Augen. „Ich will der Sache mutig entgegentreten, ich will dem Schrecklichen selbst in die Augen sehen und hingehen rmd Mr. Tasters Laden besuchen. Wenn ich unerschrocken gegen diesen Riesen meiner Einbildungskraft vorgehe, dann finde ich vielleicht, daß er schließlich nur ein Schatten ist." Sie wusch sich, während sie sprach, die Tränenspuren vom Gesicht, steckte ihr volles Haar wieder fest, zog ein Promenadcnkleid an und verhüllte ihre Züge mit einem dichten Schleier. „Ich frage niemand um Rat und nehme auch niemand mit", sagte sie vor sich hin, während sie die Treppe hinab stieg; „ich bin mein eigener Herr und keinem Menschen auf Erden Rechenschaft schuldig. Für den heutigen Tag wenigstens will ich von meinem gesetzlichen Recht Ge brauch machen und mein Geheimnis bewahren." Tie hatte eine halbe Meile bis zur Station zurück zulegen; aber es war noch früh am Morgen und sie traf niemand unterwegs. „Ich muß einmal nachdenken", sagte sie dann, als sie mit einem tiefen Seufzer sich in die Kiffen des Eisenbahn wagens zurücklehnte. „Alles, was er mir sagte, war, daß sein Vater einen Strumvfwirkerladen in der City hätte. Das ist recht unbestimmt; denn ich bin noch nie in der City gewesen. Aber es gibt gewiß nicht viele Strumpf wirker namens Salter, und sein Vater muß William heißen, da er einmal sagte, daß sein ältester Bruder nach ihm genannt sei . . . William Salter, Strumpfwirker. . . o Gott! Wie schrecklich das klingt!" Als sie auf der Watcrloostation ankam, nahm Rachel ein Cab und ließ sich nach der nächsten Postanstalt fahren. Tic war so wenig daran gewöhnt, allein und ohne Be gleitung von Kutscher und Diener etwas zu unternehmen, daß es ihr gerade so war, als ob sie sich in einem Fieber traume umherbcwegte. Tie empfand denselben Mut. der Verzweiflung, der einen verurteilten Verbrecher aufrecht zum Schafott geben läßt. Tie fühlte, daß sie etwas sehen würde, daS allen ihren Hoffnungen den Todesstoß ver- setzen konnte; aber sie mußte es sehen, und kostete eS anch ihr Leben. In der Postanstalt verlangte sie das Adreßbuch und sand den Namen Salter bald unter der Ueberschrift: Handel. Doch wie viele Salters gab es! Es flimmerte ihr vor den Augen, als sie die lange Liste überflog. Aber doch nur drei Williams, und zwei davon waren Wild händler. Dicht unter ihnen stand: Salter, William, Strumpfwirker, 33 Broadgate Street. Die Buchstaben leuchteten förmlich rot, blau und grün vor ihren schmerzen den Augen. Tie hatte ihren Zweck erreicht und gab dem Kutscher die Adresse an. Wie ihr der Kopf schwirrte, als sie durch die geschäftigen, überfüllten Straßen fuhr, die Augen ge schlossen und innerlich um Mut flehend für alles, was vor ihr lag. „Dreiunddreißig Broadgate Street, Miß", sagte der Kutscher plötzlich, und Rachel stieg rasch aus und zahlte ihm den doppelten Fuhrlohn. „Fahren Sie nicht zurück, Miß?" fragte er, an seinen Hut fassend. Damen stehen bei Droschkenkutschern nicht gerade im Rufe der Freigebigkeit, und er hätte gexn ein wenig ge wartet, um diesen Fahrgast nach dem Westen zurückzu bringen. Aber Rachel schüttelte den Kopf. Sie brauchte Zeit und Vtuße für ihr Unternehmen. Tie wollte den Strumps- wirkerladen, so wie er war, voll ins Gesicht fassen und innerlich mit sich über die Angelegenheit ins klare kom men. So fuhr denn der Kutscher fort, und sie blieb allein auf dem Fußsteige stehen. Zuerst war sie so nervös erregt, daß sie rasch ein paar Schritte davonlief. Wenn jemand gesehen hätte, daß sic gerade an dieser Stelle ausgestiegen war! Oder wenn je mand aus Geoffrys Familie sie nach seiner Beschreibung oder nach dem Photogramm, das sie ihm geschenkt, er kennen würde! Aber diese Furcht legte sich bald. Geoffry war nicht der Mann, der, besonders unter den obwaltenden Um ständen, überhaupt von ihr sprechen oder ihr Bild zeigen würde, das fühlte Rachel deutlich. Jeder Zug seines Charakters, den sie in den letzten sechs Wochen so sorgfältig studiert hatte, sprach dagegen. Geoffry war zurückhaltend, bescheiden und hatte sich in der Gewalt. Sein Familien kreis wußte nichts von seinen Gedanken und Hoffnungen oder Gefühlen bezüglich ihrer Person. In dieser Ueberzeugung wagte sie, bis zu der Nummer dreiunddreißig zurückzugchen. TS war ein großer,
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