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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030218026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903021802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903021802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-18
- Monat1903-02
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Herbe Ent- täuschung drängte gestern diese zweifelnde Frage aus die Lippen aller derer, die mit zuversichtlicher Gewiß heit darauf gebaut hatten, endlich werde durch eine beschlußfähige Anzahl von Abgeordneten der endlose Faden der sozialpolitischen Debatten und Wahl reden im Reichstage abgeschnitten und die Erörterung in die Bahnen sachgemäßer Behandlung ge lenkt werden können. Eitle Hoffnung! Wenn auch wirk lich einige Abgeordnete dem -ringenden telegraphischen Ruf folgten, so räumten andere dafllr das Feld der Sitzungssaal bietet trotz des vorhergegangenen Erholungstages den Anblick trostloser Verlassenheit. Prozentual scheint das Zentrum am schwächsten ver- treten. Was soll das bedeuten? Der „Natlib. Korresp." steigt der Verdacht eines bestimmten Zweckes für diese glänzenden Lücken aus: „Soll damit eine passive Obstruktion betrieben werden, eine Obstruk tion der Abwesenheit, um die Anwesenheitsgelder, die Diäten, zu erzwingen? Denn bei Fortdauer des gegen- wärtigen Zustandes sind die Geschäfte schlechterdings nicht zu führen. Der ganze Gefetzgebungsapparat kann ab solut nicht funktionieren wie soll der Etat zu stände kommen? Durch Aenderung der Geschäftsord nung? Die „Germania" klopft zwar schon mit der Er örterung einer derartigen Maßregel auf den Busch: aber zu deren Genehmigung mutz doch auch erst wieder ein be schlußfähiges Haus vorhanden sein und der von der „Ger mania" lancierte Vorschlag einer Aenderung der Ge schäftsordnung müßte wiederum die leidenschaftlichsten De batten und Obstruktionsversuche Hervorrufen. Aufallc diese hypothetischen Fragen und Mutmaßungen läßt sich nur mit einer Forderung oder Antwort erwidern: Diäten! Bon der Lösung der Dtätenfrage wird auch wesentlich di« Physiognomie und die Signatur des nächsten Reichs tages abhängen. Soll der Mittelstand eine entsprechende Vertretung finden, so kann dies nur durch Gewährung von Diäten geschehen." — Ueber die heutige De batte läßt sich wenig sagen: auf eine L^stündige Rede des Sozialdemokraten Sachse folgten zwei ebenfalls nicht kurze Erklärungen seitens eines sächsischen und eines preußischen Rsgterungsvertreters, dann die Ausfüh rungen des wildltberalen Abgeordneten Schwarz-Mün chen gegen die übertriebenen Darstellungen MolkcnbuhrS über Bäckerei-Betriebe. Die Aufmerksamkeit wurde jedoch während dieser Rede durch ein trauliches töts-L-tsts am Regicrungstisch zwischen dem Staatssekretär Grafen PosadowSky und vr. Oertel gefesselt. Unter völliger Teil- nahmlosigkeit der Zuhörer mutzten die Abgg. Stockmann lRp.) und Euler (Zentr.s sprechen. Gegen 6 Uhr betrat der sozialdemokratische Abg. Zubeil die Rednertribüne. Immer mehr und mehr leerte sich das Haus: selbst auf -en Bänken der sozialdemokratischen Fraktion waren nur noch 7 treue Genossen zu zählen. Um ^7 Uhr schloß die Sitzung bei Anwesenheit von etwa 10 Abgeordneten. Und morgen gcht die Debatte weiter! „!