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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030228027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903022802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903022802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-28
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Brzugs-Vret- ß» d« H«-t*xpedU1ov oder d«« AuSgad» ß»ll— ad,«holt: v»ert«liahrltch ».—, b«t «aNchi 8»P.I,,ng Ms Ha-, S.7U. D»rch dt« Poft bezöge» sttr Deutsch» I«d «. Oesterreich vterteliährlich ^e 4.S0, für dt« wetg« Lüuder laut ZettLug-prttSüste. Ne-aktto» und ErveLittour IohcumtSgaffr 8. F«r»s-r«cher tkü »ud SSL FUt-lavpadttt»»«« Alfred Hah», Bmt>ha»dtg„ llMvrrsitütsstr.S, L tttsch«, KatharMeastr. 14» ». «»utglpl. 7. Httpt-Filiale Dresden: Htredlra« Etroß« S. F«r»sp«cher Ami 1 Nr, 1718. Haapt-Filiale Lerlin: - UM Dmuker, Herzgl. Bayr. Hofbvchhandlg,, Ätzow-raße 10. Semspnch« «ml VI Nr L808. Abend-Ausgabe. MMer TaMaü Anzeiger. ÄmlsAall des Lönigkichen Land- und des Äönigkichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und -es Rolizeiaintes der Stadt Leipzig. Mnzeigeu-Preis die -gespaltene Petlt-eüe SL H. Nett««»» ««ter dm» NedakNonsftttch (4ges-alt«») 7V vor de» stamüteRua-- richt« ^S-es-alt«) 80 Tabelloritcher «L tttsserMatz «tf-recheud höher. — cheböhreo für Noch weis aagea »ud Offertmammh»» L8 («xcl. Porto). Lrtra-Verlage« gesalzt r»r mit der Morgen-Ausgabe, ahn« Sostbe'orderuug -sl 60.—. «1t stkytb«fSrd«r»»g » 70»-> Annahmeschlnß Mr Anzeigen: >b«»d-A»sgabe: Sormittogs 10 Uhr. Morgon-AasgaLer Nachmittags 4 Uhr. Anzetgm find stet« a» di« Expedtttv» zu richt«. Die Expedition ist wocheutags mnmterbrochea geöffnet vou früh S bis abeuds 7 Uhr. Druck uud «erlag vou S. Pal» i» Leipzig. Rr. 108. Tonnabend den 28. Februar 1903. 87. Jahrgang. Wortlaut -es sächsischen Kartellvertrages. W Die gegenwärtige politische Lage erfordert für die bevorstehenden Reichstagswahlen dringender als jemals zuvor den Zusammenschluß aller Ange hörigen der Ordnungsparteien gegenüber der revluttonären Sozialdemokratie. In keinem Teile Deutschlands ist dieser Zusammenschluß notwendiger, als in unserem engeren Vaterlande. Die Landesvertretungen der konservativen Partei, der nationalliberalen Partei, der Reformpartei und des Bundes der Landwirte haben da her unter Zurücksetzung alles dessen, was sie auf poli tischem und wirtschaftlichem Gebiete auch trennen mag, über folgendes Abkommen für die demnächst stattftndenden Reichstagswahlen sich ge einigt: 1) Der gegenwärtige Besitzstand der vertragsschließen den Parteien wird gegenseitig anerkannt, dergestalt, daß zum Besitzstände der Konservativen der 2., 9., 11., 14. und 23. Wahlkreis, -um Besitzstände der Na t i o n a l li b e ra le n der 12., 1ö. und 21. Wahlkreis, zum Besitzstände der Reformer der 3., 7. und 8. Wahlkreis zu rechnen sind. Die Anerkennung des Besitzstandes schließt zum min desten in sich, daß bei den bevorstehenden Reichstags wahlen gegen dan Kandidaten derjenigen Partei, welcher der Besitzstand zugesprochen ist, Kandidaten der andern Parteien nicht entgegengestellt werden. 