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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030206022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903020602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903020602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-06
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Aber das geschah nicht im N e i ch s ta g e, wo ihm die leichte Aufgabe zufiel, seine innere und seine äußere Politik gegen Angriffe des sozialdemokratischen Dauerredners Ledebour zu ver teidigen, sondern beim Festmahle des Deutschen La n d w i r t s ch a f t s r a t s, wo er sich in einer augen scheinlich sorgsam vorbereiteten Rede bemühte, die kleine Zahl von Mitgliedern, die noch Anhänger des Bundes sind, diesem abwendig zu machen und zum Ver trauen auf die Regierung zurückznführen. Tas Haupt mittel, mit dem er diesen Versuch unternahm, bestand in Versprechungen für die Landwirtschaft. Aus sie soll nicht nur bei den Handelsvertragsverhandlungen, sondern auch ferner besondere Rücksicht genommen werden durch die Verbesserung der Verkehrsoerhältnisse auf dem Lande «Bau neuer Schienenwege und befestigter Straßen), durch kräftige innere Kolonisation, durch die Hebung des tech nischen Betriebes der Landwirtschaft, namentlich auch in den Kreisen des kleinen bäuerlichen Besitzes, durch inten sive Förderung des landwirtschaftlichen Bildungswesens, des Genossenschaftswesens und der Landesmeliorationen, durch Hebung der Viehzucht, besonders durch wirksame Bekämpfung der Viehseuchen mit den neueren Erfah rungen der Wissenschaft usw. Vom Bunde sprach der Kanzler nicht, aber jedenfalls sollten seine Hörer durch seine Versprechungen zu der Frage veranlaßt werden: Was kann dagegen der arme Teufel, der Bund, geben ? Die Bundcsführer werden dadurch freilich nicht in Ver legenheit versetzt werden. Arbeiten sie schon jetzt erfolg reich mit der Behauptung, die Regierung habe mehr ver sprochen, als gehalten, und könne nur durch die stärksten Pressionsmittel gezwungen werden, mehr zu tun, so wer den sie angesichts der neuen Versprechungen erst recht Er folg mit der Behauptung haben, von allen diesen Ver heißungen werde nur das sich verwirklichen, was der Bund durch rücksichtsloses Drängen gewaltsam durchdrücke. Hat nun auch der Reichskanzler mit seiner gestrigen Taselrede bei den Mitgliedern des Deutschen Landwirtschaftsrats lebhaften Beifall gefunden, fo wird er doch schwerlich die beabsichtigte Wirkung im Lande erzielen, so lange er sich nicht entschließt, dem Beispiele seines preußi schen Ministerkollcgen von Podbielski zu folgen, das Tischtuch zwischen sich und den Bündlern resolut zu zerschneiden und gegen diese mit fühlbareren Maßregeln als mit Versprechungen für die Landwirtschaft vorzugehen. Daß solche in Aussicht ge nommen seien, ist aber leider nicht anzunehmen. Vielmehr ergibt sich aus der gestrigen Verhandlung des preußi sch e n A b g e o r d n e t e n h a u s e s , daß selbst die vom Reichskanzler wiederholt so schwarz gemalte „polnische Gefahr" nicht gefährlich genug ist, um die preußische Regierung und ihre Werkzeuge zu energischem Ein schreiten gegen das die Einigkeit des gesamten Deutsch tums in der Provinz Posen störende Treiben der Bundes agitatoren zu veranlassen. Es handelte sich um den von dem freisinnigen Abg. Ernst zur Sprache gebrachten Selb st morddesLandratsv. Willi ch. Minister v. Hammerstein bestätigte seine schon in der Budget kommission abgegebene Erklärung, indem er sich besonders nachzuweisen bemühte, daß Herr v. Willich weniger das Opfer der Ränke seiner politischen Gegner, als vielmehr des krankhaften Zustandes seines Gemütes