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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030223020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903022302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903022302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-23
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anzu- auf den t abae- Stellen rn. In tzsch mit am ge- icherung > Bibel" ehr am gewar ¬ nt, 18. vr. L. i 5.W., i p S i g. zig. iltenen ae Ge- g aller 588.86 Proz. : und «enden, -9V ,69 »fischen samm- mlung itteten inder- oz. im anuar gegen gegen erfand lvagcn :n im beits- m des eschäfr »gleich sei, so hnlich n m. > » 138 PVP» itzung nlung orgc- rjahr t. ^hcn - ischcn i be- an neue t für t, in hres, mir ven- deö ieser örig suche eßen des rng itig- rn - ruvc ttcl- die chen äcrc »neu >ebe. iba- ung des zu -er- > offc ,ld von rüg Heu ise» löge uvg auf neu auf der tere der okv 67, »o. ior 87, in in art, ür xn in uf ft- ai !tc ffc en 'S. ft. 'S »ö ch 'S is e- n ii l- i- st c >f r h n n !. VezuqS-Preis Ni der Hanpterpedttiou oder deren Au-gabe- stellen abgeholt: vierteltährltch S.—, btt »welmaltger täglicher Zustellung ins HauS 3.78. Durch di« Post bezogen Mr Deutsch. land a. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.60, für di» übrige» Länder laut ZettnugSpreKllste. Nedaktion und ErpedittonL IohanntSgaffr 8. Fernsprecher lbü und L2L Fittntvvpe-ittvnenr Alfred Hahn, Buchhandlg„ llaivrrßtStSstr.S, L. Lösch«, Kathartnenstr. 14, ». KöutgSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlen«» Straß« 8, Fernsprecher Amt I Nr, 1718. Haupt-Filiale Serlin: Carl Duncker, Herzgl. Bahr. Hosbvchhandlg, Lützowstraße 1V Fernsprecher Amt VI Nr 4608. Abend-Ansgabr. MMer Tageblatt Anzeiger. Ämtoötatt des Äönigkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiaintes der Ltadt Leipzig. AnzrigrnePrei- die Sgespaltme PetitzeUe SS Reklame» nut« de» NedatttonSstrtch t4 gespalten) 78 vor den Famtliennach richte« (8 gespalten) 80 Tabellarischer «ad Ziffernsatz entsprechen t höher. — »tbübren für Nachlvetsunge, und Offertenaullahm« 98 (excl. Porto). Ertra Verlagen gefalzt^ a»r mit der Morgen-Ausgabe, ohne 'öostbefördenmg 40.—. mit postbesördermrg ^ll 70«—. Xuvahmeschluß Er Ltyeigeu: Abend-AnSgab«: Sormittag» 10 Uhr. Morga»-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» sind stett an dta Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« «nnntrrbrochen geöffnet von früh 8 bis abend» 7 Uhr. Drink und Verlag von E. Pol, i» Leipzig. Nr. 98. Montag den 23. Februar 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Februar. 8um Mintfterwechfel in Bayern wird der „Köln. Ztg." aus München geschrieben: „Die wahre Ursache des Sturzes v. Crailsheims ist daS Swinemünder Kaisertelegramm gewesen. Selbst ein unbegründeter Anschein, als ob die obere Grenze der Versailler Verträge überschritten werden könnte, wirkt hier, was in Nord- deulschland nicht immer genügend gewürdigt wird, wie ein roter Lappen. Crailsheim operierte sehr geschickt gegen eine Mißdeutung und wurde in wirksamster Weise von der Geheimkaazlei des Regenten unterstützt. Enttäuscht wegen ihre« anfänglichen Mißerfolgs, warfen nun die Heim, Schaebler und die Zenlrumspresse alle Scheu ab, indem sie zu dem niedrigsten Radau ihre Zuflucht nahmen. Die anständigen Elemente des Zentrums begannen, angewidert von diesem Treiben sich abzuwenden. Graf Preysing, obwohl finanziell am „Bayerischen Kurier" stark beteiligt, zog sich, der Politik entsagend, auf seine Güter zurück. Freiherr v. Hert- Ung, sogar Freiherr