-» Haine" — kranvaise. Der Pariser „Matin" bat seine belle Freude an dem Haß, der wegen des venezolanischen Streites in England und in den Bereinigten Sraaten von Amerika Deutschland gegenüber zu tage getreten ,st. Das genaiWte Blatt findet solchen Haß zu seinsr Genugtuung in Italien nicht weniger al« in Ungarn und schließlich auch in Rußland. Verant wortlich aber für diesen „Riesenkiach" macht der „Malin" wever den Kaiser, noch den Grafen Bülow; denn der „Matin" schreibt wörtlich: „Es ist der Großvater des Kaiser«, der alte stablgepanzerte König, der nur von Eroberungen und Schlachten träumte, und eS ist sein Meister, der eiserne Kanzler, . . sie sind eS, die ihm (Wilhelm II.) den Haß der Welt eintragen, in den man ibn zu Vieser Stunde wie in einen Schraubstock einschließt. Sie sind eS, Wilhelm von Hobenzollern und LiSmaick von Schönbausen, welche dieses störrische, gereizte, aufreizende Kaiserreich geschaffen haben, daS seit einem Vierteljahrhundert Europa herausfordernd betrachtet und das Europa heule mit scheelen Blicken ansiebt. Sie sind eS, die dadurch, daß sie Deutschland verpreußten, ibm die Sympathie nahmen, die einst seine tiefe Wissenschaft und seine arbeitsame Bescheidenheit umgab; sie sind es, die München seines Kunstscepters und Weimar seiner Dichterkione beraubten; sie sind es, die aus dem Schoße von Sitten, die man gemildert glaubte, tausend barbarische Leiden schaften hervorsprießen ließen. Und der Haß, der zu dieser Stunde allmählich sein Volk (das Volk Wilkelmsll.) überzieht, ist trotz allem ein schöner Haß, denn es ist der Haß gegen die Macht, den D e S p o t i S m u S und die Brutalität." — Für Deutschland ist es überaus lehrreich, zu beobachten, wie der Haß des Auslandes gegen unS den alten Haß Frank reichs geaen Deutschland in bellen Flammen emporlodern läßt. Nicht minder lehrreich ist es, wenn daS Pariser Blatt ganz offenherzig die Begründung des deutschen Reiches als die einzige Quelle des Hasses gegen unS namhaft macht, nicht Deutschlands auswärtige Politik. Die Sehnsucht nach den schönen Zeiten, in denen die Deutschen nur das Volk der Dichter und der Denker waren, wird in der Auslassung deS „Matin" in geradezu klassischer Form lebendig. Leider ist das deutsche Volk nicht in der Lage, sich aus dem endlich geeinten zurückzuverwandeln in das zersplitterte mit all' ver vergangenen Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit. Ladet das deutsche Volk deshalb den Haß deS Auslandes auf seine Schultern, so bleibt ibm nichts anderes übrig, al« sich gegen jenen Haß durch eine Politik besonnener Festigkeit und durch den steten Ausbau seiner Streitkräfte zu Wasser und zu Lande zu wehren, — wie „Wilhelm von Hobenzollern" und „BlSinarck von Schön hausen" eS getan haben. Venezuela. * Wie die „Hallesche Ztg." aus Berlin von unterrichteter Seite erfährt, ist eS nicht unmöglich, daß die bisher noch nicht erledigten Forderungen der Mächte von Venezuela ohne daS Haager Schiedsgericht erfüllt werden.. Den Amerikanern, namenllich Herrn Bowen, muß eS naturgemäß daran liegen, daß der ganze Streit in Amerika selbst ge schlichtet wird. DaS würde der Monroe-Doktrin nach ameri kanischer Auffassung entsprechen. Man hält eS daher in den Berliner politsichen Kreisen nicht für ausgeschlossen, daß die Amerikaner