geworden sei. Der Falle liege nicht auf politischem, sondern a»tf persön lichem Gebiete. In einer groß angelegten Rede schied auch der nationalliberale Abg. vr. Krause das Persön liche aus der Angelegenheit ans, um die politische und die nationale Seite des Falles desto klarer in den Vorder grund zu rücken und die Schwäche der Staatsregierung gegenüber dem Bunde der Landwirte in der Provinz Posen als das Hauptübel hinzustellen. Persönlich sei wohl der Minister des Innern, nicht aber der Ober präsident von Posen frei von Schuld. Drei nach ein ander anrückende kvniervarnv Redner vermochten den star ken Eindruck der Rede des Abg. vr. Krause nicht abzn- schwächcn, der in einer zweiten Rede einzelne Punkte noch schärfer beleuchtete. Aber vom Regierungstische nur der Beschwichtigungsversuch: „Laßt die Toten ruhen!" Kein Wunder, wenn da die Blätter der Bnndesführer die Tisch- tuchzerschneiderei des Herrn v. Podbielski bespötteln und sich wegen der Tafelrede des Grafen Bülow beim Fest mahle des Deutschen Landwirtschaftsrats kein graues Haar wachsen lassen. Der Dank vom Hause Zentrum. „Innigsten Dank dürfen wir sagen, aber er gilt...nicht derRegierung, die ein großes Un recht teilweise beseitigen will, sondern den Männern, die das katholische Volk im Reichstage vertreten und un ermüdlich ihre Forderung der Aufhebung des Aus nahmegesetzes (des Jcsuitengcsctzes) immer wieder erneuert haben nnd auch fernerhin erneuern werben, bis der letzte Stein der Gesetzgebung der 70 er Jahre wcggeränmt ist." — Dieses Bekenntnis des offiziellen bayerischen Zcntrumsorgans ist eine be zeichnende Variation der vom Abg. Gröber im Reichs tage abgegebenen Erklärung: wir hören nicht auf, die Be seitigung des ganzen Jesuitengesetzes zu verlangen, indem wir einstweilen nehmen, was wir kriegen! Auch die klerikale „Köln. Bolksztg." findet eS „selbstver ständlich", daß die deutschen Katholiken mit der Aufhebung von 8 2 alS einer halben Maßregel sich nicht zufrieden geben, und begründet zugleich ihre Hoffnung cnrf voll ständige Beseitigung des Jesnitengcsetzes in sehr bemerkens werter Weise durch die Vorhaltung: „Auch von gegne rischer Seite ist wiederholt erklärt worden, wenn erst 8 2 gefallen sei, müsse über kurz oder lang auch das ganze Gesetz fallen." — Damit ist ein Fingerzeig in Bezug auf den Weg erteilt, den die klerikale Agitation für die Auf hebung des ganzen Jesuitengeseyes nach der Aufhebung des 8 2 gehen wird. Je offenherziger diese Aufhebung als Hebel zur Beseitigung deS ganzen Jesuitengesetzcs ge würdigt wird, um so ernsthafter müssen die verbün - deten Regierungen erwägen, ob sie trotz der an gekündigten Beeinflussung der preußischen Stinnnen im Bundesrate sich zur Aufhebung von 8 2 des Jesuiten gesetzcs entschließen dürfen. Das gilt vor allem von den jenigen Bundesstaaten, die eine ganz überwiegend oder fast ausschließlich protestantische Bevölkerung haben. Nm Ende kommen in einem Bundesstaate, der zu mehr als drei Fünfteln protestantisch ist, die Wünsche der protestan tischen Bevölkerung doch auch noch in Betracht! Als Stufe zur Beseitig,lng des ganzen Jesuitengesetzcs scheint das rheinische Zentrnmsblatt dieZnlassung derLaza- risten und derDamen von, heiligen Herzen Jesu anzusehen,- denn es verlangt die Entscheidung, daß die genannten beiden Orden mit der Gesellschaft Jesu nicht „verwandt" seien. Aber mit solchen kirchen politischen Wünschen ist die Dankbarkeit deS Zen trums gegenüber dem Reichskanzler noch lange nicht er schöpft. Tas bayerische Zentrumsorgan beeilt sich vielmehr, in seiner heutigen Nummer zu zeigen, was es auf n a t t o- nalpolitischem Gebiete in Bereitschaft hält. In dieser Hinsicht