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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030220026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903022002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903022002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-20
- Monat1903-02
- Jahr1903
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Oesterreich vierteljährlich 2t 4.K0, für die ädrige» Länder laut Zeitmig-prei-llste. Ne-tcktton «ad Erve-Mo« r JohanntSgaffr 8. Fernsprecher lk8 und L2L FUtalevpeditiaua« r Alfred Hahn, vuchhandlg, ltlliversitätrstr.8, «. Lösche, Lalhartuenstr. 14, ». LüuigSpl. 7. Haapt-FiUale Dresden: Strehleuer Straß« 8. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Serlia: Carl vmuker, Herzgl. Bayr. Hosbvchhaudlg^ Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr 4608. Nr. 93. Mend-Ausgabe. MiMger Tagtblalt Anzeiger. Ämlsvlall des Äöniglichen Land- und des Äönigkichen Ämtsgcrichles Leipzig, des Rates und des Rotizeiamles der Ltadt Leipzig. Anzeigen- Preis die 6gespaltene Petitzeüe 2b Reklame» unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 75 vor den Fomiliennach richten («gespalten) KO Tabellarischer and Zlffernsatz entsprechens höher — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme Lk (excl. Porto) Ertra-Beilagen gefalzt), .rar mit der Morgen-Ausgabe, 3hne lostbe'orderung st öO.—, ntt ßoftbesördernog 70.—. Ännahmeschlaß mr Xnztiyen: Abend »Ausgabe: «ormittags 10 Uhr. Morgen-AaSgab«: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen stad stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 6 btS abeuds 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» iu Leipzig. Freitag den 20. Februar 1903. 97. Jahrgang. Das Glaubensbekenntnis des Kaisers. AIS vor kurzer Zeit Prof. Delitzsch, der Assyriologe der Berliner Universität und Sohn unseres früheren Leipziger großen Theologen, einen zweiten Vortrag über die Aus grabungen zu Babylon hielt, erregten seine Ausführungen die Gemüter in hervorragender Weise. Was Prof. Delitzsch in jenem Vortrage ausfübrte, das war nichts mehr und nichts weniger als eine Verschiebung der Grundlagen, aus denen unsre christliche Religion aufgebaut ist, das waren Hypothesen und Annahmen wie man sie bisher so offen in einem Kreise, in denen sich der Kaiser und die Kaiserin befand, noch nicht ausgesprochen halte. Professor Delitzsch erntete für seine Ausführungen bei einem Teile der Zuhörer Beifall, bei einem andern begegnete er bedenklichem Kopsschütteln und energischer Opposition. ES lag in der Natur der Sache, daß man durchaus wissen wollte, wie sich der Kaiser zu den Ausführungen DelitzschS stellt, und cS wird daher in ganz Deutschland und weit über seine Grenzen hinaus mit Freude begrüßt werden, daß der Kaiser in dem von uns heute früh mitgeteilten Schreiben an Admiral Hollmann seine Stellung zu den Ausführungen Telitzschs unumwunden kennzeichnet. Dieses Schreiben wird vielen aus der Seele sprechen und unendlich viele werden in der Auffassung über den christlichen Glauben mit dem Kaiser übereinst'mmen. Was vor allem betont werden muß, das ist, daß der Kaiser die freie Forschung nicht perhorresziert, daß er ausdrücklich auf sie verweist, daß er aber freilich nicht wünscht, daß noch nicht geklärte Anschauungen, unbewieiene Leitsätze, die das Höchste, was wir besitzen, unsre Religion, betreffen, in die Menge geschleudert werben und dort als Axiome und bewiesene Tatsachen verbreitet und verarbeitet werden. Jedermann wirb dem Kaiser zu stimmen, wenn er die theologischen Streitfragen in den engen Kreis der Theologie verweist, ohne damit freilich dem denkenden Menschen ein Hindernis bereiten