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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030220017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903022001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903022001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-20
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Er ist vollkommen klar von deu Zuhörer» verstände« worden und mußte daher so bleiben. CS ist mir aber sehr lieb, daß durch Ihre Anfrage diese Materie de« zweiten Vortrag« nochmal angeschnitten ward, und ich ergreife gerne diese Gelegenheit, nach Durchlesen deS Abzuges nochmals meine Stellung ganz klar zu präzisieren. Während einer Abendgesellschaft bei unS hatte Professor Delitzsch Gelegenheit, mit Ihrer Majestät der Kaiserin und General-Superintendent Dryander eingehend mehrere Stunden zu konferieren und zu debattieren, wobei ich mich zuhörend und passiv verhielt. Er verließ dabei leider den Standpunkt de« strengen Historikers und Assyriologrn und geriet in theo logisch-religiöse Schlüffe und Hypothesen hinein, welche doch recht nebelhaft oder gewagt waren. Als er aber auf das neue Testament kam, wurde es bald klar, daß er bezüglich der Person unseres Heilande» so ganz ab weichende Anschauungen entwickelte, daß ich ihm darin nicht nur nicht folgen konnte, sondern einen meinem Standpunkte diametral entgegengesetzten konstatieren mußte. Er erkennt die Gottheit Christi nicht an, und daher soll al» Rückschluß auf da« alte Testament diese« keine Offenbarung auf denselben al« Messias enthalten. Hier hört der Affyriologe und for schende Geschichtsschreiber auf und der Theologe mit allen seinen Licht- und Schattenseiten setzt ein. Auf diesem Gebiet kanu ich nur dringend ihm raten, nur sehr vorsichtig Schritt vor Schritt zu geben und jedenfalls seine Thesen nur in theologischen Schriften und im Kreise seiner Kollegen zu venti- lieren, uns Laien aber, und vor allem die Orientgesellschast, damit zu verschonen; vor deren Forum gehört daS Alles nicht. Wir graben aus und lesen, was wir finden, und geben da« heraus zum Wohle der Wissenschaft und Geschichte, aber nicht um Religions-Hypothesen Eine« unter vielen Ge lehrten begründen oder verfechten zu helfen. E« ist eben bei Delitzsch der Theologe mit dem Historiker auf und davon gegangen, und dient der Letztere nur noch al« Folie für de« Ersteren. Ich finde e« schade, daß Delitzsch nicht bei seinem ursprünglichen Programme ge blieben ist, welche« er im vorigen Jahr entwickelte: Nämlich auf Grund der Fund« unserer Gesellschaft nach Wissenschaft- lich erprobter Uebersetzung der Inschriften zu vergleichen, inwiefern dieselben eine Illustration zu der Chronik de« Volke« Israel enthalten, d. h. Aufklärung über geschichtliche Ereignisse, Sitten und Gebräuche, Neberlirferungen, Politik, Gesetzgebung usw. Mit anderen Worten, inwiefern die unleug bar und mächtige hochentwickelte babylonische Kultur in Wechsel beziehung zu den Israeliten stand, auf sie rinwirken konnte, j- sogar ihnen einen Stempel aufdrücken mochte. Und dadurch eine gewifseEhrenret tung—vom rein menschlichen Standpunkte au«— für die im alten Testament gewiß recht kraß, scheußlich und «inseitig dargestellten Babylonier zu erwirken. Da« war seine ursprüngliche Absicht — wie ich sie wenigsten« auffaßte — und ein sehr reichhaltige« und un« allen interessante« Gebiet, dessen Durchforschung, Erhellung und Erklärung un» Laie« im höchsten Maße interessieren muß und ihm zu höchstem Dank verpflichtet. Aber dabei mußte er nun