v. Soden, der von einflußreicher Seite einen Wink erhalten haben dürfte, blieben dem Katholikentag ostentativ fern. Gerade in diesem, gute Aussichten für eine gesundere Entwickelung eröffnenden Augenblick hat die Krone Bayerns vor Heim und der ultramontanen Skandalpresse kapituliert. Daß da« durch einige Hetzreden und den Radau von Blättern, deren Leserzabl recht klein ist, erreicht werden kann» ist in traurigem Sinne lehrreich, denn eS wird sicherlich noch öfter erprobt werden. Welche Einflüsse in diesem Sinne bei dem nach Ruhe und Frieden sich sehnenden Regenten wirksam gewesen sind, ist bisher nicht näher bekannt geworden. DaS Ministerium Podewil« bedeutet einen merklichen Ruck vorwärts auf der schiefen Ebene, auf der wir hingleiten." — Mit zwei sachlich unbe deutenden Einschränkungen ist dieser Rückvlick auf die Ent wickelung der jetzt beendeten Krise zutreffend. Aber es muß gesagt werden, daß das Swinemünder Telegramm wohl der letzte Anstoß, aber nie und nimmer der währe Grund der Zentrumsfeindschaft gegen das Ministerium Crailsheim ge wesen ist. Der Grund lag tiefer: das Zentrum sah in dem Grafen und seinem Ministerium seit der Affäre Landmann ein Hindernis für feine Herrschaftsgelüste in Bayern, und darum mußte er beseitigt werden. Ferner erlauben wir uns bei aller An erkennung deSGrafen Crailsheim doch einigeEinwendungen gegen die Behauptung, er habe sehr geschickt gegen eine Mißdeutung operiert. Wenn sich das ausschließlich auf die Kaiservepesche beziehen soll, so stimmt cS — die ablehnende Antwort deS Prinz-Regenten z. B. war ein Meisterstück staatsmännischer Stilistik — bei Behandlung der sich aus der Depesche ergebenden weiteren Kundgebungen, speziell offiziöser Natur, hat man aber nicht immer die gleich glückliche Hand beobachten können. Im übrigen geht der Kampf gegen die in das Ministerium PodewilS übernommenen Minister ruhig weiter. Auch sie sollen fort, vorläufig wird daS freilich nur in den nichtbayerischen ultramontanen Blättern gesagt. So erklärt die „Köln. Volksztg." in einer „Münchener Korrespondenz": „Frhr. v. Feilitzsch und Frhr. v. Riedel klammern sich nach wie vor an ihre Stühle. DaS Zentrum kann warten. Beide haben das Schicksal ihres Kollegen reichlich verdient und die Abrechnung wird ihnen nicht erspart bleiben." Man sieht ganz deutlich: die „kochende Volksseele" hat sich noch nicht abgekühlt, und ob die Ernennung deS Staatsrats vr. Wehner zum Kultusminister diese Abkühlung bewirken wird, scheint auch nicht ganz sicher, wenigstens wird gesagt, der neue Herr sei „nicht ultramontan". Ob das stimmt, wissen wir nicht, und selbst wenn eS stimmte, würde es nicht viel besagen. Kein Mensch wird di« Herren Graf v. Bülow und vr. Studt für ultramontan halten und doch . Deutschland und die makedonische Resormsrage. Von verschiedenen Seiten wird der Versuch gemacht, die Entwickelungsgeschichte der makedonischen Reformvor- schlage so darzustellen, als ob Deutschland ihnen gegen über eine sehr zurückhaltende, wo nicht gar feindliche Stellung eingenommen habe. Namentlich von franzö sischer Seite wird mit Behagen diese Lesart verbreitet und zugleich hervorgehoben, daß Frankreich ein wesent licher Anteil an dem Abkommen zufalle, das jetzt von Rußland und Oesterreich den Mächten vorgclegt worden ist. Mit allen diesen Ausstreuungen wird es kaum ge lingen, der öffentlichen Meinung blauen Dunst vor zumachen; jeder Eindruck auf die Regierungen ist aber von vornherein ausgeschlossen, da diese den Tatbestand zu genau kennen und wissen, woran sie sich zu halten haben. Die Verhandlungen zwischen