zu wollen, durch eigenes Nachdenken die Wahrheit zu erforschen und im Innern mit sich selbst über die Anschauung von Welt, Gott, Glauben einig zu werden. In einem Staate, den einst der alle Fritz regierte, würde eS gewiß unangebracht sein, starren Buchstabenglauben von den Mitbürgern zu verlangen, wohl aber ist es notwendig, daß die Jugend in der überlieferten Form die Begriffe von der christlichen Religion erkält, wie sie seil Luthers Zeit dem evangelischen Volke in Fleisch und Blul übergegangen sind und als eine Stütze des Gemüts und des Charakters, als ein Schutz des Geistes und, im Gegensatz zu Rom, auch der freien geistigen Entwickelung sich bewährt haben. Wenn in seinem drillen Leitsatz der Kaiser sich in einem scheinbaren Gegensatz hierzu ausspricht, in- Feuilleton. Feierstunden. 2j Ein Jahr aus einem Leben. Bon Emil Roland. vlachvrutt verbalen. Es schmerzte sie tief, aber eines hatte sie doch erreicht: sie hatte ihr Leben auf ein höheres Piedestal gehoben. Den Illusionen über Ruhm und Große sagte sic Valet und ging tapfer unter die Reihen derer, die, was sie treiben, Kunsthandwerk nennen, einige mit verzweifeltem, andere mit resigniertem Lächeln. Sie tat Dinge, von denen sie sich geschämt haben würde, Hausmann zu erzählen: sie stilisierte Monogramme für rius>«euerii, „en-mete Tischkarten, ja, sie brannte Kappen in Leder. Und sie sank noch tiefer: sic illustrierte sogar Post karten, einmal sogar die Reklame für ein Keingeschäft. TaS war aber auch der tiefste Tiefstand. Allmählich fand sie eine gewisse Spezialität heraus: Architektur in Aguarell. Dazu gehörte weniger Genia lität als eiserner Fleiß, und den hatte sie ja. An der Münchener Frauenkirche machte sie ihr Meisterstück, dem sie dann den Auftrag für Italien verdankte. Und mit dem Gefühl, Ufer zu sehen nach langer, mühe voller Meerfahrt, fuhr sic alpenabwürts — mit dem Haus mann als Gefährten. Der Hausmann war für sie, was für andere Leute Goethesche Verse sind oder Schopenhauersche Weisheit, eine Art Rettungsstation in den banalen Alltagswegen des Lebens. Durch ihn verstand sie Italien und die 'Schätze des Altertums, lernte klassische Epochen der Vergangenheit begreifen und lieben. Seine Bücher waren Offen barungen für sie. Und nun war er ihr plötzlich selbst über den Weg ge- gangen. Sie hatte zuweilen Bilder von ihm gesehen, Porträts, Radierungen, einmal eine Bronze, auf die sic sich deutlich besann. Der braundunkle Ton der Bronze hatte dem Kopf einen antiken Anhauch gegeben, der so gut zu der Persönlichkeit paßte. Aber erkannt Hütte sie ibn nach keinem dieser Abbilder. E» war etwa» in seine« Zügen, da» keine Kunst wieder» sofern sich die Grundlagen für diese Form, das alte Testa ment, durch wissenschaftliche Forschungen ändern können, so sagt er etwas, was die freiere Richtung unserer evan gelischen Kirche schon längst zugegeben bat. Nicht alles, was im alten Testament stebt, kann für uns als ein wesentlicher Bestandteil der Grundlage unseres Glauben? angesehen werken, viel, allzuviel ist Beiwerk, allein der Grundzug, der durch das alle Testament geht, die Darstellung dcS Goltesbegriffes, wird nimmermehr durch Ausgrabungen geändert werden können. Sie ist rein geistiger Natur, sie ist kein historisches Argument, sondern sie ist eben Glauben. Es gibt viele Religionen, die nur einen Gott kennen, eS giebt aber nur eine, deren Wurzeln im allen Testament stecken und deren blühender Stamm im neuen Testament vei körpert ist. Was wir alle Tage in der Wissenschaft der Theologie erleben lönncn, die Anerkennung neuer Tatsachen, das erleben wir tatsächlich alle Tage in der Naturwissenschaft. Hier lösen sich Leitsätze und Entdeckungen mit einer