auch bleiben. Er hat aber leider im Feuereifer da« Ziel überschoffe«. Wir nicht ander« zu erwarten, haben die Grabungen Mitteilungen zu Tage gefördert, welche auch auf da« religiöse Gebiet im alten Testament Beziehung haben. DaS Faktum hätte er rubrizieren muffen und Coincidenzen — wo solche vorkamen — hervorheben und erläutern können, aber alle rein religiösen Schlüffe dem Zuhörer selbst zu ziehen über lasten müssen. So wäre seinem Vortrag Interesse und Wohlwollen de« Lairn-PublikumS voll erhalten worden. Da« hat er leider nicht getan. Er hat in sehr polemischer Weise sich an die OffenbaruogSfrage herangemacht und die selbe mehr oder minder verneint bezw. auf historisch rein menschliche Dinge zurückführen zu können vermeint. Da« war ein schwerer Fehler. Denn er lastete damit manchem seiner Hörer an sein Innerstes und Heiligste«. Und ob berechtigt oder unberechtigt — da« ist hier für den Augen- blick ganz einerlei, da e« sich nicht um eine pure wissen schaftliche Versammlung von Theologen, sondern um Laien aller Stände und Geschlechier handelte — hat er Manchem.LiebliogSvorstellirngen oder gar Gebilde umgestoßen oder «»gerempelt, mit welchen diese Leute heilige und teure Begriffe verbinden, und ihnen unzweifelhaft daS Fundament ihres -lob«« „schütter^ Wen» »ich» entzog«», -ine Tat, an die nur ein gewaltiges Genie sich heranwagen dürfte, zu der aber da- bloße Studium der Assyriologie noch nicht be rechtigt. Goethe behandelt diese Angelegenheit auch einmal, indem er au-drücklich darauf aufmerksam macht, man müsse sich vorsehen, bei einem großen allgemeinen Publikum auch nur „Terminologiepagoden" entzwei zu machen. Es ist dem vortrefflichen Professor in seinem Eifer der Grundsatz etwa« entgangen, daß r« gar sehr wichtig ist, genau zu unter scheiden zwischen dem, was angemessen ist, dem Ort, Publikum usw., und wa» nicht. Als Theologe von Fach kann er für seinen Kollegenkreis Thesen, Hypothesen und Theorien sowie Ueberzeugungen aussprechen in Fachschriften, welche nicht angängig auszusprechen sein würden in einem populären Vortrag oder Buch. Ich möchte nun noch einmal auf meine» persönlichen Standpunkt bezüglich der OffenbarungSlehre oder Anschauung zurückkommen, wie ich ihn Ihnen, mein lieber Hollmann, und anderen Herren auch deS Oefteren schon auSeiuaudergesetzt habe. Ich unterscheide zwei verschiedene Arten der Offen barung: eine fortlaufende, gewissermaßen historische und eine rein religiöse, auf die spätere Erscheinung deS Messias vor bereitende Offenbarung. Zur ersten ist zu sagen: ES ist für mich keinem, auch nicht dem leisesten Zweifel unterworfen, daß Gott sich immerdar in Seinem von Ihm geschaffenen Menschengeschlecht andauernd offenbart. Er hat dem Menschen „Seinen Odem eingeblasen", d. h. ein Stück von sich selbst, eine Seele gegeben. Mit Vaterliebe und Interesse verfolgt er die Entwicke lung des Menschengeschlechts; um es weiter zu führen und zu fördern, „offenbart" er sich bald in diesem oder jenem großen Weise», oder Priester oder König, sei eS bei den Heiden, Juden oder Christen. Hammurabi war einer, MoseS, Abraham, Homer, Karl der Große, Luther, Shakespeare, Goeihe, Kant, Kaiser Wilhelm der Große. — Die hat Er ausgesucht und Seiner Gnade gewürdigt, für ihre Völker auf dem geistige» wie physische» Gebiet »ach sei««»: Willen Herr liche», Unvergängliches zu leisten. Wie oft hat mein Großvater diese« nicht ausdrücklich betont, er sei ein Instrument nur in de« Herrn Hand. Die Werke ver großen Geister sind von Gott den Völkern geschenkt, damit