2) Kerner sollen der 1. Wahlkreis zum Besitzstand der Nationalliberalen, und der 20. Wahlkreis zum Besitzstand der Konservativen gerechnet werden. y) Nach einem früher schon getroffenen Separat-Ab- kommen werden im 4. Wahlkreis ein Kandidat der Kon servativen und im 5. Wahlkreis ein Kandidat der Re former aufgestellt. Die Nationalliberalen haben als Gegenleistung durch das Geparat-Abkommeu den Landtagswahlkreis Dres den-Friedrichstadt seinerzeit zugewiesen erhalten. 4) Bezüglich des 6. und 22. Wahlkreises wird den Konservativen, bezüglich des 13., 16. und 17. Wahlkreises wird Len Nationalliberalen, und bezüglich des 18. und 19. Wahlkreises dem Bund der Landwirte ein Vorschlags recht für Kandidaten aus ihrer Mitte bis zum 31. März 1968 Vorbehalten. Wird von diesem Borschlagsrecht innerhalb der fest gestellten Zeit kein Gebrauch gemacht, so findet weitere freie Vereinbarung unter den Vertragschließenden statt. Bon diesem Kartell bleibt vorläufig der 10. Wahlkreis ausgeschloffen, da über den Besitzstand eine völlige lieber-- einstimmung nicht zu erzielen war. Jedoch wird für alle Beteiligten die Verpflichtung fcstgestellt, denjenigen Kandidaten, der mit dem Sozialdemokraten in die Stich wahl kommt, tatkräftig zu unterstützen. Politische Tagesschau. * "tl-rig, 28. Februar. Der Reichstag trat gestern nach Erledigung einer großen Anzahl von Petitionen in die erste Lesung der Krankenkassen- Novelle ein. Wir haben bereits auf die wesentlichen Punkte des Gesetzes hingewiesen, welches, vom Staats sekretär Grafen Posadowsky eingehend begründet, von der Mehrheit des Hauses, sogar auch seitens der Sozial demokraten, mit den Versicherungen entgegengenommen wurde, das Möglichste zu seinem Zustandekommen zu tun. Nur die Reichspartei setzt ihm durch den Abg. Gamp anscheinend den ernstesten Widerstand entgegen: aber auch die konservative Partei steht ihm sehr kühl gegenüber. Alle Redner stimmten indes darin überein, daß der Entwurf noch lückenhaft sei und der bessernden Hand bedürfe, um ein reformatorisches Werk darzustellen. Das Bessere ist jedoch des Guten Feind. Wenn der Reichstag jetzt eine solche durchgreifende Reform in An griff nehmen wollte, so würde er nicht damit zu Ende kommen, und das Gute, welches die Novelle heute bietet, den arbeitenden Klaffen auf Jahre hinaus vorenthalten werden. Abg. Hofmann-Dillenburg snatl.) wünschte jedoch, daß in die Novelle in irgend einer Form die Bestimmung etngefügt werde, die den zukünftigen Reichs tag verpflichtet, den weiteren Ausbau des Krankenkaffen gesetzes in die Hand zu nehmen. Sein Fraktionsgenoffe Abg. Endemann hatte vorher als die klaffendste Lücke in der Novelle die Auslassung der Bestimmungen über die Regelung der Verhältnisse der Kassenärzte genannt. Als einfachste Lösung bezeichnete er die freie Aerztewahl, auch wünschte er die Errichtung eines Einigungsamtes zwischen Krankcnkaffenvorständen und Kassenärzten. — Abg. Spahn lZentr.) sprach seine Be denken gegen die Erweiterung der Unterstützungspflicht auf die Geschlechtskranken aus, wird aber an diesem Be denken die Novelle nicht scheitern lassen. — Auch die übrigen Redner: Molkcnbuhr, Hofsmeister, Lenzmann, v. Czarlinski, Roesicke-Dessau, Raab, äußerten weiter gehende Wünsche, jedoch stets mit der Zusage, das Gesetz an diesen Forderungen nicht scheitern zu lassen. Abg. I)r. Arendt desavouierte schließlich sogar seinen Frak- tiousgenossen und beteuerte, daß auch die Rcichspartei das Zustandekommen des Gesetzes wünsche. Dies wurde