Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030210015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903021001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903021001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-10
- Monat1903-02
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezrrgS-PrelS di der Hauptexpeditiou oder deren AnSgabo- stell« ab,«holt: vterteljLhrlich ^l 8.-) bei zwetma0gerttaltcherZ»st«H»na in- Hau» S.7L Lurch die Post bezöge» stir Deutsch, laud «. Oestervetch vierteljährlich ^l L.K0, ür di« üLrig« Länder laut Zeitemg-prel-ltst«. Nrdaktton und LrprLMo»: Joßeumisgaffe 8. Ferufprech« ISS und LLL Alfred Hahn, Buchhaudlg, üuwerfitLtSstr.S, 8. Ltschch Kathariumepn Ich ». Küntgtpl. 7. HllLPt-Filialr Vresd«: Etrehleuer Straße ch Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Lerliu: Earl Lnncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhandkg, Lützowstraß« 1V. Fernsprecher Amt VI kr. »SOL Morgen-Airsgabe. MWgcr TagMalt Anzeiger. NmtsvM -es Königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates im- -es Volizeiamtes -er Lindt Leipzig. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Ls. (4 gespult«) 7» vor d« FamUleuuach. richten (Sgestnltea) VS Lb Tabellarisch« «ch Jtffenisatz «tsprrch«»d HÜHer. — Gebübreo wr Nachiveisuug», und vffrtteaannatzm« tü («xcl. Porto). A»»atz«eschlaß filr Llyri-e»: «send «nsgade, Hermittag» 10 Uhr. Mo,,r».«rchgad« Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen stad stet» au di. «xpeditto» zu richt«. Die Expedition ist »ochnttag« unmNerbroch« geöffutt von früh g bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 73. Dienstag den 10. Februar 1903. S7. Jahrgang. Englands Schwache im Kriegsfälle. Der Engländer ist fest davon überzeugt, daß er seine wirkliche oder eingebildete Uebermacht gegenüber den Festlaiidsvülkern den geistigen und moralischen Borzügen seiner von Gott erwählten Rasse verdankte. Diese Lehre trägt er überall mit der ihm eigenen Sicherheit und An maßung vor, so daß sie auch auf dem Kontinente Gläubige genug gefunden hat. Dies um so mehr, als ja die Er- fobge Großbritanniens im letzten Jahrhundert jenen nationalen Glaubenssatz zu bestätigen scheinen. Erst die seltsamen Begleiterscheinungen des südafrikanischen Krieges liehen die Zweifler an Albion« Größe mehr zu Worte kommen. Die Unüberwindbarkeit Englands be steht nach diesen Skeptikern nur in der Zerfahrenheit der FestlanbSvölker. Die anscheinend undurchdringliche Rüstung der Insel ist in Wahrheit äußerst fadenscheinig. Wie jener orientalische König der Legende, der mit köst lichen Gewändern angetan zu sein glaubte und doch nackt oinherging, hat auch Britannien durch Massen suggestion befangene Gläubige genug gefunden, di« ihm den Kehrreim von seiner Unüberwindlichkett nachgesungen haben. Wie jener König, wird aber auch England eines Tages das Ende seiner Weltherrschaft erleben, wenn das Kind der Sage dem Volke zurufen wirb: „Aber er hat ja gar nichts an!" In der Tat haben sich ähnliche Stim men schon erhoben, und zwar mehr noch auf der Insel selbst, al» auf dem Festlande, die auf Englands Schwächen hittgerbiesen haben und die die merkwürdige Entdeckung machten: „Aber eS hat ja gar nichts an." Diese englischen Warner erscheinen natürlich doppelt gewichtig, da eines teils ihre Sachkenntnis