fast erschreckenden Häufigkeit ab und niemand nimmt daran Anstoß. Jeder Stein, der zur Eikenntnis beigetragen wird, ist ein Baustein zu dem großen G-ietz- des Weltalls, des Aeußern, das uns umgiebt, 'jede neue Tatsache, die ge eignet ist, die Geschichte unserer Religion zu ergänzen oder zu ändern, trifft unser Inneres und es ist jedes eigene Sache, sich mit seinen Gedanken über sein Verhältnis zu Gott, mit der Anfechtung oder der Verteidigung, die sein Glaube erfährt, abzufinden. Der Eine braucht dazu eine äußere Anregung, eine äußere Stütze, der Andere ist in sich gejestigt genug, um baS mit sich allein abmachen zu können. Die Hauptsache bleibt, daß er mit dem ersten Leitsätze des Kaisers, den Glauben an Emeu Einigen Gott, überemstimml. Für daS Verstehen, für die Ausgleichung der Gegensätze ist die Form unserer religiösen Erziehung die Grundbedingung. Im Schreiben des Kaisers dokumentiert sich daS Bekenntnis zu einem persönlichen Golt und doch weht ein pantheistischer Zug durch dasselbe. Die Pantheisten finden die Offenbarung Gottes in jedem Wesen, der Kaiser findet sie anscheinend nur in einigen Periönlichkeiien. Er stellt die der Welt kundgewor- venen Taten einzelner Geister als eine Offenbarung hin, ohne ausdrücklich zu betonen, daß es tausende und abertausende Menschen gab, gibt und geben wird, die in ihrem der großen Welt unbekannten Wirken den göttlichen Geist vielleicht ebenso gut oder bester verstanden und offenbarten, als die von ihm hervorgehobenen. Das ist seine ankere Auffassung. Wenn es daher auch viele geben wird, die nicht mit dem Kaffer in allem ilbercinstimmen in dem, was er gesagt hat, so wird ,hm doch das deutsche Volk jür sem Bekenntnis zu Dank verpflichtet sein. Er tiill hin und bekennt nicht im Geheime» oder hinter seinem Beichtiger, nein, offen und srer vor der ganzen Nation — jeder soll sein Bekenntnis lesen —, das ist für einen König eine Tat; und er bekennt frei und offen, daß auch in der Wissenschaft der Theologie sich manches ändern lönne, — aber den christlichen Glauben will er dem Volke erhallen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. Februar. Der Reichstag spiegelte heute während des größten Teiles seiner De batten über das Reichsamt des Innern die gestrigen Ver handlungen über die Börsengesetzreform im Abgeord netenhause wieder. Abg. Büsing lnatl.) sprach im Namen seiner politischen Freunde den Wunsch aus, daß durch die Reform die Börse ihre frühere Bedeutung und Aktionsfähigkeit wiedererlange; eine Ueberspannung des Bogens, wie Abg. Graf Kanitz sie schildere, sei doch kaum durch diese Reform zu befürchten. Die zwischen den Ab geordneten Kanitz und Gamp einerseits und Abg. vr. Mommsen anderseits bestehenden Gegensätze über die in Aussicht stehende Reform konnte auch durch diese Debatte nicht ausgeglichen werden. Abg. Spahn verteidigte die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum geltenden Börsen gesetz, die gestern im Abgeordnetenhause durch den Abge ordneten v. Eynern eine solch scharfe Kritik erfahren hatte. Daß an die Einbringung des Reformgesetzes in dieser Session nicht mehr zu denken ist, bestätigte auch Staats sekretär Graf Posadvwsky. Auf Anfrage des Abg. vr. Hasse snatl.) über das Schicksal -es Gesetzentwurfes zum Erwerb und Verlust deutscher Reichsangehörigkeit, stellte der Staatssekretär die Einbringung dieses Gesetzes trotz der sich darbietendcn Schwiergikeiten für die nächste Session in Aussicht. — Unlauterer Wettbewerb, Theater zensur, Schutz der Küstenfahrt usw. lieferten dann wci- teren dankbaren Stoss sür die Diskussion. Aber das Interesse lag heute außerhalb des Sitzungssaales: in den Wandelhallen hatte sich die Kunde von