wendet es sich Hegen die „hypnotischen Einwirkungen", die Graf v. Bülow betreffs der Kaiseridee auf daS Bolksempfinden auSgeübt habe. Der Reichskanzler soll dabei von der Absicht ge leitet worden sein, die Kaiscridce so zu „verdichten", daß die jetzige Reichsvcrfassung für sie als zu eng erscheine; ganz „sachte", „mit größter Schonung der Nerven", solle der Uebergang vom „deutschen Kaiser" zum „Kaiser von Deutschland" vor sich gehen, bis die Stunde der Imperialisten ge schlagen habe: dann „dürste" es heißen: „Der Wunsch und der Wille des deutschen Volkes, ein ein heitliches Deutsches Reich zu haben und an seiner Spitze einen wirklichen, mächtigen Kaiser, der nicht durch den Bundesrat... in seinem hohen Adlerfluge ge hindert wird, ist endlich reif, in Erfüllung zu gehen. . . . Es ist nun Zeit, Ernst mit der Schaffung eines wirklichen Deutschen Reiches zu machen und einen Kaiser zu erhalten, dem nicht immer von den undeutschen kleinstaatlichcn Partiku- laristen, gleichsam zum Hohne, vorgehalten werden kann: er führe nur den Titel eines Kaisers, aber der Kaiser von Deutsch land sei er nicht. Dieser Hohn muß aufhören, wir wollen end lich einen Kaiser von Deutschland, und wenn ihm die deut schen Für st en entgegenstehen, die wir schon längst als höchst überflüssig und hindernd für die deutsche Einheit em pfunden haben, so mögen sie fallen, entbehrlich waren sie schon längst." So würde es ungefähr lauten, beteuert das bayerische Zentrumsorgan, und fügt hinzu: ,^Wir wißen, wie cs gemacht wird, nnd können uns nur über die Naivem« rer Imperialisten wundern, die uns schon für gar zn dämlich halten." — Mit solcher demagogischen Ver hetzung desVolkes wartet das offizielle Organ der bayerischen Zentrumspartei in einem Augenblicke auf, da ein Kardi nalwunsch des KlerikalismuS der Er füllung nahe gebracht wird! Kann eS einen deutlicheren Beweis der Wirkung geben, welche die Politik der Geschenke in diesem Lager auSübt? Schule nnd Politik in Krankreich. In der gestrigen Sitzung der französischen Deputierten kammer tadelte Syveton die Regierung, daß sie aus den Lehrern politische Agenten mache. Er wirft gewissen Lehrern vor, in den Schulen internationale und antimilitaristische Ideen zu verbreiten. (Anhaltender Lärm auf der linken Seite.) Gyveton führt mehrere Fälle an. Der Minister des öffentlichen Unterrichts, Chau- mi«, erhöb mit Entrüstung gegen die Behauptungen Syvetons Widerspruch (lebhafter Beifall links). Er lobte die Lehrer, die auf ihrem Feld eine ausgezeichnete Politik ausübten und Bürger erzöge«« zur Verteidi gung der Republik und der Freiheit. (Lang anhaltender Beifall aus der Linken.) Leygues erklärte, die Neutralität, welche Syveton von den Lehrern ver lange, wäre tatsächlich Verrat. Die erste Pflicht der Lehrer sei, die Demokratie und die Republik zu lehren. Wenn die Priester die Kirchen verließen, um die Wahlschlacht zu leiten, so hätten auch die Lehrer das Recht, in den Streit etnzugreifen. «Beifall links.) Hieraus wurde die Gencraldiskussion geschloffen und die Kammer nahm mit 500 gegen 1 Stimme einen Antrag an, durch welchen die Erklärung der Regierung gebilligt und allen Lehrern Anerkennung ausgesprochen wird für ihre Hingebung an Frankreich uud die Republik. Nach Annahme deS Budgets für den öffentlichen Unterricht wurde die Sitzung geschloffen. Englische Phantastereien. Ein neuer Verein zur Förderung einer Untersuchung über die englische Getreidezufuhr im Kriegssalle, der vor gestern in Stafford House tagte, scheint auf unmittelbare Förderung der Ziele des englischen Flotten vereins hinzuarbetten. Die Tatsache, daß 45 Admirale ihm beigetreten sind, deutet jedenfalls auf diese