weit grvher ist als bei kontinen talen Beurteilern und weil anderseits ihr Nattonalstolz nur dann eine Schwäche zugeben wird, wenn sie wirklich in schon recht empfindlicher Weise vorhanden ist. Tatsächlich hat England „nichts an", d. h. seine Größe beruht zum größten Teil in dem geographischen Um stande, daß die Nordsee südlich von den Kreidefelsen von Dover sich eine Wafserbahn nach dem Ozean geschaffen und an der französischen Küste von Calais-Boulogne einen Kanal gebildet hat, der an sich in einer Stunde zu durchfahren ist. Dieses Aermelmeer ist die Größe Englands. Es sei anerkannt, daß dieser Vorzug der Natur von den Insulanern mit Geschick, oft auch mit ver blüffender Gewissenlosigkeit, stets mit echt englischer egoistischer Rücksichtslosigkeit ausgenutzt ist. Wir können cs bezeugen, denn neben Frankreich haben wir am meisten darunter zu leiben gehabt. England hat seit deü Tagen Elisabeths seine Hand bei allen europäischen Händeln im Spiel gehabt, ohne sich selbst auf Kriege ein- zulaffen; e>» vollendete seinen Siegeszug durch alle über- seeischenWelttetle, während etz die Aufmerksamkeit Europas durch die fortwährenden dynastischen Kriege zwischen Bourbon und Habsburg in Anspruch nehmen ließ, an denen eS, wenn eS wollte, dank seiner insularen Lage un beteiligt blieb. Währen- Ludwig UV. seine europäische Hegemonie begründete, legte England jenseits -es großen ÄassorS auf -en Trümmern der französischen und zum Teil -er Holländischen Kolonialmacht die Fundamente seiner Weltherrschaft an. Dabei verstand die angelsächsische Diplomatie e» stets, sich rechtzeitig zurückzuziehen, wenn es an die Zahlung der Kriegslasten kam. Friedrich -er Große erwarb für Preußen Schlesien, aber für England Nordamerika auf den Schlachtfeldern von Roßbach und Leuthen. Als er für Großbritannien genug getan, zog sich England von ihm zurück und ließ ihn elend und feige im Stich. So hat eS England stets getrieben, und auch der große Korse mußt« auf St. Helena als Gefangener seiner Todfeinde ctngestehen, baß er Europa zerfleischt habe, nur um Frankreich unfruchtbaren Ruhm, England aber die Basis seiner Weltherrschaft zu schaffen. Seit Nelson bei Trafalgar die französisch-spanische Flotte ver nichtet, ist die Tyrannei Englands zur See bi» in die letzte Zeit unbestritten geblieben. So lange England nur auf dem Wasserwege zu erreichen ist, Großbritannien aber mit seiner Flotte eben diesen Wasserweg beherrscht, so lange ist England unverwundbar. ES soll hier nicht erörtert werden, wie wett auch heute noch die Landung von europäischen Truppen in England zu den Unmöglichkeiten gehört. Der Normanne Wilhelm eroberte das angelsächsische Land von Frankreich auS. Bon Napoleons Zetten an haben die Erörterungen nicht aufgehört, ob und mU welchen Mitteln England zu Lande zu bekriegen sei. Daß der französische Generalstab sich auch heute vorwiegend mit dieser Frage beschäftigt, bewtes das naive Geständnis, da» General Mercier vor zwei Fahren im französischen Senat machte. England hielt bi» vor kurzer Zett auch da- durch den Steg bet Waterloo mit Hülse Blücher» geschaffene Prestige seine» Landheere» für unerschütterlich. Der Zusammenbruch britischen KriegSruhm» in den Schluchten und Steppen Südafrika» hat erwiesen, baß England al» Landmacht tatsächlich „nicht» anhat", und daß, wenn auch nur wenige