der Demission des bayerischen Ministerpräsidenten v. Crailsheim ver breitet. Abg. vr Schäbler war derErsteimBe- sitz dieser Nachricht! DaS Ziel des bayerischen Zentrums ist erreicht die Genugtuung darüber strahlte aus dem Antlitz Schädlers Zentrum ist Trumpf! Gegen s/sk Uhr konnte endlich die sich an den ersten Ausgabetitel des Etats des Reichsamts des Innern knüpfende Debatte geschlossen und die nicht angefochtene Gehaltsposition sür den Staatssekretär des um fangreichsten Neichsressorts als bewilligt ausge sprochen werden. — Bei dem Titel zur Bekämpfung der Reblaus begründete der nationalliberale Abgeordnete vr. Blankenhorn mit ebenso viel Nachdruck wie Sach verständnis einen Antrag, der dem Reichskanzler Voll machten erteilen will, in der Frage der Behandlung der Reblausherde in Lothringen ein gewichtiges Wort mitzu sprechen. Anfangs März tritt in dieser Angelegenheit eine Konferenz von Regierungsvcrtretern in Berlin zu sammen und der Staatssekretär Graf Posadvwsky bestätigte, daß es sich hier um eine der wichtigsten wirt schaftlichen Fragen handele» die es für den Westen des Vaterlandes gäbe. — Um s/2? Uhr wurde die Verhandlung auf morgen vertagt. Ter Wechsel im bayerischen Ministerin Sstdium. Der proiestantäche Ministerprasireni Bayerns Gras v. CrailSbeim ist gegangen, und der katdoiuche Kuiius- minister Freiherr v. Podewils ist Präsident ge worden: Las Zentrum bat gesiegt. Diese Tatsache leugnen zu wollen, bloß weil sie bedauerlich ist, Kälte keineu Zweck, und wir sedea auch niigrntS den Versuch gemacht, das zu tun. Auch das wird nicht zu bestreuen fern, raß ibn der Schalten deS früheren Kultusministers und ZentrumSscküyIings v. Landmann geholt hat. Dieser mußte geben, baupttächlich weil er durch allzu staike Hin neigung zur ultramonianen Partei die Soiidamär deS Ministeriums störte und durch persönliches Ungeschick bei der Krone und bei den nichtklerikalen Parteien deS Landes unmöglich wurde. Okwobl der Ministerpräsident politisch, so namentlich in der Scbuifiage, der klerikalen Partei mehr als billig zu willen gewesen war, wurde ibm der Sturz LanbmannS, der in erster Reihe ikm zur Last gelegt wurde, vom Zentrum nie versieben. Bereits m der Kammer wurde dem Ministerium durch dr« vielbesprochenen Abstriche in den Kunstpositionen des Etats ein Mißtrauens votum ausgestellk, und nach Schluß des Parlaments nabmea die Angriffe, zumeist allergröbsten Kalibers, kein Ende, bis der ZentrumSdelegierteniag oeS vergangenen Monat- dem Ganzen die Krone aujsetzte. Zwischentälle, darunter das bekannte Swinemünder Kaiserteleqramm, mit den sich anschließenden unaufbörilcken Erörterungen, er- ichwertcn dem Ministerium CrailSbeim, das es auch au per sönlichem Ungeschick nicht feblen ließ, die Position derart, baß daS Zentrum in den letzten Tagen bereits die Tage deS ..anzen Ministeriums gezählt sein ließ. Vorläufig ist nun bloß der Präsident geopfert worben oder hat sich geopfert. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß man auch auf cen Einfluß einzelner Mitglieder des Köingsbaujes auf den Regenten bei dem jetzigen Wechsel hinweist. Wie weit der dem Zentrum sympathische Frhr. v. PodewrlS die ultramontanen Wünsche erfüllen wird, bleibt abzuwartenl baß er »och nachgiebiger jein wird als jein Vorgänger, mutz man annehmen; wa« man boffl und hoffen darf, ist die Fortsetzung einer aufrichtig rrichefreunblicheo Politik. Ader auf wie lange? Schon heißt es, auch Frhr. v. Podewils fei nur Statthalter für emeu reinen Zeutrumsmaun. Russisch-französische Eifersüchteleien i« -er makedonische« Frage. Aus Konstantinopel wird uns berichtet: Dem aufmerksamen Beobachter ist es hier nicht entgangen, daß die neuesten