Rußland und Oesterreich vollzogen sich infolge der Reise des Grafen Lambsdorff nach Wien in verhältnismäßiger Öffentlich keit, und man darf annehmen, daß die beiden Mächte gan- allein über das Programm schlüssig geworden sind. So bald die Mitteilung der Vorschläge an die Mächte erfolgt war, hat Deutschland als erste Macht sich vollkommen ein verstanden erklärt und ihren Botschafter in Konstanti nopel mit der Weisung versehen, seinen Einfluß im Sinne des russisch-österreichischen Programms aufzubieten. Es hat in dieser Beziehung gar keine Zögerung stattgefundcn, weil man sich durchaus darüber klar war, dafi das Projekt sich in ausführbaren Bahnen bewege und nicht diejenigen Gefahren mit sich bringe, die man manchen andern auf getauchten Plänen nicht hätte absprechen können. Wenn man somit immer wieder den Versuch macht, Deutschland so hinzustellen, als ob cs bei der jetzt geplanten Regelung der makedonischen Frage aus blinder Vorliebe für die Türkei zögernd und störend beiseite stände, so ist es, wie die ,.Münch. Allgem. Ztg." zutreffend schreibt, nicht leicht, bet den Verbreitern dieser Gerüchte guten Glauben vor auszusetzen. Vielleicht fühlen sie sich unangenehm da durch berührt, daß Deutschland im Gegensätze zu ihren Hoffnungen gar nicht daran dachte, eine vereinzelte Stel lung abseits der andern Mächte einzunehmen und dadurch die Möglichkeit zu bieten, als Störenfried hingestellt zu werden. Tatsächlich hat Deutschland gar keinen Anlaß, in diesem Falle eine besondere Politik zu treiben, auch nicht mit Rücksicht auf die Türkei, deren wahre Inter essen am besten gewahrt werden, wenn sie den Ratschlägen nachkommt, die ihr jetzt von Rußland und Oesterreich und nicht minder von Deutschland gegeben werden. Ei« deutscher Bolksrat in Böhmen. Die deutschen Parteien in Böhmen streben an, für ihre gemeinsame Sache einen Volksrat zu schaffen. Um diesen nationalen Gedanken bald zu verwirklichen, wurde der Arzt vr. meck. Titta in Trebnitz, welcher keiner poli tischen Partei angehört, aber ein Deutscher der Ostmark durch und durch ist, beauftragt, einen Entwurf auszu arbeiten. Er hat denselben fertiggestellt und den Parteien übermittelt. Nachstehende grundlegende Bestimmungen sind ausgenommen worden: 1) Der Bolksrat verwirft alle Mehrheitsbeschlüsse und erkennt als verpflichtend nur einstimmige Beschlüsse. 2> Der Bolksrat sieht auch nicht seine Aufgabe in Beschlußfassungen über das politische Verhalten der einzelnen Parteien, sondern in der Durch führung praktischer Arbeiten, sowie in der Vermittelung zwischen den Anschauungen der einzelnen Parteien, jedoch nur in Fragen der Erhaltung des nationalen Besitzstandes. 3) Um jede Majorisierung oder parteipolitische Vorherr schaft im Volksrate von vornherein unmöglich zu machen, sendet jede Partei die gleiche Anzahl Vertreter in den Bolksrat. Der Vorsitz wirb abwechselnd von den Par teien geführt. Zur Erledigung geringfügiger Angelegen heiten wird ein engerer Ausschuß eingesetzt. Von den Parteien, welche den Bolksrat zu beschicken hätten, kämen in Betracht: Alldeutsche beider Richtungen, deutsche Fort schrittspartei, deutsche Volkspartei, verfassungstreue Groß grundbesitzer und deutsche Bauernpartei. Der Volksrat tritt je nach Bedarf zusammen. 