in diesem Sinne auf Venezuela einen Druck auS üben. In ausländischen Blättern wird eS vielfach so dargestellt, als ob Deutschland eine Niederlage erlitten habe, weil nur ein Teil seiner Forderungen erfüllt, ein Teil aber an daS Haager Schiedsgericht überwiesen wäre. Diese Argumentation ,st falsch. Deutichland hat bekanntlich für die Erledigung der in Washington nicht ausgetragenen Forderungen aus eigener Initiative daS Schiedsgericht im Haag selbst vorgeschlagen, und man kann doch nicht folgern, daß eine Regierung eine Niederlage dadurch erleidet, daß ihr eigener Vorschlag angenommen wird. Kommt eS zur Verhandlung einiger Punkte im Haag, so würde das also keinen Erfolg gegenüber unserer Regierung bedeuten, um so weniger, als die in dem deutschen Ultimatum aufgestellten Forderungen in dem Washingtoner Protokoll voll betriedigt sind, — Forderungen, deren Erfüllung Castro früher in nahezu beleidigender Weise verweigert hatte. Durch die Ver handlung des Restes unserer Forderungen vor dem Haager Schiedsgericht würde ihre Erfüllung nur etwas verzögert werden. — Uebrigens benutzen auch die Vereinigten Staaten die gute Gelegenheit, ihre eigenen Forderungen an den Aller weltsschuldner beizubriogen, worüber uns gemeldet wird: * Washington, 17. Februar. Staatssekretär Hay und der Bevollmächtigte Venezuelas Bowen unterzeichneten ein Protokoll, nach welchem in Caracas eine au« einem Venezolaner und einem Amerikaner bestehende Kommission eingesetzt wird zur Regelung der Forderungen der Bereinigten Staaten gegen Venezuela. Wenn die Kommission eine Einigung nicht erzielen kann, solle auf Vorschlag Bowen- die Königin Wilhelmina der Niederlande um Ernennung eines Schiedsrichters- ersucht werden. Königin Wilhelmina willigte ein, vorkommendenfallS einen Schiedsrichter zu ernennen. Der Vertreter der amerikanischen Interessen wird John W. Foster sein. Ueber die Lage iu Venezuela berichtet ein Telegramm aus Willemstad: Am Sonntag wurden in Caracas Plakate an die Mauern angeschlagen mit Inschriften, wie: „Nieder mit Castro!" „Tod Castro!" Das Telegramm meldet weiter, 500 Mann verließen am Sonntag Caracas, um die Aufständischen anzugreifeo, die drei Stunden von der Stadt ständen. Bulgarien und dte makedonische Frage. * Sofia, 17. Februar. In der gestrigen Sobranje er klärte in Beantwortung einer Interpellation über die Auf lösung der makedonischen ComitäS der Minister präsident Daueff, er habe diese Maßregel ergriffen, um die wichtigsten Interessen deS Staates zu erhalten. DaS Fürsten tum Bulgarien sei kein Herd sür die Unruhen in Makedonien; Bulgarien sei ein kleiner Staat, die Lösung der makedonischen Frage hänge nicht von ihm ab. Bulgarien müsse eine Haltung eiunehmen, durch welche eS da« Recht er lange, von den Mächten die Besserung der den Frieden be- drovenden Lage im Nachbarreiche zu fordern. Das Bestreben Bulgariens müsse darauf gerichtet sein, daß die Mächte die Lösung der makedonischen Frage selbst iu die Hand nehmen. Wir haben, führte der Minister auS, in Makedonien keine Eroberungsabsicht und werden glücklich sein, wenn in diesem Lande die Ordnung wiederhergestellt wird und wenn die Menschenrechte unfern dortigen Landsleuten verbürgt werden. In dem Augenblicke, da die Mächte an der Ein- sübrung von Reformen