02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030213029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903021302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903021302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-13
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Die Leser würden jedenfalls nicht viel verlieren, wenn sie über die Etatsdebatten — über diese wird man ja doch nicht hinauskonnnen — nichts oder nur das Wichtigste er führen. Genau so, wie vorgestern die Sitzung endete, begann sie gestern: vor einer ganz winzigen Zahl von Abgeordneten. Erst gegen Vc5 Uhr füllten sich die Bänke ein wenig. Aber der Redeschwall wollte sich nicht er schöpfen, obgleich alles, was gesagt wurde, wirkungsvoller in einer halben Stunde hätte gesagt werden können. Die „Nat.-Li»b. Korr." entwirft von diesem Wortgefechte das folgende klägliche Bild: „Ueber eine Stunde spricht der Abg. Trimborn; immer hin mit Temperament. Daun aber folgt der bejahrte Horn- Sachsen (Soz.); sein langsames Redetempo schläfert alles ein. Auch die Zuhörer-Tribünen kämpfen mit dem Schlaf; eine Gruppe junger Leute auf den allgemeinen Tribünen sucht sich durch tiefe Züge aus einer Flasche mit verdächtigem In halt zu ermuntern. Gegenüber dieser allgemeinen müden Er starrung hat der Abg. Hilbck (natl.) einige Mühe, Interesse für seine Ausführungen zu erwecken. Aber es gelingt ihm wider Erwarten. Wie gestern sein Fraktionsfreund Paasche konnte auch er auf opferwillige Wohlfahrtseinrichtungen für die Arbeiter Hinweisen, die bereits ins Leben traten, lange bevor die sozialpolitische Gesetzgebung von feiten des Reiches in auguriert wurde. Einen Stich ins Lächerliche erhält die Rede des Abg. Gamp durch seine Neigung, sich mit den Sozial demokraten in Privatgespräche einzulasscn und jedes Mienen spiel seiner Gegner zu kritisieren. Dabei fördert er folgende parlamentarische Stilblüte zu Tage: „Ja, Abg. Hermes, Sie schütteln mit dem Kopf! Sehen Sie, das ist der Pferdefuß Ihrer Partei!" Der Ordnungsruf des Präsidenten stört Herrn Gamp nicht viel in seinen Privatgesprächen mit den Sozialdemokraten; er plaudert weiter. Nach dieser lebhafteren Scene sinkt daS HauS bei den Reden der Abgg. Augst und v. Stau dH in die alte Gleichgültigkeit zurück, um dann dem Staatssekretär Graf Posadowsky ein aufmerksames Ohr zu leihen. Der Zeiger der Uhr ist auf 6 gerückt. Da betritt der vereinsamte Abg. Stöcker die Tribüne, um in seiner noch immer wuchtigen und rücksichtslosen Beredtsamkeit mit d<r un geheueren Verlogenheit und klasscnverhetzcnden sozialdemo kratischen Presse wie gestern Abg. Paaschc gründliche Abrechnung zu halten. Wie hypnotisiert starrt ihn Abg. Ahlwardt, der neben dem Zentrumsführer Graf Hompesch Platz genommen hat, an. Auch Ahlwardt will sprechen, nicht unter zwei Stunden! Den Parteiführern graut's — — wann werden diese trostlosen Debatten, die Verödung des Reichstags ihr Ende erreichen? Für nächste Woche soll der Versuch gemacht werden, durch ein beschlußfähiges Haus die sachliche Be ratung des Etats zu fördern. Telegramme eilen durch das Land, die Abgeordneten einzubcrufen. Werden sie diesem Rufe folgen?" — Nach unseren Informationen hSben sich einige ?bbge- ordnete auch an den Reichskanzler gewendet, um mit seiner Hülfe ein Ende des Jammers herbeizuführen. Ihr Wunsch geht dahin, daß der Reichstag aufgelöst und die Absicht dieser Maßregel baldigst kundgcgebcn werde. Dann würde die Etatsbcratung schleunigst zu Ende geführt wer den müssen und es bliebe den Abgeordneten Zeit, in ihren Wahlkreisen die Vorbereitung zu den Neuwahlen zu be treiben. Es fragt sich nur, ob Gras Bülow geneigt ist, durch Befürwortung dieser Maßregel sich selbst zur Er findung einer Wahlperiode