sie an ihnen sich fortbilden, Weiter sühlen können durch da« Verworren« des noch Unerforschten hinieden. Gewiß hat Gott, der Stellung und Kulturstufe der Völker entsprechend, den verschiedenen sich verschieden „geoffenbart", und tut da« auch noch heute. Denn so wie wir am meisten durch die Größe und Gewalt der herrlichen Natur der Schöpfung überwältigt werden, wenn wir sie be trachten, und über die in ihr offenbart« Größe Gottes bei ihrer Betrachtung staunen, ebenso sicherlich können wir bei jedem wahrhaft großen und herrlichen, wa« ein Mensch oder ein Volk tut, die Herrlichkeit der Offenbarung Gottes darinnen mit Dank bewundernd erkennen. Er wirkt un mittelbar auf und unter uns ein! Die zweite Art der Offenbarung, die mehr religiöse, ist di«, welche zur Erscheinung des Herrn führt. Bon Abraham an wird sie eiogeleitet, langsam, aber vorausschauend, allweise und allwissend, denn die Menschheit war sonst verloren. Und nun beginnt da» staunenswerteste Wirken, Gottes Offenbarung. Der Stamm AbrahamS und daS sich daraus ent wickelnde Volk betrachten al« Heiligstes mit eiserner Kon sequenz den Glauben an «inen Gott. Sie müssen ihn hegen und pflegen. — In der egyptischen Gefangenschaft zersplittert, werden die zerteilten Stücke von MoseS zum zweiten Male zusammengeschweißt, immer noch bestrebt, ihren „Monotheismus" frstzuhalten. Es ist daS direkte Eingreifen Gottes, daS dies,« Volk Wiedererstehen läßt. Und so geht eS weiter durch die Jahrhunderte, bi- der Messia», der durch die Propheten und Psalmisten verkündet und »»gezeigt wird, endlich erscheint. Di« größt« Offen barung Gottes in der Welt! Denn Er erschien im Sohne selbst; Christus ist Gott; Gott i» menschlicher Gestalt. Er erlöste uns. Er feuert un« an, e« lockt uns, ihm zu folgen, wir fühlen sein Feuer in un- brennen, sein Mit leid uns stärken, seine Unzufriedenheit un« ver nichten, aber auch seine Fürsprache u»S retten. SiegeS- grwiß, allein auf Sein Wort bauend, gehen wir durch Arbeit, Hohn, Jammer, Elend und Tod, denn wir haben in Ihm Gottes offenbartes Wort und er lügt niemals. Das ist mein« Ansicht Uber diese Frage. Da« Wort ist insbesondere für uns Evangelische Alle« durch Luther geworden, und al- guter Theologe mußte doch Delitzsch nicht vergessen, daß uuser großer Luther un« singen und glauben gelehrt: »Da« Wort sie sollen lassen stahn!" E- versteht sich für mich von selbst, daß da« alte Testament eine große Anzahl von Ab schnitten enthält, welche rein menschlich historischer Natur sind und nicht „Gotte» geoffenbarte« Wort". E« sind rein distorische Schilderungen von Vorgängen aller Art, welche sich in dem Leben- de- Volkes I-rael auf politischem, religiösem, sittlichem und geistigem Gebiet deS Volke« voll ziehen. Wie ,. B. der Akt der Gesetzgebung am Sinai nur symbolisch als von Gott inspiriert angesehen werden kann, al« Moses >» einer Auffrisch»»« vielleicht altbekannter Gesetzesparagraphen (möglicherweise dem Kodex Hammurabis entstammend) greifen mußte, um daS in seiner Zusammen setzung lockere und wenig widerstandsfähige Gefüge seine« Volke« zusammenzufaffen und zu binden. Hier kann der Historiker auS Sinn oder Wortlaut vielleicht einen Zusammenhang mit den Gesetzen Hammurabis, deS Freundes AbrahamS, konstruieren, der logisch vielleicht richtig wäre; daS würbe aber niemals der Tatsache Eintrag tun, daß Gott MoseS dazu angeregt und insofern sich dem Volke Israel geoffenbart hat. — Daher ist es meine Auffassung, daß unser guter Professor hinsürder lieber die Religion als solche bei seinen Vor