02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030225023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903022502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903022502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-25
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Vezug-.Prei- 1» der HmlptrkpedMo» oder deren «»«gab*, ßalle» »bgaholt: vterteliähtttch ».—, bet Pvetwaltger täglicher Zostelleng tat Haas S.7L. Durch dte Poft bezog,» fttr Deotich. »»- ». Oefterrrtch dterteljäkritch «KO, stde dte übrig«» Länder laut Zeü»ag«pretsUst«. Lrdaktisv vnd Expedition r Iphanntsgaffr 8. Fernlprecher tkS and 02L «Vt1i»«r« r Alfred Hahn, v»chha»dlg„ llotversstättstr.8» L. Lischt Lathartnenft, l< ». Küatgäpl. 7. Hupt-Filiale vrerdeu: Strrhleaer Strotze 8. Fernsprecher «ml 1 Nr. 171L Haupt-Filiale Serliu: T«l vmicker, Herzgl vayr. tzosbvchhaadlg, Lützowstratzr lv. Fernsprecher Amt VI Nr «SOS. Abend-Ausgabe. HtWiger TalsMalt Anzeiger. Ämtslilatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Aales und des Aolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen »Prei- die 6ge>pultene Petttzette 2d H. N«kl»m«» »ater dem NedakNonsstrtch sägespallea) 7K vor dea FomUteaaoch- richte» (8gespalten) KO H. Dlbellarischer »ad Nifferatotz entsprechend Häher. — Bebühren für Nachweisungen und Ostertenanaahme SK Ls (ezcl. Porto> Ertra Verlage« gesalzt^ r»r mit der Morgea-«u«ga''e, ^hoe Zoftbr^rderung ^il äO.—, «tt ßofttxjSrderaag 70.—. Aunahmeschluß mr Luzeiyeu: Abead-Aasgab«: vormittag« IO Uhr. Morg«»-Aa»gab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen stad stet« <r- di« Expedttto» z» richte«. Die Expedition ist Wochentag» an unterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend« 7 Uhr. Dr»ck «ad Verlag von L Pol» t» Leipzig. Nr. 102. Mittwoch den 25. Februar 1903. 97. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig. 25 Februar. »JesuitiSmuS in -er Jesuiteufrage", überschreibt die „Süddtsch. Reichskorresp." folgenden Artikel: „Gegen die Erklärung des Reichskanz ler- zu 8 2 des Jesuitengesetzes soll in der Oeffentlich- kett nachträglich so etwas wie eine Entrüstungsbe- w e g u n g in Gang gebracht werden. Sachlich sind diese verspäteten Proteste durchaus ungerecht fertigt. Daß einzelne Zeitungen, dte der Aufhebung deS 8 2 von jeher widerstrebt haben, jetzt ihre Sprache noch verschärfen, ist als begreiflich hinzunehmen. Anders aber liegt dte Frage bei P a r t e i b l ä t t e r n, durch deren hinterdreirchtnkende Polemiken die Haltung ihrer eigenen Fraktionen im Reichstage des- avoute rt wird. Die der Beseitigung einer fast über all als entbehrlich erkannten l?) Gesetzesvorschrift gllnstige Erklärung war kein Jnitiativschritt des Reichskanzlers. Sie war lediglich das Eingehen auf zwei aus dem Reichstage selbst vor liegende Anträge, einen konservativen und «inen liberalen. Unter dem ersten stehen die Namen von Männern, wie Graf Ltmburg-Stirum, von Leveyow u. a., für deren erprobte Vaterlandsliebe und evangelische Be- kenntntStreue die Unterstellung, daß sie antinational« Maßnahmen verträten, beleidigend ist. Dem noch weitergehenden liberalen Anträge hat unter Führung des verewigten Rickert die gesamte Freisinnige Ver einigung zugestimmt. Die Forderung auf Ab schaffung deS 8 2 hätte nach bekannten Erklärungen Bennigsens auch ein nationalliberaler Führer einbringcn können. Eben weil der Reichskanzler