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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030205014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903020501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903020501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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Letzteres geschieht jetzt in einem Artikel der „St. Petersb. Wjedom", deren Heraus geber -er Fürst Uchtomskiist. Vielleicht ist er auch selbst der Verfasser des Artikels: manches im Gcdanlengange und Stile deutet darauf hin. Jedenfalls verdient der Artikel eine gewisse Beachtung, nicht nur der Selbständig keit der Aufsagung halber, sondern besonders auch des- imlb, weil der Verfasser sich offenbar bemüht, seineUeber- zeugung aufrichtig auszusprechen. Wir lassen daher hier den Artikel in Uebersetzung folgen. Der herzlichen Aufnahme, die der deutsche Kronprinz in Rußland gefunden hat, läßt sich eine große Bedeutung nicht absprechcn. Zwei der mächtigsten Reiche der Welt, die vom Schicksal selbst dazu bestimmt sind, in unseren Tagen nach Möglichkeit auf der Warte der Ordnung und der höheren Gerechtigkeit zu stehen, grenzen nicht um sonst so eng aneinander und sind durch so große wirt schaftliche und kulturelle Interessen verbunden. Die Be dingungen der nahen Nachbarschaft und des ununter brochenen Verkehrs (kann man vergessen, daß infolge des jahrhundertelangen Einflusses der germanischen Nasse die Cioilisation fest und eifrig in Rußland angepflanzt worden ist?) stellen im gegenwärtigen Momente der äußersten Gärung und Nervcnanstrengung des Menschen geistes besondere Anforderungen an die beiden hier in Betracht kommenden Völker. Welcher Art auch die be kannten unvermeidlichen Disharmonien politischer Natur kein mögen, wie sehr auch zeitweilig die Wege der beiden sich Horoervhaft entwickelnden Staaten auSeinandergehen, die EnLideale der besseren Leute, der erleuchtetsten Geister, der begabtesten Naturen in Deutschland und in Rußland können -och nicht anders als identisch sein, in soweit die edelsten Anforderungen des slawisch-ger manischen, in vielem verwandten Genius, insoweit die aufrichtigsten Hoffnungen aller wahren Patrioten sowohl jenseits der preußischen Grenze als innerhalb des seiner Stimmung nach tief friedliebenden Rußlands sich aus schließlich in dem Einen zusammensassen lassen: daß Friede auf Erden sei und Wohlwollen unter den Menschen; daß ihnen das Vertrauen auf den morgenden Tag leuchte, ohne das Gespenst eines gehässigen Krieges! In dieser Erkenntnis liegt bas Pfand der Einigung, in diesem zweifellosen Gefühle das kostbare Bindeglied zu gegen seitiger Verständigung. Bon der Zeit an, wo das Germanentum in den Schöpfungen seiner größten Denker und poetischen Hell seher für die ganze Menschheit die unsterblichen Wahr heiten an den Quellen der reinsten Begeisterung auf zeichnete, Hat sie niemand mit einem größeren geistigen Durst, mit einer größeren ästhetischen Erquickung aus genommen, als die Slawen im allgemeinen, und von diesen nach den Tschechen und Polen besonders die Russen. Im Lichte dieser Anschauungen und dieser Kunst sind in Rußland ganze Generationen ausgewachsen und geistig erstarkt. Mit den Büchern der deutschen Philosophen, mit den Musterlauten ihrer klassischen Schriftstller, mit der Herrlichkeit der deutschen Musik, mit der Fülle der deutschen Wissenschaft, mit der Schatzkammer der mannig faltigsten geistigen Gaben aus diesem Nibelungenhort be reicherte sich seit dem vorvorigen Jahrhundert die un merklich sich mit jedem Jahrzehnt erweiternde russische Kulturgeschichte und nährt sich, zum Teil