an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen. Unter Umständen kann die Kommissionsberatung sehr verhängnisvoll für die Novelle werden, wenn hier sich die Mitglieder keine Beschränkung ihrer Wünsche aus erlesen. Der Präsidentenschub, der gestern abend halbamtlich mitgeteilt wurde, bedeutet zunächst eine große Enttäuschung für gewisse Leute, die unter dem Anscheine, gut unterrichtet zu sein, durch Nachrichten und Artikel über die „kommenden Männer" ebenso bestimmte parteiische Zwecke verfolgten, wie bei anderen Gelegenheiten. Nicht ein einziger der jenigen Herren, die von gewissen Leuten genannt worden sind, hat das Oberpräsidium von Posen erhalten. Welcher Ruf dem jetzt ernannten Oberpräsidcnten v. Waldow von Königsberg nach Posen vorangeht, wissen wir zur Stunde nicht. Hoffentlich gelingt es dem neuen Oberpräsidenten, so schnell als möglich den Hader aus der Welt zu schaffen, der die Deutschen der Provinz zum Schaden für die deutsche Sache trennt. Aehnlichc Hoffnungen darf man an den Wechsel in den Präsidien der Provinz Hannover knüpfen. Auch hier ist es angesichts der kommenden Wahlen im Interesse der nationalen Sache dringend erforderlich» daß die bündle- risch-konservative Agitation endlich aufhört, an den höchsten Verwaltungsbcamten der Provinz einen Rück halt zu finden. Die Besetzung mehrerer Präsidenten posten läßt nach der Fassung der halbamtlichen Mit teilung erkennen, daß die Staatsregierung das Bestreben hat, die Verwaltung der Provinz nach Möglichkeit solchen Männern anzuvertrauen, denen die Provinz von früher her bekannt ist. Unter diesem an sich löblichen Bestreben muß zunächst der Regierungsbezirk Brom berg, der seinen aus Westfalen stammenden Präsi denten Kruse nach Minden abgibt, insofern leiden, als er abermals nach kürzester Frist einen neuen Präsidenten erhält. Seitdem Herr v. Tiedemann vor einigen Jahren zurllcktrat, ist es das dritte Mal, daß im Bromberger NegierungSpräsidium ein Wechsel erfolgt. Hoffentlich wird nunmehr Herr v. Günther in Bromberg wenigstens für einige Jahre seßhaft, damit -er wichtige Bezirk nicht dauernd von neuen Männern verwaltet wird, die über das Stadium der Einarbeitung kaum hinausgelangen. Der Batik«» und Frankreich. Wie bereits bemerkt, handelt es sich bei dem zwischen Frankreich und dem Vatikan neuerdings ausgebrochenen Streit um zwei Dinge: Um die FormderJnvesti- tionsbullen und um die Frage, ob die französische Regierung auf Grund des Konkordats berechtigt sei, ohne vorheriges Einvernehmen mit dem päpstlichen Stuhle Bischöfe zu ernennen. Aus Rom wird der Poli tischen Korrespondenz nun geschrieben, daß bezüglich des ersteren Punktes ein Kompromiß wohl zu erzielen sein dürfte, denn der Vatikan sei nicht abgeneigt, in den die in8litutio oanouioa gewährenden Bullen die Formel „?rae- 8ss reipublicao nobis nowivsvir", bei der das Wort nobis Herrn Combes anstößig erscheint, durch eine „dem Wesen nach gleichwertige, wenn auch in der Fassung weniger scharfe" Wendung zu ersetzen. „Viel schärfer zugespitzt" — schreibt der vatikanische Gewährsmann der Politischen Korrespondenz — „ist der Gegensatz, -er durch die von der französischen Regierung ohne vorherige Einigung mit dem heiligen Stuhl vorgenommene Ernennung von Bischöfen entstanden ist. Es ist die Frage, ob die französische Re gierung sich