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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030210025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903021002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903021002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-10
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Tabellarischer and gissernsay entsprechend höher — Gebühren sür Nachweisungen und Offertrnannahme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilagen gesalzt), »ur mit der Morgen-Ausgabe, ^hne tostbe'orderung 4t 30.—, ntt Lostb^iördernng /L 70.—. Annahme>ch!uk mr Xizeigen: Abeav-Au-gabe: vormittag- lO Uhr. Mvrgeu-ÄuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Dienötag den 10. Februar 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, lO. Februar. Ans dem Reichstage. Ob die am Sonnäbend im Reichstage begonnene und gestern fortgesetzte allgemeine sozialpolitische Debatte irgend eine greifbare Folge haben wird? Jedenfalls wird der Erfolg in keinem Verhältnisse zu der Länge der Reden stehen, die am Sonnabend und gestern gehalten worden sind und noch in Aussicht stehen. Besonders dürfte dies von der alten Mittelstandsrede gelten, die der Abg. vr. Oertel gestern wiederholte, um sich hinterher in der Versammlung im Zirkus Busch mit der Bemerkung ein führen zu können, daß er soeben im Reichstage mit dem Grafen Posadowsky eine gründliche Auseinander setzung gehabt habe. Im vergangenen Jahre hatte er es ebenso gemacht. Und was ihm der Staatssekretär des Innern entgegnete, klang nicht so, als ob er bereit wäre, sich das Rezept zur Förderung des Mittelstandes gerade von Herrn vr. Oertel schreiben zu lassen, der z. B. in der Frage des allgemeinen Befähigungsnachweises selbst von seinem Parteigenossen Jakobskoctter desavouiert wird. Und zum Ueberflusse erklären heute die „Berl. Pol. Nachr.", jedenfalls auf Grund genauer In formationen: In jedem Jahre gelangen an die gesetzgebenden Faktoren des Reiches Eingaben, die auf Aendcrungen von Gewerbe- ordnungsbestimmungen hindrängen. In diesem Jahre sind sic besonders reichlich. Die Arbeitcrschutzbestimmungcn, die Vorschriften über die ununterbrochene Ruhezeit der An gestellten, über den Neun-Uhr-Ladenschluß, über die Sonntags ruhe, über die Handwerksorganisarion, über den Hausier handel, kurz, über außerordentlich zahlreiche Teile der Ge werbeordnung sollen nach diesen Eingaben umgestaltct werden. Man wird gut tun, anzunchmen, daß die Regierung vor läufig nicht gewillt ist, an die Ausarbeitung einer No Völle zur Gewerbeordnung heranzutrcten. Nicht, daß von einer solchen Novelle der Umstand abhielte, daß die Gewerbeordnung im Laufe der Zeit eine recht beträchtliche Anzahl von Umgestaltungen schon erfahren hat. Es ist selbst verständlich, daß gerade die gewerbliche Gesetzgebung der Ent wickelung der praktischen Verhältnisse angepaßt werden und mit diesen im Einklang bleiben muß. Jedoch sind auf fast allen bei den Eingaben in Betracht kommenden Gebieten die jetzigen Bestimmungen erst so kurze Zeit in Anwendung, daß eine Acnde- rung noch nicht angebracht wäre. Tie Bestimmungen müssen sich erst einleben, ehe wirklich entschieden werden kann, ob sic zu beseitigende Fehler enthalten oder nicht. Es hat sich bei einer ganzen Anzahl von Anordnungen der Gewerbeordnung heraus gestellt, daß sie nach ihrem Jnslcbcutretcn