unbewußt, noch jetzt davon. In dieser Kulturgeschichte gibt es keine orga nische Feindschaft — noch kann es eine solche geben — gegen Deutschland, als der Heimat der großen Ideen, der unvergänglichen Poesie. Im Gegenteil: das Streben nach Wissen, von dem die fortgeschrittensten Elemente der russischen Gesellschaft durchdrungen sind, und das Suchen nach Wahrheit, das die russische Jugend bewegt, hätte bet -er äußerst charakteristischen Art seines Auftretens schon längst die denkenden Leute in Deutschland davon überzeugen können, daß, bet Lossage von den Prinzipien eines politischen Kannibalismus, die zwei Völkerriesen doch gewiß die Möglichkeit haben, die Sphäre ihrer Inter essen für die nächste Zukunft abzugrenzen. Bon blutigen Zusammenstößen mit unserem Nachbar könnten wir selbst bei einem Siege auf russischer Seite nur verlieren, indem wir uns der Gefahr aussetzten, in einem Sumpfe von allerhand Verwilderung z« versinken. Aber auch Deutsch land seinerseits würde von den Unfällen Rußlands in nicht geringem Maße in Mitleidenschaft gezogen werden, weil es seinen Wohlstand und -en Umstand, daß seine Regenten ihre Herrscherflügel so weit ausgebreitet haben, in sehr beträchtlichem Grade seinen friedlichen Be ziehungen zu Ilja Muromcz*) zu danken hat, der seine Kräfte nur an „dem im Felde schlimmen Tataren" erprobte. Das angctretene Jahr droht wieder damit, daß Ruß land dieser sich historisch aufbrängenden Notwendigkeit *) Der Held des russischen Volksepos, hier natürlich für Rußland selbst gesetzt. wird gegenüber treten müssen. Wie Igor von Sjewersk mit seinen landsmännischen Fürsten nicht umhin konnte, über den Don zu gehen, um die Gefangenen der Polowzer zurttckzubringen, so kann Rußland auch ferner hin nicht die christliche Bevölkerung einiger türkischer Provinzen der Beschimpfung und Zerfleischung einer ver tierten Horde überlassen. Wenn alles, ivas in Deutsch land wohlgesinnt ist, dies anerkennt und uns keinen bitter» Kelch in der Art des Berliner Vertrags bereitet — weil wir Russen nicht den Schatten von aggressiven Ab sichten persönlich gegen die Türken haben —, so werden sich unsere Beziehungen zu dem aufgeklärten und ver ständigen Nachbar ohne Zweifel auch bald merklich bessern. Und nur eine solche Verbesserung kann der blühenden Handelsindustrie des letzteren günstig sein, der schon allein die Sibirische Eisenbahn mit dem chinesischen Osten unermeßliche Horizonte eröffnet hat und in nicht ferner Zukunft noch größere eröffnen wird. Wie die alten Germanen in die römisch-byzantinische Welt ein drangen, so schaffen wir uns Eingang in die geheimnis vollen Gebiete der Herrschaft der Bogdychane. Dort schüttete sich auf die ersteren ein Regen von Kulturgütern aus, die nur spärlich zu den Slawen gelangten. Hier er öffnet sich vor uns ein Abgrund ungeheuerer materieller Reichtümer, die fast noch keine Menschenhand berührt hat. Bon dem Scharfblicke der Deutschen wird es abhängen, ob sie, Hand in Hand mit Rußland gehend, mit demselben an diesem beispiellos ungestümen materiellen Erwachen des dritten Teiles der Menschheit Anteil nehmen werden. Deutsches Reich. /S. Leipzig, 4. Februar. (Das Alter der deutschen Universität-Professoren.) Nachdem LaSpehreS im Jabre 1876 eine Schrift über das Alter der deutschen Professoren veröffentlicht bat, untersucht der Leipziger Privatdozent I)r. F. Eulenburg die gleiche Frage im neuesten Hefte der „Jabrbücher für Nationalökonomie und Statistik". Eulenburgs Untersuchung erstreckt sich auf die ordentlichen lesenden Professoren an den reichsdeutschen Universitäten und an den Universitäten Oesterreichs und der Schweiz, soweit die Sprache