konti- nmtale Armeekorps landen konnten, mit Dover auch London und damit daS „Reich" gefallen wäre. Die letzte Hoffnung ist also die Flotte. Wie schwach die englische Rüstung auch hier ist, zeigte die Untersuchung der Seever teidigungswerke, die man unter dem erschrecklichen Ein druck der Niederlagen am Kap vor zwei Jahren vornahm. Wie sehr der Panzer Albions bis dahin jedenfalls rin blecherner Operettenharnisch war, erwies allein die un erhörte Tatsache, daß sämtliche ThemsefortS, die die Haupt- stadt gegen die Nordsee schützen, mit Vorderladern ältesten und völlig unbrauchbaren Systems bestückt waren. Die sehr gefährlichen Schwächen in Englands Seerüstung hat übrigens kein geringerer als Lord Beresford, der Admiral des Mittelmeergenschwaüerd und einer der ersten Flottensachverständigen, immer und immer wieder hervorgehoben. Indessen ist Englands Ueberlegenhcit in Schlachtschiffen und auch in seinem Kreuzergeschwader, Vorläufig wenigstens noch, so gewaltig, daß kaum eine andere Seemacht, auch Frankreich nicht, ihm in offenem Angriffskampf gegen die englischen Küsten die Stirne bieten kann mit irgend welchem Ausblick auf siegreichen Erfolg. Für den Realpolitiker kommt also eine ernstliche Be kämpfung Englands zur See noch nicht in Betracht, so lange Großbritannien in -ev Lag« ist, sein altes marine politisches Asiom durchzuführen, immer so stark zu sein, wie Rußland, Deutschland und Frankreich zusammen, wobei es Italien, Japan und Amerika als unter Um ständen doch auch in Betracht kommende Gegner gar nicht ins Auge faßt. In der Tat blickt man mit großem Selbst bewußtsein auf die Ueberlegenhcit -er englischen Flotte und nur zwei Punkte trüben das nationale Glück. Vor wenigen Jahren war es der plötzlich aufsteigend« Ge danke—große Streiks in Wales legten ihn nahe—: „wie, wann im Kriegsfall die Koh len arbeit er in den Ausstand treten und damit die ganze Flotte lahmlegen?" Denn das schönste Schlachtschiff nützt nicht» ohne Kohlen. In der schwarzen, schmutzigen, unscheinbaren Kohle liegt die Seele, liegt der Atem, der die glänzenden, turm bewehrten, geschützstavrenden Panzerkolosse erst in Be wegung setzt, ihnen Leben gibt. Nun, der oft bewährte Patriotismus auch des englischen Proletariers hat diese Streikgefahr bald als leeres Schreckgespenst erscheinen lassen. Aus ganz anderen Quellen speist sich die Beunruhi gung, die in den letzten Tagen und Wochen in England platzgegriffen hat. Zwar nicht zum ersten Male, aber -och mit noch nie gesehener Emsigkeit stürzen sich Staats männer und Gesellschafksphilosophen in Zeitschriften und politischen Reden auf die Frage, wie es mit der Ver - pflegungEnglandsimKriege steht? Die Be unruhigung ist so groß geworden, daß sich — wie in England üblich — ein Comitß gebildet hat, um die Frage zu untersuchen, wie Großbritannien seinen Hunger stillen soll, wenn es einmal in einen Krieg mit einer oder mehreren europäischen Großmächten verwickelt wird. An der Spitze des Ver bandes stehen der Herzog von Sutherland, Lord Strath- conia und Lord Albenham. Das vornehme Comitv zählt außerdem 29 Peers zu seinen Mitgliedern, 84 Mitglieder des Parlaments, 40 Admirale, S Offiziere der Armee, 46 Vertreter des Handels und der Schiffahrt. Schließlich auch 18 Arbeiterführer. In einem Aufrufe weist diese „gemischte" Gesellschaft darauf hin, daß