4) Ausgaben des Volks rates: t». Er vertritt die Wünsche und Beschwerden der Deutschen gegenüber der Regierung, den staatlichen und autonomen Behörden. t>. Er fordert Ernennung deutscher Beamter bez. überwacht die Beamten-Ernennungen und -Versetzungen, o. Er sorgt für die Ansiedelung deutscher Anwälte und Aerzte und setzt sich daher in Verbindung mit den betreffenden Standes-Stellenvermittelungen, sowie mit den Gemeinde- und Bezirksvertretungen, 6. Er sorgt für die Ansiedelung deutscher Gewerbetreibender und strebt die Fühlungnahme mit den Gewerbevereinen, gewerblichen Stellenvermittelungen, den Gemeinden und allen Orten, wo Stellenvermittelungen bestehen, an. s. Er sucht deut sches Kapital für Erhaltung und Erweiterung gefährdeten deutschen Besitzstandes, sowie für die Ausnützung deutscher Arbeitskräfte zu interessieren. Deutsches Reich. * Leipzig, 23. Februar. (Krankenkassen- Honorare.) Die „Korresv. d. Verb. d. Aerzte Dtschlds." schreibt: Unter 308 hessischen Krankenkassen, die ihren Acrzten ein Fixum gewährten oder pro Ntttglied eine Pauschalsumme zahlten, befanden sich unter anderen 16 Kassen mit 1—1,50 ^!, 53 mit 1,51—2 .//!, 48 mit 2,01—2,50 Mark, 119 mit 2Z1—3 und 31 mit über 3 pro Kopf. 18 Kassen berechneten das Arzthonorar nach Prozenten der Einnahmen, und zwar 17—40 Prozent der Einnahmen. Das Honorar für die E i n z e l l e i st u n g ergab bei diesen Kassen, soweit sie zu berechnen waren, bei 19 Kassen höchstens 25 Pfg., aber auch abwärts bis zu 14 und 12 Pfg., bei 46 zwischen 26 und 50 Pfg., bei 64 zwischen 51 und 75 Pfg., bei 48 zwischen 76 und 100 Pfg. und bei 28 überschreitet es 1 Wir fügen 2 Ergebnisse aus Erfurt hinzu. Die gemeinsame Ortskrankenkasse Erfurt zahlte pro I. Quartal 1901 pro Point — Konsultation, ausgenom men die erste, 22 Pfg., in Hochheim bei Erfurt stellte sich die Einnahme aus einem Besuch auf 17 Pfg. — Eine Bres lauer Krankenkasse zahlt ihren Krankenkontrol leuren, Männern, die darüber zu wachen haben, daß die erwerbsunfähig erkrankten Mitglieder der Kaffe die für sie gültigen Vorschriften einhalten, 25 Pfg. pro Besuch. Der Arzt, der nach jahrelangem Studium und großen Geldopfern für seine Ausbildung Kaffenpraxis über nimmt, erhält durchschnittlich im Deutschen Reich 40 Pfg., bei einzelnen Kassen 8, manchmal auch 12 Pfg., bei zwei uns bekannten Kaffen hat er zuweilen noch 1 Pfg. darauf- zuzahlen. Für eine Laparotomie (Bauchschnitt) bekommt er im höchsten Falle 30 ^tl, also noch nicht einmal die Summe, die Vorbereitung und eigene Auslagen für diese lebensrettende Operation betragen. /S Berlin, 22. Februar. (Die Reich-tag-wahl in Hagen.) Der Wahlkreis Hagen, der seit einem Menschenalter von der unzweifelhaft bedeutendsten Per sönlichkeit des radikalen Liberalismus vertreten wird, ist schon dadurch interessant: er wird eS aber diesmal ganz besonders, weil die Sozialdemokratie daraus brennt, den wegen seiner angeblichen „Brotwucherhülfe" und wegen der rücksichtslosen Derbheit, mit der er die täppisch sozia listische Obstruktionspolitik gekennzeichnet hat, ihr überaus verhaßten Abgeordneten Richter auS dem Sattel zu heben. So kündigt die sozialdemokratische „Frei« Presse" in Elberfeld den „hoffnungsseligen" Freisinnigen in Hagen „ein schreckliches Erwachen" an. Und die „Sächsische Ar beiterzeitung" berichtet triumphierend über die Aufstellung eines eigenen Zentrumskandidaten: „Ueber schwarzen Undank hat Eugen Richter zu klagen. Da- Zentrum, das ihn sonst stets im ersten Wahlgange in seinem Reichs tagswahlkreise Hagen schon unterstützte, hat diesmal einen eigenen Kandidaten in der Person des Verleger- Kus- angel ausgestellt. Und das trotz der Brotwucherhülfe der Freisinnigen Volkspartei!" Beiläufig ist die Unwissenheit der sozialdemokratischen Presse ebenso groß wie ihr Haß gegen Eugen Richter. Das Zentrum hat durchaus nicht sonst „stets im ersten Wahlganae" den Abge ordneten Richter