deutsch ist. Es fehlen im ganzen nur 2 bis 3 Proz. aller Angaben, so daß für den Beginn des Wintersemesters 1890/91 1288, für den Beginn des Wintersemesters 1901/02 1429 Professoren in Betracht kommen. Betrachtet man zunächst die Gesamtanzahl, so betrug ihr Durchschnittsalter an dem bezeichneten Termine deS Vorjahres 53,4 Jabre; eS hat sich un letzten Jahrzehnt um beinahe 2 Jahre erhöht, da eS sich 1891 auf 51>/, Jabre belief. DaS höchste Durchschnittsalter haben die zehn preußischen Universitäten mit 54,5 Jahren, daS niedrigste die drei schweizerischen mit 51,8 Jahren. Im allgemeinen haben die größeren Universitäten ein höheres Durchschnittsalter als die kleineren, wenn auch diese Gesetzmäßigkeit nicht durchweg gilt. Die jüngeren Professoren beginnen eben meist an den kleineren Universi täten und kommen dann allmählich an größere; ist dies doch die einzige Beförderung, die ihnen offen steht. Was ferner das Alter in den einzelnen Fakultäten anbetrifft, so betrug der Durchschnitt am 1. Oktober 1901 in der theologischen Fakultät bei 201 Professoren 54,2 Jahre, in der juristischen bei 226 Professoren 51,6 Jahre, in der medizinischen bei 295 Professoren 54,8 Jahre, in der philosophischen bei 707 Professoren 53,1 Jahre. Die Zunahme im Alter der Mediziner kann einmal darin liegen, daß unter ihnen gerad em« Reihe berühmter Dozenten ist, die trotz hohen Alters noch aktiv sind. Sodann schiebt sich bei den Medizinern die Ernennung zum Ordinarius deshalb hinaus, weil wegen der vielen Extraordinarien und Privatdozenten die Konkurrenz in der medizinischen Fakultät sehr stark ist. Umgekehrt darf für das niedrige Durchschnittsalter in der Junstensakultät als Ursache der verhältnismäßig geringe Nachwuchs unter den Juristen angesehen werden. Betrachtet man die Univer sitäten daraufhin, welche von ihnen in den einzelnen Fakultäten ein über- und welche ein unter-durchschnittliches Alter aufweisen, so haben Berlin, Leipzig, Königsberg und München in allen Fakultäten ein überdurchschnitt liches Alter; jene drei größten deutschen Hochschulen können als tatsächlicher Abschluß der akademischen Beförderung gelten und in Königsberg geht ein Wechsel der Ordinariate offenbar nur langsam vor sich. An sechs weiteren Hoch schulen sind bei drei Fakultäten die Professoren von über durchschnittlichem Alter; und zwar bleibt in Bonn, Heidel berg, Wien und Straßburg nur die theologische, in Jena die philosophische und in Graz die medizinische Fakultät zurück Bei fünf Universitäten (Tübingen, Marburg, Innsbruck, Erlangen und Gießen) stehen sämtliche Mittel unter ihrem Durchschnitte. ES sind dies zum Teil die kleinsten Hoch schulen, zum Teil solche, bei denen ein Wechsel besonders häufig eintritt. Faßt man ferner die einzelnen Alters klassen ins Auge, so zeigt sich, daß am 1. Oktober 1901 unter 30 Jahren nur noch zwei ordentliche Professoren (je ein Jurist in Tübingen und in Bern) waren. Rechnet man die jüngeren Altersklassen bis 45, die mittleren von 46—60, die höheren von 60—70 Jahren, dann entfallen im ganzen 25 Proz. auf die jüngeren, 50 Proz. auf die mittleren und 21 Proz. auf die höheren Altersklassen. Ueber 70 Jahre waren im ganzen nur 4 Pro;, der lesenden Professoren, wobei zu berücksichtigen bleibt, daß in Oesterreich mit 70 Jahren die Pensionierung zwangsweise erfolgt. Betreffs der Pensionsverbältnisse in Deutschland schlägt Eulenburg vor, den Professor mit anderen Beamten gleich zu stellen, d. h. ihm das Recht zu geben, mit 65 Jahren in den Ruhestand zu treten; das Ruhegehalt würde sich dann ebenfalls nach den Bestimmungen der Beamtenbesolvung richten müssen. Dafür müsse eS anderseits die Pflicht des Universitätsprofessors sein, mit 70 Jahren gegen Gewährung des vollen GehaltS das Lehramt aufzugeben. Daneben müsse ihm die Fortsetzung der Vorlesungstätigkeit, wenn Kraft und Neigung dazu ausfordern, erlaubt sein; nur sei er dann nicht F-uttletsn. Fürsten als Patienten. Bon vr. AlbertKönig. Nachdruck verboten. Wenn auch die Fürsten durch ihre Stellung vor vielen Bedrängnissen und Kümmernissen bewahrt bleiben, so sind doch auch sic nicht gefeit gegen des Lebens schmerz lichste Mitgabc, die Krankheiten. Zwar heißt cs: „Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen" — aber das Ertragen von Krankheiten dürfte doch noch etwas schwieriger sein. Gerade in kranken Tagen offen- bart deshalb der Mensch am deutlichsten feinen Charakter, und insofern ist auch das Verhalten der Fürsten als Pa tienten, ihr Auftreten gegen ihre Aerzte, ihre Stand- baftigkeit und ihre Kleinmütigkeit, ihre Fügsamkeit und ihre Unbotmüßigkeit geeignet, auf ihr Denken und Fühlen ein Helles und scharfes Streiflicht zu werfen. Wohl nie ist wieder den Aerzten so übel mitgespielt worden als von der burgundischen Königin Austrachtlde. Als diese im Jahre 586 ihren Tod heranuahen fühlte, ver sammelte sie ihre sechs Aerzte um sich und erklärte ihrem Gemahl Guntram, sie möchte an ihn in Betreff der Aerzte eine Bitte richten. Der König versprach der Sterbenden im Voraus, ihr die letzten Wünsche gewissenhaft zu er- füllen. Diese feste Zusage befriedigte nicht nur die Königin, sondern auch die Aerzte sehr, die der Meinung waren, die Kranke wolle ihnen vom üöntg eine hohe Belohnung anSbitten. Allein sie sollten sehr unangenehm enttäuscht werben, denn die Königin wandte sich an den Bnrgunbenherrscher mit den Worten: „Um was ich dich bitten will, ist das, bah du mir, wenn ich wt bin, diese sechs Männer mit ins Grab legst." König Guntram legte sonst auf die Einhaltung seine» Worte nicht allzuviel Gewicht, dieses Mal aber blieb er ihm treu, und so mußten denn in der T-t die sechs Aerzte mit Austrachtlde zusammen in bas Grab hinabsteigen. Damit verglichen, aing eS dem Arzt, -er den König Johann von Böhmen behandelte, immer noch leidlich. Johann wurde auf dem Feldzüge kn Littauen 1837 augenleidend. Auf dem Rückwege nach Böhmen konsultierte er einen fran zösischen Augenarzt. Da dieser dem König nicht helfen konnte, ließ ihn Johann einfach in die Oder werfen. Jn- dkssen rettete sich der geschickte Franzose durch Schwimmen. An Johann aber rächte die Nemesis die begangene Untat 'chwer. Denn al» er sich einige Jahre später »n die Be- Handlung -e- Guv von EHauliac, einet -«rühmten Chirurgen der Universität Montpellier, begab, verlor er bet der «ur auch da» andere Auge. — Der vewartzt Sud- wigs XI. von Frankreich, Frosiard, war ebenfalls nicht um sein sonst sehr einträgliches Amt zu beneiden. Der despotische französische Herrscher war nämlich auf den originellen Gedanken gekommen, alle Arzneien, die ihm Frossard verordnete, erst von diesem kosten zu lassen. Ta im 15. Jahrhundert der Arzneischatz reich an sehr wenig appetitlichen Dingen war, so hatte für Frossard die Aus übung der Behandlung im wahren Sinne des Wortes oftmals einen recht üblen Beigeschmack. Ein nicht leicht zu behandelnder Patient war Friedrich der Große. Namentlich kümmerte er sich um die diäteti schen Vorschriften wenig, die ihm die Aerzte gaben. Selbst während seiner letzten Krankheit entsagte er den überaus stark gewürzten Speisen, den Polenten und Pasteten nicht, von denen ein Zeitgenosse sagte, sie seien in der Hölle ge backen. Die schwer verdaulichen Nahrungsmittel gehörten zu seinen Liebltngöspeisen, wie die preußischen Erbseu, die