mit dem Hinweis auf die von ihm beabsichtigte Jnstruierung der preußischen BundeSratsstimmen nur einem Wunsche -es Hauses ent gegenkam, wurde im Reichstage, abgesehen von einem Ab geordneten, der aber nur für seine Person sprach, weder auf der Rechten, noch geschweige auf der Linken ein Wort LeSWtderspruchS laut. Ebensowenig erschienen unmittelbar «ach der Sitzung in der Presse besondere Verwahrungen gegen den vom Bundesrate zu erwartenden Beschluß, oder Angriffe auf die Haltung -es Kanzlers. Nach diesem tatsächlichen Hergänge muß die ex post betriebene Agita tion, die aus der Erklärung des Grafen Bülow ein na tionales Unglück machen möchte, als erkünstelt und als parteipolitisch wurzellos bezeichnet werden. Die konservativen Kreise, die dabei mittun wollen, mögen sich an die Führer, wie Graf Limburg, halten. Welche Berechtigung will eine Politik für sich in Anspruch nehmen, dte im Reichstage von der Regierung die Erfüllung eines Wunsches verlangt, und in -er Presse die Regierung angreist, weil der Wunsch erfüllt werden soll? Wohin geriete unser parlamentarisches Leben, wenn die Parteien dte Verantwortung für ihre eigenen Anträge in der publizistischen Erörterung verleugnen wollten? Be gegnet die Aufhebung des 8 2 in gewissen konfessionellen und BilüungSkreisen einem Odium, das mehr auf all- gemeinen Vorurteilen gegen die Jesuiten als auf Kenntnis der politischen Verhältnisse beruht, so muß vor allem die Freisinnige Bereinigung als Unterzeichnerin eines die Arrfhebung deS ganzen Jesuitengesetzes fordernden Antrages in ihrer Presse ihr Teil an diesem Odium, statt eS L I» „Berliner Tageblatt" dem Reichskanzler zuzuschieben, frei mütig auf sich nehmen. Das verlangt die politische Ehrlichkeit!" Der Artikel ist im Auftrage des Reichs kanzleramtes geschrieben und abgedruckt worden; daran kann bei den bekannten Berliner Beziehungen der „S. N.-K." gar kein Zweifel bestehen, obwohl er nicht unge schickt geschrieben ist. Besonders die Abfuhr der links liberalen Presse ist gründlich und wohlverdient. Ihre Partei heimst hier den Dank ein für ihre ewige Prin zipienreiterei, bei der sie in jedem einzelnen Falle mit Hülfe des liberalen Dogmas den praktischen Liberalismus über den Hausen rennt. Ganz anders aber steht eS mit dem ersten und viel wichtigeren Teil dieses offiziösen Seelenbekenntnisses. Eins vor allem erfüllt uns mit inniger Freude: die offenbarte Furcht vor derBerantwortungfürdieneueJesuiten- politik. Den Mut, sich seiner Türöffnerdienste zu rühmen, hat man denu doch noch nicht, man schiebt die Schuld ab auf Gebilde, die nicht persönlich zu fasten sind, auf Parteien, oder, noch besser, weil noch schwerer zu fasten, auf den Reichstag. Da haben wir bas Karnickel. Jeder Mensch in Deutschland weiß ja, wie es bei uns im politischen Reichsleben hergeht: Der Reichs tag spricht einen leisen Wunsch auS, z. B. nach Diäten, und sofort kommt der Kanzler mit einer entsprechenden Vorlage. Oder sollten wir unS geirrt haben? Nein, so leicht sollen nnS die Personen, die leibhaftigen, körperlichen Personen, nicht entschlüpfen! Oft genug ist vom NcgierungStische erklärt worden, daß hundert ReichS- tagsbeschlttste den Kanzler nicht unverantwortlich für seine Entschlüsse machen könnten. Nun also, jetzt ist es Zeit, den lieben Jesuiten zu zeigen, wer für sie eintritt; auch sie könnten das Versteckcnspielen höchst übel ver merken! Die