Vorgänge wiederum den Gegensatz zwt- schen dem russischen Botschafter Stnvwjeff und dem französischen Botschafter Con stans schroff hervortreten ließen. EonstanS empfindet es offenbar als eine Zurücksetzung, daß die makedonische Re formfrage ausschließlich von den Botschaftern Rußlands und Oesterreichs behandelt und Frankreich trotz seines Bundesverhältnifses zu Rußland ganz übergangen wird. Und doch hat sich Herr Constans während der letzten Monate so eingehend für die Neuordnung der tür kischen Finanzen eingelegt, ein Werk, das min destens ebenso wichtig ist, wie die Reformen in der Ver waltung. Denn ohne die Linderung der drückendsten Ki- nanznot ist doch an eine wirkliche Besserung der Verwal tung gar nicht zu denken. Aus dem Mißmut des Herrn »SMSWMISSSWWSWiWSi zugebcn vermochte — ihr höchster Reiz, der des wandel baren Ausdrucks, ließ sich in keinem Material festbannen. Sie hatte nur einen Wunsch: ihn wiederzusehen. Der Begriff Hausmann", der bisher drei braune Bände für sie bedeutete, war verflogen und ein Mensch an seine Stelle getreten — ein Mensch mit seinem Reiz. »- * * Ravenna erschien ihr plötzlich wie verändert. Das war nicht mehr die schlummerstille Stadt, in der der Lebende kein Recht zu haben schien und nur große Tote regierten — eine Stadt der Wirklichkeit war's, sommerlich und aufregend. Mit einem Male schien ihr das antike Pflaster nur dazu vorhanden, einem Menschen wie ihm darauf zu begegnen. Honorius' und Galla Pla- eidias seltsame Schatten verloren ihren Borzeitschaudcr für sie, nun sie vor ihren Sarkophagen ihn zu treffen hoffte. Ihre Arbeit ruhte. Sie wanderte stundenlang durch Ravennas bädekcr- besternte Herrlichkeiten, unermüdlich wie ein Tourist, der nur wenige Stunden für Ravenna hat und genau weiß, daß er nie, niemals zurückkommen wird. Aber sie begegnete ihm nicht, weder heute, noch morgen. WaS tat er? Sie wußte, daß man nicht nach Ravenna geht, um sich im Hotelzimmer zu vergraben, vollends nicht jemand wie er. Schließlich faßte sie Mut, nahm ihr „Kirchen-JnnercS" von Sankt Apollinare zu sich und ging ins Hotel Byron. Der alte Herr sei leidend gewesen, erzählte der Kellner, als er sic die graue Steintreppc emporwies. Und zagend trat sie über seine Schwelle. In dem großen Ecksaal, den er bewohnte, waren die blauen Rouleaus hcrabgclasscn. Ein mildes, schwaches Licht glvmm dämmerungszart an den roten Wänden ent lang» von denen rechts Garibaldi, links Ne Umberto gleichgültig und angestaubt herniedersahen. HauSmann trat ihr entgegen, etwas unsicher, mit fragendem Blick. Es war nicht klar, ob er sie und ihr flüchtiges Begegnen nicht vielleicht schon ganz vergessen hatte, ob nicht daS Aguarell allein ihm die Erinnerung wachrief und gleichsam als eine Art Visitenkarte fungieren mußte. „Ich möchte", stammelte sic, „Ihnen diese kleine Arbeit . . ." Wetter kam sie nicht. S» genügte auch. Er verstand und freute sich. Ja, er schien sich wirklich zu freuen, denn cs glitt wie ein Lächeln über seine Züge hin. „O, Sie kommen zu guter Stunde!" sagte er. „Denken Sie, ich empfand, was ich wohl eigentlich in meinem ganzen Leben noch nie empfand: Menschcuhunger. Ich bin nämlich Patient — meiner Augen wegen", er seufzte etwas ungeduldig. „Das kommt von all dem Sonnenglanz da draußen, und wenn man zu viel hineinschaut! Ich muß bei geschlossenen Rouleaus sitzen, darf nicht schreiben und, was ärger ist, nicht lesen —" . „O", sagte sie. Ein geistreicheres Apere» siel ihr zu ihrem Zorn nicht ein. Seine Klagen gingen ihr viel zu tief. „Sie sehen, es ist ein mildes Werk, wenn mau mich etwas unterhält —" Die schaute ihn ratlos au. Ihn unterhalten, ihn, der so weltenhoch über ihr stand? Wovon? Etwa