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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030209014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903020901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903020901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-09
- Monat1903-02
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Reduktion m»tz ErvedM-n: 4^ßliiiii1SgOff« 8. »«ch>«ch« l»3 «»d L2L ERstttHGgwsttt1a««»e WFtz«tzP»-^ NmhhioüH v URvEUsttitttstr LWßst «tt-mstEst« » Kü«ig«pl. 7. Hopt./itiule VkrZdo; GstWtzstM» g^ Wmch«ch« Amt I Nr. ITtst -ertin: EivE HWWl. «öü^LÜ^WU^R NinGrichki Amt TI B». 40VL Morgen-Ausgabe. WpMer.TagMM Anzeiger. NmtsUatt -es Königliche« Land- und -es Königliche« Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates ««- -es SMzeiamtes -er Lta-t Leipzig. Nr. 71 Montag den 9. Februar 1903» Vttzergen-Pret- dü vgeipaltox Petttzeüe US («xei. P-M. Tabellarischer höher. - BÄ Offrrteaaa AmuhMschlL- fSr Ä«zri§e«: >b««d-A-Hgader M««itt»g» 1» Nh» Morgen-stüttgab« NachmMng» « VH» U>H-iAe> Dnh prtl »» N- E^pqtzjtiv« P» richt«. Die Expadttlmi ist »och«tag» mnmt«-v»ch»» geöffuet von früh S bi« abmd» V Uhr. Druck und Verlag vvu L Pol- talle^jig. 97. Jahrgang. Amtlicher Teil. Bauplatzverkauf. I«neind« gehörige, an der Ecke der Klvster- ne Bauplatz Nr. 1 von der Herr»» Sladtvrrvrd- Pet uüchsten g, dm IS. diele» Manats, wwtttags 11 Uhr r alten NatSwaae, Katharine« ftratz« dat da» 700 für I qw statt. Saus- ltcddaber »erden hierzu etngelade«. Die Bersteigerollg«bedingm>g«a mit P«rzellieruag»plau liegen auf de» Nathauk, 3. Obergeschoß, zur Einsichtnahme au«. Leipzig, am e. Februar 1968. Der Rat der Stadt Leipzig. I». 70L vr. Dründliu. Kr»mbi«g«l. Konkursverfahren. Urb« da« L««öa« de« Saufmauu« Heinrich Iiilich, Inhaber- de» Schuhwareuaefchäfts unter der Firma Heinrich Jülich in Leip, zig, Siudmühleuftrab» 8/18, vohuuua: Funken bürgst ratze ?, wird heute, am 18. Januar 1303, mittag» '/,! Uhr, da» Soukur-ver- fahreu eröffnet. Herr Mansmaun Paul Gottfchalck hier, Kurpriuzstraße S, wird zum Konkursverwalter «mannt. KonkurSfnrdernugen find bi« zum LS. Februar 1903 bei dem Berichte «^zmn^ldeu ES wich zur Beschlußfassung über di« Beibehaltung de« ernannte» oder di» Wahl eine« andereu Verwalter», sowie über die Bestellung eine» BILubigerauSschuffe« und eiutreteuden Falles über die in 8 132 der Konkurserduung bezeichneten Gegenstände auf den 11. Aedrnar IstÖL, vormittag« 11 Uhr, — und zur Prüfungder angemeldeten Forderungen auf den Iß. Wär, 100S, vormittag» 11 Uhr — dar dem unterzeichneten Gericht«, Nebenstelle, Johanaiögaffr L, Termin anberaumt. All« Person«, die «ine zur Sonknr«m»ss« gehörig« Sache in Besitz hab«» oder zur koukursmaff« etwa» schuldig sind, wird ausg«g«oen, nicht« au den Gnneivschulduer zu verabfolgen oder zu leist«, auch die verpflicht»»« «userlegt, von d«m Besitze der Sach« und Von den Forderung«, für die sie au» der Sach« abgesondert« Befriedigung in Anspruch nehm«, dem Konkurgverwalter bi« »um 19. Februar 1908 «»zeige zu mach«. SS«tglt-e« AnttSgericht zu Leipzig, Abt. II?».', Johauat«gaffe d«n 13. Jauuar 1903. Auktion. Lagerhaus« der Firma