scharf von den Inter essentenkreisen bekämpft wurden und daß ihre Beseitigung, min destens ihre völlige Umgestaltung verlangt wurde. Später ließ der Widerstand nach und schließlich lebten sich die Neuerungen so ein, daß an ihrem Bestehen jetzt nicht mehr der mindeste An stoß genommen wird. Es ist deshalb durchaus begreiflich, wenn die Regierung dem Peiilionsfturm auf die verschiedensten Teile der Gewerbeordnung Widerstand entgegensetzt und wenig stens vorläufig auf dem Standpunkt beharrt, an die Aus arbeitung einer GcwerbcordnuugSnovellc nicht hcranzugchcn. Feuilleton. si Dunkle Wege. Roman von I. v. Conring. 'üaLdruS viN olcu. Die großartigen Festlichkeiten, mit denen van Harpen sein schönes Haus einweihen wollte, wurden natürlich der tiefen Trauer wegen ausgcgeben. Deshalb zog er es vor, noch einige Wochen in Nizza zu bleiben, und es wurde Mai, bevor die jnngen Eheleute in die Heimat zurück kehrten. Äonstanze fühlte sich körperlich matt und geistig überaus niedergedrückt. Das Zusammenleben mit ihren.! (Hatten glich einer sich täglich erneuernden Prüfung. Sic wußte selbst nicht, ob ihr sein lautes, oft geradezu rohes Wesen oder seine übermäßige Zärtlichkeit mehr zuwider war. Die feinfühlende Kran litt unter seiner protzigen Art, die den Emporkömmling so sehr kennzeichnete, und cs gelang ihr nicht immer, solche Gedanken zu verbergen. Ihr Zurückschaudern bei seiner Annäherung beleidigte ihn zuerst, dann begann er sie zu verhöhnen und schließ lich wurde er ausfallend. Es kam schon in den ersten Monaten zu Auftritten, in denen er, ohne jede Rücksicht auf unberufene Zuhörer, seiner Meinung über Con stanzens „widerwärtige Zimperlichkeit und Albernheit" Ausdruck gab. Sie antwortete nie und ließ alles schweigen- über sich ergehen. Aber gerade das reizte ihn über jedes Maß. Die Frauen, mit denen er bisher ver kehrt hatte, erwiderten seine groben Reden mit derbem Scheltwort oder sie versuchten, durch Bitten und Tränen ihren Willen durchzusctzen. Damit wußte er sich abzu finden, das verstand er. Konstanzcns vornehmes Schweigen, ihr kaltes Abwendcn, wenn er sich laut nnd taktlos benahm, brachten ihn geradezu außer sich Er suchte in solchen Augenblicken nach dem Worte, von dem er wußte, daß es sic verletzen müsse, nnd cs erfüllte ihn mit höhnischer Schadenfreude, wenn sie, wie von einem Pfeil getroffen, bei seiner Roheit zusammenfnhr, ohne doch jemals etwas zu erwidern. Er sehnte sich bisweilen nach einem tüchtigen Zanke, bei dem sich beide Parteien in Grobheiten und be leidigenden Redensarten überbieten und dann -ur Ver söhnung ein« Flasche Sekt miteinander trinken würden. Da» war etwa» für van Harpen, da» begriff er und konnte, er vertragen. Di« groben, klaren Augen seiner Und was die zum Etat des Reichsamts des Innern aus dem Hause eingebrachtcn Anträge betrifft, so nmrdcn sie gestern zwar vom Grafen Posadowskn gestreift, aber keineswegs so, daß man erwarten dürste, sic würden den verbündeten Negierungen ohne wesentliche Aendcrungen annehmbar erscheinen oder Anlaß zur Ausarbettung neuer Vorlagen geben. Wozu auch ? Der jetzige Reichstag kommt doch nicht mehr dazu, zu solchen Vorlagen Stellung zu nehmen, am wenigsten dann, wenn er die zweite Etats beratung noch weiter so in die Länge zieht, wie bisher. Er wird in diesem Falle kaum aufarbeiten können, was ihm bereits vorltegt. Weise Beschränkung märe ihm und dem