trägen in unserer Gesellschaft anzuführen und zu behandeln vermeidet. Dagegen was die Religion, Sitten rc. der Baby lonier rc. in Beziehung zum alten Testament bringt, ruhig schildern möge. Für mich ergibt sich daraus die nachstehende Schlußfolgerung: a. Ich glaube an Einen, Einigen Gott. d. Wir Menschen brauchen, um ihn zu lehren, eine Form, zumal für unsere Kinder. ' o. Diese Form ist bisher daS alte Testament in seiner jetzigen Überlieferung gewesen. Diese Form wird unter der Forschung und den Inschriften und Grabungen sich entschieden wesentlich ändern; daS schadet nichts, auch daß dadurch viel vom Nimbus deS auSerwählten Volkes verloren geht, schadet nichts. Der Kern und Inhalt bleibt immer derselbe, Gott und sein Wirken! Nie war Religion ein Ergebnis der Wissenschaft, sondern ein Ausfluß deS Herzens und Seins deS Menschen aus seinem Verkehr mit Gott. Mit herzlichstem Dank und vielen Grüßen stets Ihr treuer Freund gez.: Wilhelm I. k. k. 9. Sie können von diesen Zeilen den ausgiebigsten Gebrauch machen; wer will, kann sie lesen. Jesuitismus und Protestantismus. v. L. L. Was wollen die Jesuiten? — Darf man ihren und der jesuitischen Schutztruppe Versicherungen glauben, so sind sie für den Staat wertvoll als die besten Bekämpfer der Sozialdemokrat«. Ein StaatSmaun erster Größe freilich, Fürst Bismarck, hat gegenüber der Ansicht, daß die Jesuiten die Klippe wären, an welcher die Sozial demokratie scheitern würde, erklärt: „DaS glaube ich nicht; die Jesuiten werden schließlich die Führer der Sozialdemo kratie sein!" Oder sollen die Jesuiten innerhalb der katho lischen Kirche als Seelsorger ein Bedürfnis sein? Ein schlechteres Zeugnis könnte sich diese Kirche mit ihrer großen Zahl von Priestern, Mönchen und Nonnen, welche in Deutsch land und besonders in Preußen von Jahr zu Jahr in über raschender Weise steigt, nicht ausstellen. Es bleibt also nur noch die Möglichkeit, daß die Jesuiten zum Kampfe gegen den Protestantismus bestimmt sind. Wenn die Lobredner der Jesuiten unter sich sind, geben sie e« mit Stolz zu, daß der Orden eigentlich ein Kampforden gegen den Protestantismus ist. So hat, um nur dies eine Beispiel anzuführen, der Zentrumsabgeordnete Eduard Fuchs am 16. Oktober 1890 in Köln offen erklärt: „entsprechend der Absicht des Gründers widmete der Orden von anfang an seine Haupttätigkeit der Bekämpfung der Irrlehren in den europäischen Ländern, in Italien, Spanien, Frankreich, England und Deutschland". Gilt es aber, kurzsichtige Regierungen oder die urteilslose öffentliche Meinung einzuschläfern, so wird keck jegliche Be ziehung des Jesuitenorden« auf den Protestantismus ab geleugnet. Mit besonderem Nachdruck wird dabei darauf hingewiesen, daß der Stifter des Ordens gar nicht den Protestantismus im Auge gehabt haben kann, da er als Spanier die deutsche Reformation gar nicht kennen gelernt haben soll. Ganz abgesehen davon aber, daß wir in dem Grundplan der Gesellschaft Jesu lesen, daß die Ordens- Mitglieder unbedenklich überall hingehen würden, wohin der Papst sie senden würde, „sei e« zu den Türken, sei eS zu andern Ungläubigen, auch nach Indien, sei eS zu irgend welchen Häretikern oder Schismatikern oder auch zu Gläubigen." — „Häretiker" aber ist der in der römischen Klrchensprache betitelte Ausdruck für die Protestanten — so zeigen die von spanischen Jesuiten veröffentlichten Briefe de« Ignatius von Loyola zur Genüge, daß derselbe den ProtestantiSmu« sehr wohl gekannt und die Bekämpfung desselben sehr bald als Lebenszweck und ArbeitSziel