Moritz Merfeld hin, Gerber- Nr. 10«s°ll M-ntng, de» d. Kedrngr Itztz», vormittag» II Uhr ei« Flügel öffentlich versteigert werde». ülartln, Lokalrichter. Auktion. Freitag, de« Id. Febrnar IVOS, Narmittag« 11 Uhr solle» im Lagerhaus« d«r Firma karbnrä ch 8«^, hier, Ritter» ftratze Nr. SS/tztz 1 -«fit lltztifik-Eisfiim nd -knWii, 1 v«ve 81>kittt--tt«ifink« je in einer Paft üff«tlich versteige« werdeu. Die Kostüme und Requisiten können am 10. und 12. Februar 1903 i» Lagerhaus« d«r Firma t-erdarä äk Avl, Ritterstraßr Sb/2st di« D«korati«me» vom 10. bi« 1L. Februar 1903 im Büterfchnppen der Firma Sordarck L am Eilenburger vqhnhose hier withmnd d«, üblichen GeschästSstuud«» besichtigt werden. Unrtln, Lalalrichter. Nachlaß-Auktion. Dienstag, den 10. Februar, vormittags 10 Uhr, soll i» AuerdachS Hof, Gewdlbe Nr. »2, die zum Nachlasse de« Schriftsteller« W «rian gehörige Bibliothek, ferner Kletd«naSstücke, Wische, diverse Utensilien und Ge- brauchsgegenftande, sowie I Schreibtisch öffentlich meistbietend versteuert werd«. kruod«, Lokalrichter. Die Sparkasse Paunsdorf expediert täglich von S-1L Uhr vor- und 2—5 Uhr Nach mittag« und verzinst Si»lag«n mit 3^ Prinzeß» Luije. Wir wiederholen zunächst die nur in einem Teile der gestrigen Morgenausgabe enthaltenen Nachrichten und fügen dann einige Mitteilungen an. 2. Dresden, 7. Februar. Seit Prinz Friedrich Christian erkrankt ist, beschäftigt die Bevölkerung der Residenz nur die eine Krage: „Wird die Prinzessin Luise an das Krankenbett ihres Kindes kommen?" Es liegt eine furchtbare Tragik in der Situation, in welche die Prinzessin sich fetzt versetzt sieht. Der Gedanke, daß sie nun für alle Zeit von ihren Kindern getrennt ist, muß sie gerade angesichts -er lebensgefährlichen Erkrankung ihres kleinen Lieblings aufs tiefste erschüttert haben. Ihr Mutterherz ist wieder erwacht, und sehnsuchtsvoll ringt sie die Hände nach -em, was sie frevelnd von sich gestoßen. Wer wollte der tiefunglücklichen Krau sein Mitleid ver sagen? Tausende von Müttern im Sachsenlande, in der ganzen wetten Welt, empfinden den Schmerz mit, der in diesem Mutterherzen brennt, und daß sie sich von jenem elenden Gecken getrennt hat, ist überall mit Genugtuung ausgenommen worden. So ist wenigstens die Möglichkeit für die Prinzessin gegeben, den Rückweg zu ihren Salz- burger Verwandten zu finden. Ein Zurück nach Dresden freilich gibt es nicht, kann es auch dann nicht geben, wenn es die Mutter nach ihrem Kinde verlangt. Die UnauS- führbarkeit dieses Wunsches sollte sie selbst einsehen Ihren Kindern hat man gesagt, daß die Mutter niemals wieder kehren werde. Ihr Kommen müßte in den Kinderseelen die schwerste Verwirrung anrichten, ja, den kranken Prinzen Friedrich Christian könnte die mit einem solchen Wiedersehen verbundene Aufregung wohl gar das Leben kosten. Und auch die Folgen der Erregung, welche das Kommen der Prinzessin unter der Bevölkerung Dresdens Hervorrufen müßte, sind nicht gering anzuschlagen. Aus schlaggebend ist aber, daß der schwer beleidigte Gatte der Ehebrecherin den Zutritt zu seinem Hause nimmermehr gestatten kann. Und so konnte denn die Antwort des Kronprinzen auf die Bitte der