Reiche also dienlicher, als lange, mit einer Unzahl von Spezialwünschen gespickte sozialpolitische Reden. Die Generalversammlung des Bundes der Landwirte hat der Bundeslcitung ihr volles Vertrauen und ihre vollste Billigung ausgesprochen und damit das Siegel auf die feindliche Haltung gedrückt, die der Bund der Land wirte trotz des neuen schutzzöllnerischen Tarifs der Negie rung gegenüber in allen wirtschaftspolitischen Fragen ein nimmt. Die Bundesführer, Frhr. v. Wangenheim, Or. Rocsicke und Or. Hahn, haben es in ihren Aus sprachen zwar vermieden, durch gesuchte Grobheiten Bei fallsstürme zu entfesseln: abe»' der Sache nach sind sie dem Ministerium Bülow auf das Schärfste entgegen getreten. Das geht am deutlichsten aus dem Leitmotiv hervor, das sich, natürlich vcrabrcdctermaßen, durch die Reden jedes der drei Herren hindurchzog: aus dem Leitmotiv, daß die Negierung heute wieder auf dem Boden Eaprivischer An schauungen stehe. Diese Gleichstellung des Grafen Bülow mit dem zweiten Reichskanzler benützte Herr vr. Hahn zur Wiederholung seines im vorigen Jahre vom Stapel gelassenen Witzes, den gegenwärtigen Reichskanzler Ca privi zu nennen. Einen der Hauptgründe für eine solche Behandlung des Grafen Bülow machte vr. Rocsicke durch seine Klage darüber geltend, daß die Handelsverträge noch nicht gekündigt seien. Wenn die Regierung in dieser Hin sicht den bündlerischen Wünschen willfahrte, müßte sie auf dem Standpunkte stehen, daß in Deutschland allein die Landwirtsckmft existiere! Zu der Vorspiegelung einer Caprivischen Wirtschaftspolitik paßte es sehr wenig, wenn vr. Roesicke unter lebhaftem Bravo anerkannte, daß der Bund „sehr vieles" erlangt und erkämpft habe. Das alles aber wird in den Wind geschlagen, weil der Bund der Landwirte bei der kommenden Reichstagswahl mit allen Mitteln mehr Gesinnungsgenossen zu Mandaten ver helfen will, als es ihm bisher möglich war. Unter solchen Umständen sollte es als ausgeschlossen erscheinen, daß die Regierungen der einzelnen Bundesstaaten dem Bunde gegenüber auch fernerhin die schonende Rücksicht üben, die sie ihm im allgemeinen bisher haben zu teil werden lassen. Tie Drohung vr. Hahns, die Reichstagskandidaten sich auf ihre Abstimmungen hin scharf anznsehen, wird von den konservativen Anhängern des Antrags Kardorff nicht allzu tragisch genommen werden: denn der Bund muß sich hüten, Agrariern, wie Graf Kanitz und Gras Schwerin-Löwitz, als Verrätern der Landwirtschaft die Wahlfähigkcit abzu sprechen. In der Ansprache des Frhrn. v. Wangenbein! wird die Ankündigung, daß der Bund unter den katho lischen Landwirten eine gesteigerte Agitation entfalten werde, im Zentrum denselben Widerhall finden, wie ähn liche Auslassungen sie bisher gefunden haben, nämlich energische Zurückweisung. Frau, denen nichts entging, deren ruhigen Blick er fühlte, selbst wenn er ihm zu begegnen vermied, brachten ihn in Wut. Er ertappte sich ein paarmal dabei, daß ihn eine rasende Lust überkam, mir roher Faust in ihr weißes Gesicht zu schlagen, und wäre cs auch nur, um ihre fest geschlossenen Lippen zu einem Hilferufe sich öffnen zu sehen. In den ersten Tagen des September wurde Konstanze Mutter eines Knaben. Van Harpen schwamm in Selig keit. Er überschüttete Constanze mit kostbaren Geschenken und zeichnete bedentcndc Summen für wohltätige An stalten. Stundenlang saß er am Bett der Wöchnerin, die