als die härtesten der Welt galten. DeS Königs Leibarzt, Selle, der ihm darüber freimütige Vorstellungen machte, verfiel in Ungnade. Ebenso eigenwillig war Napoleon I. Napoleon ahnte, als seine Krankheit den Charakter eines ernsten Magenleidens annahm, daß ihn der Magenkrebs bedrohte, der in seiner Familie erblich war, und dem sein Vater und seine Schwestern Carlotta und Annunciata erlagen. Bereits 1806 äußerte er bet einem Krankheitsanfall: „Ich trage in meinem Inneren den Keim eine- frühzeitigen Tode-, und werde an der selben Krankheit, wie mein Vater, sterben." In der Ge fangenschaft auf St. Helena steigerten sich bann die Be schwerden vom Jahre 1817 an mehr und mehr, indem Magenschmerzen und Erbrechen nach der NahrungSauf- nähme eintraten. Gelegentliche Bulletin-, die der Arzt vr. O'Meara dem Gouverneur von St. Helena vorlegte, reizten den Kaiser, der in denselben seinen Titel bezeichnet haben und nicht General Bonaparte genannt sein wollte. Endlich einigte man sich dahin, daß die Bezeichnung „Patient" gebraucht wurde. Ende 1818 schwollen die Glieder an, so daß O'Meara einen weiteren Arzt, vr. Baxter vom Generalstab, htnzuztehen wollte. Napoleon lehnte dieses mit den Worten ab: „Er könnte bloß das selbe sagen, was Sie mir gesagt haben, und mir das Reiten im Kreien anempfehlen." O'Meara wurde bald durch vr. Stokoe, den Wundarzt an Bord des Kriegt- schiffe- „Conqueror", ersetzt. Al- dieser, wie sein Vor gänger, mit dem Gouverneur von St. Helena in Konflikt geriet, wurde er entlassen, und Napoleon verbat sich von nun an die Dienste epischer Aerzte. Die weitere Be. Handlung übernahm sein korsikanischer Landsmann Fran- ertco Antomarcht, der bi-her an einem Hospital in Florenz angestellt gewesen war. Gegen ihn war Napoleon noch übeler gestimmt. Sr konnte den Kaiser nicht einmal bewegen, Arznei einzunehmen. Alt er ihn einst dazu aus forderte, erhielt er die Antwort: „Handeln Sie dem Lebensprinzip nicht zuwider. Lassen Sie es allein, lassen Sie ihm die Freiheit, sich selbst zu verteidigen. Es wird besser wirken, als Ihre Arznetivaren." Francesco Anto- marchi war im Gefolge des Kaisers der einzige, der im Testament vom April 1821 nicht bedacht wurde. Einer der am vielfältigsten behandelten Monarchen war ohne Zweifel Ludwig XIV. Bereits im Jahre 1062 stellten sich bet ihm Rheunmtismen, Fiebererschcinungen, Hautkrankheiten, Furunkel, Schwindel und Verdauungs störungen ein. Infolge der letzteren war er oftmals ge nötigt, plötzlich die anberaumten Festlichkeiten ober den Staatsrat zu verlassen. Er mußte gegen 40 Aderlässe über sich ergehen lassen und mehr als 1600 Purgativc ein nehmen. Dazu kamen unzählige Pulver, Abkochungen und Pflaster, und gelegentlich auch das Brenneisen. Eine gewisse Berühmtheit hat aber seine Erkrankung an einer Mastdarmfistel erlangt, die dem französischen Geschichts schreiber Michelet sogar bedeutungsvoll genug erschien, um eine Regierungsperiode vor und nach der Fistel zu unterscheiden. Die Fistel hatte sich 1686 gebildet. Der König wollte sich anfangs nicht schneiden lassen. Daher griff man zunächst zu bequemeren Mitteln. Man dachte daran, den König die Schwefelthermen zu Bareges in den Pyrenäen gebrauchen zu lassen, die der junge Herzog von Maine mit großem Erfolg benutzt und zu Ansehen ge bracht hatte. Um die Heilkraft der Quellen zu erkunden, ließ man vier Kranke probeweise als Versuchspersonen ein ganzes Jahr in BarögeS baden. Dann aber entschloß man sich doch zu der Operation, die 1687 im Beisein dcs Ministers Louvois vom Wundarzt Felix in Anwesenheit mehrerer anderer Aerzte ausgeführt wurde. Die Opera- tion gelang nach Wunsch. Ludwig