unterstützt, vielmehr yat e» bei den Wahlen von 1871, 74, 77, 78, 81, 84, 93, 98 eigene Kandi daten aufgestellt, und nur 1887 und 1890 Laraüf verzichtet; es hat also in acht von zehn Fällen zunächst selbständige Kandidaturen aufgestellt, wenn es dann wohl auch in der Stichwahl für den freisinnigen Kandidaten eingetrcten ist. Auch diesmal dürfte es zweifellos in -er Stichwahl für Herrn Richter gegen den Sozialdemokraten eintreten und ebenso dürften die Nationalltberalen verfahren, so baß wir nicht glauben, daß die sozialdemokratische Kandidatur den Freisinnigen „ein schreckliches Erwachen" bereiten wird. Gerade darum aber könnten wir eS nicht recht ver stehen, wenn die Nachricht sich bewahrheiten sollte, daß die Nationalltberalen keinen eigenen Kandidten in Hagen aufstellen, sondern gleich im ersten Wahlgange für Herrn Richter stimmen wollten. Dazu scheint unS gar kein An laß vorzuliegen. Die Nationalltberalen haben sowohl 1893 wie 1898 nahezu siebentausend Stimmen in der Haupt wahl erhalten, und wir vermögen nicht einzusehen, warum sie einen derartigen Trumpf aus der Hand geben sollten, um so weniger, als die „Freisinnige Zeitung" wiederholt zart angedeutet hat, daß die Freisinnigen in Stichwahlen möglicherweise für den Sozialdemokraten eintreten könnten. Berlin, 22. Februar. (Der Kampf gegen die paritätische Schule.) Die milde VorauSsetzuag, der Kanzelerlaß deS streitbaren Bischofs vr. Felix Ko rum, den man vor 20 Jahren bei seinem Einzug in Trier als „Friedensbischos" begrüßen zu können vermeinte, sei nur ein Ausfluß der persönlichen Stimmung des Bischofs und könne vielleicht, falls er in seinen Wirkungen sich nur auf die heilige Stadt Trier beschränke, vom Staate unbeachtet bleiben, sieht ihre wohlwollenden, friedlichen Stützen schnell zusammenbrechen! Der in Trier begonnene Kampf flutet über die Mauern dieser Stadt hinaus. Bereits haben die Geistlichen der Dekanate Feuilleton. Feierstunden. 4s Sin Fahr aus einem Lebe«. Von Emil Roland. Nachdruck verboten. „So bald schon?" sagte sie, „kaum gegrüßt, ge mieden!" „Und Sie?" fragte er. „Wohin werden Sie gehen?" „Meine ArbBt hier wird wohl erst in einigen Wochen fertig sein." „Dann schreiben Sie mir einmal von hier!" rief er. „So etwas liebe ich sehr, wenn man so ganz festgelebt war an solch wundersamem Ort und dennoch scheiden muhte — dann ein Brief, der den Namen solcher geliebten Stadt an der Stirn trägt, das ist solch phantastisch-lebendiges Band." „Ich werde schreiben." Er stand auf und sah sich noch einmal in dem blüten reichen Raume um. Sie zündete einen Leuchter an, un schärfer wallten die Schatten der Menschen und der Blumcnstengel über die Wand — sein Profil minutenlang so klar gegen die Mauer gezeichnet, daß si« es dort hätte fesseln mögen mit schnellem Kreidestrich — eine Silhouette zu ewigem Erinnern. „Sie sind zu beneiden, daß Sie noch bleiben können", sagte er. „Ja, Sie haben es gut im Leben, Fräulein Helene! Solche Wohnung, solche Arbeiten und solches Talent, guten Thee zu bereiten! Sie sind wahrlich sehr vielseitig. Jenseitv der Alpen werde ich noch manchmal an Ihre Blumen und Ihren Thee denken." So ritterlich ergriff er ihre Hand zum Abschied und sah sie an mit seinen alten, schönen Augen, die einen Zug von Müdigkeit trugen, der ihr weh tat. „Morgen mit dem Frühzugc?" fragte sie. „Ja — aber, bitte, kein Bahnhofsadieu, nur das nicht! Ich bin so eigensinnig aus dem Punkte . . ." „Ich schwöre, ncinl^ sagte sie und versuchte zu lächeln. Aber als er dann ging und sie ihm die Stiege hinab leuchtete, den alten römischen Leuchter in der Hand, der