01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030216017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903021601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903021601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-16
- Monat1903-02
- Jahr1903
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Bezugs »Pret- i» tz« Hanpiexpebtttoa »der der« «»Sgcch» DM« abgetzvtt vkrtelMÜch ^l S.—, bei Metmaliarr «gliche, L«p«ll»«a tu» Haus 5.75^ Dmch di» Post vezoon» fit. Deutsch- l«ck ». Oeftev^ viertrljLbrüch 4^ ür bi« ßbeigea LLuder laut ZetttmgSprei-liste. Le-»ktt«l »«- Lkveditio«: Jvhanntsgasse 8. Aerusprrcher 158 «ud SSL FMMopsdM«»« r AffredHah^vnchhcmdlg., Uutverfitttestr.s, LMHch Ntthgttvmßr Ich «. EöntgSpl. 7. HoPt-Mtale Vrttde»: Fewfpeech« Amt I Nr. 171N. HmlPt-Fiüate Lrrttn: TmL L«»ser, Heqgl. Voyr-Hosbuchhaudl-^ «itzowft«ße 10. ger»^W>ch>k Imt VI Nr. ssiös^ Morgen-Ausgabe. WpMcr.TllgMM Anzeiger. NwtsvM -es Königlichen Land- «n- -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates nn- -es Volizeiarntes -er Stadt Leipzig. Anzetgen-Pret- vre Sgespalteae Prtitzetle »L Nell«««« «uter de« NedaViou»Sr»ch (4 gespülte«) 75 v« b« tzawiliemläch richt« (SgefpaK«) 56 Tabellarischer «ud Htffemsatz «utsprecheub höher. — »ebiibren für Nechrvitslmgeii «d Offerteuaauahm» »5 («ssl. Poet»). «rtm-lveilageu (gesell ,»r «N» tze, Morgai-AuSgab,, etzu, PoftbesSrderuua ^5 50.—» mit PoßdesSrderuug ^5 7V.—» Abvnd-Avsgaber B»r»Nt»Gt W vhr »or,««-»ass»ber N»ch««ttt»gS 4 Ihr. sdck stets « dt» Pi leichte». ^ich^sÄÄÄsr^ch?' Druck «ch Verlag van U. Polg 1» LetpPg. Nr. 8L Montag den 16. Februar 1903. Amtlicher Teil. Die Sparkasse Paunsdorf egpedtert t-skch *«« st—14 Utzr Bar» u«S 2—5 Uhr Rach- MttNOS w» verziusi «Mag« mit 3^gO/o. Letzt« Nachrichten. »Veritt», 1ö. Februar. Das bereits tm AuSzuge mit- SeteNte Bexe-nela-Protokoll lautet: „Art. I. Die venezolanische Regierung erkennt im Prinzip die von der Kaiserlich deutschen Regierung erhobenen Reklama tionen deutscher; Untertanen als berechtigt an. Artikels Die deutsche« Reklamationen aus den venezolanischen Bürgerkriegen von 1898 bis 1900 belaufen sich auf 1718818,07 BolivareS. Die venezolanische Regierung verpflichtet sich, von diesem Betrage 5500 Pfund Sterling gleich 137 500 BolivareS sofort bar zu bezahlen und zur Tilgung deS Restes fünf am 15. Mörz, 15. April, 15. Mai, 15. Juni und 15. Juli 1908 an den Kaiserlich deutschen Gesandte« in Caracas zahlbare Wechsel über entsprechende Tetkbetrltze einzulösen, die Herr Bowen sofort aus stelle» und Herrn Krhrn. Speck von Sternburg übergeben wird. Sollte die venezolanische Regierung diese Wechsel nicht einlöse», ft> soll die Zahlung aus den Zolleinkünften von La Guaira und Puerto Cabello erfolgen, und soll die Zollverwaltung in den beiden Häfen bis zur voll- stärr-i-en Tilgung der erwähnten Schuld belgischen Zoll beamte« übertragen werdcn. Artikel 8. Die in den Artikeln 2 und S nicht erwähnten deutschen Reklamationen, insbesondere die Reklamationen, welche aus dem gegen- wörtigen venezolanischen Bürgerkriege herrühren, ferner die Ansprüche -er Deutschen Großen Benez«ela-Etsen- bahn-Gesellschbfl gegen die oene-olanische Regierung wegen Beförderung von Personen und Gütern, sowie die a«S dem Baue eines Schlachthofes in Caracas entstan denen Forderungen des Ingenieurs Karl Henkel in Ham burg und der Aktiengesellschaft für Beton- und Monier bau in Berlin werde» einer gemischten Kommission über wiesen. Diese Kommission hat sowohl über die materielle Berechtigung der einzelnen Forderungen, wie über deren Höhe zu entscheiden. Bei den Reklamationen wegen widerrechtlicher Beschädigung und Wegnahme von Eigen tum erkennt die venezolanische Regierung ihre Haftpflicht im Prinzip an, dergestalt, daß die Kommission nicht über die Frage der Haftpflicht, sondern lediglich über die Widerrechtlichkeit der Beschädigung oder Wegnahme, so- wie über die Höhe der Entschädigung zu befinden hat. Artikel 4. Die in Artikel 8 erwähnte gemischte Kom mission hat ihren Sitz in Caracas. Sie setzt sich zu sammen aus je einem von der Kaiserlich deutschen und der venezolanischen Regierung zu ernennenden Mitglied«. Die Ernennung hat bis zum 1. Mai 1903 zu erfolgen. Soweit sich die beiden Mitglieder über die erhobenen An sprüche einigen, ist ihre Entscheidung als endgültig anzu sehen, soweit eine Einigung unter ihnen nicht zu stände kommt, ist zur Entscheidung ein Obmann zuzuziehen, der von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ernannt wird. Artikel 5. Zur Befriedi gung der im Artikel 8 bezeichneten Reklamationen, sowie der gleichartigen Forderungen anderer Mächte wird die venezolanische Regierung vom 1. März 1908 ab monatlich 30 Prozent der Zolletnkünfte von La Guaira und Puerto Cabello unter Ausschluß jeder anderen Verfügung dery Vertreter der englischen Bank in Caracas überweisen. Sollte die venezolanische Negierung dieser Verpflichtung nicht nachkommen, so soll die Zollverwaltung in den beiden Häfen bis zur vollständigen Befriedigung der vor stehend erwähnten Forderungen belgischen Zollbeamten übertragen werden. Alle Streitfragen in Ansehung der Verteilung der im Zkbsatz 1 bezeichneten Zolleinkttnfte, so wie in Ansehung des Rechtes Deutschlands, Großbritan niens und Italiens auf gesonderte Befriedigung ihrer Reklamationen sollen in Ermangelung eines ander weitigen Abkommens durch den ständigen Schiebshof im Haag entschieden werden. An dem Schiedsverfahren können sich alle anderen interessierten Staaten den ge nannten drei Mächten gegenüber als Partei beteiligen. Artikel 6. Die venezolanische Regierung verpflichtet sich, die zum größten Teile in deutschen Hän-en befindliche öprozentige venezolanische Anleihe von 1896 zugleich mit ihrer gesamten auswärtigen Schuld in befriedigender Weise neu zu regeln. Bei dieser Regelung sollen die für den Schnldendienst zu verwendenden Staatseinkünfte, unbeschadet -er darauf bezüglich bereits bestehenden Ver pflichtungen, bestimmt werden. Artikel 7. Die von den deutschen Seestreitkräften weggenommenen venezola nischen Kriegs- und Handelsfahrzeuge werden in dem Zustande, in dem sie sich gegenwärtig befinden, der venezo- konischen Regierung zurückgegeben. Aus der Wegnahme dieser Schiffe, wie aus deren Aufbewahrung können keine Entschädigungsansprüche hergeleitet werden. Auch wird ein Ersatz für Beschädigung oder Vernichtung der Schiffe nicht gewährt. Artikels. Nach Unterzeichnung dieses Protokolls soll die über die venezolanischen Häfen ver- hängte Blockade gemeinsam mit den Regierungen Groß britanniens und Italiens aufgehoben werden. Auch werben die diplomatischen Beziehungen zwischen der Kaiserlich deutschen und der venezolanischen Regierung wieder ausgenommen. Washington, den 13. Februar 1903. Freiherr Speck von Sternburg. Herbert W. Bowen." * Berlin, 15. Februar. Die Gerüchte von einer an geblich geplanten Kundgebung der Regierung unter ausdrücklicher Sanktion des Kaisers gegen den Bund der Landwirte mit Bezug auf die Wahlen werden in den Blättern -war lebhaft besprochen, aber auch von den links stehenden für sehr unglaub würdig gehalten. Man traut der Regierung -ie nötige Energie nicht zu. Die „Berl. Börs.-Ztg." schreibt: ,Mir werden an diese Geschichten erst glauben, wenn sie durch Tatsachen belegt worden sind. Zum Nachdenken über ihr Verhältnis zum Bündlertum hat die Regierung gewiß allen Anlaß, aber woher soll ihr die Entschlußkraft zu einem Bruche kommen. An das „zerrissene Tisch tuch" glaubt doch kein Mensch im Ernst." Die „D. V.-Korr." sagt ebenfalls in einem instruktiven Artikel zur Sache u. a.: „Auch in Regierungskreisen ist in der Landwirtschaftlichen Woche von zerschnittenen Tischtüchern nicht viel die Rede gewesen. Es sollen in der Berliner Wilhelmstraße eine ganze Reihe von Diners mit Zuziehung hervorragender Konservativer und Mitgliedern des Bundes der Landwirte statt gefunden haben, ohne daß ein übermäßiger Konsum von Damasttischtüchcrn stattgefunden hat oder von einem Speisen an ungedeckten Tischen die Rede gewesen ist. Konservative, ein Teil der Frei konservativen und wahrscheinlich auch ein großer Teil deS rechten Flügels der Nattonalttberaken werden auch bei den kommenden Wahlen mit dem Bunde -er Landwirte Zusammengehen, wenn es auch in diesem oder jenem Wahlkreise zu einigen mehr oder weniger heftigen Auseinander setzungen kommen sollte." — Der „Frkf. Ztg." wird aus Berlin telegraphiert: „Von den Ge rüchten über eine angeblich bevorstehende Kundgebung der Negierung wegen ihres Verhältnisses zum Bunde der Landwirte ist, wie sich feststellen läßt, jedenfalls die eine 97. Jahrgang. von hiesigen Blättern ausgesprochene Behauptung unrichtig, daß das Staatsministerium sich in einer seiner letzten Sitzungen mit dieser Angelegenheit beschäftigt habe. Ts hat sich nicht damit beschäftigt." — Die „Hamb. Nachr." melden aus Berlin: „Ein parla mentarischer Berichterstatter hatte gemeldet, daß In nächster Zeit eine Kundgebung der Regierung gegen den Bund der Landwirte zu erwarten sei; davon ist an unterrichteter Stelle nichts bekannt. Immerhin würde es im Interesse der ReichSrvgierung liegen, wenn sich bei den bevorstehenden Wahlen alle Parteien, di« für den Abschluß von Handelsverträgen ei »treten, von den radikalen Elementen lvSsagen möchten." * Berlin, 15. Februar. Durch de« Beschluß, die Arbeiten des Reichstages bis zu Ostern zu beenden, ist mich der angeblich geplante Versuch, durch eigene Ini tiative des Reichstages die Vorlage deS neuen Mtlt- tärpensionsgesetzes noch in dieser Tagung her- beiznführen, aussichtslos geworden. Da di« Regie- ruug ihrerseits daran festhält, die Vorlage aus finanz politischen Gründen nicht zu bringe«, so ist damit vor läufig jede Aussicht auf eine baldige Regelung dieser Frage hinfällig geworden. In den interessierten mili tärischen Kreisen wird man von dieser Lage der Dinge sehr wenig befriedigt sein. (Allgem. Ztg.) * Berltu, 15. Februar. Di« Verzögerung der Ver abschiedung des GesetzentwirrfeS über die Kauf- mannsgerichte durch den Bundesrat ist, de» „B. L.-A." zufolge, darauf zurücktzufüchren, daß in dieser Körperschaft (wie bekanntlich auch tm Reichstage und in den kaufmännischen Kreisen selbst) eine starke Strömung zu Gunsten der Angliederung dieser neuen Sondergerichte an die Amtsgerichte vorhanden ist. Der dem BuudeSratr vorliegende Ent wurf schlägt bekanntlich deren Angliederung an die Ge - Werbegerichte vor. * Berlin, 15 Februar Besprechungen, die zwischen den Führern der sog. Zollpartei«« im Reichstage stattgefunden haben zu dem Zweck, ein beschlußfähi ges Haus zusammenzubringen, blieben bisher ohne praktisches Ergebnis Insbesondere herrscht in Anbetracht der D iäten losigkeit bei den süddeutschen Mitglie dern wenig Neigung, nach Berlin zurüctzukehren, nach dem durch Erledigung des Zolltarifs ihr Interesse an -en Reichstagsarbeiten erschöpft ist. kB- L.-A.) P Feuilleton. Ein denkwürdiger Tag ans de« Privatleben Albrechts von Noon. Bon Kedor von Süppen. Nachdruck verboten. Am Nachmittag eines sonnigen Herbsttages (1835), welcher das in der neueren Geschichte Deutschlands so be deutungsvolle Datum deS 2. September trug, ritten durch daS schlesische Hügelland in der Lieguitzer Gegend zwei Offiziere, L«ren Uniform noch den Staub des heute statt gefundenen Manövers zeigte. D«r ein« von beiden, eine hohe, stattliche Erscheinung mit jugendlich frohmütigem Skrtlttz, trug die Infanterieuntform und in den blauen Feldern der Epaul«tten die Nummer 15; den andern machte der schwarze Samtkragen der Uniform als Ar tillerieoffizier kenntlich. AlS sie den Talrand eines kleinen Flüßchens erreicht hatten, welches in tief eingeschnittener Furche bas Ge lände durchzieht, begann der letztere die Weise des Blücherlied«s vor sich hin zu trällern: „Am Wasser der Katzbach, da hat er's auch bewährt, Da hat er den Franzosen das Schwimmen gelehrt" usw. „Jawohl", bestätigte -er andcre, in dem wir den da maligen Leutnant Albrecht von Roon erkennen, „ht«r war es, wo die schlesische Landwehr die Gewehre umkehrte und die Feinde mit den Kolben zurückstieß oder in die Katzbach trieb, und die Katzbach, der von -em anhaltenden Ge witterregen angeschwollcne Fluß, mar unser Verbündeter und erschwerte ihnen -en Rückzug." „Ob wir wohl noch einmal mit diesen Feinden zu tun bekommen werden?" warf der andere fragend ein; „vor einigen Jahren sah es kriegerisch genug aus, jetzt ist wie der alles still." „Unser König will den Frieden", versehte Roon, „trotz dem hat der alte Römerspruch wohl auch noch heute bei uns sein« volle Geltung: 8i ris paeom pars dslluw." Die Retter hatten eine Wendung des Weges erreicht, wo der spitze Turm einer Dorfkirche hinter einer Hügel kuppe sichtbar wurde. „Schau, da ist schon der Turm von Groß-Tinz!" rief der Artillerieoffizier, noch einen schlanken Trab, so haben wir unser Ziel erreicht." „Fast bereue ich jetzt unsern Ritt", bemerkte der andcre, „und besorge, daß unser unerwarteter Besuch ein« kleine Störung in dem Pfarrbause verursach«» könnte." „Darüber glaub« ich Sie beruhigen zu können", tröstete ihn fein Gefährte, „ich hab« die Mutter vom Manöver aus schon mit einigen Zeilen benachrichtigt und sie gebeten, unS in der Pfarrerfamtlie anzumekden; unser Bestich kommt also nicht mwrwartet, wie Sie meinen." Der so sprach, -er Artillerieoffizier, war nämlich der Hauptmann Wolfram, und seine Mutter, die Re gierungsrätin Wolfram, eine Schwester der Mutter Roons. Dieselbe wohnte fett einem Jahre bei ihrem Schwiegersöhne, dem Prediger Rogge, welcher hier in (Aroß-Tinz, bas ist dem Dorfe, dessen Kirchturm wir schon aus -er Kerne gesehen haben, eine angesehene Pfarrstellc inne hatte Noon hatte die Bekanntschaft seines Vetters Wolfram erst zufällig während des Manövers gemacht, und durch ihn von der Anwesenheit seiner Tante, die er gleichfalls noch nicht persönlich kannte, in Groß-Tinz ge hört. Beide Vettern hatten darauf für heute von dem Manvvcrfelde aus ihren Besuch in dem Pfarrhause ver abredet. Sie hatten jetzt durch einen „schlanken Trab" den Eingang des Dorfes erreicht, und -aS Pfarrhaus lag in ländlichem Frieden, aber im Schmucke von Blumen und Laubgewinden gleichsam im Festkleide vor ihnen. Der Zufall hatte eS nämlich gefügt, daß an demselben Tage schon ein anderer hoher Besuch in dem Pfarrhaus«: stattgefunden hatte. König Friedrich Wilhelm III. und seine Gemahlin di« Fürstin Liegnitz, hatten auf der Fahrt von Wahlstatt nach Kapsdorf in dem Pfarrhause zu Groß- Tinz Vorgesprächen, einige Stunden in der Familie des Pastors verweilt, auch eine kleine Mahlzeit daselbst ein genommen und den Eindruck ihrer Huld und Güte zurück gelassen. Unsere Retter batten ihr« Pferde im Gasthofe ab gegeben, ihre Toilette ein wenig gesäubert, und traten jetzt durch -ie bekränzte Tür in das Pfarrhaus ein. DaS erste lebende Wesen, welches ihnen hier entgegentrat, war eiire überaus liebliche Erscheinung, die älteste, siebzehnjährige Tochter -es Pfarrers. Noch in dem weißen Kleide, in dem sie am Vormittage den königlichen Besuch empfangen hatte, einen frischen Blumenstrauß an der Brust, wie sic jetzt, von dem Glanze der Abendsonne umflossen, die Stufen der Treppe hinabftieg, mit den mrbefangen leuch tenden Augen, ein freundliches Willkommen auf den blühenden Lippen, erschien sie dem Leutnant von Roon fast wie ein himmlisches Wesen, und eS ging ihm wohl in diesem Augenblicke, wie dem König Friedrich Wilhelm Hl. — nach seiner eigenen Erzählung — bei der ersten Be gegnung mit feiner unvergeßlichen Luise, und wie Schiller es ausspricht in der „Brant von Messina": „Nicht ihres Lächelns holder Zauber war'S, Di- Reize nicht, die aus der Wange schweben, Selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt, — ES war ihr tiefstes und geheimstes Leben, Was mich ergriff mit heiliger Gewalt, Fremd war sie mir und innig doch vertraut. Und klar auf einmal fühlt' ich'S in mir werden: Die ist eS oder keine sonst auf Evdeul" „Erlaube, liebe Nichte", redete der Hauptnrann Wolf ram sic an, „daß ich dir hier einen bisher noch unbekann ten Onkel vorstelle, von dem du aber gewiß schon gehört hast: den Premierleutnant Albrecht von Roon." „Ich betrachte es als ein besonders günstiges Vor zeichen", fügte dieser sich verneigend hinzu, ,^>aß das erste Willkommen in diesem Hause mir gcrade von Ihnen ge boten wird." Das Fräulein öffnete -ie Tür eines Wohnzimmers und lud die beiden Onkels ein, zu ihren Eltern einzu treten, die ihre herzliche Freude über die Ankunft der lieben Gaste aussprachen. ?luch die Regicrungsrätin Wolfram kam hinzu und begrüßte freudig ihren Neffen. Dieser mußte jetzt viel erzählen von den Verwandten in Pommern, von seiner eigenen bisherigen Laufbahn, seinen Aussichten und Plänen für die Zukunft. Da für stellte der würdige Pfarrer ihn» die Schar seiner Kinder vor, welche — acht an der Zahl — wie die Orgel pfeifen im Zimmer aufmarschiertcn. Die Zukunftsvläne des Leutnants von Noon gewannen gerade jetzt eine neue liebliche Gestalt, die er sich selbst noch kaum auszumalen wagte. Auch nachdem er in sein Quartier zu Liegnitz zurückgekehrt war, stand das Bild deS holden Mädchens noch lebendig vor seiner Seele. Er liebte Anna Noggc, aber nicht mit jener schwärmerischen Liebe versemachender Jünglinge, sondern mit dem männ lichen Wunsch und Willen, das Glück des geliebten Mäd chens zu begründen. Die Einladung des Pfarrhcrrn und seiner Gattin, in Groß-Tinz seinen Besuch in dem Pfarrhause zu wiederholen, sobald das Manöver ibn wie der in die Gegend führen und seine Zeit eS erlauben würbe, blieb nicht unbefolgt. Kaum vierzehn Tage nach seinem ersten Besuch betrat Roon abermals die Schrvclle des Pfarrhauses, diesmal in der Absicht, bet den Eltern des geliebten Mädchens und bei ihr selbst um ihre Hand zu werben. Daß liebliche Kind gestand beschämt, aber offen und unumwunden seine Gegenliebe, »mb der würdige Pfarrherr sagte: „Was Gott -ufämmengefltgt hat, soll der Mensch nicht scheiden." Seit diesem Tage (15. September) nannte Albrecht von Roon Fräulein Anna Rogge sein« verlobte Braut, und gerade ei,» Jahr nach seinen, ersten Besuche in Groß- Tinz, wieder an dem für Roons Leben so boüeutungs- vollen 2. September legte der Prediger Rogge vor dem