Anwälte der Prinzessin nicht anders als ab- schlägig auSfallen. In jeder anständigen bürgerlichen Familie würde sich -er beleidigte Gatte genau ebenso ver halten und jedermann würde dieses Verhalten billigen. Man muß für die unglückliche Frau aufrichtiges Mitleid empfinden, aber nur eine törichte Sentimentalität kann den Wunsch hegen, diese Frau, und sei eS auch nur für wenige Stunden, an den Platz ihres einstigen heimischen Herdes zurückkehren zu sehen, den sie durch eigene Schuld verloren hat. Fede Schuld heischt Sühne. Luise hat ihre Kinder für immer verloren, denn die kleinen Prinzen und Prinzessinnen werden nie- mals in der Frau die Mutter ehren könne», die soviel Schande über Sachsen und sein Königshaus gebracht hat. * Wie«, 7. Februar. Dem „Wiener Kremdenblatt" werden aus Dresden von zuständiger Seite folgende Gründe für die Ablehnung des Ansuchens der Kron prinzessin mitgstejlt: Jufttzrat Körner legte vor mittags dem Kronprinzen die Depesche von Die flotte Lrähe. Humoreske aus dem Fasching von Teo von Torn. NaLdruil vrrd l««. „Geben Sie sich keine Mühe. Herr von Brod«: alle Ihre Liebenswürdigkeiten find in den Wind gesprochen. Ich kann Sie nur wiederholt bitten, nicht immer neben mir herzulaufen. Das ist mir unangenehm und " Fräulein Tilly RaSmussen hätte dem Korsteleven Leo. polbvon Brode die ihm feit zwei Tagen zugedachte gründ liche Wahrheit noch weiter gegeigt, wenn nicht ein in dem spiegelblanken Eise festgefrorener Ast ihren graziösen Hollünderbogen ebenso, wie dem glatten Flusse ihre« Zornes «in Ziel gesetzt hätte. Jemand, der fällt, hat das natürliche Bedürfnis, sich irgendwo festzuhalten; und da man in der bei solchen Ge- legenheiten gebotenen Eile nicht erst lange zu wählen pflegt, so erwischte Fräulein Tilly die grünen Achselstücke des jungen Forstmannes — waS das Malheur aber nicht verhinderte, sondern verdoppelte. Fast in einem Tempo setzten sich die Heiden nieder. Fräulein Tilly Rasmussen selbst hier noch mit der ibr eigenen biegsamen und elastischen Grazie; der Feldjäger leutnant und Forsteleve von Brode dagegen erst, nachdem er durch eine Anzahl rasender Wtndmühlenboweaunaen, die er mit Händen und Füßen agiert, sich gegen »en Fall aufgelehnt hatte. Erst als er saß, gab er sich zufrieden, lüftete seinen mit einer Tvielbahnfeber geschmückten Hut und bemerkte mit unwiderstehlichem Ernst: „Da Sie mir nicht -chatte«, mit Ihn«, zu laufen. mein gnädiges Fräulein, so mache ich um so Neber von Ihrer dringenden Einladung Gebrauch, neben Ihnen Platz zu nehmen." Damit verschränkte er die Beine, wie ein Schneider, stützte die Arme auf die Knie und fragte in tadellofem BallkonverfationSton«: ,^aben Sie den jüngst«» Band Maeterlinck schon gelesen? Tilly RaSmussen versuchte, so zornig auSzusehen, als da- in dieser Situation überhaupt möglich war. Aber es gelang ihr nicht recht. Um den roten, kleinen Mund, dessen Oberlippe etwas hochmütig aufgeworfen war, zuckte eS verräterisch. Schließlich stieß sie unter verbissenem Lachen hervor: „Nun — wollen Sie sich hier vielleicht häuslich nieder lassen, Herr von Brode?" „HaS hängt von Ihnen ab, mein gnädiges Fräulein", erwiderte der junge Mann