so aussah, als habe er mehrere Jahrhunderte im Tiber gelegen — als HauSmann von unten noch einmal herauf ¬ winkte zu ihr und dann in die aufsteigende Nacht ver schwand, da empfand sie es mit dumpfer Resignation: die Feierstunden ihres Lebens waren ausgeklungen. Am nächsten Morgen sah Helene den Zug davonfahren, der sich langsam vom ravennatischen Bahnhofe in das Nebelblau hinetnwand, das in jenen Sumpfgegenden so oft über dem feuchten Boden hängt wie Tausende von Schleiern. Vor Theodorichs Grabmal stand sie in ihrem grauen Arbeitskleid, bleich und müde und ein wenig freudlos, — so unlustig selbst zur Arbeit, nachdem die holde Gewohnheit der letzten Zeit sie so verwöhnt hatte. Und doch mußte sie fleißig sein, um die Schlendertage etnzuholen, die unberechtigten Ferien, die sie sich gemacht. Zum Dante-Lesen war sie nicht nach Ravenna gekommen! Allmählich sezierte sie ihr Gefühl. Grenzenlose Berohrung war'S, — Begeisterung für etwas, das hoch über einem steht. Aber auch platonische Gefühle können heiß sein, wie alle Begeisterung heiß zu sein vermag. Mehr als vier Jahrzehnte lagen zwischen ihnen. Es wäre lächerlich gewesen, hätte sie für ihn schwärmen wollen. Schwärmen tat sie auch nicht . . . und doch dachte sie, während sie Ravenna und seinen Kirchen wieder entgegen schritt: „Wer kann es mir verwehren, wenn ich mein schönstes Erlebnis in der Erinnerung einregistriere mit all dem wunderbaren Etwas, wodurch es verlockend wird, selbst die tiefste Kluft zu überspringen?!" * * Professor Hausmann saß mit seinem Schüler und Freunde Albrecht Reinhart vor einer kleinen Trattoria auf dem Monte Berico. Neinhart, der bekannte Liieraturprofeffvr, der in seinen heimischen Kreisen zwar für ziemlich berühntt, aber auch für ziemlich eitel galt — Damen stritten es zwar ab, aber Herren behaupteten eS zuweilen steif und fest —, Reinhart hatte HauSmann gegenüber jenen liebenswürdigen Ton aufrichtiger Pietät, der auch bedeutenden Männern weit besser ansteht als sie selbst eS wissen. Er saß einst in jenen fernen Jahren, als HauSmann einem begnadeten Kreise zuerst die Pforten seiner neuen Gedanken ausschloß, dem damals Vierzigjährigen zu Füßen, der — auf der Höbe seines Schassens stehend — den Anblick einer Persönlich- keit bot, die andere, ohne es zu wissen, beeinflußen und ihrem ganzen Leben Richtschnur sein konnte. Reinhart verdankte HauSmann eigentlich alle-, auch seine soi-äisaitt Berühmtheit, die lediglich davon datierte, daß zufällig kein Größerer in seinen Kreisen vorhanden war. Er wußte, daß Hausmann ihn ausersehen hatte, dereinst seinen Nachlaß herauSzugcben — und wenn es Reinhart zuweilen unklar war, wodurch er sich später zu weiterer Berühmtheit verhelfen sollte, so segelte ihm eine Hausmann-Biographie immer als Rettungsschifflein durch die Zukunftspläne. Der alte Gebrauch, daß er Hausmann „Sie", dieser ibn „Du" nannte, hatte sich durch die Jahre erhalten, und diese pronominale Eigentümlichkeit schien beiden nur natürlich. ,Za", sagte Reinhart und rührte in seinem Absinth, „das waren noch Villenbesitzer von edlem Geschmack, jene Zeitgenossen Palladios! Ich muß sagen, immer wieder imponiert mir's, hier um Vicenza herum und weiter in die Euganäischen Berge hinein, wenn ich diese Billen juwele sehe, die Palladio baute und Veronese mit Bildern schmückte. Wo gibt es so etwas in der heutigen Zeit? Vielleicht, daß einmal jemand so um Anno sechzig herum sich von Böcklin etwas al treseo an die Wand malen ließ — aber aus Mitleid, nm dem weiland armen Schlucker etwas zu verdienen zu geben — und ein Bicrtcljahrhnndcrt später