immer ungeduldig auf sein Fortgehen wartete. Auf den Fußspitzen schlich der riesige Mann einher, er dämpfte seine laute Stimme zu heiserem Flüstern und wagte kaum, mit sck^cuem Finger das rosige kleine Wunder in der spitzcnverhangencn Wiege zu berühren. In dieser Zeit hätte Konstanze alles von ihm erreichen können: der Frau, die ihm den heißcrschntcn Sohn ge schenkt hatte, war alles vergeben, selbst ihre Weigerung, ihn zu heiraten. Jede Fiber seines Herzens zitterte ihr entgegen. Aber sie war blind für die Wendung zum Bessern, oder sie wollte nicht sehen, wie weich und nach giebig er geworden war. Zu viel hatte sie hören müssen, — mehr als sic vielleicht einem geliebten Manne vergeben hätte, zu sehr hatte er sich in ihren Augen erniedrigt — sie verlangte nicht nach Herrschaft über ihn. Sie richtete ihre vornehme Zurückhaltung wieder wie eine Maner nm sich auf. Einige Male versuchte van Harpen, ein innigeres Verhältnis herzustellcn. Er gab sich wirklich Mühe und scheute kein Opfer, um die kühle Höflichkeit, die das ganze Wesen seiner Frau wie ein Panzer umgab, zu durch» brechen. Dann gab er die crsolglvscn Versuche auf und rächte sich auf seine Art. Zuerst zwang er Konstanze, indem er sich hipler den Arzt steckte, den Knaben zu ent wöhnen — er übergab ihn einer Amme. Es wurde ihr sehr schwer, zu gehorchen. Aber sie gab nach, weil sic ein sah, daß das Kind unter diesen Verhältnissen an ihrer Brust nicht gedeihen konnte. Jetzt war sie verwundbar, jetzt batte sie eine schwache Stelle, wo jeder Angriff blutige Spuren hinterlassen mußte — in ihrem Kinde konnte van Harpen sie bis ins Mark treffen. Sie liebte den Knaben mit der eifersüchtigen, hungrigen Zärtlichkeit derer, die ihr Leben lang umsonst nach Liebe gesucht haben. In dem Kinde erstand für sie ein neues Dasein, eine überirdische Wonne. Wenn sie bas rosig« Bübchen im Dchoß« hielt, sein« runden Glieder küßte und tief in die Die vatikanische Partei in Frankreich. Frankreich scheint mehr und mehr das Land werden zu sollen, in dem der uralte Kainpf zwischen Staat und Papst kirche zum endgültigen Austrag gebracht werden soll. Schon schwebt über der römischen Kirche das Schreck gespenst, das mit den Worten „Aufhebung des Konkor dats", „Trennung von Staat und Kirche" bezeichnet wird. In der Kammcrsitzung vom 26. Januar stellten die Sozia listen einen dahingehenden Antrag, den der Minister präsident Combes als zur Zeit unannehmbar bezeichnete. Hierauf wurde das Kultusbudget mit 328 gegen 201 Stimmen angenommen. Damit ist entschieden, daß das Konkordat vorläufig weiterläuft. Unseres Erachtens hat Combes hierin außerordentlich klug gehandelt. Völlige Trennung von Kirche und Staat, ehe Roms Macht über die Gewissen gebrochen ist, führt zur Entstehung eines äußerst gefährlichen „Staates im Staate" und zum Weg fall des letzten Einflusses, den der Staat auf kirchlich? Tinge ausüben kann. Die Bemühungen der französischen Radikalen, die mit Combes unzufrieden sind und auf seinen Sturz ansgeherf, scheinen nns daher gründlich vcr- fehlt. Besser als im radikalen Lager Frankreichs kennt man Combes im Vatikan, wo man in ernsten Konflikt mit Frankreich geraten ist, hauptsächlich über die Ernennung von vier Bischöfen. Unterdes haben die Kongregationen den „passiven Widerstand" gegen das Klostcrgesetz be schlossen. Sic erklären, keine Prozesse zu führen, sondern nur der militärischen Gewalt zu weichen. Gegen Geist liche, die zum Widerstand gegen das Gesetz aufreizen, ver hängt die Negierung fest und unnachsichtlich die Gehalts sperre. Weitere Schwierigkeiten erwachsen daneben der vatikanischen Partei durch eine Art von Reform katholiken, die jedoch richtiger als Schüler deutsch protestantischer Theologie bezeichnet werden. Abbo Marcel Höbert, ehemaliger Professor an der Ekole Fönelon in Parts, wurde a saorw suspendiert wegen eines philosophischen Aussatzes in der „Revue de Möta- phnsigne". Das Werk des A b b o H o u t i n „Die biblische Frage" wurde auf den Index gesetzt. Ein Werk des Abbö Loisy, „Das Evangelium und die Kirche", wurde vom Kardinal-Erzbischof von Paris verboten, sein Verfasser zur Rechtfertigung nach Rom berufen. Man wird in Nom mit diesen Männern vorsichtiger umgehen müssen, als mit den deutschen Reformkatholikcn. Der Herzog von Tetuan. Carlos O'Donncll, der in Madrid verstorbene Herzog von Tetuan, war 1834 in Valencia geboren, wurde Offizier und diente zuerst auf den Philippinen. Später hatte er in Spanien mehrere Adjutantenstellungen inne und war Mitglied der Militärkommission, die 1859 den italie nischen Krieg studierte. Als der Krieg gegen Marokko ausbrach, machte er im Stabe seines berühmten Oheims die Hauptgcfechte mit und zeichnete sich beim Sturm auf den Cabo Negro-Paß aus, wofür ihm der San Fernando- Orden verliehen wurde. Auch der Einnahme von Tetuan wohnte er bei, und bei Sacuso wurde er durch eine Kugel am Kopf schwer verwundet und auf dem Schlachtfeld zum Oberstleutnant befördert. Nach dem Kriege war er wieder eine Zeit lang Adjutant seines Oheims, dessen Titel und Grandenrang er 1868 erbte. Er beteiligte sich an der Septemberrevolution, die zum Sturz Isabellas führte, nahm dann den Abschied, behielt aber den Generalsrang. Unter Amadeo war er Oberhofmarschall und tat sein mögliches, um dessen Dhron zu befestigen. unschuldigen, holden Kindcraugen sah, dann ging eS wie ein Strom von Seligkeit durch ihr Herz. Ban Harpen wurde gegen das Kind schnell gleich gültig. Der Kultus, den seine Frau mit ihm trieb, er weckte seinen eifersüchtigen Zorn. Es paßte ihm nicht, in zweiter Reihe zu stehen. Keinen! lebenden Wesen gönnte er den ersten Platz in ihrem Herzen, und wenn dies Wesen auch sein eigenes Kind war. Nun sah er, wie die kalte, stolze Krau lieben konnte, wie ihre Augen glänzten, ihre Wangen sich röteten, wenn sic, sich unbelauscht glaubend, das Kind mit Küssen be deckte. In jener süßen, stammelnden Sprache redete sic, in den Naturlauten, die seit Anbeginn der Welt jede Mutter dem kleinen, hülfloscn Geschöpf, das ihr sein Da sein verdankt, zugeflüstcrt hat. Und das Kind gedieh in dieser Atmosphäre von Wärme und Licht, gehütet und ge tragen von reichster Zärtlichkeit. Seine Glieder streckten und rundeten sich, seine Augen begannen die Mutter zu suchen, mit kräftigen Händchen griff er nach ihr. So belauschte van Harpen die beiden, als er am Tage vor Weihnachten leise das Kindcrzimmcr betrat. Am Kaminfcucr, das mit warmem Lichte den großen Raum friedlich erhellte, auf einem niedrigen Sessel saß Kon stanze. Der rote, unruhig flackernde Schein fiel auf ihr Gesicht — so rosig, so jung und glücklich sah cs aus, ivtc van Harpen cs noch nie erblickt hatte. In den erhobenen Armen hielt sic das zappelnde, nur mit einem Hemdchen bekleidete Bübchen empor, das lnstig krähend mit den runden Händchen in das lose Blondhaar der Mutter griff. Der Vater betrachtete stumm die liebliche Gruppe, dann, als würbe ihm das Herz dabei warm, trat er näher und umfing, sich nicdcrbcugcnd, Mutter nnd Kind. Der Kleine, vielleicht etwas erschreckt, fing jämmerlich an zu schreien. Aus Konstanzcns Gesicht erlosch auf ein mal der warme Glanz, der es eben beseelt hatte. Sie stand auf und legte den Knaben in sein Bcttchen. „Wünschest du etwas von mir, Geert?" fragte sic und die unsichtbare Schranke stand wieder zwischen ihnen. Er ging schweigend hinaus. Diese Stunde vergaß er ihr nie. Zum Weihnachtsfestc hatte Konstanze ihre Mutter ein geladen. Frau von Lindow lehnte unter dem Vorwande einer Erkältung ab. Nur der Kompagnon Perrien war am heiligen Abend da und half Konstanz« bvim Ausbau der Geschenke. Im großen Etzsaal stand die Tafel, unter der mächtigen, fast bi» zur Decke reichenden, lichter funkelnden Edeltanne. Dan Harpen hatte Konstanze ein« Nach der Thronbesteigung Alfons' XII. vertrat er Spanien in Brüssel, Wien und Lissabon, bis ihm Mar tinez Campos in seinem Kabinett das Ministerium des Acußern anbot. Früher schon mehrfach zum Abgeord neten gewählt, vertrat er seit 1876 Castellon im Senat, wo er sich den Fusionisten unter Sagasta anschloß, der ihn zum lebenslänglichen Senator machte. Bald danach weigerte er sich, Sagastas Führerschaft weiter anzuer- kennen, und ging zu Cänovas über, der ihn wieder zum Minister machte. Doch war die konservative Herrlichkeit nur von kurzer Tauer. Als Oppositionsmann leitete er im Senat den Widerstand gegen d e n H a n d e l s» vertrag mit dem Deutschen Reich und hielt tagelang Reden, um die Abstimmung hinzuzichcn: die ganze unkluge Bewegung hatte nur den Zweck, die Kon servativen wieder ans Ruder zu bringen, was auch ge lang und ihm wieder das Ministerium des Acußern ein brachte. Als solcher erteilte er im Senat einem Mitglied eine Ohrfeige, woraus sich die gesamte Opposition aus beiden Kammern zurückzog. Während des kubanischen Aufstandes bestand seine Politik darin, den drohenden Krieg mit den Vereinigten Lraaien durch gelegculuches Nachgeben hintanzuhaltcn, in der Hoffnung, daß der Auf stand noch gedämpft werden könne. Tann führte er als Oppositionsführer 1899 durch eine Abstimmung im Senat wieder den Sturz Sagastas 'herbei, worauf er eine be sondere Gruppe um sich bildete, die von den Konser vativen abfiel und in den letzten Jahren mit Sagasta ging. Eben wartete man auf seine Stellungnahme zu der Neubildung der liberalen Partei nach Sagastas Tode, als auch er abberuicn wurde. Er war ein Meister der kleinen politischen Zetteleicn. 1899 war er erster Bevoll mächtigter Spaniens ans der Haager Friedenskonferenz. Im übrigen nahm er in Madrid gesellschaftlich eine an gesehene und finanziell eine unabhängige Stellung ein; doch war er wegen seiner Quertreibereien mehr gefürchtet als beliebt. Chamberlain in Bloemfontein Ucber den in Bloemfontein stattgcsundenen Streitfall zwischen dem englischen Koloniaiministcr Chamberlain und der Abordnung der radikalen Boerenpartci liegen jetzt nähere Mitteilungen vor. Danach war vorher von dem englandfrcundlichen Boerenführer v. d. Wath nach Bloemfontein eine Versammlung von Vertretern aller Be zirke des vormaligen Freistaates einberufen worden, um in derselben die Mitglieder der an Chamberlain zu ent sendenden Abordnung zu erwählen und den Wortlaut der zu überreichenden Adresse fcstznstcllen. In der Versamm lung ging es jedoch sehr stürmisch her. Die Führung der Radikalen hatte der vormalige Feldkommandant Grobler, welcher die freie Wahl von Abgeordneten ans jedem Bezirke forderte und sich heftig dagegen anssprach, daß die jetzige Versammlung die Mitglieder der Abordnung ernenne. Ganz besonders wurde die Ernennung des englandfreundlichcn I. G Fraser als Vertreter von Bloemfontein bekämpft. Bothma ans Heilbronn schlug vor, man möge zwei Abordnungen erwählen, im Heil bronner Bezirk gäbe cs zwei scharf getrennte Parteien, die miteinander keine Gemeinsamkeit hätten. Die An hänger der einen Partei trügen einen grünen Knops am Hute, und wer einen solchen Knops nicht trage, werde von den Boercn, die bis zuletzt ausgehaltcn, nicht gegrüßt. Schließlich wurde dieser Vorschlag auch angenommen, und die Bildung zweier Abordnungen gntgeheißen. Natürlich große Summe zur Verfügung gestellt — auch für ihre Armen, doch durfte sic die Leute nur in deren Woh nungen beschenken. „In meinem Hause dulde ich das Volk nicht", hatte er gesagt. „Gib ihnen, so viel du willst, aber laß mich nichts davon selten." Konstanze fügte sich schweigend. Ihre eigenen, sehr reichen Geschenke nahm sie mit kühlem Tanke entgegen. Als die Bescherung begann, traten ihr heimlich die Tränen ins Auge. Seit ihrer Heirat der erste deutsche Lichterbaum! Im vorigen Jahre an der Hoteltascl in Nizza war es ja nicht wie Weihnachten gewesen. Dies mal aber riß die Erinnerung schmerzhaft an ihrem Herzen. Vor zwei Jahren, da waren sic alle noch dah.im beisammen gewesen! Der Vater, die Brüder — und noch ein innig begrüßter Gast: — die selige Hoffnung! Tic Wcihnachtslichtcr hatten Hellen Schein aus den Korb duftender Veilchen geworfen, der anonmn gekommen war. Konstanze wußte wohl, von wem — und sic hatte das Antlitz tief herabgcbcugt und seinen kleinen Boten zugeflüstcrt: „Glückselige Weihnachten, Klemens!" Sie wehrte die qualvollen Erinnerungen mit Gewalt von sich ab und nahm das Kind auf den Arm. Babu riß die großen Blauaugen weit auf. Er saß ganz still und ernst da und der Glanz der Wcihnachtslichtcr fiel hell auf sein rundes Gesichtchen. Nachdenklich schob er die silberne Klapper, die ihm Perrien geschenkt hatte, ins zahnlose Mündchen. Seine Augen «»änderten unablässig von, einem Lichte zum anderen. Auch L-'. Weihnachtsabend schloß nicht ohne Mißklang. Die Bescherung war vorüber, Babu ins Bett geschickt und das Ehepaar saß mit seinem Gaste am Thcetisch in Kon stanzens Wohnzimmer. Van Harpen hatte den Bedienten nach Hanse geschickt und ließ von seinem Jäger Herum reichen. Der Mensch, der sich, wenn sein Herr bei guter Lanne war, einfach alles hcrausnehmen konnte, nrischtc sich mehrfach ins Gespräch. Als er auf kurze Zeit das Zimmer verließ, ries Konstanze ärgerlich: „Ich bitte dich, Geert, gewöhne doch Karl das Mit reden bei Tisch ab. Es ist ebenso unpassend wie un angenehm." Van Harpen wurde sofort übellaunig: „Wir sind doch hier nicht bei Hofe", murrte er, „deine Zimperlichkeit wird immer ärger." Als er aber sah, daß Perrien einen roten Kopf bekam und sich zu einer heftigen Antwort anschickte, lenkte er ein: „Nun gut, ich werde es Karl sagen!" Etwa» später, al» Konstanze und Perrien im Eßfaale
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