arbeiten, verpflichtet uns der elementarste politische Takt, Ruhe zu bewahren. Wir müssen durch unsere loyale Haltung die Makedonier in der Richtung beeinflussen, daß sie sich nicht von den Gedanken hinreißen lassen, Bulgarien könnte an ihren Bewegungen teilnehmen. Ja dieser Hin sicht werden wir bi« zum letzten Augenblick unsere Pflicht tun. Mögen alle diejenigen, welche auf die Makedonier einen Einfluß ausüben können, diese davon überzeugen, daß sie unter den gegenwärtigen Umständen ruhig blnben müssen und durch ruhiges Verhalten den Mächten sowohl als auch der Türkei die Möglichkeit bieten, die geplanten Reformen zu verwirk lichen. Die obersten Interessen de« bulgarischen Volke» erheischen, daß Friede auf der ganzen Linie herrsche. Chamberlain in Südafrika. Der FriedenSengel Südafrika«, Chamberlain, ist auf dem Rückweg begriffen. Daß er dort nicht viel Ersprießliche« auSgerichtet hat, zeigt dre folgende Meldung: * Paarl (Kaplaad), 17. Februar. Unter den Begrüßungs adressen, die Chamberlain bei seinem Eintreffen hier überreicht wurden und in denen die Hoffnung auf eine Bereinigung der weißen Rassen in Südafrika ausgesprochen wird, befand sich auch eine Adresse der deutschen Einwohner PaarlS. In seiner Erwiderung sagte Chamberlain, daß er sich freue, eine Adresse von deutschen Genossen in der Kolonisation zu erhallen. Er hob die Loyalität und daS gute Verhalten der Deutschen unter britischer Flagge hervor und begrüßte sie alS britische Untertanen, deren Vorrechte ihnen, wie er hoffe, niemals entzogen würden, vorausgesetzt, daß sie dieselben nicht dazu benutzten, Englands Stellung zu untergraben. Der gegenwärtige Zu st and sei nicht zufriedenstellend. Die Männner seien einander entfremdet und die Familien durch Feindseligkeiten geschieden. Sie müßten darauf bedacht sein, daß sie einig sein müßten, wenn sie in Zukunft zusammen arbeiten sollten. Sehr schmeichelhaft für die deutschen Kolonisten ist e« jedenfalls, wenn Chamberlain in einem Atem ihre Loyalität lobt und anzweifelt. Er scheint ihnen zuzutrauen, daß sie gegen England zu wühlen beabsichtigen. Geht eS dann mit der englischen Segensherrschaft schief in Südafrika, so braucht man io England nicht lange nach dem Sündenbocke zu suchen. Aus Johannesburg, 25. Januar, schreibt mau unS: Chamberlain, der englische Kolonialminister, hat Johannesburg wieder verlassen; auf daS Alltagsleben der Goldstadt hat seine Anwesenheit so gut wie keinen Einfluß gehabt. Nur zweimal bat man Gelegenheit gehabt, ibn in den Straßen der Stadt zu sehen; das erste Mal, als er auf Umwegen zwei Goldminenwerke besuchte, das andere Mal, als er die Be- grüßungsadrefsen derKaufmannschaft, der Börse und der Stadt vertretung enlgegennahm. Bei diesen Gelegenheiten wurden recht lorzfältige Anordnungen zur Sicherheit dieses hochgestellten engliichen Staatsmannes getroffen; u. a. wurde daS Publikum in geschickter Weise darüber irregeleitet, auf welchem Wege der hohe Schutzbefohlene sein Ziel erreichen würde. Im ganzen ist Chamberlain» Aufenthalt, sein Tun und Handeln in ein gebermorSvolle« Dunkel gehüllt worden; mit dem Empfange und dem Besuche öffentlicher Interessenten ist Chamberlain in einem Tage fertig geworden. Beim Festdiner zu seinen Ehren hat er eine große Rede gehalten, welche heute