verbindlich. „Ich halte die Sitzgelegenheit auf die Dauer allerdings weder für be quem, noch für zuträglich — aber ich ziehe es vor, hier mit Ihnen zu fitzen, als f«rn von Ihnen größeren Kom fort zu genießen." Tk das junge Mädchen verzweifelt« Anstrengungen macht«, sich «mporzuraffen, sprang er leichtfüßig auf und Hot ihm die Hand. Es blieb Fräulein Tilly nichts übrig, als die Hülse anzunehmen. Da» Aufstehen auf dem Eise hat seine Tücken. Aber gleich, nachdem sie stand, wandte sie sich ah und bohrt« mit einer en«rgischen Bewegung die Heiden winzigen, mit perlgrauem dänischen Lider be. kleideten Händchen in ihren Muff. Leopold von Brode klopfte umständlich den Schnee von seine» Beinkleidern und gewann dann mit einem einzigen, rpeit ausgreifenden Bogen wieder die Frontseite seiner schönen Ktntztn. „Mein gnädiges Fräulein", sagte er, indem er sich seiner fepchte» Handschuhe entledigte, „Sie werden mir zugpbe«. daß St« mich Hinte spottschlecht behandelt hab««, ««» dies« Mftn««ng scheint ha«,rhafttr zu sein, al» ich Lachenal und vr. Zehme vor. Nach kurzer Kon ferenz mit Justizrat Körner begab sich der Kronprinz zum König. Dieser beschick» den Minister des Aeußeren von Metzsch und den Minister -es Königlichen HauseS vr. von Seydewitz zu sich, mit denen er eine Stunde über den von der Kronprinzessin geäußerten Wunsch konferierte. Die Konferenz war sich von anfang an darüber klar, daß der Bitte der Kronprinzessin unter keinen Umständen gewill fahrt werden könne. Die Rücksicht auf die Autorität des Königlichen Hauses gebiete in erster Linie ein solches ab lehnendes Verhalten. Ueberdies dürfe man aber auch einer augenblicklichen, durch die eingetretenen Verhält nisse herbeigeführten Gefühls-Aufwallung auf Kosten -er höheren Gesichtspunkte nicht nachgeben. Schließlich war bet -er ablehnenden Haltung auch die Erwägung maß gebend, daß man bei Hofe Scenen vermeiden wollte, die sich zweifellos bei Erscheinen der Kronprinzessin in Dres den ereignet hätten und nicht zu vermeiden gewesen wären. Auch sei für das Versprechen der Kronprinzessin, Dresden sofort wieder zu verlassen, keine Garantie ge geben, da sie durch das Gesetz nicht zum Verlassen des Landes veranlaßt werden könnte. Dazu sei der Zustand des erkrankten Prinzen so bedenklich, daß jede Aufregung von ihm abzmvenden Pflicht sei. Aus allen diesen Grün den wurde nach etnstündiger Beratung auf Ablehnung des Ansuchens erkannt. * Gens, 7. Februar. Die „Schweizerische Depeschen- Ageutur" meldet: Prinzessin Luise, die über die ablehnende Antwort aus Dresden sehr betrübt ist, bat ihre Anwälte Lachenal und vr. Zehme, neue Schritte zurErfüllungihreSWunscheszutun. * Die „Dr. N." schreiben: „Schwer zu erkennen sind die wirklichen Motive, welche auf feiten der früheren Kronprinzessin zu dem jetzt vorliegenden Bruche mit Gtron geführt haben. Gewiß wird sich in ihr bet der Nachricht von der schweren Erkrankung ihres Kindes die Mutterliebe geregt haben — obwohl länger als 8 Wochen, selbst angesichts des hellstrahlenden WethnachtSbamnes, keine Spur dieser mächtigsten und edelsten menschlichen Empfindung bet der Prinzessin wahrnehmbar war! — einen starken Anteil an der jetzigen Wandlung wird auch die greifbare Erkenntnis haben, in welche Sumpfatmo sphäre die bisher auf der Menschheit Höhen wandelnde Fürstin in der Gemeinschaft mit einem Gtron geraten ist unö in der in aller Zukunft zu leben sie vielleicht ver dammt gewesen wäre. Nicht einmal die wurmstichige Ge sellschaft, die an den Spieltischen in Monte Carlo ihre ge sellschaftlichen Fangarme ausstreckt, brachte ihr an der Seite Girons Sympathien entgegen Solche Er ¬ fahrungen müssen bas Innere eines Menschen in seinen Grundfesten bewegen, wenn Gott seine Seele durch un heilbare Krankheit nicht in ewige Finsternis und Ver gessenheit versenkt hat." * Einer Betrachtung der „Post" sei folgende Stelle ent nommen: Zweifellos hat die ernste Erkrankung ihres Sohnes in Dresden die letzten Reste gesunden und natürlichen Empfindens im Herzen der ehemaligen sächsischen Kronprinzessin so stark konzentriert, daß das Gefühl kräftig genug wurde, um sie das Entwürdigende ihrer gegenwärtigen Lage klar erkennen zu lassen. Schon das demonstrative Verhalten des Publikums in Mentone, das im Spielsaale wie auf der Straße aus seinen Gefühlen gegenüber der ehr- und pflichtvergessenen Gattin und Mutter kein Hehl machte, mag sie belehrt haben, daß es ein Irrtum war, wenn sie meinte, es koste nichts als einen energischen Entschluß für sie, um in die Reihen deS ein fachen Bürgertums etnzutreten. Mit dem Verluste von Titeln und Würden konnte sie nur in die Reihe der De klassierten, nicht aber in die Kresse des ehrenhaften Bürgertums treten. Die Art, wie ihr das auch die ein fachsten Bürgerkreise zu verstehen gaben, wird sie belehrt haben, in welchem Jrrtnme sie sich befand. Ob vielleicht auch materielle Gesichtspunkte mit von Einfluß gewesen sind, den Augenblick des schrecklichen Erwachens ans dem verhängnisvollen Wahne vorzubereiten, entzieht sich vor läufig der Kenntnis. Jedenfalls wird die unglückliche zunächst taxierte. Unter diesen Umständen sehe ich mich genötigt, zu fragen, wodurch ich mir Ihren Zorn zuge zogen — denn das haben Sie mir bisher noch mit keiner Silbe angedeutct." »Sie fragen noch!?" rief das junge Mädchen empört. „Das setzt eigentlich allem die Krone aus!" „Aber wieso denn —" entgegnete er harmlos. „Lassen Sie uns einmal rekapitulieren, Fräulein Tilly. Vor zwei Tagen haben wir uns zuletzt auf einer Gesellschaft bei Ihren werten Eltern gesehen — dabet haben wir uns nur viermal gezankt, einmal vertragen und z,vei Vielliebchen gegessen, die Sie hiermit verloren haben. Also ich weiß wirklich nicht " „So — Sie wissen also nicht, was sich zutrug, als ge sungen werden sollte!" „Nein oder doch! Ich entsinne mich. Da ich ein gänzlich unmusikalischer Mensch bin, habe ich mich auf die Flucht begeben; als ich dann aber zu meiner Befriedigung hörte, -ah — daß das Klavier verstimmt sei, habe ich mich wieder angefunden! Jawohl." „Sol Und Sic wissen nicht, wodurch die Störung ent standen ist! Ich frage Sie nunmehr: Ist es wahr oder nicht, daß Sie mit einem Korridorschlüssel das Klavier ver stimmt haben!?" „Donnerwetter —" nmrmelte Herr von Brode und zog -en Hut tief über die Augen. Dann aber klapste er ihn energisch aufS Odr, zog seinen