Reformen in der Türkei. Die der türkischen Regierung von dem öster reichisch-ungarischen und dem russischen Botschafter überreichte Note, betreffend Reformen in den BilajetS Saloniki, Äofsowo und Monastir, lautet: Die österreichisch-ungarische und die russische Regierung, von dem aufrichtigen Wunsche beseelt, die Ursachen der seit einiger Zeit in den Dilajets von Saloniki, Kossowo und Monastir herrschenden Unruhen zu beseitigen, sind zu der Ueberzeugung gelangt, daß dieses Ziel nur durch Re formen erreicht werden kann, welche eine Verbesse rung der Lage der Bevölkerung in jenen BilajetS herbeizuführen geeignet sind. Wie auS den vor kurzem von der hohen Pforte an die Botschafter in Kon stantinopel gerichteten Mitteilungen hervorgeht, hat die Kaiserlich Ottomanische Regierung selbst die Notwendig keit erkannt, auf Mittel bedacht zu sein, für eine strenge Einhaltung der Gesetze zu sorgen und die bestehenden Mißbräuche zu beseitigen. Die Regierungen von Oester reich-Ungarn und Rußland, von dieser guten Absicht Akt nehmend, haben indessen geglaubt, daß eS im Interesse der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in den erwähnten Gegenden von höchster Wichtigkeit war, die neuerdings getroffenen Anordnungen zu ergänzen, und von diesem Gedanken geleitet, sind sie übereinstimmend zu > der Ansicht gelangt, daß eS notwendig ist, der Kaiserlich I Ottomanischcn Regierung die Anwendung gewisser Maß- I regeln zu empfehlen, welche sich folgendermaßen resü mieren lassen: Um den Erfolg der dem General-Inspektor anoertrauten Aufgaben zu sichern, wirb dieser auf seinem Posten für eine Reihe von Jahren, welche im voraus zu bestimmen ist, erhalten und vor Ablauf dieser Periode nicht abberufen werden, ohne daß die Mächte vorher dar über zu Rate gezogen worden sind. Er wird das Recht haben, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe es erfordert, über die ottomanische« Truppen zu ver fügen, ohne in jedem einzelnen Kalle an die Zentral regierung herantreten zu müssen. Die Valis werden verpflichtet sein, sich den Instruktionen des General-In spektors streng zu fügen. Für die Reorganisation der Polizei und Gendarmerie wir- dte ottomanische Regierung sich des Beistandes auswärtiger Fachmänner zu bedienen haben. Die Gendarmerie wird aus Christen und Muselmanen in einem der Zu sammensetzung der Bevölkerung der betreffenden Ort schaften entsprechenden Verhältnisse gebildet sein. Die Feldhüter werden dort den Christen entnommen werden, wo die Majorität der Bevölkerung christlich ist. Mit Rücksicht auf die Belästigungen und Ausschreitungen, unter welchen die christliche Bevölkerung seitens gewisser arnautischer Uebeltäter nur zu oft zu leiden hat, sowie in anbetracht besten, daß die von letzteren begangenen Verbrechen und Delikte in der Mehrzahl der Fälle un bestraft bleiben, wird die ottomanische Regierung ohne Verzug für die Mittel Sorge tragen, um diesem Zustand ein Ende zu setzen. Da durch die infolge der letzten Un ruhen in den drei BilajetS vorgekommenen zahlreichen Verhaftungen die Gemüter dort erregt wurden, wird die Kaiserliche Regierung, um die Rückkehr zur normalen Situation zu beschleunigen, allen Personen, welche wegen politischer Delikte angeklagt oder verurteilt sind, sowie den Ausgewanderten eine Amnestie gewähren. Um ein regelmäßiges Funktionieren der lokalen Einrichtungen ficherzustellen, wird in jedem Dilajet