tatsächlich dieses Recht aneignen will. Es ist allerdings nicht unbeachtet geblieben, daß in dem Fall, durch den der Streit provoziert wurde, bei der Neube setzung der Bischofsstühle von Bayonne, Constantine und St. Jean de Maurienne, die Ernennung der neuen Bischöfe nur in offiziöser Weise angekündigt, also nicht im Amt^latt publiziert wurde, woraus man schließen zu dürfen glaubt, daß die französische Regierung vorerst nur das Gebiet streifen wollte, um die Haltung, welche etwa der heilige Stuhl etnnehmen würde, kennen zu lernen. Man hofft deshalb in Rom, daß Herr Combes, wenn er die Wahrnehmung macht, daß der heilige Stuhl seinen Ansprüchen ein „non possumru" entgegensetzt, auf seinen Plan, die Bischöfe ohne Einvernehmen mit dem Vatikan zu ernennen, nicht beharren werde. Sollte jedoch das Entgegengesetzte der Fall sein und die französische Re gierung ernstlich auf dem Vorhaben bestehen, ohne die Zustimmung des Papstes Bischöfe zu ernennen, dann ist es unzweifelhaft, daß der Vatikan niemals dieses Recht anerkennen werde. Es ist dies, freilich unter einer anderen Form, die Wiederholung des be kannten Jnvestiturstreites, der so lange zwischen den deutschen Kaisern und den Päpsten schwebte. Wenn der heilige Stuhl zugestehen würde, daß die Regierung der französischen Republik ganz selbständig ohne Zustimmung des Papstes Bischöfe ernennen dürfe, so läge darin eine indirekte Anerkennung des Rechtes der Regierung, ihrer seits jemandem die für das Bischofsamt erforderlichen geistlichen Funktionen zu verleihen. Dieses Recht wird aber der heilige Stuhl niemals irgend einer Regierung zuerkennen. Man gibt sich im Vatikan der Erwartung hin, Herr Combes werde nicht auf seinem Anspruch be stehen, sondern nach dem Beispiel aller anderen Regie rungen für die Ernennung der Bischöfe die Zustimmung des heiligen Stuhles einholen." Das neue Handels-Ministerium in Washi«gto«. Es war unstreitig eine Anomalie, daß eine der größten handeltreibenden Nationen der Welt, die Bereinigten Staaten, bisher keine Regierungsstelle besaß, welche sich die Förderung von Handel und Gewerbe zur besonderen Pflicht machte. Es ist allerdings schon seit Jahren von kommerziellen Körperschaften auf die Schaffung eines Handels-Ministeriums hingearbettet worden; indessen hat die Bill immer in einem der beiden Häuser des Kongreßes Schiffbruch gelitten. Jetzt ist sie endlich, zum großen Erstaunen der Befürworter, unter Dach und Fach gebracht worden, und im Kabinett des Präsidenten wird ehestens als neunter Berater ein „Secretarv of Eommerce" sitzen. Dem Vernehmen der „Krkf. Ztg." nach wird George B. Cortelyou, der bisherige Privatsekretär des Präsidenten, auf diesen Posten gestellt werden. Herrn Cortelyons Wahl wird als eine aus gezeichnete angesehen, da er großes organisatorisches Talent hat und zweifellos bald dem neuen Regierungs- Departement eine gesunde Grundlage geben könnte. Eine Reihe von Bureaus, die jetzt von anderen Departe ments reffortteren, wird dem Handels-Departement zu- getcsilt werden, z. B. das Einwanderuntgsamt, das Statistische Amt, die Leuchtturm-Behörde, das Seeamt, die Fischerei-Kommission und das Amt für Normal matze und -Gewichte. Sehr wichtig für das wirtschaftliche Leben Amerikas mag eine in letzter Stunde dem Gesetz zugefügte Bestimmung werden. Der Handelssekretär