nach acht Tagen vergessen zu sein scheint. Wie der Friedens schluß, so hat auch die Gegenwart Chamberlains entgegen allem Erwarten eine große Enttäuschung gebracht: die Börse geht herunter. Uov is tbs muxjret? Die Frage nach dem Verhallen der Börse nimmt in Johannes burg etwa die Stelle deS „wie geht'S?" eia, davon hängt alles ab. AuS dem Niedergang de« Börsen geschäfts darf man wohl schließen, daß der Besuch de« englischen Minister» den beabsichtigten Erfolg nicht gehabt bat. Seine Abreise vollzog sich in ähnlicher Weise, als feinet Ankunft» doch war die Teilnahme der Bevölkerung an den Abschiedszeremonien kaum nennenswert. Wie groß die Enläuschung im Lande über den Besuch deS Ministers und seine bisherigen Ergebnisse ist, beweist daS hier allgemein umgehende Gerücht, daß große politische Bewegungen im Transvaal in kurzer Zeit zu erwarten seien. Ueber die Art und Ziele der Bewegung ist näheres noch nicht bekannt. Doch heißt eS, daß nur die britische Bevölkerung an der Bewegung teilzunehmen scheint; die Unzufriedenheit bat sich seit dem Nichterfüllcn aller Verheißungen auf die Segnungen der britischen Regierung in dem Maße gesteigert, daß der Unwillen sich, wie eS scheint, nicht länger mehr zurückhallen läßt. — Man meldet uns noch: * Kapstadt, 17. Februar. Chamberlain ist hisr eingelroffen und beim Gouverneur der Kapkolonie obgestiegeu. Feirilleton. is, Dunkle Wege. Roman von I. v. Conring. iiiawdruck verboten. ,LSir werden gewiß bald gute Freunde werden, Kurt, meinst du nicht auch?" Kurt nickte und sah der alten Dame, die eben eintrat, neugierig entgegen. Sie hatte ein liebes, sanftes Gesicht unter silbergrauem Haar. Ihre kleine, feine Gestalt war in tiefe Trauer gekleidet. Rvoncck stellte die Damen ein ander vor. „Bitte, Frau Hindeberg", sagte er, „übernehmen Sie dte Sorge für unseren kleinen Gast. Er bekommt ein Zimmer nebten dem von seiner Mutter und geht am besten sehr bald zu Bett. Vorher muß er essen, recht viel und recht Gutes, alles, was er gern hat. Und dann, Sie sehen, ein wenig nach seinem Rücken, den Sie wohl verbinden müssen; das arme Kind leidet sehr und muß recht gepflegt und gut gezogen wlerden." Mit einem Blick mütterlicher Güte nahm die Alte des Knaben Hand: „Komm nur, wir wollen schon miteinander fertig wer den. Du mußt einmal mit mir in die Speisekammer kommen und aussuchen, was dir gefällt." Rooneck schob seinen Stnhl näher an den von Kon stanze. „Nun sind wir ungestört. Sagen Sie mir alles. Ich sehe, Sie bedürfen meiner Hülfe und vor allem wohl für Ihren Sohn. Ich werde sehr glücklich und dankbar sein, wenn Sie mir Gelegenheit geben, Ihnen einen Dienst leisten zu dürfen." Zwei Stunden waren vergangen. Konstanze sprach noch immer. Rückhaltlos, ohne anzuklagen oder zu ent schuldigen, entrollte sic ihrem Zuhörer das Bild der ver gangenen Jahre. Es fiel ihr nicht ein, sich in ein ver klärende» Licht zu stellen — offen und ehrlich nahm sie ihren Anteil an Schuld und Unrecht auf sich. Aber eins stand in ihr fest, unumstößlich, unerschütterlich — einerlei, M» stch sh« eigen«» Geschick gestalten sollt« —, Kurt mußt« der Gewalt seines Vaters auf immer entzogen werden. Wie dies geschehen sollte, mit welchen Mitteln eS sich er reichen lassen würde, das vermochte sie nicht zu sagen. Aber in