belohnte die Aerzte königlich. Felix erhielt nach unserem heutigen Gelbe rund 240 000, die beiden Assistenzärzte, Daquin und Fagon, 80 000 und 64 000, der Konsiliarius BessiereS, der stet« für die Operation gewesen war, 82 000, jeder der vier Hofapotheker 10 000 und ein gewisser La Raye, der AmanuensiS des Wundarztes Felix, 6000 Mark. Be- merkenswert ist eS noch, daß in der Folgezeit nicht wenige Höflinge zur Bezeugung ihrer Ergebenheit für den König die nunmehr fashionavle Operation der Mastdarmfistel auch bei geringfügigen Leiden an sich vollziehen lassen wollten. Eine ganze Reihe von Fürsten hat sich nicht mit der Kunst ihrer Aerzte begnügt, sondern sich selbst in Be handlung genommen. Zu ihnen rechnet auch Hein- rich VIII. von England, der, ein stattlicher und schöner Mann, 56 Jahre alt, an der Wassersucht starb, die mit Geschwüren an den Beinen verbunden war. Er hat Zeit seine» Leben» an sich herumkuriert. Im Britischen Museum in London befindet sich noch jetzt «in dicker Band voller Rezepte zu Pflastern, Salben, Wässern und Ab kochungen von des Königs Hand mit Gebrauchsanwei sungen, von denen sich ein großer Teil auf die Heilung des sogenannten englischen Schweißes bezieht. Eine Wasser kur wandte Herzog Ulrich von Württemberg, ein sehr starker, in ritterlichen Leibesübungen wohl erfahrener Mann, gegen die ihn quälende Gicht nach eigener Er probung bereits im Jahre 1537 an. Dieses Verfahren hieß später Herzog Ulrichs von Württemberg Kunst. Die Verordnung lautete: „Wann der Schmerz an einem Arm oder Fuß ist, so stoß ihn von stundan in eiskalt Wasser^ rst's dann in einem andern Glied, so ney Tücher in solchem Wasser und bind's darüber. Doch gehört cs für starke Leute, und wo -er Schmcrtz von hitzigen Füßen her kommt." Auch Victor Emanuel II. liebte es, sich selbst zu behandeln. Bei feiner letzten Krankheit, einer Lungen entzündung, verordnete er sich selbst fünf Aderlässe inner halb fünf Tagen. Außerdem wurden noch achtzehn Blut egel angesetzt. Es ist höchst wahrscheinlich, daß diese Schwächung den tödlichen Ausgang der Krankheit be schleunigte. Aber auch gefaßt und ergeben ertrugen Fürsten ihre Leiden. Georg III. von England, dem während seiner Geisteskrankheit zeitweilig die Zwangsjacke angelegt werden mußte, äußerte zu seinem Stallmeister, als eine solche im Zimmer zurückgelassen worden war, in einer lichten Zwischenpause: „Ihr braucht Euch nicht davor zu fürchten, vielleicht ist das der beste Freund, den ich je in meinem Leben hatte." Rührend war auch das stille Dulden der unvergeßlichen Königin Lnise. Noch in den letzten Augenblicken, wo ihr der Tob bereits auf -er Stirn geschrieben stand, versuchte sie mit dem König und den versammelten Prinzen liebreich zu sprechen. Der König saß auf dem Rand ihres Bettes und bemühte sich, die er kalteten Hände der Sterbenden zu erwärmen. Es war gegen 6 Uhr morgens. Die Königin hatte ihren Kops sanft auf die Seite geneigt und die Augen fest gen Himmel gerichtet. Ihre großen Augen waren wett geöffnet und aufwärts blickend sagte sie: „Ich sterbe, o Jesu, mach es leicht!" Dann war ihr Atem entflohen. — Ein nnüber- troffencS Beispiel aber von Ergebung gab Kaiser Fried rich III. Wem ist eS nicht noch in Erinnerung, mit welchem Heldenmut er bas furchtbare Leiden ertrug, das ihn un abwendbar dem Tob cntgegenführte? So lange er noch in der Verehrung des deutschen Volkes fortleben wird, so lange wird man auch noch jenes wundervollen Worte gedenken. das er seiner Gemahlin auf einem der zum Gedankenaustausch dienenden Zettelchen niederschrteb: „Lerne leiden, ohne zu klagen."
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