bisher stets ver geblich versucht ist, ein Mittel zu finden, um der im Kriegsfälle drohenden NahrungSmittelnot zu steuern. Ob diese edlen und erlauchten Herren das Panacee ge funden, um dieser Not zu steuern, sagen sie nicht. Viel leicht wollen sie eine größere Vermehrung der Kreuzer zum Schutze t>er getreibezuftthreNden Handelsschiffe Vor schlägen, vielleicht auch die Anlage riesiger Kornlager. Sicher ist das Eine: baß die Gefahr in der Tat vor liegt und daß sie Englands schwach« Seite ist. England ist auf dem verhängnisvollen Wege bö» „nicht» al» In dustrie- und HanbelSstaates" am meisten vorgeschritten. Drei Viertel aller englischen Lebensmittel muß das Aus land liefern. Eine Gefährdung dieser Zufuhr bedeutet die Hungersnot für England, und Frankreich wird diese Schwäche auSzunützen verstehen. 7 Millionen Arbeiter beziehen ein so geringes Einkommen, daß jede Erhöhung der Lebensmtttelpreise sie in di« Reihe der hungernden Revolutionäre drängen müßte. England» ganze Jahres- ernte und alle Kornvorräte auf der ganzen Insel würden noch nicht drei Monate lang da» Land ernähren können. E» könnten die Zetten wiederkommen, die England im Kriege gegen Napoleon schon erlebt hat, wo ein Brot 2 Schilling kostete, und da» in Jahren, wo da» Gelb den vielfachen Wert von dem heutigen hatte. Die Not ist also unleugbar. Ebenso unleugbar ist aber auch die Tatsache, daß für diese Leiben kein wirk- same» Mittel gefunden werden kann. Denn diese Gefahr ist die Kehrseite der Medaille, da» trübe Korrelat zu den glänzenden Vorzügen von England» insularer Lage. Die Not läßt sich aber auch deshalb nicht au» der Welt schaffen, «eil st« untrennbar mit dem ganzen englischen' Handels- und Wirtschaftssystem verknüpft ist. England müßte wieder Ackerbaustaat werden, um diese Gefahren zu bannen, und das kann und will eS nicht. Englands Schwäche ist einer der wichtigsten Faktoren für die Ruhe Europas. Es ist dafür gesorgt, daß die angelsächsischen Bäume nicht in den Himmel wachsen — und das ist gut so! I'- Deutsches Reich. ID Berlin, 9. Februar. (Fürst BiSui arck über die Jesuiten.) Gegenüber dem Optimismus, den der jetzige Reichskanzler für die Jesuiten zur Schau trägt, und gegen über der Harmlosigkeit, mit der er die Jesuitenfrage neuer dings im Reichstage bebandelt hat, ist e» vielleicht an gebracht, die Urteile des Altreichskanzler» über den Jesuiten orden, wie wir sie in der trefflichen Sammlung von Paul Dehn „Bismarck als Erzieher" (München, I. F. Lehmann. 1903, S. 378—S77) in dankens werter Weise zusammengetragen finden, wieder in Erinnerung zu bringen. An „deu.sche" Jesuiten vermochte Fürst BiSmarck nicht zu glauben. Am 28. November 1885 erklärte er im deutschen Reichstag: „WaS meine inneren Ueberzeugungen anbetrifft, so kann ich einen Jesuiten, bei dem ich wirklich deutsch-national« Empfindungen vorauSsrtze, als einen sehr nützlichen Bundesgenossen betrachten und habe keine Abneigung an und für sich gegen ihn, nur sind mir solche nicht vorgekommen". An demselben Tage erklärte er: „Die Gefahr, die gerade die Tätigkeit der Jesuiten für Deutschland, seine Einigkeit und seine nationale Entwicklung halte, liegt ja nicht in dem Katholizismus der Jesuiten, sondern sie liegt in ihrer ganzen internationalen Organisation, in ihrem LoSsageu und Loslösen von allen nationalen Banden und