Auffassung hin. Außerdem würde auch gegen die mögliche Neigung, daS Vorgehen des Vereins zu Zwecken des Schutzzolles nutzbar zu machen, abgewinkt. Gewisse stürmische Vor kämpfer für Flvttenverstärkung beeilen sich denn auch, in der Presse den Gegenstand zu verarbeiten und gleichzeitig die neuesten vergleichenden Ausstellungen desdeutschen Kaisers über d i e F l v tte n Deutschlands und Englands mit einzuflechten. In der „Morning Post" werden diese Aufstellungen frischweg als gegen England gerichtet hingestellt, mit der Bemerkung, Lord Lansdowne, Herr Brodrick und Herr Austen Chamberlain dürfte»« es einigermaßen auffallend finden, daß der Kaiser gerade den jetzigen Augenblick wähle, um sei«« beliebtes ckeioncka est Osrrüagv aufs neue seinen Landsleuten einzuprägen. Dann folgen allerlei windige Mutmaßungen über den Grund der angebliche»« feindlichen Kundgebung, verquickt mit alten Geschichten über Bismarcks Feindseligkeit gegen England. Am Schlüsse wird feierlich erklärt, England denke nicht daran, Deutschland anzugreifen, aber hinzu gefügt, die Aufstellung des Kaisers komme als eil» will kommener Wink für die Admiralität, als Gegengewicht zu der deutschen Drohung sofort den Bau eines besondere»» Nordseegeschwaders einzuleiten. Die Auf stellungen werben frischweg als gegen England gerichtet hingestellt, mit -er Forderung eines besonderen Nordsee geschwaders vor» 18 Schlachtschiffen, ganz unabhängig von dem ganzer» übrigen Flvttcnbestande. Gleichzeitig soll die Admiralität an der Ostküste für einen neuen Flottenhafcu und eine Werst für dieses Geschwader sorgen. Dieses Ge schwader mit Offizieren nnd Besatzung wäve eine viel bessere Geldverwendung, als die Pläne, mit denen fort während das Heeresbudget belastet wird. Die „Daily Mail" bemüht sich ebenfalls, darzutun, daß die Flotten vermehrung für England eine Existenznotwendigkeit sei, besonders, da eS kein Landheer von Bedeutung besitze, wähvend Deutschland hinter der Flotte, die der Kaiser stark genug machen wolle, nm die englische zu schlagen, ein nach Millionen zäblendes Heer kriegSgcübter Männer besitze, das, »vie die Geschichte der neueren Zeit beweise, zu kühnen Angriffen bereit sei und vordringen «Nüsse, weil das Land für die Bevölkerung zu eng werde. „Daily Graphic" redet auch der Flottenvermehrung das Wort, ohne sich indessen in so törichte Phantastereien zu ver irren »rnd die Aufstellnngen des Kaisers zu mißdeuten. Großbulgarischc Beweg»»«. Aus Sofia, 5. Februar, wird unS gemeldet: In Be antwortung einer Interpellation über die makedonische Feuilletsn. 5i Dunkle Wege. Roman von I. v. Conring. Nachdruck verboten. Fünftes Kapitel. Konstanze war doch, gegen morgen, in ihrem Stuhle etwa- eingeschlafen. Sic erwachte, als das Mädchen mit dem Frühstück etntrat und sah verwirrt um sich. „Gnädiges Fräulein sind gar nicht zu Bett gegangen ?" rief das Mädchen erstaunt. „Nein, der Schlaf hat mich hier überrascht. Es ist darüber spät geworden, schon neun Uhr, und ich wollte heute recht früh aufstehen. Wissen Sie, ob mein Vater zu Hause ist ?" „Jawohl, gnädiges Fräulein. Es war schon vor acht Uhr ein Herr von den Offizieren da. Ich glaube, es war Herr von Slicher. Friedrich hat Herrn Oberst gleich wecken müssen, «veil es sehr eilig war. Dann hat Herr Oberst Friedrich zu Herrn von Rooneck geschickt und der ist eben gekommen." Was war das: Konstanze fuhr erschreckt auf: „Herr von Rooneck ist hier? Wissen Sie gewiß, daß Sie sich nicht verhört haben?" „Aber, gnädiges Fräulein, nein! Ich kenne doch den Herrn recht gut. Bor zehn Minuten habe ich ihm selber die Haustür ausgemacht. Er sah sehr blaß und finster aus, und ich dachte mir gleich " „Gut, gut, helfen