Rock zurecht und erwiderte mit der Miene eines entschlossenen Menschen: „Allerdings. Aber — hören Sic mich, bitte, an, Fräu lein Tilly! Zunächst gebe ich Ihnen die Versicherung, daß ich Ihrem vr»r-«r Karl, meinem treulosen Freund« und verräterischen Mitverschwörer den Hals umdrehen werde. Zum anderen habe ich sozusagen in der Notwehr ge handelt —" „Herr von Brod«, ich " Lamohl, i« der Notwehr l Ich bin ummchkaltsch. außer Verirrte eingesehcn haben, daß Sitte und Gesetz in der Welt doch immer noch unantastbar hoch stehen und daß wir von dem sozialdemokratischen Ideale der freien Liebe noch himmelweit entfernt sind. Sie wird sich auch über zeugen und teilweise schon überzeugt haben, wie wahr das Dichterwort ist: „Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang." * Daß man in Dresden mit einem Besuche der Prin zessin Luise tatsächlich gerechnet hat, bekundet di« Tatsache, daß in Reichenbach seit Dienstag die Züge aus dem Südenrevidiert wurden. Es war in Reichen bach ein offenes Geheimnis, baß ein Kriminalbeamter aus Dresden abgeordnet war, dem die Aufgabe oblag, alle auS dem Süden kommenden Schnellzüge nach einer bestimmten Krau, die man erwartete, zu durchsuchen. Wenn dies auch in rücksichtsvollster Weise geschah, so war doch der hochgewachsene Herr auf dem dortigen Haupt bahnhofe sehr bald eine für alle, die sich dafür inter essierten, bekannte Erscheinung, und wie ein Lauffeuer ging es um, daß die erwartete Frau nur die Frau Kron prinzessin sein könne. Aus diesen Umständen und einigen Nebenerscheinungen mag auch daS Entstehen des durch ganz Sachsen in Umlauf gesetzten Gerüchts von der Ankunft der Kronprinzessin in Dresden herzuleiten ge wesen sein. Herr Kriminalkommissar Halbauer, so nannte sich der oben erwcchnte, mit geheimen Instruk tionen aus Dresden nach Reichenbach gesandte Beamte, hat am Donnerstag nachmittag seinen Posten in Reichen bach wieder verlassen und ist nach Dresden zurückgekehrt. Auswärtige Blätter wollen davon wissen, daß eS von feiten verschiedener Passagiere von Nachtschnellzügen, welche ebenfalls in Reichenbach revidiert wurden, zu Be schwerden gekommen sei. * Wie die „Boch." aus Genf erfährt, hatte die Prin zessin am Donnerstag einen heftigen Weinkrampf bekommen. Ihre Kammerzofe, die sie in Genf aus genommen hatte, mußte fortwährend zur Portiersloge schauen, ob nicht Nachrichten aus Dresden da seien. Giron war, als er das Hotel verließ, sehr blaß, trug aber eine gekünstelte Miene zur Schau und kaufte sich vor dem Bahnhofe bei einem Blumenmädchen einen Veilchen strauß, den er affektiert in- Knopfloch steckte. In der letzten Zeit kamen dem Paare sehr viele Schmähbriese zu, so daß sich das Hotelpersonal genötigt sah, offene Karten, die an die beiden gerichtet waren, dem Paare gar nicht zu übergeben. Nach einer Münchener Meldung desselben Blattes wandte sich die Prinzessin Luise in den letzten Taigen brieflich an ihre Mutter, sic möge zu ihren Gunsten intervenieren und vor allem bewirken, daß man ihr Legitimationspapiere aüSfolge, ohne die sie in keinem Staate Aufnahme finden könne. Es bleibe ihr nichts übrig, als nach Amerika auSzuwandern, und auch das werde man ihr