ein Budget der Einnahmen und Ausgaben aufgestellt werben, und die Einkünfte der Provinz, welche von der Kaiserlich Otto- manischen Bank zu kontrollieren sind, werden in erster Reihe für die Bedürfnisse der Lokalverwaltung, inbe griffen die Bezahlung der Civil- und Militärgehalte, be stimmt sein. Die »lrt der Erhebung deS Zehntes wird abgeändert und die Generalverpachtung abgeschafft werben. Internationale Beteiligung an -er Weltausstellung in St. Lonis. Ein nordamerikanischer Staatsmann, Mr. John Barrat, der zuletzt den Posten eines Vertreters der Vereinigten Staaten in Siam bekleidete und danach als Oberkommissar für die Weltausstellung in St. LouiS in Indien, China, Japan und Australasien tätig gewesen ist, hat sich kürzlich in London einem Mitgliede der Presse gegenüber über die internationale Beteiligung an der Weltausstellung in St. LouiS und die voraussichtlichen Ergebnisse dieser Veranstaltung geäußert. Mr. Barrat erklärte, in allen Staaten, wohin ihn sein Auftrag geführt habe, herzliche Ausnahme gefunden und die Ueber zeugung gewonnen zu haben, daß überall eine günstige Stimmung für die Teilnahme an der Ausstellung vor herrsche. Japan habe rund 2 Millionen Mark für AuS- stellungSzwecke zur Verfügung gestellt und einen Spezial kommissar mit den erforderlichen Vorarbeiten beauftragt. Auch China werde sich offiziell beteiligen und in St. LouiS umfassender als auf irgend einer früheren Aus stellung vertreten sein. Bezüglich der Vertretung der indischen Industrien in St. Louis habe er in London mit dem Staatssekretär für Indien, Lord George Hamilton, konferiert und die Zusage erhalten, daß die Verwaltung der Kolonie die Beteiligung indischer Aussteller in weitest gehendem Maße fördern werde. Auch alle übrigen Kolo nien würden, wie ihm Lord OnSlow, Unterstaatssekretär im Kolonialamt, versichert habe, ebenso wie das Mutter land ihr Interesse an der Ausstellung durch eine möglichst reichhaltige Beschickung betätigen. Was die Beteiligung der europäischen Staaten angehe, so habe deren Ent schließung außerhalb seiner Aufgabe und Einwirkung ge legen ; immerhin könne er mittetlen, daß Deutschland 8 Millionen, Frankreich 2 Millionen Mark für Ausstellungszwccke bestimmt haben. Die britische Regie rung habe eine endgültige Entscheidung über die Höhe der verfügbaren Mittel noch nicht getroffen, vielmehr werde die Angelegenheit voraussichtlich einer Kommission überwiesen werben. Dte Regierung der Bereinigten Staaten habe einen Betrag von 20 Millionen Mark be willigt, so daß es nicht zu hoch gegriffen sein dürfte, wenn man die für die Beteiligung an der Weltausstellung in St. Louis in Frage kommenden finanziellen Mittel, soweit sie sich bisher beurteilen ließen, auf die Summe von 100 Millionen Mark bemesse. Deutsches Reich. * Leipzig, 25. Februar. fZurBerhütung einer Legendenbildung.» Gegenüber der Erklärung der „Nordd. Allg. Ztg." „stellt" das „Berliner Tageblatt" „fest", daß Frhr. Speck von Sternburg auch gegenüber einem Vertreter des „Leipziger Tageblattes" eine Anordnung des Fürsten Bismarck als antiquiert bezeichnet habe, und zwar bei einer andern Gelegenheit, als bet derjenigen, bet der der Korrespondent des „Berl. Tagebl." die Aeußerung gehört habe. Das ist einigermaßen unvorsichtig vom „Berl. Tagebl."; denn es hätte sich leicht durch Einblick in die Morgennmnmer deS „Leipz. Tagebl." vom 14. Januar d. I. davon überzeimea