Sie mir schnell beim Anziehen." Konstanze hatte genug gehört. Wenn Rooneck jetzt zu ihrem Vater geholt worden war, mußte sein Plan vor zeitig verraten sein. Es blieb ihr dann keine Zeit mehr, sich, wie sie gewollt, vertrauensvoll an ihren Vater zu wenden, an seine Liebe zu appellieren, durch demütiges Flehen seiiren Widerstand zu besiegen, ehe Rooneck das entscheidende Wort sprach. Nun war es zu spät — sic mußte jetzt mit ihin den Sturm bestehen, an seiner Seite, ohne Schwanken und Zaudern. DeS Obersten Arbeitszimmer lag neben dein Lvcffe- saal. Konstanze hörte, als sic den weiten Raum durch schritt, schon die laute Stimme ihre- DaterS, der kich in heftiger Erregung befinden mußte. MA ste die Tür öffnete, sah Ne Rooneck gerade vor sich, der eine rasche Bewegung machte, al*, wollte er sie am Nähertreten verhindern. Dann stand sie mitten im Zimmer, neben ihm. Er war in voller Uniform mit Czapka und Schärpe. „Was willst du hier, Konstanze?" rief der Oberst zornig, „geh' gleich, ich habe jetzt keine Zeit für dich." Sie richtete ihre klare«» Augen mit entschlossenem Blick auf ihn: „Papa", sagte sie, „ich bitte, laß mich hier. Ich sehe ja, daß dl» sehr böse bist —.gerade so, wie ich es fürchtete, und da muß ich zu Klemens stehen und hören, was du gegen ihn einzuwenden hast." Der Oberst fuhr zurück, als hätte man ihn ins Gesicht geschlagen: „Was redest du da, Konstanze? Ist es möglich, du hast, wen»» ich dich recht verstehe, dem Herrn da dein Wort gegeben?" „Ich bin seine Braut, Papa, daran kann deine Miß billigung nichts ändern. Wirklich,- ich wollte kein Ge heimnis vor dir haben — es ist alles so schnell gekoinmen, daß mir keine Zeit blieb, dich um deine»» Legen zu bitten. Klemens wollte heute mittag — mein Gott", rief sie plötz lich, durch die bleichen, starren Gesichter der beide», ge ängstigt, aus: „Was ist denn geschehen ? Hat Papa? — Klcnicns, du schweigst, anstatt deine Bitten mit dein meinen zn vereinen? Sage doch Papa, »vie sehr wir uns lieben, wie wir auf seine Güte hoffen " „Konstanze", sagte der Oberst lmrt, „du bist im Irr tum. Der Herr da hat nicht um dich geworben." „Was bedeutet das alles, Klemens, weshalb bist du denn hier?" „Laß mich ausredcn, Kind. Herr von Rooneck weiß sehr »vohl, daß ich deine Hand lieber dem Bettler auf der Straße gebe«, würde, als ihm. Und nun genug! Ver laß das Zimmer! Was wir hier zu verhandeln haben, taugt nicht für dich. Wir beide sprechen uns nach her. Geh!" „Ehe ich weiß, was geschehen ist?" rief sie empört, anßcr sich. „Was hat Klemens getan, daß du ihn so be schimpfst? Ich dulde das nicht, selbst nicht von dir, Papa! Klemens hat mein Wort. Ich muß verlangen, daß du mir sagst, was du ihm vorzuwersen hast." Der Oberst sah auf daS leidenschaftlich erregte, an allen Gliedern zitternde Mädchen, dann auf den jungen Mann, der finster vor sich htnstarrte. „Bitte, reden Sie", sagte er herbe. „Ihren eigenen Dorten wird »»eine Tochter ja wohl glauben müssen." Rooneck sah ihr fest in daS entfärbte Gesicht. „Ich bin beleidigt worden, Konstanze", sagte er tonlos, über mit fester Slimme, „und habe das Duell abgelehnt." „Klemens, es ist nicht möglich!" Mit starrem Ent setzen sah sie zu ihm auf. „Was brachte dich dazu ? Es ist doch nicht möglich, daß —", das Work wollte nicht über ihre bebenden Lippen, — „daß du dich ge fürchtet hast?" Ein unsäglich bitteres Lächeln glitt über sein Gesicht: „Also auch du suchst nach solchen Beweggründen'? Ich hätte bei dir mehr Vertrauen zu meiner Ehrenhaftigkeit vorausgesetzt. Tas Duell habe ich verweigert, mußte es verweigern, weil meine Grundsätze mir verbieten, mich zu schlagen." „Deine Grundsätze? Ich verstehe dich noch immer nicht! Grundsätze, die dich verhindern können, deine Ehre rein zu waschen: du, der du den Rock deS Königs trägst?" „Ich war Christ, war Katholik, ehe ich Offizier wurde. Meine Kirche verbietet unter schwerer Sünde daS Duell und ich gehorche ihr." „Aber das ist ja unglaublich, grauenhaft! Was soll daraus werden? Was kani» dir geschehen? KlemenS, »»in Gottes willen, du hast dich übereilt, hast dich ii» törichte, überspannte Ideen verrannt. Laß dir von älteren Kameraden raten, sprich mit Papa, der die Ehrenhaftig keit selber ist, »vie mit einem Freunde, er wird dir seine Hülfe nicht versagen." „Dazu ist cs zu spät", sagte der Oberst finster. „Van Harpen wird sich jetzt nicht mehr schlagen, und wenn Rooneck ihn auch auf den Knien darum bäte. Die Sache ist hoffnungslos verfahren." „Konstanze", rief Rooneck leise und eindringlich, „du bist außer dir und denkst nur an die Folgen, nicht an die Sache selbst. Was sollte ich den»» deiner Meinung nach tun?" „Dich schlagen, ohne allen Zweifel", rief sie fassungs los. „Ucbcr alles die Ehre!" „Ja, Konnte", sagte er, und seine frische, junge Stimme klang feierlich ernst. „Die Ehre über alle«, ich hätte sie aber in meinen eigene»» Augen verloren, wenn ich, aus feiger Mcnffchenfurcht, gegen mein« Ueberzeugung handelte. Du bist doch auch Christin, gilt dir denn bas Wort gar nicht», baß man Gott mehr gehorchen soll, al ben Menschen?" „Ich weiß nicht, was ich dir darauf antworten soll. DaS ist alles so überspannt und ungewöhnlich, es habe» sich doch viele Offiziere duelliert, die gute Christen waren." „Doch wohl kaum", sagte er leise. „Und wenn sie eS taten — ich vermag mich nicht über das Unrecht hinweg- znsetzen." „Hast du denn gar nicht an mich gedacht", ries sie. „Nicht daran, daß du mich aufgibst, daß unsere Ver bindung zur Unmöglichkeit wird?" „Der bitterste Tropfe»» in meinem Kelch ist dein Kummer; aber ich dachte größer von dir, Konnte. Ich hoffte, du würdest mich verstehen, wenn es auch sonst niemand täte, und zu mir halten, einerlei, waS die andern sagen. Liebe ohne Vertrauen ist undenkbar. Konnte, sage mir, daß ich mich »richt in dir getäuscht habe." „Du haft mich getäuscht, Klemens! ES ist unmögliä», daß dl» mich wirklich liebst, wen»« du im stände bist, mich so leicht auszugeben." „Verschwende deine Worte nicht", ries der Oberst. „Du siehst ja, daß Rooneck das, «vas er Frömmigkeit nennt, über Manneschre und deine Liebe geht. Ich kann nicht länger dulden, daß du dich wegwirfst. Meine Tochter muß wissen, was sie sich und ihrem Namen schuldig ist." Konstanze hörte ihn nicht. Sie stand vor KlemenS und faßte seine beiden Hände. „Gib nach", flehte sie. „Um meinetwillen gib nach. Papa wird deinen Gegner bitten, sich dir zn stellen, alle werden erfahren, daß du dich umstimmcn ließest, daß dn als Offizier deinen Mann stehen willst! Und lebst du, wird Papa mich dir nicht versagen. Fällst du aber, mein einzig Geliebter, will ich mich lebenslang als deine Witwe betrachten und dein Andenken —" ihre Stimme brach in schluchzendem Weinen. „Barmherziger Gott, das geht über Menschenkraft. Konstanze, ich kann deinen Willen nicht tun. Verste hst du, ich kann cs nicht. Besinne dich, komm zu dir. Bcr- traue mir doch und glaube, daß ich handle, wie ich muß. Ist deine Liebe so arm und klein, daß sie schon in der ersten Prüfung versagt?" „Ich liebe dich von ganzer Seele — deshalb habe ich ein Recht darauf, dich, selbst gegen deinen Willen, zu retten. KlemenS, ich flehe dich an, gib nach." „Ich kann nicht, Konnte." „Also nein, unwiderruflich n«in?" „Ich habe nur ein Wort. Mein Entschluß steht fest."
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