seines Orden- erkannt hat. Auch läßt naturgemäß Ignatius in feinen Briefen sich mehr gehen als in amtlichen Auslassungen und geht mehr au« sich heraus mit seinen Ansichten über den ProtestantiSmu« und die Art seiner Bekämpfung, auch im einzelnen. In einem Schreiben an die Regentin der Niederlande, Maria von Ungarn, zu Gunsten der Gründung eine« Jesuitenklosters in Löwen au« dem Jahre 1550 erklärt Jgnatiu« unter anderem al« Zweck seine« Orden«, daß „sie mit all ihren Kräften dem Unternehmen der Häretiker Widerstand leisten, jeder nach Maß gabe de« Talents, da« er von Gott empfangen hat". Oft gibt er auch al« hervorragenden ArbritSzweck seiner Gesellschaft an, daß sie der Sache der Religion in Ober- und Niederdeutschland zuHülfe kommen wolle. Er betont, daß sein Orden besonder« gute und erfolgreiche Mittel zur Be kämpfung der Ketzerei nach allen Kräften bereiten müsse. Demnach kann man mit Fug und Recht von einer grundsätzlichen und rötlichen Feindschaft de« Ignatius und sein,» Orden« gegen dea Pror,stanti«mu« reden. Dem ,»»spricht »un auch sein tatsächliche Verhalten gegen dir Ketzerei und die Wirksamkeit, welche er ihr gegenüber ausübte oder auSgeübt wissen wollte. So beglückwünscht er 1554 den Vikar von Genua, daß er, sobald sich dort ein Zweig der ketzerischen Pestilenz zu zeigen begonnen, gleich die heilsame Medizin dagegen anaeweudet habe. 1553 erklärte er, daß der Orden seine Hülfe besonders Deutschland, England und den oördlichrn Ländern an gedeihen lassen müsse, welche durch da« schwerste Uebel der Ketzerei in Gefahr seien, und ordnete eine Messe und Fürbitte für diese Länder an. Bei de» Vorverhandlungen über die Gründung eines Jesuitenkolleg« in Ingolstadt be zeichnet er 1551 dem Herzog Wilhelm von Bayern al« Auf gabe seines Ordens die zahlreiche Heraubilduug eine-Klerus, der fähig ist, den Ketzern Widerstand zu leisten. ES macht seiner Klugheit alle Ehre, daß er in der Bekämpfung der Ketzer vorschlägt, man solle die Lieb« zeigen, die man für die Rettung der Fremden habe und ihre Widerlegung unternehmen mit Eifer für die Rettung der Seeleu und mit Erweis von Mitleid, um sie desto leichter bekehren zu können. In einem Schreiben an Canisiu« vom 18. August 1554 entwirft er einen förmlichen Krieg-plan für die Iesurten gegen den ProtestantiSmu«. König Ferdinand I. soll dahin gebracht werden, sich al- offenen Feind der Ketzerei zu bekennen, keinen Ketzer in seinem Rate dulden, dieselbe» von alle» Armteru fernhalten und erklären, daß jeder der Ketzerei Ueber- führte oder schwer Verdächtige von Ehren und Reichtümern ausgeschlossen werden und diese ihm sogar noch genommen werden sollen. Seien erst wirklich einige Ketzer mit dem Tode, mit Gütereinziebung und Verbannung bestraft, so daß man sehen könne, daß die Sache der Religion nun mit Ernst auf gegriffen werde, dann werde dies Heilmittel nur um so mehr wirken. Alle ketzerischen Bücher sollen auf-espürt und verbrannt oder aus dem Reiche hinauSgeschaffl werden. Der Ketzerei beschul digte Geistliche sind abzusetzrn, denn besser eine Herde ohne Hirt als statt des Hirten ein Wolf. Freilich will er von der Verhängung der Todesstrafe und förmlicher Einrichtuug einer Inquisition gegen die Ketzer nicht sprechen, denn e« war ihm nicht verborgen geblieben, daß für solche Gewaltmaß regeln Deutschland damals noch nicht reif war. Besonders aber kommt der grimmige Haß de« Ignatius gegen alle« Ketzerische in der Schlußbestimmung zum Ausdruck: man solle eine Strafe darauf setze», daß die Ketzer nicht mehr Evangelische