soll nämlich Erhebungen über die grotzen Kapital-Kom binattonen anstellen und hat zu diesem Zwecke die Macht erhalten, Zeugen zwangsweise vorführen zu lassen und die Vorlegung von Geschäftsdokumenten aller Art zu verlangen. Hier wird augenscheinlich der Hebel angesetzt, um Informationen zu erlangen, welche für die Regie rung in ihrem Kampfe gegen die Trusts wertvoll werden können. Deutsches Reich. Berlin, 27. Februar. Gemeinnützige Zwecke zu fördern, ist auch im Jahre 1902 die über wiegende Mehrzahl der Träger der Jnvalidttäts- und Altersversicherung bei der Verwaltung ihres Vermögens, das bekanntlich Ende 1901 sich auf 929»2 Millionen Mark belief, bemüht gewesen. Es ist zu Gunsten dieser Zwecke aus dem Vermögen der Versiche rungsanstalten der Betrag von 43,6 Mill. Mark und aus dem derKasseneinrichtungcn derBetrag von 3,2Mill.Mark hergegeben worden. Hierdurch haben die seit Anfang 1891 für diese Zwecke aufgewendcten Mittel bei den Versiche rungsanstalten die Höhe von 310,4 Millionen und bei den Kaffeneinrichtungen die Höhe von 12,7 Millionen Mark, insgesamt mithin die Höhe von 323,1 Millionen Mark erreicht. Bon dieser Endsumme sind zur Befriedi gung von landwirtschaftlichen Kreditbedürsniffen 67,3 Millionen Mark, für den Bau von Kranken- und Ge nesungshäusern, Volksheilstätten, Pflegcstationen, Ar beiterkolonien, Volksbädern, Blindenheimen usw. 127,8 Millionen, für den Bau von Arbciterwohnungen 103,4 Millionen, für eigene Veranstaltungen, wie Kranken häuser, Heilanstalten, Lungenheilstätten, Erholungs- und Genesungsheime, Jnvalidenhäuser usw. 24,4 Millionen Feuilleton. Feierstunden. »1 Ei» Jahr aus einem Lebe«. Bon EmilRoland. Nachdruck vervol«». Eines Morgens saß Lenore weinend über ihrer Stickerei. Tränen bei Lenore waren etwas sehr Unge wohnte-. „Was haben Sie?" fragte Helene geängstigt. „Sie sind keine Freundin", schluchzte die-Weinende. „Sie verschweigen mir so viel — und ich sage Ihnen alles, schenke Ihnen mein ganzes Vertrauen, und so wenig zahlen Die es heim!" „Ich verstehe <Äe nicht!" „All' die Zeit haben Sie bei Hausmann verkehrt — und ich wußte nichts davon! Nun hab ich's zufällig gehört. Der aus Zittau hat mir's erzählt. Die ganze Pension lachte mich aus, daß ich nichts davon gemerkt habe." „Und woher weiß es di r aus Zittau?" ,Hm Cafs Luitpold hqst er Bekanntschaft gemacht mit einem Herrn, einem iungen Doktor Sachs. Der hat's ihm gesagt. Und da der aus Zittau doch so gieprig auf große Leute ist, hat Doktor Sachs ihm versprochen, ihn mal zu Hausmann mitzunehmen. O Helene, Sie sind so hinterhältig!" Und sie brach in einen neuen Tränenstrom aus. Helene stand mit verschränkten Armen ratlos da. „Sie haben recht", sagte sic, „ich war nicht sehr offen herzig — aber glauben Sie mir, wenn ich Sie mit dem Geheimnis belastet hätte, würde die Pension es noch früher erfahren haben. Man darf Ihnen in der Hinsicht nichts -umutcn." ' „So halten Sie mich wohl für sehr indiskret?" „Ich halte die Pension für sehr neugierig." „Uebrigens wird/ Doktor Sachs auch zur Platzmajorin ziehen. Der Kottbiasrr reist ab. So ist eine Stube frei." „So", sagte Helckne bitter, „das ist ja für mich eine er- freuli-e Konstellation." -Ast et Nonen /unangenehm?" Kam, seufzte. „Ja und nein. Das heißt, eigentlich ist's gleich für mich. Es verfrüht eben nur meinen Ab