in ihrer Zerstörung und Zersetzung der nationalen Baude und der nationalen Regungen überall, wo sie denselbeu beikommeo. — Da« ist eben die Hauptsache, die ich gegen den Orden habe; sonst ist er geschickter, duldsamer und klüger, als mancher andere. Die Jesuiten sind eine Gefahr für daS geringe Maß, für den geringen Rest von Nationalgefühl, der einer großen Mehrzahl von uns Deutschen geblieben ist." Als Vorkämpfer gegen die Sozialdemokraten kommen die Jesuiten für BiSmarck am allerwenigsten in Betracht: „Der Herr Vorredner hat gesagt, dre Jesuiten wären die Klippe, an welcher die Sozialdemokratie scheitern würde. In keiner Weise — das glaube ich nicht; die Jesuiten werden schließlich die Führer der Sozialdemokraten sein." Ueberhaupt kann sich keine Regierung unbedingt auf die Jesuiten ver lassen: „Die Jesuiten stellen sich mit der Macht gleich. Friedrich der Große war damals in Macht, er hatte nichts zu befürchten; er war stark genug, sich ihrer zu erwehren. Katharina war es noch viel mehr, die konnte, was sie an jesuitischen Schöpfungen bei sich duldete, mit einem Griffe ihrer Hand wieder vernichten. Die Jesuiten gingen mit ihr, weil sie die Macht hatte. Heut zutage haben die Monarchen und die Konservativen nicht mehr in dem Grade die Macht. Die Jesuiten würden auch heute mit der Macht gehen und sich mit der Macht zu stellen wissen, mit der Macht der Zukauft. Mit dem absoluten König tum« werden die Jesuiten immer gehen, mit dem absoluten Parlamentarismus auch, milder absoluten Demokratie auch. Sie werden immer so schwimmen, daß sie dabei oben auf bleiben und eine gewisse Macht, vielleicht eine reichliche, mit ihrem stets steigenden Vermögen be halten." Ueber dirö Vermögen äußert sich Fürst BiSmarck bereit» am 18. März 1875 im preußischen Abgeordneten hause: „Wenn ich den Jesuitenorden zur Einkommensteuer eiuschätzen sollte, würde ich ihn augenblicklich nicht ganz so hoch wie das Vermögen des verstorbenen Rothschild, aber dochüberdie Hälfte desselben, d. h. aus etwa 250 bis 280Millionen Taler, also circa eine Milliarde Francs im Kapital eiuschätzen." Endlich sei noch BiSmarck» Begriffsbestimmung de» Jesuiteoordeo» mitgrteilt: „Der Jesuitenorden ist eben eme Versammlung, eine Bereinigung geschickter Leute für Zwecke welt licher Herrschaft, und mit großem Erfolg. Eine Association, die Geld hat, viel Geld, ist eine Macht." Berlin, 9. Februar. (Die „bajuvarische Furcht losigkeit" de» bayerischen Zentrums.) Das Mini sterium Crailsheim hat sich dazu aufgeraffl, auf dem Umwege über die „Süddeutsche ReichSkorrrspondenz" dem bayerischen Zentrum zu erklären, daß eS an der Grenze seiner Friedens liebe angelangt sei. Ueber di« in dieser Note ent haltene Drohung macht sich daS offizielle Organ de» bayerischen Zentrum» lustig und erklärt feiner feit» de« Ministerium rücksichtslos«» Krieg. DaS „katholisch« Volk Bayern»" habe endlich seinen Feind erkannt, „und nun bekämpfe e» ihn mit jener baju varische» Furchtlosigkeit, die sich durch ministerielle Drohungen kein Haar breit vom Wege abbringen läßt." Wir haben gewiß allen Respekt vor der Tapferkeit und Furchtlosigkeit de» wackeren bayerischen Volke»: Weißen burg, Sedan und Orlean» sind dessen Zeuge; abrr ge rade der bayerische Kl«rikali»mu» tut nicht gut daran, sich auf diese „bajuvarische Furchtlosigkeit" zu berufen. Denn