können, daß, wie wir unserseits nun wirklich feststellen, nach der Wiedergabe des genannten Leipziger Interviews vom 18. Januar Frbr. v. Sternburg den Namen deS Fürsten Bismarck gar nicht erwähnt und ins besondere auch keine von dessen Anordnungen als antiquiert bezeichnet hat. Um überdies AuSlegungSkünstlern Kopfzerbrechen zu ersparen, erklärt noch der betreffende Vertreter des „Leipz. Tagebl.", daß Frhr. Speck v. Sternburg auch bei dem Interview selbst weder die zitierte, noch eine ähnliche Aeußerung über den Fürsten Bismarck getan hat. ... verli«, 24. Februar. (Der vorwärts" und der preußische Eis«nbahnminister.j Der „Vorwärts" ist natürlich auS dem Häuschen, daß Herr Budde ebenso wie sein Amtsvorgänger die Betätigung sozialdemokratischer Gesinnung -ei dem ihm unterstellten Beamten- und Arbeiterpersonale nicht dulden will. Dabei entstellt der „Vorwärts" das, was Herr Budde gesagt hat. Denn, wenn das sozialdemokratische Blatt sagt „Wehe dem, der seine politische Gesinnung ineinerdemMinister nicht genehmen Weise betätigt, er wird auf der Stelle entlasten", so erweckt daS sozialistische Blatt den Eindruck, als ob der Minister eine andere politische Gesinnung alS die seine bet den Beamten nicht dulden wolle, als ob er F-erillet-n. Feierstunden. kj Ei« Jahr aus einem Lebe« Bon EmilRoland. Nachdruu > „Ich erwarte Loßton und Herzog. Vielleicht machen Ihnen die Ltteraturgrößen Spaß. Und außerdem will mich mein alter Schüler Reinhart heut abend überfallen." „Wie er sich das nur denkt?" grübelte sie. „Wie er mich hier motivieren will? Als Sekretärin? Steno graphin? Und was sie wohl denken würden, diese klugen Literaturgöttcr, wenn da plötzlich solch unberechtigtes Exemplar vom andern Teil der Menschheit auf Haus manns Teppich stünde?" „Nun?" fragte er. Sie war ordentlich befangen geworden; doch nahm sie sich zusammen und sagte in möglichst leichtem Ton: „Sie werden mich allzu meltklug schelten, Herr Professor, wenn ich jetzt mit meiner Theorie komme, wie man eine außer gewöhnlich teuere Beziehung haben muß, um die andre einen beneiden würden, falls sie davon wüßten. Ich hul dige in dieser Hinsicht dem Prinzip des Verschweigens. Von den Menschen, mit denen ich verkehre, weiß niemand, daß ich das Glück habe, Ihnen ein wenig helfen zu dürfen — und das ist gut! Denn andernfalls würden mich alle um Autographen von Ihnen bitten oder, schlimmer, um Audienzen bet Ihnen. Sie würden mich ausfragen, mit ihrer Neugier quälen — der eine oder andere sogar, der feuilletonistische Begabung hat, ein Interview daraus zu- sammcnstellen —, und welch schlechter Dank wäre das für die Gastfreundschaft, die ich in Ihrem Hause, zwischen Ihren Büchern und Gedanken genieße." Sie stockte, um nicht wärmere Worte zu sagen; er horchte so aufmerksam, wie auf eine neue Weisheit. ,-Außerdem", fuhr sie fort, „kenne ich auch den Professor Herzog, wenn auch nur flüchtig. Bei all seinen großen Vorzügen, die ich so auf richtig an ihm bewundere, besitzt er doch ein« Tugend nicht — die der Diskretion! Er würde morgen bei jedem jour, jedem aktsrnoon-te« erzählen, daß ick Ihre Briefe ordnen darf — und ich mag eins vor allem andern nicht: nicht beneidet werben, denn bas ist unheimlich . . . „Ja, Eie sind weltklua. Fräuletn Selene, klug wie die Gchlim-ttl" sagt« «r fast »vvu«derr»b, „aber r«-t mögen Sie haben, und auS Ihrer Vorsicht ziehe ja ich den größten Nutzen, denn