ruhigem Vertrauen sprach sie es aus: „Sie werden es wissen. Sie werden den Weg dazu finden." Ihre stille Zuversicht rührte und ergriff ihn. Nun hatte er dte lange Geschichte dieser Ehe vernommen und mit bitterem Weh gesehen, wie die Frau, die einst seines Lebens höchstes Kleinod gewesen, von der rohen Faust eines Elenden herabgezerrt, entwürdigt, gebrochen war, ohne daß sich eine Hand zu ihrer Hülfe ausgestrcckt hatte. In finsteres Sinnen verloren, lehnte er am Kamin. Hin und wieder warf er eine Frage ein, sachlich und kühl, bis die ganze traurige Situation vor seinen Blicken klar dalag: „Nicht wahr, Sie überlassen mir alles?" „Wie sollte ich nicht? Wenn Sie sich wirklich meiner annehmen wollen, danke ich cs'Ihnen aus tiefster Seele. ES kann ja niemand verlassener und freundloser sein, als ich es bin. Wenn es nicht um Kurt wäre, ich würde Sie auch nicht in mein Schicksal hincingczogen haben." „Das klingt ja völlig resigniert", lächelte er. „Haben Sie denn allen Mut verloren?" „Mir ist, als ob ich nie welchen gehabt hätte", sagte sie wehmütig. „Immer war ich schwankend und zaghaft, wenn mir ein mutiger Entschluß notgetan hätte. Nietn Vater duldete keinen Willen neben dem seinen — so ist es wohl gekommen, baß ich auch später nicht gelernt habe, mein Recht zu wahren. Und dann, mich neben van Harpen zu behaupten wäre mir wühl unter keinen Umständen ge- lungen. Mit ihm ist jede Verständigung unmöglich. Weil ich ihn so genau kenne, deshalb möchte ich noch einmal bitten, geben Sie den Plan auf, mit ihm persönlich zu ver- handeln. Sie würden nichts erreichen. Nur sich selber in Gefahr bringen. Nehmen Sie meine Warnung nicht so leicht. Van Harpen kennt sich in seiner Wut nicht. Sie wären Ihres Lebens nicht sicher." Sie sprach immer erregter und sah Rooneck flehend an. „Sie versprachen mir, alles in meine Hand zu legen. Ich habe Ihre Sache zu der meinen gemacht und werde sie durchführen, so gut es geht. Da» Wie und Wo aber müssen Si« mir überlasse«. «» hat keinen Zweck, jetzt dar über zu sprechen, besonders, da ich noch selbst nicht weiß, was ich tnn werde. Ich verspreche Ihnen aber gern, mich keiner unnötigen Gefahr auszusetzen; das kann ich um so leichter, als ich vermute, daß Herr van Harpen sich sehr besinnen wird, ehe er gegen mich mit ungesetzlichen Mitteln vorzugehen wagt. Aber nun ist es für heute abend genug, gnädige Frau. Sie sind zum Tode erschöpft und bedürfen der Ruhe. Ich heiße Sie noch einmal in meinem Hause willkommen. Frau Hindeberg wird da für sorgen, daß Sie ein behagliches Zimmer bekommen. Nicht wahr, Sie werden jetzt nur daran denken, daß Sie in Sicherheit sind und fest und ruhig schlafen müssen!" Sie nickte. Es war, als ginge mit dem Druck seiner starken, warmen Hand ein Strom von Kraft und Ruhe über sie. Ae empfand seine Nähe wie eine unsägliche Wohltat — wie ein Aufatmen nach langer Marter. An Noonccks Arm ging sie die Treppe hinauf in das hübsche, warme Zimmer, wo Frau Hindoberg ihrer wartete. Kurt schlief ganz fest. Frau Hindeberg hatte Tränen in den Augen, als sie von ihm sprach. Konstanze genoß etwas und legte dann mit einem Gefühl des Ge borgenseins den müden Kopf auf das Kissen. Rooneck ging noch lange mit düster gefalteter Stirn in seinem Zimmer auf und ab. Er stellte sich die