wär« es »ach ihm gegangen, so wär« da» Jahr 1870 nicht rin Ruhm«»jahr bajuvarischer Furchtlosigkeit gewesen, sonder« zum Schandjabre klerikal-bajuvarischer Feigheit geworden. Oder war «» nicht «in Zeichen der Feigheit, daß die ultra- montaue Mehrheit der Krieg»kommisslon der bayerischen Kammer die geforderten S Millionen Gulden zum Zwecke einer bewaffneten Neutralität be willigen wollte? War r» kein Zeichen der Feigheit, daß der klrrikale Führer Jörg besorgt fragte, „welchrn Schutz kann un» drnu Preußen bieten gegen eine französische In- vasio»?" und daß er sich hinter der Hoffnung versteckte, Frankreich wrrde im Falle der Neutralität Bayern« für dir Sicherheit der Pfalz garantieren? War e» kein Zeichen der Feigheit, Laß der Pfarrer Westermayer seine Auffassung der politischen Sachlage in die Worte zusammenfaßte, „wenn in, eigenen Hause Gefahr droht, so ist dl« Sorge für da» eigene HauS vorzuziehen, statt daß man dem Nachbar zu Hülfe eilt"? Hätte sich nicht dir Regierung, insonderheit der Kriegs- Minister v.Pran kh, mit allemNachdruck in-Zeug gelegtunt d durch toch wenigstens die anständigenElemrnte der Ultramontaneii für sich gewonnen, so hätten die klerikalen und partikularisti- scheu Fanatiker, deren geistige Nachkommen und Ebenbiloer heute die Mehrheit der bayerischen Kammer auSmachen, da» Ehren schild Bayerns zerbrochen; denn wenn r» nach ihnen gegangen wäre, so hätte sich Bayern der Feigheit und deS Vertrags bruches schuldig gemacht. Diese klerikalen Partikularistrn also sind wahrhaftig nicht die Leute, dir die ,chajuvarische Furcht losigkeit" für sich und ihresgleichen in Anspruch zu nehmen berechtigt wären. * Berlin, S. Februar. Zur Dtätenfrage findet sich in der offiziösen „Südd. ReichSkorr." ein aus Berlin datierter Artikel, aus dem man trotz seiner verklausulier ten Fassung manches berauslesen kann oder — soll; es heißt da: Im Parlament wie in der Presse überwiegt der Eindruck, daß Graf Bülow bemüht ist, in Sachen der Anwesenheits gelder eine Einigung der Anschauungen unter den Verbün deten Regierungen herbeizuführen und zwar durchaus in dem Geiste bundesfreundlicher Rücksichtnahme, den der vierte Reichskanzler nach dem Beispiel des ersten seit Uebernahme der Geschäfte neu belebt hat. Bon einem Abgeordneten der Rechten ist auch in der Mittwochsitzung deö Reichstage» schon hervorgehoben worden, daß Graf Bülow den Hinweis auf die in der Diätenfrage noch vorhandene Verschie denheit der Ansichten nicht etwa im Sinne einer „Flucht in die Öffentlichkeit", sondern umgekehrt mit dem Bewußtsein ge macht hat, daß er, wenn auch „heute noch nicht", im stände sein werde, die Zweckmäßigkeitsfrage, um die es sich hier handelt, ohne Entfesselung ernster VerfasiungSstreitigkeiren einer billigen Lösung entgegenzuführen. Durch mißverständ liche Angriffe aus den Reihe^ der tsiätensreundlichen Presse kann ihm diese Aufgabe aber freilich nicht erleichtert werden. Wenn die» wirklich die Ansicht des rücksichtsvollen Kanzlers ist, so hat er sich im Reichstage jedenfalls sehr mißverständlich ausgedrückt. Nun ist natürlich die Presse daran schuld, daß die Abgeordneten keine Diäten be kommen. (-) Berlin, S. Februar. (Telegramm.) Zur gestrigen Mittagstafel beim Kaiserpaare waren geladen Prinz und Prinzessin Heinrich, Fürst zu Salm-Horstmar, Oberst kämmerer Graf