anznreizen. Bis jetzt steht er anscheinend der allgemeinen Konfusion noch ratlos gegen über. Krenzzeitungs-Politik. Die „Kreuzzt g." hat dem Klerikalismus schon manchmal einen Liebesdienst erwiesen. Aber mit so brennendem Eifer, wie dies heute in einem Leit artikel geschieht, hat sich das Hauptvrgan der preußischen Konservativen nicht häufig bemüht, die bayerischen Patrioten „herauszupauken". Man weiß, daß eben jetzt eine maßlose Hetze gegen den angeblich vorhandenen „Imperialismus" von der bayerischen Zentrums partei in Scene gesetzt worden ist. Versteigt man sich doch zu der nichtsnutzigen Verdächtigung, das Königreich Bayern als durch dasselbe Schicksal bedroht hinzustellen, das 1866 Hannover erlitten hat. Für solche Auswüchse eines demagogischen Partikularismus hat die „Kreuzztg." nur Worte mildester Entschuldigung und Erklärung, in dem sie sich dabei auf geschichtliche Entwickelungen beruft, deren nächstliegende Erfahrungen vom bayerischen Klcri- kalismus eben für nillsts erachtet werden! Aber beinahe noch charakteristischer ist die Art, wie die „Kreuzztg." den Ansturm des Zentrums gegen das Ministerium Crailsheim beurteilt. Da wird beiläufig bemerkt, daß die gegenwärtigen Minister „wohl noch" das Ver trauen der Krone besitzen, um alsdann fortzufahren: „Man muß zugcben, daß das gegenwärtige Ministerium im vorigen Sommer nicht die nötige innere Festigkeit nach außen zeigte, als in Sachen des Schulkampfes die liberale Ent rüstung im Lande, besser in den Spalten der liberalen Zeitungen, tobte. Es läßt sich nicht absehen, was geworden wäre, wenn nicht der Kultusminister vr. von Landmann nachträglich seine Demission eingercicht hätte. Möglich, daß dadurch Schlimmeres verhütet worden ist, das hier nicht angcdeutet zu werden braucht, weil es nahe genug liegt. Diese Vorgänge aber sind dem Zentrum genügender Grund, um einer Regierung das Vertrauen zu versagen, die einer ohnmächtigen liberalen Partei mehr Rücksicht erweisen zu müssen glaubte, als das aus den tat sächlichen Verhältnissen und im wahren Interesse deS Landes gerechtfertigt war." ' Die geheimnisvollen Andeutungen der „Kreuzztg." über das Schlimmere, was der Rücktritt des Kultus ministers vr. von Landmann möglicherweise verhütet habe, ändern nichts an der Tatsache, daß die „Kreuzztg." jenen Rücktritt in einen ganz falschen Zusammenhang bringt. Oder ist etwa bisher irgend jemand der Meinung gewesen, vr. von Landmann sei wegen eines „Schul kampfes" nachträglich von seinem Amte zurückgetreten? Wer bisher über den Rücktritt vr. von Landmanns ge sprochen hat, konnte ihm, gemäß offenkundigen Tatsachen, nur mit der Angelegenheit des Würzburger Se nats in Zusammenhang bringen, wie daS auch von feiten des bayerischen Zentrums stets geschehen ist. Wa rum sucht die „Kreuzztg." mit offenbarer Geflissentlichkeit diesen Sachverhalt durch geheimnisvolle Hinweise auf einen „Schulkampf" zu verschleiern? Dazu lag für daS konservative Blatt um so weniger Grund vor, je voll kommener es mit dem bayerischen Klerikalismus in dem Verlangen übereinstinnnt, daß die bayerische Regierung die Staatsautorität gegenüber -er „liberalen Professoren- klique" wahren müsse. Es paßt ausgezeichnet zu dieser Sorge um die Wahrung der Staatsautorität, wenn die ,Lreuzztg." weiter schreibt: „Zweifellos hat der Parteitag Ides bayerischen Zentrums) gezeigt, daß die Erregung nicht künstlich gemacht worden ist, und wenn ihr in nicht immer glücklicher Form Ausdruck gegeben wurde, so ist hier auf psychische Vorgänge Rücksicht zu nehmen, worauf auch ein von berufswegen kühler Kopf, ein Politiker, billigen Anspruch hat." — „Dank dir, daß du mich dieses Wort gelehrt!" können Bebel und „Genoßen" dem konser vativen Blatte jetzt zurufen; denn zweifellos