so sicher wohnt eS sich unter dem Schatten Ihrer klugen Diskretion . . . ." Als Helene gegangen war, schritt er noch länger 'inn-nd in seinem Studierzimmer aus und ab. Zum ersten Male dachte er ganz persönlich nach über diese Helene, die mit den Regeln der Meuschcnklugheit ebensogut umzugehcn wußte, wie mit der Perspektive marmorner Säulenhallen und den Mvsaikbändern altchristlicher Kunst. Er kam dabei zu keinem rechten Resultat, nur eins wurde ihm klar: daß die Mädchen zu seiner Zeit ganz an ders gewesen waren, sowohl seine Schwester, die jede blaustrllmpfige Anwandlung einer weiblichen Bekannten von jeher aufs schärfste zu verdammen pflegte, als auch seine einstige Studentenliebe am Rhein, die sich lediglich damit beschäftigt hatte, blaue Bänder in ihre blonden Zöpfe zu flechten und die Nelken auf dem Fensterbrett pünktlich zu begießen. * * * Das alte Jahr ging zur Neige. Durch die Straßen Münchens tobte Sylvesterlustigkeit. Festliche Lichterhelle schimmerte auS den Häusern. Bon den schönen Türmen der großen Stadt klang der Schlag der zwölften Stunde mit feierlicher Mystik weithin hallend durch die klare Nacht, über all die Wohnungen der Menschen. Helene horchte auf, als der Zwölfuhrschlag erklang — dann das Neujahrsgeläute, das „schwellende Gedröhne" in den Lüften, die Ouvertüre zu -em neuen Stück, das dte Zeit aufzuführen begann. Sie saß schreibend an Hausmann- Tisch. Gr schritt auf und ab und diktierte. Am Sylvesterabend war er über ihn gekommen, der holde Dichterzwang, der mit einem Male zu neuen Taten drängt. So lange hatte er diese Schöpferlust nicht mehr gefühlt, sich stumpf geglaubt, über die Empfindung -eS Altscins resigniert den Kopf geschüttelt. Lange aufgespeichertes Material lag in seinem Gedächt nis. Der Ton war fertig; er brauchte nur zu bilden. Monatelang hatte er umsonst aus die Muse gewartet. Nun überraschte sie ihn an der Jahreswende und leitete ihn sicher über alle Anfangsschwierigkeiten. Er war wie verjüngt, und während er ganz mit jedem Gedanken in der Welt der Antike lebte und alte hellenische Romantik be schwor, merkte er gar nicht, daß während seines rastlosen Diktieren« die große feierliche Wandlung sich vollzog und ein scheibende« Jahr dem werbenden Platz machte. Ml da» Geläut« da draußen üderhörte ,r Di« Echrei- berin lächelte und schrieb ruhig weiter inS neue Jahr hinein. Einmal blieb er stehen, ganz versonnen, und sah sie an. Aber sie wußte, das war kein Blick, der ihr alS Men- schen galt — der träumerische Blick eines Suchenden war'S, der irgendwo Rast hält und mit nach innen gewandtem Auge an einem beliebigen Gegenstände sich festbohrt —, sei's nun ein Stuhlknauf oder ein Mcnschengencht. Sie konnte ihn ruhig betrachten, ohne ihn zu stören, und während sie das tat und sich mit aller Leidenschaft ihrer Schwärmerei festtrank an den feinen Dichterzügcn, die ihr so teuer waren, dachte sie immer wieder dasselbe, wie in einem wicderkehrenden Refrain zum Glockenklang da draußen: „Wenn eS nur so bleibt — wenn es nur so bleibt . . ." . * Zwei Stunden später kam sie in ihre Wohnung zurück. In jeder Etage des HauseS regierte noch die Syioenrr- bowle. Lachende Stimmen tönten aus den Tiefen der Zimmer auf die Treppe hinaus, die sie langsam mit ihrem Wachsstreichholz emvorschritt. Das war alles so lärmend und banal nach der vor nehmen Stille deS Gelehrtenheims! Im Atelier brannte Licht. Lenore war