reisetermin." „Sie wollen fort? Und davon weiß ich auch nichts?" zürnte Lenore. „Der Plan ist erst von neuem Datum; gestern schrieb mir der Verleger vom Basilikenbuch — Sic wissen ja —, er möchte italienische gotische Dome in derselben Art von mir haben — Florenz, Siena, Orvieto. Eine schöne Auf gabe, nicht wahr? Aber sie bedingt mindestens ein halbes Jahr Abwesenheit von hier, und bis jetzt — sehen Sie, Lenore, ich will vertrauensvoller sein — wäre mir das Scheiden zu schwer geworden. Nun aber, so unter der täglichen Kontrolle von Doktor Sachs . . ." Lenore staunte. „Solch famoser Auftrag!" sagte sie, „und Sie springen nicht deckenhoch? Das ist gewiß auf Hausmanns Kritik hin. Go was nützt eben enorm." „Das wissen Sie auch schon?" „Ja, die Kritik zirkuliert jetzt in der Pension. Doktor Sachs hat sie dem Zittauer geliehen. Alle da unten fühlen sich jetzt enorm gehoben, daß solch ein Lumen wie Sic über ihnen wohnt. Paffen Sie auf, Sie werden noch ein Hauptclou in der Baderschneiderschen Reklame!" * * * Seit Helene wußte, daß Hans Sachs zur Platzmajorin ziehen werde, stand ihr Plan fest, das Anerbieten des Verlegers anzunehmen. Warum auch nicht? Warteten doch im Süden schmerz lindernde Mittel auf sie. Manches Leid, das einem im trüben Norden geschieht, läßt sich vergessen im bläulichen Schatten jener himmelansteigenden Dome, die dort unten ragen auf etrurischen Felsen, an heiligen Flüssen. Und auch das wußte sie: ihre alte Schwärmerei für Hausmann würde reiner wiederkehren, wenn sie in der Ferne war. Jetzt zürnte sie ihm — aber sie fand sich lächerlich, weil sie ihm zürnte. Wer rechtet mit einem bald Achtzigjährigen! Sie hatte kein Recht, von dem müden Alten zu verlangen, was von einem dreißig jährigen Verehrer zu fordern gewesen wäre. Durfte sie ihm zürnen, wenn er Hans Sachs' Gesell schaft der ihren vorzog? Wer wußte denn, ob er eS über haupt tat? Sie war ja vom Kampfplatz abgetreten und ließ dem Rivalen freiwillig die Strecke frei. Sie ge hörte zu den Empfindsamen und er zu den Robusten — wie hätte sie da auch einen Kampf aufnchmen sollen, der von vornherein verloren war? Die Robusten siegen ja immer! * * * Lenore Ivar am nächsten Sonntag so seltsam befangen. Sie ging wie von schlechtem Gewissen belastet umher und warf zuweilen scheue Blicke zu Helene hinüber, die ein paar rosige Tulpen kopierte. Wie wundervoll sie waren, diese Tulpen in ihrer stil vollen Steifheit! Während Helene die schlanken Blumenformen studierte, fiel ihr ein, was sie vor kurzem irgendwo gelesen — von einem Weltverächter, der gesonnen war, sich das Leben zu nehmen, bis ihn der Anblick eines fein gegliederten maurischen Bogens mit der Erde versöhnte. Ein Triumph des Schönen . . . „Solche Tulpen könnten auch versöhnen!" dachte sie. Da schlug es zwölf Uhr. „Um Gottes willen", rief Lenore, „nehmen Sie mir's nicht übel, liebste Helene, aber gleich kommen sie und machen Besuch, der Zittauer und der Doktor Sachs. Sie haben mir beide so schrecklich zugesetzt, gestern bei der Punschbowle, daß ich's erlauben sollte — und damit es Sie nicht allzusehr überrascht, sage ich es lieber erst jetzt. Schließlich ist's ja auch keine Hinrichtung." Ehe Helene antworten konnte, stand das Paar bereits auf der Schwelle. Als kämen sic direkt aus einem jener eleganten Herren geschäfte an der