gilt der Freibrief für demagogische Aufwiegelung, den die „Kreuzztg." hiermit den bayerischen Patrioten erteilt, auch für die Agitatoren der Sozialdemokratie. Hätte die „Kreuzztg." in ihrer Eigenschaft als konservatives Blatt die Absicht gehabt, Selbst-Persiflage zu üben, so hätte eine derartige Absicht nicht besser verwirklicht werden können, als durch ihren Leitartikel „Aus Bayern". Die Großmachtstellmrg Oesterreichs. Im ungarischen Abgeordnetenhause hat am 5. Fe bruar Graf Julius Andrassy, der Sohn -cs be kannten Staatsmannes, der mit Bismarck das Bündnis schloß, eine bemerkenswerte Rede zu der Wehrvorlage ge halten, die von den Hetzern und Schreiern -er Linken vielfach unterbrochen wurde, hoffentlich aber nicht ohne nachhaltige Wirkung bleiben wird. Die Linke ist gegen jede Heercsverstärkung, weil sie die Grohmachtstellung der Monarchie nicht wünscht. Was ist Grohmachtstellung? fragte Graf Andrassy, und anwortete: Großmacht ist ein Staat, der über eine Macht verfügt, daß er in-er Lage ist, auch auf politische Ereignisse, die sich außerhalb seiner Grenzen abspiclen, Einfluß zu nehmen auf Grund eines starken, auch offensivfähigen Heeres. Großmacht ist ein Staat, dessen Bündnis von anderen Mächten gesucht wird. Von der Linken war behauptet worden, daß Oesterreich- Ungarn einer geringeren Wehrmacht bedürfe, als im Jahre 1868, weil eS nicht mehr, wie damals, Angriffe von Preußen und Italien zu befürchten habe, sondern mit diesen beiden Mächten verbündet sei. Graf Andrassy ver wies auf die Erhöhung der Wehrmacht in fast allen Neichen und erklärte ein« Parallele zwischen heute und 1868 für unmöglich. Oesterreich-Ungarn ist in den Drei bund eingetreten auf Grund seiner Kraft. Wer wird sich mit einem Schwachen verbünden? Man möge auch nicht sagen, fuhr Graf Andrassy fort, daß wir dem Deutschen Reiche zu Liebe Opfer bringen. Opfer bringen müfse man für jedes Bündnis. Wenn Deutschland sich von Oester reich-Ungarn abwende, etwa weil die Interessengemein schaft aufhört, so könne Oesterreich-Ungarn anderweit Verbündete finden. Wende sich aber Deutschland von dem Bündnis ab, weil Oesterreich-Ungarn schwach sei, so werde sich mit einem schwachen Reiche keine andere Macht ver bünden wollen. Von der Linken war gesagt worden, daß Oesterreich keine Großmacht mehr zu sein brauche, weil die orientalische Frage nur noch in der Einbildung der Diplo maten vorhanden sei. In Wirklichkeit ist zunächst die makedonische Frage hervorgetreten. Graf An drassy sagte, wir können jeden Tag vor einem Kriege stehen. Zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland gibt es gegenwärtig keine Jnterellenaeaensäve mehr; aber eS bestehen, wie Gras Andrassn auSfsihrte. in Rußland Aspirationen und Traditionen, die in G-qensab zu den Daseinsinteressen Oesterreich-UngarnS treten un unter Umständen für die hckbsburgtsche Monarchie ver hängnisvoll werden könnten. Die Linke verlangt ein ungarisches Heer, wie es in dem Ausgleich von 1867 vor gesehen wurde. Indessen hat dieser Ausgleich Kommando und Organisation dieses Heeres der Krone übertragen. Kommando und Organisation sollen einheitlich sein. Das ungarische Heer ist ein ergänzender Bestandteil der ge samten Wehrmacht. Die magyarische Staatssprache könne auf das gemeinsame Heer nicht angewendet werden. Wohl hätte der König die magyarische Sprache zur Dienst, spräche des ungarischen Heeres machen können. Wenn er dies nicht getan habe, so ließ er sich ausschließlich von mili- tärischen und Zweckmäßigkeitsgründen leiten, weil er nicht wollte, daß das Heer zu einem babylonischen Turme werde. Schließlich bedauerte Graf Andrassy, daß unter -en Offizieren des gemeinsamen Heeres das magyarische Element nicht stark genug vertreten sei. Das Verlangen der Linken nach Schaffung eines besonderen magyarischen Heeres mit magyarischer Dienstfprache wird vorderhand nicht erfüllt werden. Eine Herabsetzung der Heeresstärke würden aber selbst die Kossuthisten nicht durchführen, sollten sie jemals, was hoffentlich nicht der Fall sein wird, in Ungarn zur Leitung der Geschäfte be rufen werden. Die steigende Unzufriedenheit in Südafrika. Man schreibt uns: Gelegentlich der Anwesenheit Chamberlains in Südafrika tritt es immer mehr hervor, daß England sich in den neucroberten Ländern zwischen zwei Stühle gesetzt hat: die englische Regierung kann es weder -en Randmincn-Besitzern, die die Annexion her- vvrgcrufcn haben, noch den Boeren, die durch die Annexion um ihre politische Selbständigkeit gekommen sind, recht machen. Es ist von großem Interesse, daß die Beschwerden, sowohl der Johannesburger Jingos, wie die ihrer Opfer, der Boeren, auf die Wirkungen des Krieges zurückgchen, so daß das Dichterwort von dem Fluche der bösen Tat sich wieder einmal bewahrheitet. Die Randminenbesitzer sind jetzt in politischer Beziehung die Herren des Landes, aber das nützt ihnen verzweifelt wenig, da sie nicht die nötigen Arbeitskräfte für die Aus nutzung der Minen finden können. Nicht, als ob es an Arbeitskräften fehlte, aber die Kaffern, di« allein zu der Minenarbeit geeignet siind, deren Arbeitslust aber im umgekehrten Verhältnisse zu ihren riesigen Körper kräften steht, wollen nicht mehr die schwere Minenarbeit leisten. Und daran ist einzig und allein -er Krieg schuld. Schon im August des vorigen Jahres schrieb der Mit arbeiter der Welt-Korrespondenz in Pretoria: „Die Kaisern sind während des Krieges von Engländern und Boeren für ihre Dienste als Wagenführer, Pferdeknechte, hauptsächlich aber für ihre Tätigkeit als Spion«, so gut bezahlt worden, daß sie noch nicht zur Arbeit gezwungen sind; bei ihrer sprichwörtlichen Faulheit aber sind sie nur dann als Arbeiter zu haben, wenn die Not sie dazu treibt. In den seit dem Eintreffen dieses Berichtes ver floßenen Monaten ist cs damit nicht besser geworden. Unter dem 12. Januar d. I. schrieb der Mitarbeiter der Welt-Korrespondenz in Johannesburg: „Die Gold produktion während des Jahres 1002 hat nur 46 Prozent von der Produktion im Jahre 1869 erreicht. Diese Ziffern zeigen unzweideutig, daß die Art der Kafiern- behandlung und der Apparat, die Kaisern dem Arbeits markte zuzuführen, ein ganz kolossaler Mißerfolg der englischen Regierung gewesen sind." Abgesehen aber von der durch den Krieg hervorgerufencn gesteigerten Faul heit der Kaisern, ist auch ihr Benehmen viel anmaßender geworden, als eS früher war. In dem erwähnten Bc- Feuilleton. ii, Dunkle Wege. Roman von I. v. Conring. Nachdruck vrrbotrn. Zwölftes Kapitel. Walddorf trug seinen Namen mit Unrecht. Außer drei hohen Pappeln vor und fünf Kiefern hinter dem Hause war alles im Umkreise von zwei Stunden kahl un flach. Durch den wüsten Garten führte ein melan cholisches Bächlein sein dunkelbraunes Wasser dem großen Torfmoor zu, das sich nach Osten und Norden weithin erstreckte. Eine Anzahl von Torfgräbern wohnte dort im Sommer. Jetzt standen ihre ärmlichen Hütten leer. Der Wind klapperte mit den schlecht befestigten Türen und Fensterläden und das Trostlose der Gegend wurde durch den Anblick dieser verlassenen Wohnungen noch erhöht. Van Harpen hatte nach dem Tode seiner Mutter, als der Vater durchaus Berlin verlassen wollte, das Gut für einen Spottpreis gekauft. Der Alte hauste hier mit seiner Wirtschafterin, einigen Knechten und Mägden. Er ging den ganzen Tag im Schlafrocke, mit der Pfeife im Munde, einher und beschäftigte sich damit, seine Vögel zu allerlei Kunststücken abzurichten. Die Bewirtschaftung deS Gutes überließ er dem Inspektor — der war aus der Gegend und verstand sich auf Sand und Sumpf. Kurt hatte sich erkältet. Er lehnte sein ficbcrglühendes Köpfchen an die Brust der Mutter, die ihn angstvoll in den Armen hielt. Sie hatten von Bremen aus noch fast zwei Stunden Wagenfahrt. Das klapprige Gefährt rüttelte und stieß auf den vom Herbstregen aufgeiveichten Wegen und der schneidende Ostwind pfiff durch alle seine Fugen. Geert, den bei jedem Witterungswechsel die kaum geheilte Schädclwundc heftig schmerzte, fluchte still vor sich hin. Er war außer sich über den schlechten Wagen, über die lange Fahrt und Kurts Husten, dessen Geräusch seine Kopfschmerzen vermehrte. Endlich fuhr der Wagen über eine steinerne Brücke auf einen wetten, von Fachwerkscheunen umgebenen Platz und hielt vor dem großen, einstöckigen Gebäude, zu befsen Lür mehrere Stufen hinauffübrten. D« Kutscher knallte mit der Peitsch«. Unter dem blechernen Gebimmel einer Glocke öffnete sich die Tür. Der alte van Harpen humpelte schwerfällig heraus, hinter ihm, im Flur, eine üppige Frau von etwa vierzig Jahren, die sich bemühte, mit der vorgehaltenen Hand eine Lampe vor dem Zuge zu schützen. „Na, da seid ihr ja! Willkommen, Frau Schwieger tochter! Ist das der Junge? Der ist euch wohl krank geworden, oder sieht er immer so schlecht ans?" Konstanze stand ihrem Schwiegervater zum ersten Male gegenüber. Er war mindestens sechs Fuß hoch und entsprechend breit. Um feine mächtigen Glieder schlotterte ein unsauberer Schlafrock. Das stark gerötete Gesicht war bartlos und von unzähligen Fältchen durchzogen. Die kleinen grauem Augen sahen zwinkernd in Kon stanzens Gesicht. „Vater, frag' doch nicht so viel", sagte Geert grob. „Wir sind ganz mürbe von der Fahrt. WaS ist das bloß für ein infamer Kasten von Wagen, den du uus ge schickt hast?" „Ich habe keinen bessern, mein Sohn- Du hättest mir rechtzeitig einen stiften sollen, wie ich dich mehrmals bat, dann wäre er dir heute zu gute gekommen." „Schön, schön, darüber reden wir ein andermal! Aber, was ich sagen wollte, Vater, sei so gut, sofort zum Arzt zu schicken. Mein Kopf tut mir zum Verrücktwerden weh; ich muß Morphium haben, und der Junge ist auch nicht wohl." „Was du dir denkst! Heute abend kommt der Doktor nicht mehr; das geht hier nicht so. Morgen früh will ich ihm einen Wagen schicken." „Ach ja, bitte, tun Sic das, möglichst bald", sagte Kon stanze. „Kurt macht mir Sorge, er hat starkes Fieber. Kann ich ihn jetzt nicht gleich zur Ruhe bringen? Lieber Vater, wo haben Sic bestimmt, daß wir wohnen sollen?" „Ich bitte!" Die Haushälterin kam näher. „Wollen Madam mir folgen Der Kleine soll im Hinterzimmer schlafen, die beiden Herrschaften nach vorn hinaus." „Ich bleibe lieber allein!" rief Geert. „Meine Frau kann bei dem Jungen schlafen und ich nehme dann das Vordcrzimmer für mich." „Das andere ist aber nicht so schön, Herr van Harpen, und auch wohl zu klein für zwei Personen." „Da» macht nicht»", sagte Konstanze rasch. „Ich werbe mich schon mit Kurt einrichten. Also, wenn Sie so gut sein wollen, un» hin-uführen. Da» Kind muß zur Ruhe. Tute Nacht, lieber Vater. Schlafe gut, Geert." „Du weißt doch recht wohl, daß ich bei den Schmerzen kein Auge zutun werde", knurrte der junge van Harpen. Kurt schmiegte sich eng an seine Mutter. Er hatte dem Großvater nicht einmal die Hand gegeben. Sein Kopf brannte wie Feuer — er war dem Umsinkcn nahe. Konstanze mußte ihn fast die steile Treppe hinauftragcn. Die Haushälterin leuchtete voran und öffnete die Tür der Hinterstube. Erstickende Hitze schlug Konstanze ent gegen, der kleine eiserne Ofen war bis zur Rotglut er hitzt und hatte der Luft einen brandigen Geruch mit geteilt. Im Hintergründe stand ein Bett mit hochauf- getürmtcn Federkissen, seitwärts eine Kommode und ein tannener, weiß angestrichener Waschtisch. Neben der Tür war ein kurzer Kleiderriegcl befestigt. Konstanze sah sich in dem öden Raume, den kein Bild, kein Spiegel zierte, um. Die Fensterscheiben klapperten unter der Gewalt des OstwindeS, in ihrer Nähe war cs eisig kalt. Sie nahm einige Kiffen vom Bette herunter, zog Kurt auS und lagerte ihn, so gut eS ging. Tann tauchte sie ein Handtuch ins Wasser, rang es aus und legte eS auf seine heiße Stirn. „Na, was soll denn jetzt werden, Madam? Wo ge denken Sic zu schlafen?" „Ach, ich weiß nicht, eS ist ja auch einerlei! Vielleicht geben Sie mir eine Matratze, dann lege ich mich hier auf den Fußboden." „Wollen Sie denn kein Abendbrot essen?" „Nein, ich danke sehr. ES ist mir unmöglich, etwas zu genießen. Wenn Sie nur dafür sorgen wollen, daß der Arzt bald geholt wird." „Der kommt vor morgen mittag nicht. Haben Madam noch Wünsche, oder kann ich jetzt gehen?" „Nein, gar keine, danke, wenn Sie die Tür auslaffen wollen, eS ist so furchtbar heiß hier." Konstanze sah Kurt angstvoll an. Tr schien zu schlafen, wenigstens lag er ganz still mit geschloßenen Augen da. Sie machte einige Schritte dem Fenster zu und sah in die Stnrmnacht hinaus. Die zähen Aeste der Kiefern ächzten und knarrten im Winde, bisweilen drang durch die zerrißenen, rasch dahinjagenben Wolken ein blaßer Monbstrahl, der zitternd, gespenstig weiß, über Gebüsch und Wege bahinalltt. Konstanze wandte sich um, zog einen Stuhl an Kurt» Bett und faßte sein fieberheiße» Händchen. Den Kops an das Deckbett lehnend, brach sie in unbezwingliches Deinen auS. Geert hatte gegessen und war dann in sein Zimmer ge gangen. Der Alte und die Wirtschafterin blieben allein. Er nahm die kurze Pfeife aus dem Munde, schlug mit beiden Händen auf seine Knie und lachte laut auf: „Was sagst du dazu? Tas ist aber 'ne nette Ein quartierung." „Zu dumm sind Sie gewesen, die cinzuladen! Kaum sind sie im Haufe, so geht der Lärm schon los. Ter Arzt soll kommen, oben ist cs zu heiß, der Junge ist krank, in einem Zimmer wollen sie nicht schlafen, essen kann sic nicht." „Mein lieber Sohn hat Kopfweh!" fuhr der Alte fort. „Und so weiter und so weiter!" „Das ist also nnn die schöne Frau, um die sich Geert damals so furchtbar anstellte? Lang und mager wie ein Licht »nd weiß wie «ine gekalkte Wand. Was er an der gefunden hat, verstehe ich nicht." „Na, det laß man jut sind, Laura", meinte der Alte — wenn er bei Laun- war, berlinerte er gern. — „Wunder bare Augen hat sic. Und du gäbst ihr gerne von deine zweihundert Pfnnd een bisken ab, nicht wahr? Wenn uns bloß der Junge nicht ernstlich krank wird!" „Ach, waS soll ihm wohl fehlen? Kindern fliegt so was an; das geht ebenso rasch wieder vorüber. Mir graut bloß vor all der Unruhe, die die hier machen werden. Die Fran sieht nicht aus, als wenn sie einen Finger ins Wasser stippte, — wenn ich die den ganzen Tag bedienen soll, dann gebe ich lieber." „Wart'S man ab, Laura. Auf den ersten Eindruck mußt du nichts jeden. Det ändert sich noch zum Juten, sollst man scben. Und nu jeh' ins Bett. Es ist fast Mitternacht." Der Arzt kam am nächsten Vormittag; er sand Kurt fast fieberfrei, ließ ihn ab'.'r im Bett, da der heftige Husten ihn besorgt machte. Zu Geerts Aussehen schüttelte er den Kopf: „Sie haben ja eine Niesennatur", sagte er, „aber all- zuschr dürfen Sie cs auch nicht darauf ankommen laßen. Vor allem vorsichtige Diät, gar kein Alkohol, früh ins Bett und früh hinaus. Sie haben einen gehörigen Klapps bekommen nnd müßen sich sehr vorsebcn." Geert zuckte die Achseln. Der dicke, rotbackige Land- doktor imponierte ihm wenig. Al» Kurt aufstehen -urfkr, ging Konstanz« mit ihm
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