bereits von ihrer Sylvesterfeier in der Ba-ersckmeiderschcn Pension zurückgekehrt und lag lachend im Sessel. „O Helene", rief sie, „was haben Sie versäumt! Die lustigste Jahresneige war's, zum Totlachen! Ach, wie das wvhltut!" Und sie warf die Arme in die Lust. „Wenn es doch immer so bliebe!" sagte Helene vor sich hin. „Jawohl, ein lustiges neues Jahr! Auf daß eS so vleibe!" Und Lenore fiel ihr um den HalS. „Wissen Sie, Helene, göttlich war'S! Tie ganze Pension in voller Glorie, alle um den Punsch und die Spritzkuchen herum. Selbst die Hamburger Damen traten aus ihrer Reserve. Die Bri- kettfabrikantin verbrüderte sich mit dem Freifräulein aus der Uckermark, und der lange Mister auS Liverpool fand einen gemeinsamen Bekannten mit der alten Tante auS dem Haag. Und wie sie alle so lebhaft dasitzen und ihre Wangen immer punschröter werden, sängt plötzlich der auS Zittau an, die Uckermärkerin zu fixieren. „Um des Himmels willen, er hypnotisiert!" ruft der Zwiebackfabrikant aus Güstrow; dte Uckermärkerin be kommt einen Heidenschreck. Er reckt die Arme au«, spreizt die Finger, rollt die Augen üm den ganzen Tisch -erum. Allel schweigt vor Entsetzen. MS er mit den Augen an mich kommt, tue ich ihm den Gefallen, jappe laut auf Un fälle hintenüber. Großer Erfolg! Da sie'S nicht sind un bloß ich'« bin, interessiert'- alle. Ich liege anmutig gegen die Chaiselongue gelehnt und lalle unverständliche Worte. Der Zittauer drückt mir beifällig und dankbar die Rechte. „Dieser PulS", sagt er, „sie ist in kompletter Hypnose, ein Medium la." „Kann sie auch Geister beschwören?" fragte die Ucker märkerin atemlos. „Gewiß", sagt er, „aber dann müssen wir alle klopfen. Allein kann sie'S nicht; sie ist noch zu sehr in den. An fängen." „Und er rückt einen Tisch zurecht und arrangiert die Hände auf der Platte. „Wen befehlen die Damen?" fragt er galant. Die jüngere Hamburgerin bittet um Vater Homer. „Den gab'S ja gar nicht!" ruft Doktor Hühnerbein. „DaS werden wir sehen. Gibt's ihn, so kommt er." „Alle machen mit. Natürlich tanzt der Tisch bald wie wahnsinnig, da der Zittauer den Tischbeinen beständige Stöße versetzt. — Unmenschliche Aufregung herrscht. Plötzlich schlägt's zwölf. „S—s—s—s—" macht der Zittauer. „Tic günstigste Stunde im Jahr — nur noch wenige Minuten —" Alle arbeiten weiter. Tie Platzmajorin ist in großer Sorge um ihren guten Tisch — aber ein wirklich er schienener Geist würde ja die beste Reklame für die Pension sein — und so klopft sie ruhig mit. Der Tisch fliegt nachgerade wie ein Kreisel. Ich kann rühig blinzeln, denn mich haben sie ganz vergessen. Da — im höchsten Affekt stürzt Aurelie herein, punschrot, einen Pfannkuchen in der Hand. „Alle guten Geister!" ruft sie. „Frau Platz majorin, der Herr kommt!" „Welcher Herr?" „Herr Platzmajor." „Alles schreit auf. Sogar der Zittauer bekommt einen leisen Schreck. Ter tote Platzmajor? Den eS angeblich gar nicht mehr gibt? „Ein dröhnender Schritt kommt näher. Die Tür wird aufgerissen. Sin riesiger Kerl im Lodenanzug mit rotem Schnurrbart steht aus der Schwelle. Jetzt bekomme sogar ich eS mit der Angst. Sollte Vater Homer wirklich in dieser Gestalt.... „Josef!" ruft die Platzmajorin empört und tritt ihm gebietend entgegen. „Josef, du gehörst nicht hierher! Du gehörst nach Straubingj" Di, vrikettsabrtkanttn, -t« halb t« VSnmacht -«fall««
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