von der Zeit, als sie Menus zeichnete, oder von der Reklame für das Moselweingeschäst, oder vielleicht gar von Kunst? Das wäre ja gerade so vermessen, dachte sie, als wenn ein junger Attach« einem Bismarck Winke in Politik geben wollte . . . Die Pause wurde bereits ordentlich lang. Da kam ihr ein rettender Gedanke. „Wenn ich Ihnen vielleicht etwas vorlcsen dürfte?" fragte sie. „Ich lese sehr gern —" „Wirklich?" rief er. „Sie wollten —" Er sah plötzlich sehr erfreut auS. „Mit tausend Freuden!" und sie streckte ihm ihre Hände hin. „Wo sind Bücher?" fragte sie. „Ich gehöre zu jenen Wesen mit unermüdbarer Lunge. Ich lese, wenn es sein muß, das ganze „befreite Jerusalem" in einem Zuge." Er lächelte. „Dann lesen Sie mir lieber meinen Dante in einem Zuge", und er reichte ihr den Goldschnittband, der auf geschlagen auf seinem Tische lag. Sie nahm ihren Hut ab, strich mechanisch über ihr dichtes Blondhaar, das sich so hübsch an ihren Schläfen lockte, sab eine Sekunde hinüber zu ihm, der sich etwas müde in seinen Stuhl lehnte, setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und begann ohne weitere Umstände mit dem Gesang, über dem sein Zeichen lag. Durch das dämmerige Gemach klangen voll und schön die ewigen Terzinen von ihr zu ihm .. . Und er lauschte dankbar, ganz htnaenommen vom grotzen Zauber de» Florentiner», der ihm von jeher so viel gewesen «ar, so daß er sich nie hatte sättigen können an dem stolzen Zuge seiner unsterblichen Poesie. Und sie war auch hingcnommen, aber trotz aller Dante- verehrung nicht allein von dem, was sie las, mehr noch von der Gunst des Zufalls, der sie so plötzlich dem großen Manne gegenüber geschoben hatte, einem langjährigen Ideal so wirklich nahe. Und immer wieder, während sie las, flog ihr Blick sekundenschnell zu seinem Profil hinüber, das so edel und gedankenvoll auf dem blauen Zwielicht stand. Und zu weilen lächelte sie über ihn mit dem nachsichtigen Lächeln der Liebe, weil er gar nicht daran dachte, daß diese Dämmerung ihren Augen schaden könne, dieses blaue Zwielicht, in dem sie nur undeutlich die Buchstaben er kannte, weil er sie lesen ließ Stunde aus Stunde, bis endlich die Glocken von San Francesco das Avezetüm au- stimmten und ihn aus seinem Sinnen störten- „Wie, schon?" fragte er, wie aus einem Traum ge scheucht. Sie schloß das Buch. „Nun die Sonne hinab ist, dürfen Sie vielleicht doch auögchen", sagte sie- „Oder soll ich nach Licht klingeln?" „Ach nein, kein Licht. Ich will noch in der Dämme rung sitzen und dem allem Nachdenken — ich danke Ihnen." Sie wußte nicht, ob sie noch bleiben dürfe, und ging — ging mit leisen Schritten, wie sie gekommen, und er, der noch ganz unter dem Bann der Danteschen Muse stand, sagte nicht einmal etwas von Wiedersehen. Ja, ein Sonderling war er doch! Lächelnd trat sie ins Freie. So himmlisch kühl war es geworden nach dem heißen Tag! Die ging mit eiligen Schritten dahin. Wander lustig war ihr zu Mut, und so beschwingt dabei, so von Glücksgeftihl getragen. Dem Stadttor eilte sie zu und ins Weite hinaus. Nebel wogten über dem Gefilde; gespenstisch lagerten sic auf den Feldern von Mais und den blauen, langschastigcn Sumpfblumcn, die hier und da im Grase standen. Bis anS Ufer des Ronco ging sie. Die blaffen Wellen zogen totenstill dahin, traurig und verlassen, wie ab- gestorbene Flußwogen der Unterwelt. Ihr siel ein, daß cS ja ungesund und auch sonst nicht ungefährlich sei» so allein in den ravennatischen Abend hinauszuwandern, und sie kehrte halberschrocken um, den kleinen Lichtern entgegen, die hier und da au» den Häusern am Mauerran- zu leuchten begannen. (Fortsetzung folgt.)
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