durch Bewachung seitens der sächsischen Regierung unmöglich machen. Die Prinzessin erhielt darauf von ihrer Mutter nachfolgende Antwort: „Wenn du die Bedingungen, die dir in Genf gestellt werden, annimmst, ist deine Rtickkehr nach Oesterreich vielleicht möglich Die Absendung von LegitimationS- papieren an dich ist jedoch unmöglich." * Wien, 7. Februar. Die „N. Fr. Pr." meldet: Die Zusammenkunft der Prinzessin Luise mitihrerMutter, der Großherzogin von Toskana, soll in der bayerisch-österreichischen Grenzstation Rosen heim erfolgen und vor allem den Zweck haben, fest- zustcllen, ob die Trennung der Prinzessin von Giro» eine zeitliche oder dauernde ist. In letzterem Falle wäre eine Milderung der von den Höfen in Wien und Dresden über die Prinzessin verhängten Maßregeln möglich, ins besondere in dem Sinne, daß die Vaterlandslosigkeit, welche die Folge dieser Maßregeln ist, behoben und es der Prinzessin möglich gemacht würde, einen Namen zu führen. Die Vermutungen, die an das bekannte Hand schreiben des Kaisers Franz Josef geknüpft wurden, weil der Kaiser darin nur von einer „Suspendierung" der Titel und Würden einer österreichischen Erzherzogin sprach, werden maßgebenden Orts als unzutreffend be- dem weiß ich aus Erfahrung, daß das Gesangskränzchen „Flotte Krähe" —" „DaS ist stark, mein Herr! Sie scheinen nicht zu wissen, daß meine Tante . . ." „Diesem Kränzchen auch angehört. Das weiß ich. Leider heißt diese gefürchtete Bereinigung, welche gesell schaftlich geradezu Verheerungen anrichtet, dennoch „Flotte Krähe". Ich habe ihr diesen Namen nicht gegeben und halte mich nur an den einmal vorhandenen Sammel begriff. Sehen Sie, Fräulein Tilly — die „Flotte Krähe" ist dafür bekannt, daß sie vor zwei Stunden nicht aufhört. Erst werden Quartetts gesungen, daun fällt jedes Mitglied noch einzeln ein vaar Mal von der Tonleiter. Und diese Eventualität habe ich einfach nicht ertragen können. Der Gedanke, zwei Stunden schweigend znhvren und mich kein bißchen mit Ihnen unterhalten zu dürfen, der allein hat mir das ruchlose Attentat auf Ihr Piano eingcgeben. Gestern habe ich Ihnen anonym einen Klavierstimmer ge schickt, und da ich hoffe, daß der Mann seines Amtes zur Zufriedenheit gewaltet hat. wollen wir die Sache nun ruhen lassen; gelt, Fräulein Tilly? Geben Sie mir Ihr Händchen und seien Die so lieb, wie vor zwei Tagen —" „Ich habe Ihnen bereits gesagt, Herr von Brode — geben «ie sich keine Mühe. Außerdem muß ich bitten, daß Sie sich nicht auf Freundlichkeiten meinerseits beziehen, die Sie sich doch nur einbilden. Es ist mir nie eingefallen, „lieb" zu Ihnen sein. Dazu fehlt mir Ihnen gegenüber jede Stimmung und Veranlassung. Und damit Sie nicht wieder in solchen Aberglauben verfallen, bitte ich Sie, auf die vorgemerkten Tänze für den morgigen Kofiümball zu verzichten Adieu, Herr von vrode.* Damit schwebt« Fräulein Tilly RaSmussen davon — der Feldsägerleutnant und Forsteleve Leovold von drohe dagegen blieb noch eine ganze Weile fiepen, weil er so schnell keinen Fluch zusammenbekam, der lgpg genua ge- wesen wäre, sei«« bedrückte Seele zu entlasten und gleich-
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