Maximilianstraße, sahen sie aus, beide so blankgebügelt, so gutbesttefelt und so frisch beschlipst. Der aus Zittau so recht wie ein hungriges Provinzhuhn, das alles dankbar in sich saugt, was die große Stadt an Genüssen und Erlebnissen bietet — Hans Sachs so fabel haft blühend und frisch —, Farben wie ein mit Milch und Eiern reichlich genährtes Landmädchen —, etwas Verlegenheit im Gesicht, was zu dem ganzen Grundton seines Ausdrucks sehr wenig paßte und gerade darum anziehend war. Er avancierte sofort in Helenens Ecke. „Ich bitte mein Eindringen zu verzeihen", sagte er in harmlosestem Konversationston. „Als demnächsttger Mitbewohner habe ich allerdings fast das Recht, eine Sln- trittsvisite zu machen, komme aber heute nicht allein darum, sondern im Auftrage von Herrn HauSmann, der sich über Ihr Fernbleiben beunruhigt." „Wirklich?" fragte sic kalt. „ES ist sehr liebenswürdig von ihm, mich zu vermissen, während ich doch so durchaus ersetzt bin." Lenore trat zu ihnen und stellte den Zittauer vor: „Herr Leutnant Sä-lein —" HSSletn verneigte st- vor HauSmam»» Freundist fast bis auf den Boden. Dann zog er sich mit Lenore in die andere Ecke des Ateliers zurück. „Wie begabt Sie sind!" rief Hans Sachs, auf die Tulpen blickend. „An allen Ecken haben Sie Talente. Kirchensäulen und Blumen — was Ihnen nur unter die Finger kommt, wird prima Sorte nachgezaubert. Gewiß machen Sie auch Verse — solche, die wie Mondschein auf Waldwiesen wirken — hypnotisierend — symbo listisch —" Er nahm seinen Kneifer ab und putzte ihn. Helene warf ihm einen großen Blick zu. Sie staunte über die Schnelligkeit, mit der er vergessen, wie schroff sie ihn abgefertigt hatte. „Ich lese Ihre Gedanken", entgegnete er. „Sie denken jetzt: empfindlich ist der nicht — er, der da vor mir steht. Daß er mir einen Ouittungsbesuch macht für er haltene Zahlung, scheint mir in diesem speziellen Fall beinahe allzu großdenkend. O, bitte, genieren Sic sich nicht — Sic dürfen es ruhig denken. Aber ich denke mir auch mein Teil. Ich bin fest überzeugt, daß Ihre Schroff, hcit Ihnen hinterher selber leid getan hat, ja, daß Sie sie innerlich bereits längst zurückgenommcn haben." „Nicht im mindesten. Sie ist unumstößliche Tatsache." „Meinetwegen. Dann gestatten Die mir, nur noch zu sagen, daß selbst ein wirklicher Schlag von Ihnen mir ein außerordentliches Vergnügen gewesen wäre." „Sie haben eine eigentümliche Auffassung von Ver gnügen." „Allerdings. Ich bin überhaupt keiner vom Dutzend und anders als andere." Helene hatte sich ergeben auf ihre« Stuhl gesetzt, denn sie sah ein, daß sie den Besucher nicht so bald wieder los sein würde. Lenore stieß ihm aus der andern Ecke einen Rohrstuhl zu, der auf Rollen ging und wie ein Blitz durch das Ge mach schoß. „Wann also", fragte Hans Sachs, „werden Sie wieder zu Hausmann kommen?" „Wenn ich einmal sicher bin, ihn allein zu treffen." Er biß sich auf die Lippe. „Fräulein Helene", sagte er bekümmert, „Sie mögen mich nicht. Sie sind böse. Wenn ich neulich ein bißchen geradezu war, verzeihen Sic mir doch — ich nehme ja alles zurück. Sehen Sie, cs ist da erste Mal in meinem Leben, baß ich mit meiner Art bei jemand sozusagen anaeeckt bin." «Ihre früheren vrkannten müssen ungewöhnli- ««- empfindlich« Lent« gewesen sein."
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