kommt er erst dahinter, was er eigentlich für einen Schatz besitzt. Aber -dann paßt das Haus nicht zu den Fresken. In modernen Wohnhälffern sicht göttliche Kunst oft so deplaziert aus, wie im Kellerschcn Gedicht die arme Medicäcrin, die in „Gips, Porzellan und Zinn auf Schreibtisch, Ofen und Kommode" steht." „Das ist richtig", versetzte Hausmann. „Auch hat es mir immer unendlich iinpvniert an jenen Mäcencn des sechzehnten Jahrhunderts, daß sie Palladio nie hinein geredet haben in die Grundrisse zu ihren Villen. Jene Menschen müßen so durchdrungen gewesen sein von der Unantastbarkeit der Gesetze, die Palladios feurige Seele alS richtig erkannt batte, daß sic lieber weniger bequem wohnten, wenn sie dafür das Gefühl haben konnten, zwischen lauter tadellosen Linien zu sein und in den denk bar schönsten und richtigsten Verhältnissen. Diese hohe Aesthettk bat für mich immer etwas so Wohltuendes gehabt, und daher ist eS bei mir nie schwer ins Gewicht gefallen, daß diese selben Menschen, die in ihren Villen den Geist der Antike neu beleben ließen, vielleicht zur selben Zeit ihre Gegner vergifteten oder sogar Anverwandten etwas Schädliches in den Becher goßen. Ihre Untaten sind ver geßen, aber ihre Landhäuser erfüllen unS noch heute mit Genuß. Und nirgends mehr als hier in Vicenza." Beide lieben den Blick bergab schweifen in das grüne Tal, wo die Rotonda wie in Kestgirlanden lag. „Ich weiß", sagte Reinhart, „Vicenza war immer Ihre besondere Liebe." „Ja, nur nicht für allzu lange. Tage mag ich hier ver träumen — nicht Wochen. Dafür ist mir -um Beispiel Ravenna lieber. Dort ist alles stiller, feierlicher — und touristenloser." ,Menn man aber, wie Sie, in Ravenna Pattent war, scheint einem doch meist die schlechteste Gesellschaft besser als keine!" „O, einen liebenswürdigen Ausnahmstouristen findet man ja immer, wenn man ihn braucht." „Ja — Sic, weil jeder, der mit Hausmann reden darf, das nachher als besonderen Effekt in fein unvermeidliches Reisctagcbuch cinschreiben kann." „Nicht nur aus solchem Grunde", wehrte er ab. „Da war zum Beispiel jetzt in Ravenna ein junges Mädchen, eine Malerin. Die kam — so aus lauter Gutherzigkeit — ucun Tage lang fünf Stunden täglich zu mir und las mir vor — ttiiuntcrbrochcn. Und dann ging sie, leise, wie sie gekommen, nnd fühlte immer, wenn ich nicht zum Reden aufgelegt war — und quälte mich gar nicht mit meinen Büchern — und war wie ein stiller Geist." „Ein junges Mädchen", sagte Reinhart, „und Sie, -er Fraucnvcrächtcr?" „Ich bin ein alter Mann, und die jungen Mädchen von heute — das ist eine Generation, so weit, weitab vop -er meinen, wie von andern Sternen — die stören mich gar nicht." „Eine Schönheit?" fragte Reinhart. „Laß doch! Darauf verstehe ich mich nicht — wenigstens an einem antiken Haupt eher als an einem modernen. Aber ihre Stimme war schön, nnd ein weißes Kleid, das sie trug — und sie malte wirklich gut. Ich gehe mit dem Gedanken um, sie zu bitten, mir nächsten Winter mal all' meine Briefschaften zu ordnen. Das liegt so herum bei mir seit Jahren, und man kann ja nur sehr diskrete Men schen zu so etwas gebrauchen." „Lebt sie denn in München, die Weißgewandete?" „Wenigstens nächsten Winter." „Schade! Ich hätte Ihnen zu demselben Zweck gut einen jungen Menschen empfehlen können, der das gewiß auch aufs beste verstehen würde — einen Halbneffcn von mir, der den empfehlenswerten Namen „Hans Sachs" trägt, sonst allerdings wenig vom poetischen Schuster an sich hat. Das ist so ein Menschenkind, das eigentlich alles
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