Altar der Kirche zu Groß-Tinz die Hände seines Töchter leins und des nunmehrigen Hauptmanns Albrecht von Roon -um Ehebande zusammen und flehte GotteS Segen auf -aS glückliche stmge Paar herab. Roon hatte für seine Reise mit der jungen Krau von Schlesien nach Berlin zwei muntere Schimmel gekauft, denen er die süßen Namen „Zucker" nnb „Zimmet" gab. Ein klein«» Gefährt kaufte er in Schlesien, und so führte er wenige Tag« nach der Hochzeit feine junge Gattin mit „Zucker" und „Zinnmt" der neuen Heimat zu. Krau Anna von Noon, geborene Rogge, wurde ihrem Gemahl ein« treue Gefährtin und Beraterin für alle Ver hältnisse seines späteren Lebens. Sic gab ihm den frischen Mut und die stetige Ausdarrer zur Führung und Boll- endung seines Lebenswerkes, in dem Kampfe für die neue preußische Heeresverfassnng mit der preußischen Volks vertretung. Sic bestärkte ihn muh in seinem Gott vertrauen bet den Schwankungen und Schicksalsschlägen -er folgenden Kämpft mtt dem äußeren Feinde. Der Tag, welcher Roon sein höchste- irdisches Glück gebracht hatte, sollte für ihn, durch 35 Jahre im Kreise seiner Familie festlich und froh begangen, ein Tag der Trauer und des tiefsten Schmerzes werden. In der entscheidungsvollen Schlacht bei Sedan finden wir Roon in der Mittagsstunde in der Nähe seines Königs Wilhelm I., als -er eiserne Gürtel »nn die Armee Mac Mahons mit der Erstürinung des Ealvairc d'Illu durch Truppen der deutschen dritten Armee (Kronprinz von Preußen) geschlossen, der Sieg ent schieden ward. ES war der 1. Sepetember — sein Hoch zeitstag. Heute sah Roon seinen stolzen patriotischen Traum erfüllt, das Ziel feines langjährigen Wirk»,« er reicht, er sah die glorreiche Erhebung des Vaterlandes und -es preußischen Königtums über diejenige Macht, welche sich „„gemaßt hatte, die erste Europas sein zu wollen — da kam ihm eine Meldung von einer andern Stell« des Schlachtfeldes, bei welcher sein Vaterherz schnn?rzlich zn- sammenzucktc. Dort bei Daigny am Gwamerbach, wo die Artillerie des Gardckorps durch ihr Feuer das Vorrückcn der Sachsen bei la Mvncell« irnterststtzte, wurde der junge Hauptmann Bernhard von Roon, Chef einer Gardcbattcric und Sobn -es KriegSministerS, schwer ver wundet aus der Frontlinie zurück und auf de», Verband platz — später in ein Schloß bei la Moucelle, dein Grafen Viry gehörig, getragen; die Wunde war tödlich. „Haben wir gesiegt?" fragte der junge Held feinen berbeteileuden Bruder Waldemar, ivelcher als Major nn Generalstabe deS Gardckorps stand, und als dieser ihm antworten konnte, daß einer der glänzendsten Siege, -ft die Geschichte kennt, soeben mit preußischen Waffen und preußischer, Blute errungen worden sei, da leuchtete sein bleiches Ant litz in stolzer Freude, -aß es auch ibm vergönnt gewesen war, mit seinem Blute zur Erkämpfung dieses herrlichen Siege- beantragen. Noch aiss dem Schlachtfeld« empfing Bernhard von Roon das heilig« Abendmahl und sah dann ruhig und gefaßt dem Tode entgegen, der nach zwei Tagen eintrat (8. Sepie,über). So stirbt ein junger deutscher Held, seinen Landesbrüdern z,nn Verbilde Ri« der alte Vater über den Tod seines HeldenfohneS dachte, da« bekunden die schönen Worte die er darüber ans dem Hauptauartier Reims (8. September) an seine Gattin richtete: «Unser Sohn ist uns v o r a n g e g a u g e n", schrieb er, „wa« ist das weiter! Und fein Abgang awS dieser Zeitlichkeit war ehren reich, feine Stc rbeitt»Nb« sanft und selig. Gott sei mit Dir, an diesen, schmerzensreichen Festtage ganz besonders, danfit Dn Seine Nähe deutlich fühlen mögest Gr sei auch mtt Deinem alten Mann."
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