SolmS-Barntb, Fürst und Fürstin zuDobna- Schlobitten, Graf und Gräfin Bray-Steinburg. Nach mittag» unternahmen der Kaiser und die Kaiserin mit dem Kronprinzen und dem Prinzen und der Prinzessin Heinrich einen Spaziergang im Schloßgarten zu Charlottenburg. Nach der Abend tafel wohnten sie mit den Prinz Heinrichschen Herrschaften der Aufführung von „König Heinrich V." im königlichen Schauspielhause bei, zu welcher der Kaiser an den groß britannischen Botschafter und dessen Tochter, sowie an die Herren uud Damen der großbritanuischen Botschaft Ein- ladungen hatte ergehen lassen. Heute morgen fuhr der Kaiser beim Reichskanzler Grasen von Bülow vor und hörte von 10 Uhr ab rm königlichen Schlosse den Vortrag des Stellvertreter» des Chef- deS ZivilkaoinettS von Valentini. — Gegen die Mitteilung deS Wölfischen Telegr.-BureauS zum Falle Peters erläßt der darin genannte Herr von Lohberg folgende Erklärung: 1) ES ist unwahr, daß ich den Geheimrat Hellwig um vertrauliche Mitteilungen ersucht haben soll, die e» einzelnen Mit- gliedern der fretkouservallven Partei ermöglichen sollten, auf eine erneute Behandlung deS Falle» Peter» im Reichstag zu verzichten. Geheimrat Hellwig hat vielmehr mich direkt zu veranlassen gesucht, diese H»rren möglichst zu bestimmen, die beabsichtigt» Interpellation im Reichstage zu unterlassen oder wenigsten» vorher sich mit dem Kolouialamt tu Verbindung zu setzen. 2) Ich bin dem Geheimrat Hellwig von zwei früheren Inter view» al- Mitarbeiter der „Täglichen Rundschau", in deren Auf trage ich kürzlich eine Reise nach dem deutsch-südwestofrlkanischeii Schutzgebiet gemacht habe, bekannt und auch gelegentlich schriftlich von Beamten seines Ressort» um Aufnahmen in die „Tägliche Rundschau" ersucht worden. — Professor Lehmann-Hohenberg in Kiel hat dem TiSzi- plinarhof dir Berufung an da» Staat-mlnisterium rechtzeitig am 5. Februar zugestellt. — In einer Versammlung der Freisinnigen BolkSparlei zu Tilsit wurde anstatt de» «ine Wiederwahl ablehnenden Abgeordneten Blästck« der frühere Gutsbesitzer uud jetzige Stadtrat Dulp- Königsberg riusttwmtg al» ReichStagSkandidat für den Wahlkieis Tilsit-Niederuug ausgestellt. * Danzig, 8. Februar. Der von der Stadiverordneien- versammlung zur Prüfung der Bewerbungen um die Obcr- bürgermeisterstelle eingesrtzle Ausschuß von 32 Bewerbern hat den Stadtrat und Kämmerer Ebler», den Bürger meister Tramp« und den Justizrat Syring, sämtlich in Danzig, auf die enger« Wahl gestellt. (-) Marienhafe (Regbz. Aurich), 9. Februar. (Tele gramm.) Amtliche Meldung: Be« der Laudtag«erfatz- wahl im hiesiarn Wahlbezirke wurden insgesamt 224 Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf Gut-brfitzrr Millrath (srrikouk.) 12l und auf Gutsbesitzer v. Hülst (uatl.) 103 Stimmen. * Gnese», 8. Februar. Der Vater der Schülerin vroniSlawa Smtdowtcz au» Wreschen, welche den deutschenKatecht-musmitder Schürz« an faß te und Ihres verstockten Benehmens wegen die Schule über bas 14. Lebensjahr hinaus besuchen sollte, hat das Mädchen der verlängerten Schulpflicht durch Unter- bringung in einem Orte Galizien» entzogen. Mit einer Schulstrafe belegt, beantragte «midiuvie, gerichtliche Entscheidung. Er wurde in erster Instanz fretgrsprochen. Dieses Urteil wurde von der Strafkammer zu Gnsfsn
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite