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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030211027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903021102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903021102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-11
- Monat1903-02
- Jahr1903
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Neklo m eu unter dem Redaktion-strich («gespalten) 7K vor den Familteunach- richten (6 gespalten) KO H Tabellarischer und Zisfernsatz entzprechrnt höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme L5 L, (excl. Porto). Extra - Verlagen gesalzt), rur mit der Morgeu-Ausgabe, ohne Postbewrderung ZO.—, ntt poitbesörderimg oL 70.—. Annahmeschluß mr Anzeigen: Abead-ÄuSgabe: SormtttagS 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 11. Februar 1903. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. Februar. Die Beihülfe» sür die Zuvaliden. Der Reichstag hatte sich gestern wieder einmal mit dem seit langen Jahren ständigen Thema der besseren Versorgung der Kriegsinvaliden, bezw. hülfobedürftigen Kriegsteilnehmer zu befassen. Die Unterlassungen, deren das Reich auf diesem Gebiete sich schuldig gemacht l>at, be deuten kein Ruhmesblatt in der deutschen Geschichte. Zwar ist in den letzten Jahren manches geschehen,' aber immer »och gkbt es erwerbsunfähige oder im Erwerb schwer be einträchtigte Kriegsteilnehmer, denen das Deutsche Reich nichts zu des Lebens Notdurft auf ihre alten Tage ge währt, obwohl hier Ser Reichstag gegen seine Gewohn heit einmütig schon längst freigebiger sein wollte, als die Regierung. Bezeichnend für die Stimmung im Hanse ist die gestrige Bemerkung des Abg. 0r. Arendt, der mit dem Abg. Grafen Oriola sich um die Jnvalidensürforge besonders verdient gemacht hat: daß bis heute die deutsche Nation für unsere Krieger noch nicht einen Pfennig aus gegeben Hache und bis jetzt alles aus der französischen Kriegsentschädigung gedeckt sei. Das ist nun allerdings nicht ganz richtig, wie derAbg. vr.P aasche feststcllte, aber cs entfernt sich auch nicht allzuweit von der Wahrheit. Denn was bedeutet es, daß aus laufenden Mitteln neun Millionen Mark bereit gestellt sind, zu deneu noch drei Millionen im kaiserlichen Dispositionsfonds für nicht an erkannte Invaliden kommen ? Mit dem Hinweise des Reichsschatzsekretärs auf diese Leistungen war denn auch das Haus keineswegs zufrieden. Aber cs mußte sich schließlich doch mit ihr begnügen, denn cs lag kein An trag, sondern nur eine Interpellation vor, auf die nichts als eine,mehr oder weniger ausweichende Antwort zu er warten war. Und so wird cs bleiben, bis die brennende Frage der Re ichs fin a n z r c f vrm ans der Basis neuer und ausreichender Einnahmen gelost sein wird. Da bei wird cs aüerdingsseinBewenden nicht haben können, da wie gestern der Reichsschatzsekretär feststcllte, die betreffs des früher vom Reichstage gestellten Verlangens, den Veteranen nicht erst bei völliger Erwerbslosigkeit, son dern schon beim Linken ihres Erwerbs auf ein Drittel des Tagelohns die ihnen garantierten 120 zu zahlen, an die einzelstaatlichen Regierungen gerichtete Anfrage säst einstimmig dahin beantwortet ist, daß eine Feststellung aller alsdann in Betracht kommenden Veteranen unmög lich sei. Sind aber erst einmal die nötigen Mittel vor handen, so wird sich auch ein Weg zur Ermittelung des Bedürfnisses finden. Der Kaiser als Hauptaktionär der „Times". In der New Aorkcr „Lun" wird ganz ernsthaft das Ge rücht erörtert, daß Kaiser Wilhelm sich bemühe, die Mehr zahl der Aktien der Londoner „Times" zu erwerbe», um so die Haltung dieses Organs der öffentlichen Meinung Eng lands kontrollieren zu könnet«. Das "Blatt gibt zwar zu, daß die Meldung vielleicht unwahr sein könne, aber aus der nachfolgenden Besprechung geht doch hervor, daß mau trotzdem davon überzeugt ist, der Kaiser lasse unter der Hand „Times"-Aktien auskauscn. Man hat eben vor Kaiser Wilhelm einen derartigen Respekt, daß man ihm, wie die Deutschamerikaner sagen, „einiges" zutraut, und man fühlt sich unbehaglich bei dem Gedanken, daß der deutsche Kaiser das bisher in der Hetze gegen Deutschland so zuverlässige Organ in die Hand bekommen könnte. Die „Lun" hält es deshalb sür nötig, den Kaiser daraus aufmerksam zu machen, daß europäische Monarchen auch schon vorher ver sucht Hütten, auf solche Weise die öffentliche Meinung in England zu beeinflussen, daß aber Zeitungen, die von aus- wärtigen Lvuverünen auf solche Weise kontrolliert wur den, sehr bald ihre Leser eingebüßt hätten und schließlich eingcgaugen wären. Lv hätte sich Napoleon III. den Ein fluß auf den früheren Londoner „Herald" gesichert, aber das Blatt hätte sich, nachdem dies bekannt geworden, nicht mehr lange halten können. Dann wird der Fall der „Lt. James Gazette" angesührt, welche ein Herr Lteinkvpf im Auftrage des Fürsten Bismarck angekaust hätte. Durch die Weigerung des Redakteurs des Blattes, namens Grecnwood, die Instruktionen des deutschen Auswärtigen Amtes zu befolgen, und dessen daraus folgende Entlassung wäre die Angelegenheit vor die Gerichte gekommen und Bismarcks Plan vereitelt worden. Lv die „Lun", die sich wegen ihrer Lorgen vom „Hann. Kur." folgendermaßen verspotten lassen muß: „Tic „Lun" ist natürlich der Meinung, daß, wie heute die Tinge liegen, nur der K a i s c r scl b st einen so kühnen Plan fassen kann, die „Times" anznkanfen, und sie auch möglichst s c l b st von Berlin ans zu redigieren, etwa unter Assistenz des Herrn Geheimen Rakes vr. H a m m a n n. Taß der Redakteur der „Times", ähnlich wie Mr. Grecnwood, den Plan vereiteln könnte, scheint die „Lun" nicht anzunchmcn. Wenn Herr O p p c rt v. Blowitz noch lebte, würde er dem Plan allerdings wohl energische Opposition gemacht Haven, aber man scheint eben dessen Tod abgcwartet zu haben, ehe man an die Berwirklichung des Planes ging. Es bleiben aber doch noch Schwierigkeiten genug zu überwinden. Lo ist es eine schwierige Frage, wie der von TkaatSsckretär v. R i ch t h o f c n vor einiger Zeit auf einer Soiree des Grafen Posadowskh so hart abgetänzclte Berliner „Times"-Korrespondent sich zu der Lache stellen wird. Vielleicht ließe er sich aber dadurch, daß er dann doch hoffähig wird, und durch die Vertcihung eines Titels, etwa als Geheimer K o r r c s p o n d c n z r a t, gewinnen. Wir können übrigens der „Lun" verraten, daß Kaiser Wilhelm nicht nur versucht, die Kontrolle über die Lon doner „Times" zu erwerben, sondern das; auch mit FameS Gordon Bennct wegen Ankaufes des „New )') o r I Herald", mit Henri Rochefort wegen Erwerbes des „L'F n- transigean t" und mit den Erben des Herrn Ligl in Mün chen wegen Ankaufes des „Vaterland" verhandelt'wird." Das Gerücht hat übrigens nicht nur eine komische Seite; denn es wird die „Times" veranlassen, künftig in der Hetze gegen Deutschland noch Stärkeres als bisher zu leisten, um jeden Verdacht einer Beeinflussung von deut scher Leite im Keime zu ersticken. Und vielleicht ist das der Zweck des Gerüchts gewesen. Jaurcs Drcyfus-Enthüllungcn. Der Vizepräsident der französischen D c p u t i e r t c n k a m m c r Jaurös hat vor einigen Tagen angckündigt, daß er bei der Prüfung der Wahl des Nationalisten Shveton n c u e E nthüll n n g e n über die D r e y f u s - As f ä r c machen werde. Unter der Ucbcrschrist „Die gefälschten Kaiscrbricsc in R c n n e s " veröffentlicht nun die „Neue Freie Presse" Feuilleton. 9, Dunkle Wege. Roman von I. v. Eon ring. Aawkruck kkrbolcu. Konstanzc ging langsam in das große, dämmerige Eß zimmer, von dem die grünen Jalousien jeden Sonnen strahl absperrtcn. Van Harpen saß schon aus seinem Platze am oberen Ende des Tisches und trommelte »»geduldig einen Marsch auf der gedeckten Platte: . „Ob Ihr wohl einmal zur rechten Zeit da sein könnt ?" murmelte er verdrießlich. Lein Gesicht war mit fleckiger Röte bedeckt, die Züge hatten üch vergröbert; auch die schwere, schon immer etwas plumpe Gestalt war in die Breite gegangen. Er l-eftcte den finsteren Blick aus seinen Lohn, der langsam, fast scheu hcrcintam — ein ganz anderes Kind, als das, das noch eben glückselig gelacht und geplaudert hatte. „Na. Kurt, wieder 'mal nachgcsessen?" „Nein, Pava. Die Schule war heute etwas später aus, wir haben Ferien bekommen." „Und da bildest du dir wohl ein, daß du fünf Wochen faulenzen kannst? Nein, mein Zunge, daraus wird nichts. Nette Lachen habe ich wieder von dir hören müssen." Er wandte sich an Konstanze, die ihn ängstlich ansah. „Der Ordinarius schreibt mir, daß Kurt nicht mit kommen kann — nicht mal in der Sexta, wo er nun schon zwei Jahre fcstsitzt, wie geklebt. Es ist ein Skandal! Der Doktor schreibt, der Junge müsse Nachhülfesinnden haben und die ganzen Ferien hindurch angestrengt arbeiten — sonst könne er nicht in der Klasse bleiben. Was sagst du dazu, Konstanze'? Damit fällt nun auch Euve Badereise ins Wasser." Konstanzc war sehr blaß geworden: „Aber, Geert, ich bitte dich, du weißt doch, was der Arzt gesagt hat. Daß Kurt nicht faul ist, nur unbegabt —" „Ach ja, bitte, laß ihn das noch hören." Van Harpen schlug wuchtig auf den Tisch, daß der Knabe nervös zu- iammenfuhr. „Faul ist er, eine Traumsuse. die alles im Kopse hat, nur nicht das, was zu seiner Pflicht gehört. Gedichte lesen, Theater spielen, reiten, spazieren gehen, mit dir tm Monbenscheln herumlausen und die Sterne an. gaffen, das ist so etwas für ihn. Und du, anstatt den faulen Schlingel hcranzukriegcn, du bist gerade die " „Kurt, geh' hinaus! Dn kannst dein Butterbrot im (Karten essen." „Was soll das nun wieder bedeuten, Konstanzc?" rief van Harpen grob, während der Knabe gesenkten Hauptes hinansichlich. „Wie kommst du dazu, Kurt vom Tisch zu schicken?" „Ich will nicht, daß er hört, wie du mich wieder ein mal für alles, was ihn angcht, verantwortlich machst." „Ach so! Na, meinetwegen! Ich kann dir nur sagen, daß ich dein Gehabe und Getue mit dem schlappen Bengel bis über beide Obren dick habe! Nnn kann ich wieder für die teuren Privatstnnden das Geld znm Fenster hinausivcrfcn und habe leinen Dani davon. Unser Haus halt kostet mich schon so wie so die Haare vom Kopf." „Wir geben doch jetzt nicht mehr ans, als früher?" „Nein, das ist es eben, wir haben immer zu viel gc- braucht." „Ja, tHeert, dann laß nns doch cinsachcr leben. Schaffe die Egnipage ab, entlasse die Dienerschaft - mir soll es gewiß recht sein. Du weißt ja, daß mein Herz nicht am Luxus hängt." Er goß den schweren Portwein Glas nm Glas herunter. Die Adern auf seiner Stirn schwollen an, das Weiße der Augen färbte sich rötlich: „Das ist leicht gesagt", murrte er dnmps. „Was du da vvrschlägst, würde meinem Kredit schaden und darauf darf ich cs nicht antommen lassen. Was verstehst du auch davon, was kümmert es dich, ob ich Sorgen habe? ES ist ja ganz überflüssig, daß ich dir so etwas sage. Wenn dein Prinz nur nichts entbehrt, dann ist dir alles recht." Konstanzc sab besorgt zu ihm hinüber: „Dn erschreckst mich, Geert. Hast dn Verluste gehabt ? Ich bitte dich, sprich dich offen ans. Es ist doch mein Recht, deine Sorgen zu teilen." „Ach nee, sieh mal", er lachte bitter ans, „das fällt dir aber verflucht spät ein. Nach elfjähriger Ebe willst du mir tragen helfen ? Danke bestens. Ich helfe mir schon allein, und, wenn nicht, dann soll der Deibel die ganze Geschichte holen." Er griff nach der Klingel: „Karl, noch eine Flasche Portwein!" „Herr van Harpen haben schon genug getrunken", sagte der zum Kammerdiener ausgerüüte Jäger srech. „Die Flalche ist leer. Mehr Wein hole ich nicht heraus." „Dann las, cs bleiben! ES geht auch so!" Er erhob Mitteilungen über die von Jaurös geplante Aktion, die sicherlich großes Aufsehen erregen wird. „Tie Richter in dem Rcnncscr Prozesse", schreibt das Blatt, „werden in den nächsten Tagen vielfach genannt werden, man wird erörtern, inwieweit sie getäuscht wurden, oder ob einzelne von ihnen sich nicht haben gerne täuschen lassen. Es scheint auch unter diesen Richtern Reuige zu geben, welche cinschen, daß mit ihrer Vertrauensseligkeit ein frevles Spiel getrieben wurde, und die nun ihr Gewissen entlasten, indem sie die Wahrheit enthüllen und zeigen, daß sie durch Zu stellung der Kaiscrbricfe in Irrtum geführt wurden. Aber nicht allein mit der Einführung der ge fälschten Briefe des deutsche» Kaisers wurde die ungesetzliche Be einflussung der Richter verübt, den Richtern wurde auch die entstellte Zeugenaussage des Generals Mer cier mitgcteilt, ohne daß die Verteidigung Kenntnis davon hatte. So ist in der den Richtern zugestecktcn Broschüre der Widerspruch wcggelast'cn, welchen Eafimir-Pericr gegen die Er zählungen des Generals Mercier erhoben hatte, die über die Verhandlungen zwischen dem Botschafter Münster und dein Präsidenten der Republik Easimir-Pcricr skattgefunden hätten, und während deren wir vier Stunden lang in Ungewißheit waren, ob Krieg oder Frieden aus diesen Verhandlungen hcr- vorgchcn werde." Weiter heißt es dann: „Während des Kriegsgerichts-Prozesses in Rennes im Jahre 1899 wurden dieselben Verbrechen begangen wie während des ersten Prozesses im Jahre 1894 in Paris. Aber sic wurden anders, sic wurden nicht in derselben Form ausgcführt. Man har cs vermieden, die falschen Kaiscrbricfe den Richtern ins gesamt in das Bcratungszimmcr mitzugebcn, sondern man hat wiederholt jedem der Militärrichtcr während der Prozeßvcr, Handlung die falschen Kaiscrbricfe beziehungsweise die Photo graphien derselben individuell gezeigt, sie dieselben lesen lassen und die Tokumcntc kommentiert. Es ist bewiesen, daß die Militärrichtcr von Rennes, die Kapitäne Beauvais und Merle, auf diese hinterlistige Weise bearbeitet wurden und daß sic kraft dieser gefälschten BeweiSdokumenre ihr Schuldig aussprachen. TaS will Faurös auf der Tribüne der Kammer zeigen. Er will die Rolle eines jeden einzelnen der Mitarbeiter des Generals Mercier entwickeln. Tie Schuldigen zittern be reits vor der Brandmarkung, welche ihnen bcvorstehl. lind die unglücklichen Richter! Sic haben sich zum zweiten Male täuschen lassen. Tas Beispiel-von 1894 hat ihnen keine Lehre gegeben. Ter verantwortlichste von den Richtern des Jahres 1899 ist der Präsident Fonausl, von welchem man heute ivciß, daß er für die Freisprechung gestimmt har. Die zweite Stimme für den Freispruch des Treyfus gab Major- Breon ab, ein durch scincu religiösen Sinn bekannter Offizier, dessen Bruder Pfarrer an einer der größten Kirchen von Paris und sogar Kandidat für die Pfarre an der Madclcinckirchc war. Dieser Priester hat seinem Bruder, dem Offizier, geschrieben, sich bei dem Urteile nur von seinem Gewissen allein und von keiner anderen Rücksicht leiten zu lassen. TaS hat der fromme Offizier getan. Er bcrcuk es in diesem Augenblicke gewiß nicht und ist dem seither verstorbenen Bruder für den guten Rat noch heute dankbar und heute vielleicht mehr denn je, da das ganze verbrecherische Gcivcbc dem Zusammenbruche nahe ist. Ter Major Breon ist nicht getäuscht worden, er hat keine Ge wissensbisse, und sicher ist er es nicht, welcher eine Beruhigung seines Gewissens sucht durch Aufdeckung des niedrigen Be truges, dessen Opfer die Militärrichter von Rennes wurden." Ten Enthüllungen des Vizepräsidenten Jaurös darf um so mehr mit Interesse enkgegengesehen werden, als General Mercier einem Berichterstatter des „Temps" gegenüber nur bestritten haben soll, den Mitgliedern des Kriegsgerichts von Rennes heimlich Schriftstücke über mittelt zu haben. Die Lage in Marokko. Aus Melilla sind in Madrid folgende Meldungen ein getroffen: Der Thronbewerber, der sich jetzt nur noch El Rogui nennt, hat mehrere seiner Vertrauten mit großen Briefen an die Scheits der Rifkabylen entsandt, in welchem er erklärt, daß alle Meldungen über seine Niederlage und seine Gefangenschaft unwahr seien. Die Truppen des Sultans hätten mit zehnfacher Uebermackt eine kleine Truppe der Hiauja-Stämme überfallen, nach dem deren Führer durch Geld bestochen waren. Er, Rogui, sei noch im vollen Besitze der Stadt Tesa, wo er 10 000 Be waffnete auf seiner Seite habe. Der Sultan wage nicht, ihn dort angreifen zu lassen. AnsFez habe er vieleSchreiben erhalten, in denen er aufgcfvrdcrt werde, unverzüglich vorzurücken, da die gesamte Bevölkerung der Hauptstadt darauf warte, das Joch des jetzigen Sultans abzuschütteln und den Bruder desselben, den Prinzen MickenMohammcd el Tuertv zum Herrscher auszurnsen. Alle früheren Mel dungen über eine Aussöhnung des Sultans mit seinem älteren Bruder seien unwahr. Prinz Tuerto werde noch immer in dem Hanse des früheren Grotzveziers, Ben Hana, gefangen gehalten, und der Sultan würde ihn längst haben töten lassen, wenn er nicht die Rache der An hänger des Gefangenen fürchtete. Fetzt aber gelte es, den entscheidenden Schritt gegen den Sultan zu tun, in Fez cinzurücken nnd den gefangenen Prinzen als Herrscher ausznrufen. Rogui bestreitet deshalb, daß er selbst danach strebe, Sultan zu werden. Das sei eine Verleumdung, welche Abdul Aziz ausslrcucu lasse. Er fordere nnn, daß die Rifstämmc eine Gesamttnacht von 10 000 Mann ins Feld stellen, welche mit ihm den Zug gegen Fez unter nehmen. — Diese Aufforderung des „Propheten" soll be sonders von den Guelana-Stämmen mit großer Begeiste rung ausgenommen sein; nur der Frajana-Stamm habe sich gegen ihn erklärt. Der von Melilla landeinwärts vor gerückte Oheim Mulen Arafa hatte selbst nur ciu Gefolge von 18 Berittenen an Bord des Dampfers „El Turquö" mitgebracht. Der französische Dampfer „Tell" sollte von Tanger aus noch 10M Mann Fußtruppen nach der Rif küste befördern. Es waren jedoch kaum 000 Mann leidlich ausgerüsteter Truppen vorhanden, so daß der Transport ein sehr mangelhafter blieb. Deutsches Reich. * Berlin, 10. Februar. Die 81. Generalver sammlung der Vereinigung der Stcucr- u n d W i rts ch af t s re s o rm c r wurde heute im Archi- tcttcnhausc durch den ersten Vorsitzenden, Frciherrn von Manteuffcl-Erosscn, eröffnet. Er führte aus: „Der Z v 1 l- tarif ist angenommen, und über das Vergangene zu sprechen und Rekriminationen anznstellen, halte ich nickt sür angezeigt. Aber eines mochte ich hier hcrvorhebcn: Lassen wir jetzt alle persönlichen Anfeindungen nnd Ber ¬ ück schwerfällig und verließ das Zimmer. Kopfschüttelnd hielt Karl die große, geleerte Karaffe ans Licht: „Morgen geb' ich dem Herrn nur die Hälfte; was meint gnädige Frau ?" Als er keine Antwort bekam, pfiff er höhnisch durch die Zähne: „Da geht sic hin! Wieder mal ein Krach gewesen! Wahrscheinlich um den Jungen, wie gewöhnlich." Konstanzc saß in ihrem Zimmer und saun. Ihre Ge danken umgaben sic trotz des Hellen Mittags wie un heimliche, graue Gespenster. Das ganze Elend ihrer Ehe durchbebte sie wieder einmal, nnd cs schnürte ihr das Herz zusammen, ivic eine eiserne Klammer. Was für ein Da sein für sie und, tausendmal schlimmer, für das Kind! Bisher hatte sie Kurt wenigstens vor groben Mißhand lungen schützen können. Aber, wenn cs dem Trunkenen einficl, sich an dem Kinde zu vergreisen, was dann? Waren nicht die Reden, die es täglich mit anhören mußte, die rohen Beichimpftlngen seiner Mutter, Gift sür die reine Kindcsscelc? Sic sann hin nnd her, geängstigt, ver zweifelt. Wie eine Erlösung hotte sie die Verordnung des Arztes begrüßt, der den zarten Knaben an die See schicke«» wollte. Dort, allein mit ihm, den ganzen Tag für ihn da, ihn pflegend, mit ihm arbeitend, hoffte sie auf unvergeßlich schöne Tage. Und das war nun alles vorbei. Wie sollte sie Geert das Kind in den langen Ferien aus dem Wege räumen ? War denn niemand da, den sie um Rat fraget« — von dem sie eine Hülfe er warten konnte? lind in dem Augenblicke ward der ge meldet, an den sie eben gedacht batte. „Gnädige Frau, Herr Perrien." „Willkommen! Oh, Sie wissen nicht, wie sehr ich eben nach Ihrem Rate verlangte." Der dicke Herr «vor sehr kahl geworden, sein spärliches Haupthaar nnd der Schnurrbart glänzten silberweiß. „Meine liebe, gnädige Frau! Kann ich Ihnen irgend wie dienen? Sic missen, daß Sic mir keine größere Freude machen können!" „Ach - " sic zog den alten Freund neben sich aufs Sofa: „Es ist nncdcr die alte Hleichichtc. Mir ist so angst um das Kind Sie wissen doch, daß er Ostern nicht ver setzt worden ist? Er kann auch nicht einmal jetzt mit- kommen, so daß er die ganzen Ferien über Nachhülfe- stunden haben soll. Nun will mein Mann nicht, daß wir reisen, er ist anßer sich vor Zorn. Und dann", sie flüsterte erregt, „er sührt so sonderbare Reden. Seit Wochen schon spricht er von sparen, klagt über unsere Su»gaben und wirft dann wieder selbst das Geld mit vollen Händen aus den« Fenster. Ich werde nicht tlng aus alledem! Wollen Sic mir nicht sagen, was vvrlicgt, wie seine Angelegen heiten stehen? Sic wissen doch, daß ich ein Recht aus Wahr heit habe." „Liebe gnädige Fran", der alte Herr war sichtlich ver legen. „Verlange«« Sie das nickt von mir. Zck darf gar nickt über van Harpens Angelegenheiten reden, selbst, wenn ick davon wüßte. Zch wollte es Zhnen schon lang» sagen. Wir haben nus getrennt. Geschäftlich separiert. Ich konnte da nickt mehr mit. Zck bin zu altmodisch für die modernen Spekulationen. Er war wohl recht «roh, daß er mich los wurde. Der vorsichtigste Bantier kann nicht verhindern, daß die Lente bei den modernen Schwinbelpapicren Verluste erleiden. Dafür machen sie einen dann verantwortlich und klagen nnd jammern, wenn man sie auch gewarnt hat. lind dann die neuen Gesetze! Man sitzt drin, ehe matt weiß, wie nnd wo. st,'ein, das ist nichts mehr sür «nick. Van Harpen hat das auch cingesehen und mich gutwillig losgclasien." Konstanzc starrte Perrien an. Sie war furchtbar er schrocken über die Mitteilung, die der Alte in einer Art gezwungenen Scherzes vvrbrackte. „Und das erfahre ick erst heute? Das tonnten Sie mir verschweigen?" „Ich wollte Sic nicht beunruhigen! Es ließ lick ja auch nichts mehr daran ändern. Es ist alles so schnell gegangen, daß cs mir wie ein Traum vorkommt. Was hätten Sie auch tun wollen? Ihr Einfluß auf vau Harpen ist leider nicht groß. Und von mir ließ er sich schon längst nichts mehr sagen. Da ist es besser so. Ob er nnn Verluste ge habt, ivciß ick nicht. Gehört habe ich nichts davon. Sie müssen sich nur nickt unnötige Sorgen macken, wenn er 'mal schlechter Laune ist. Bei solchen Spekulationen gebt cs aus und ab. Meine Nerven wollten da nicht mehr mit tun. Ick bin ein alter Mann; habe mein Leben lang hart gearbeitet, da war cs besser, ich ging, so lange es noch Zeit sür «nick war." „Das erschreckt mich mehr, als ick sagen kann! Gerade Ihre Ruhe hielt Geert bisher noch zurück. Und nun wollen Sie uns auch verlassen. Was soll jetzt aus mir und Kurt werden, wenn Sic nicht mehr da sind?" „Aber, liebe gnädige Frau, was fällt Ihnen nur ein? Leider habe ich Ihnen so unendlich wenig nützen können. Sic sind auch allzu mutlos. Und was das Geschäftliche angeht, van Harpen ist ein reicher Mann, der einen Ver lust leicht verschmerzen kann. Und alle», was Oie ängstigt,
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