genannt würden. Der Teufel solle sich nicht freuen, daß die Feinde des Evangeliums einen Namen annehmen, der ihren Werken entgegengesetzt sei. Die Ketzer solle man nur mit diesem Namen nennen, damit eS Abscheu und Schrecken verbreite, schon wenn man sie nenne, die solche sind und die dabei ihr tödliche« Gift mit einem Schleier deS Namens deS Heil- verdecke» möchte». Diese Proben werden genügen, um zu beweisen, daß schon Ignatius den Kampf gegen den ProtestantiSmu» in Theorie und Praxi« eingeleitet hat und die Geschichte weiß davon zu erzählen, wie die Jesuiten diesen Kampf in seinem Geiste fortgesührt haben unv fortführen bi« auf den heutigen Tag. Auch ward von jeher von de» Jesuiten JgnatiuS — al« Luther« Gegner und Ueberwinder Luthers — gefeiert. Daß sie ihre eigentlichen Ziele den Protestanten gegenüber mög lichst verschleiern, ist eben nur sprüchwörtlich gewordene jesu itische — Klugheit. Deutsches Reich. * Berlin, 19. Februar. Ueber die Stellung der deutschen Aerzte zu der bevorstehenden Novelle zum KrankenversicherungSgesetz veröffentlicht vr. Moritz Fürst-Hamburg in der „Soz. Praxi«" einen Aufsatz, in dem eS heißt: Der GeschäftSauSschuß de« deutschen Aerzte- vereinSbundes bat den deutschen Aerztetag zu einer außer ordentlichen Tagung aus den 7. März nach Berlin einberufen. Die Veranlassung gibt die jetzt dem BundeSrat vorliegende Novelle zum Krankenversicherungsgesetz, insbesondere der Um stand, daß in der Novelle keine der ärztlichen Forderungen berücksichtigt worden ist. Es soll auf dieser außerordent lichen Tagung deS AerztevereinsbundeS noch einmal fest bestellt werden, was nach der Anschauung der Aerzte an dem zetzigen Krankenversicherungsgesetz zu ändern ist. Zugleich wird sich die Tagung voraussichtlich zu einer Einspruchs versammlung dagegen gestalten, daß die verbündeten Re gierungen die Wünsche und Anregungen der Aerzte gänzlich außer Acht gelassen hätten. Der einleitende Bericht ist vr. Mayer (Fürth) übertragen worden, der auf dem vorjäh rigen deutschen Aerztetage in Königsberg die Erörterung über die Stellung der Aerzte im KrankenversicherungSgesetz eröffnete und im Auftrage deS Geschäftsausschusses des Deutschen AerztevereinsbundeS mit Or. Köber (Augsburg) eine Denkschrift über die Stellung der Aerzte bei den Kranken kassen anfertigte, die dem BundeSrat und Reichstag über mittelt worden ist. Diese Denkschrift gibt einen Ueberblick Uber die Forderungen deS ärztlichen Stande« in Deutschland bezüglich ihrer Betätigung bet der Krankenversicherung. Sie gibt ein Bild über die unzulängliche materielle Lage der Aerzte, ihre oft de« ärztlichen Standes nicht würdige Ab hängigkeit von Vorständen der Krankenkassen. Die aus gestellten Forderungen sind im wesentlichen die folgenden: 1. Freie Arztwahl bei den Krankenkassen, d. h. die Mitglieder der Kassen sollen die Hülse jede« Arzte« anrufen können, der im Bezirk der Krankenkasse tätig ist und sich auf die ver einbarten Bedingungen verpflichtet hat. 2. Einführung von Vertragskommissionen, d. h. die gegenseitigen Leistungen zwischen Aerzten und Krankenkassen sollen in Kam- Missionen vereinbart werden, die zu gleichen Teilen von Aerzten de« Bezirke- und Delegierten der Krankenkassen ge- bildet werden. , 3. AuSichluß höherer Einkommen von dem Genuß der Rechte der Krankenkassenmitgliedrr, d. h. Personen und Einkommen von über 2000 .4 dürfen weder Kassenmitglieder werdrn noch bleiben. «. Einführung einer g»na»«w» Etatisttk der Krankenkasse», d. h.
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