Verhand lung mit van Harpen weder leicht noch erfreulich vor. Daß ihm das Gesetz eine Handhabe gegen den Gewissen losen geben würde, glaubte er nicht. Natürlich war eS ausgeschlossen, daß Kurt in die Hände seines Peinigers zurückkehrte. Aber wenn van Harpen behauptete, daß die Mißhandlung des Kindes ohne sein Wissen und gegen seinen Willen geschehen sei, wer wollte ihm das beweisen? Und waS sollte ihn be wegen, Kurt und mit ihm Konstanze freizugeben — wenn ihn nicht etwa seine zerrütteten Verhältnisse dazu zwingen würden? Ja, da lag's! Das war der Punkt, an dem Rooneck einsetzen mußte, obwohl eS ihm undenkbar vorkam, daß der Mann so tief gesunken sein könnte, sich Frau und Kinder abkaufcn zu lassen. Rooneck überlegte daS mit banger Torge. Und so sehr er wünschen mutzte, van Harpens Einwilligung zu erlangen — daS Niedrige deS Handels widerte ihn an. Aber e» blieb nichts übrig, al» den Versuch zu wagen. Der Rechtsanwalt in Münster, den Rooneck am nächsten Morgen aussuchte, wußte auch keinen besseren Rat. Er schrieb einen Revers nieder, in dem van Harpen gegen eine näher zu vereinbarende Summe in aller Form auf sein Bestimmungsrecht über Kurt verzichtete. „Scheu Sie zu, daß der Mann das unterschreibt, Herr von Rooneck", meinte der Anwalt. „Auf alle Fälle wollen wir das Vormundschaftsgericht in Kenntnis setzen." Rooneck rüstete sich zur Reise. Da er aber eine größere Summe mitnehmen wollte, ging das nicht so schnell, wie er gewünscht hätte. Er war zu peinlich gewissenhaft, um längere Zeit mit Konstanze unter einem Dache zu wohnen. Er hatte sie nie vergessen können, und die blasse, freund lose Frau stand seinem warmen Herzen, seinem ritter lichen Empfinden mindestens ebenso nahe, als einst das blühende Mädchen, um das er werben durfte. Ihm, dem strengen Katholiken, blieb Konstanze das Weib eines an deren, selbst dann, wenn die bürgerliche Scheidung aus gesprochen worden wäre. Rooneck wollte sich nicht in Versuchung bringen, um so mehr, als die schmerzliche Süßigkeit ihrer Nähe schon eine Gefahr für seine Ruhe bedeutete. Wie ein Mvndcnstrahl, leise und zart, glitt sic durch das alte, graue. Haus. Ter weiche Toxi ihrer Stimme berührte ihn wie eine Liebkosung und der scheue, traurige Blick, der bisweilen wie in flehender Bitte aus ihm haftete, machte sciu Herz stürmisch klopfen. Er schalt sich selber über solche Schwäche und zwang sich zu ruhiger Kühle. Sie war seiner Großmut schutzlos anheim ge geben und sein Gast, ihm dadurch aber noch tausendmal heiliger. Sic selber sprach von Abreise. Eine kleine, ganz stille Wohnung in Münster, wo niemand sic suchen würde, weit draußen im Grünen. Das wünschte sie und erwähnte es mehrfach. Rooneck war dagegen: „Ich halte alle Pläne für verfrüht. Wenn ich in Walddorf etwas erreicht habe, sprechen wir weiter davon. Bis zu meiner Rückkehr bleiben Sie jedenfalls in Gerdringcn unter Frau Hindebergs Schutz." Sie fügte sich. Rooneck reiste ab und Konstanze er wartete seine Rückkehr in gefaßter Ruhe. Sie war so er geben, daß Frau Hindeberg, die ganz genau wußte, wa» für Mutter und Kind auf dem Spiele stand, im stillen ver- wundert war: Ta» hatte doch etwa» Unnatürliche», wenn man sich in solcher Lage benehmen konnte, wie immer, km
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