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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030203028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903020302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903020302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-03
- Monat1903-02
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Um so mehr ist cS zu beklagen, daß bei der ersten Lesung so viel von allen möglichen anderen Dingen und so wenig vom Etat selbst die Rede gewesen ist und daß namentlich ein näheres Eingehen auf die Frage, waS un ter der jetzt allgemein als notwendig erkannten Reichs- sinanzreformzu verstehen ist und welcher Teil dieser Reform schon jetzt in die Wege geleitet werden könnte, vermieden wurde. Das läßt sich nun kaum mehr nach holen. Immerhin ist es dankenswert, daß in der „Köln. Ztg." ein bekannter Parlamentarier in einem längeren Artikel über die Etatsberatungen im Reiche und in Preußen sich über den Umfang, den eine gründliche Rcichs- iinanzrefovnr haben muß, folgendermaßen äußert: „Die ivrage der Reichssinanzrcform betrifft nicht allein die Zah lung der Matrikularbeiträge der Einzclstaatcn an das Reich oder die Auszahlung der Ueberivcisiingcn an die Einzelstaaten, obwohl da ganz gewiß eine feste Grenze er strebt werden muß, über die von beiden weiten nicht hin- ousgcgangcn werden darf: die finanzielle Lage deS Reiches chreit auch nach anderer Richtung hin nach einer Reform. > imnal nimmt das Reich ungeheuer viel Ausgaben auf !u leihen, die es in dieser Weise zu bestreiten nur ^un befugt ist, wenn es gleichzeitig eine regelmäßige ge- senliche Schuldentilgung gibt. Die Bestreitung io r Pe.stbauicn, besonders der Telephon- und Tele- .unhcnau'agcn, die Erbauung neuer, bisher nicht vor handener Kasernen und Militärgebäude, die Anlegung neuer Geleise und Erweiterung der Bahnhöfe bei den Eisenbahnen aus Anleihcmitteln ist gewiß berechtigt, weil sie eine Vermehrung des werbenden Kapitals oder eine zulässige Verteilung der Ausgaben der Gegenwart auf die Vergangenheit bedeuten, wenn gleichzeitig eine geregelte Schuldentilgung besteht: sonst ist cs ein unzulässiger Raub bau zu Gunsten der Gegenwart auf Kosten der Zukunft, wenn man so weit geht in der Heranziehung von Anleihe mitteln zur Bestreitung derartiger Ausgaben, wie dieses jetzt im Reiche geschieht. Auch die Verteilung auf Anleihen und ordentliche Mitte! bei den Ausgaben für die Flotten vermehrung ist — wie sie seit einigen Fahren geordnet ist — nicht zu tadeln, aber nur unter den angegebenen Vor bedingungen. An einer solchen Schuldentilgung im Reich fehlt es aber überhaupt, und die mehrere Fabre hindurch, als es gut ging, erlassenen sogenannten lexo-. Lieber haben in keiner Weise Abhülse schassen können: sind sie ja doch auch sofort beim Rückgang der finanziellen Verhältnisse im Orkus verschwunden. Das Bedenklichste bei der gan zen Reichsverwaltung ist ein stetiges Steigen der regel mäßigen Ausgaben, obne daß neue Aufgaben in Angriff genommen würden, und darauf hat unzweifelhaft die Tat sache Einfluß, daß die einzelnen Ressorts in den Einzel heiten ihrer Ankorderunaen nicht in genügendem Maße durch eine selbständige Finan-chehörde kontrolliert Verden, wie dies in Preußen der Fall ist. Mag man auch über das Vorwiegen deS finanzministeriellen Einflusses klagen so viel man will, ohne eine solche Kontrolle wir- eS niemals möglich sein, die Ansprüche der verschiedenen Ressorts in den richtigen erträglichen Grenzen zu halten, und die Tatsache allein, daß das Ordinarium des Militär etats im Fahre 1003 um 7 Millionen höher angesetzt ist, als im Vorjahre, ohne daß neue Aufgaben in Angriff ge nommen sind, zeigt, daß hier die finanzielle Kontrolle durchaus erforderlich ist. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß der Bundesrat oder der Reichstag diese Kontrolle er setzen könnten. Das Reichöschatzamt aber hat äußerst geringe Selbständigkeit gegenüber den übrigen RessortS, und gerade die dem Reiche zugcfallencn Ressorts der aus wärtigen Angelegenheiten, die Militär- und Marinevcr- waltung bedürfen einer ins einzelne gehenden Kontrolle vielleicht mehr als diejenigen Ressorts, die in der Ver waltung der Einzelstaaten geblieben sind. Es ist deshalb zu bedauern, daß die von nationalliberaler Seite geltend gemachten Erwägungen im Reichstage keinen weiteren Anklang gesunden haben, und cs muß der weiteren Er örterung überlassen bleiben, ob nicht die Vertreter der Bundesstaaten sowohl wie des Reiches sich selbst immer mehr von der Unmöglichkeit überzeugen, den Mangel einer wirklichen Reichsfinanzverwaltung zu er setzen." Unsere Soldaten und die Sozialdemokratie. Die „Sächsische Arbeiterzeitung" faselt davon, daß die Beschießung des venezolanischen Forts San Carlos durch unseren Panzer „Vi n e t a " als „allerncueste Heldentat" gefeiert werde. Dieser Schwindel wird in die Welt gesetzt, um folgende Auslassung an ihn zu knüpfcy: „Das Volk der Germanen ist recht beschei den geworden in seinem Begriff von Sieg. Als die deutsclum Truppen 1870 ausmarschicrtcn, da ivar z. B. die deutsche Infanterie viel schlechter bewaffnet als die fran zösische. . . Trotzdem aber wagte man sich an die Franzosen heran und schlug sic. Heutzutage aber ist eS so, daß die ganze deutsche Militärverwaltung rebellisch wird, wenn ein fremder Staat ein Gewehr einführt, das auch nur einen kleinen Vor zug vor dem deutschen hat. Und rüstet eine andere Macht ihre Armee mit einer Fcldkanonc aus, die im Schnellfeuer um(!) 3 Schüsse mehr erlaubt als die deutsche, dann kann man in Deutschland diesen Vorsprung gar nicht schnell genug einholen. Wenn cs so weiter geht wie bisher, wird der deutschen Armee schon das Bewußtsein, daß der Gegner etwas bessere Gewehre oder etwas bessere Geschütze hat, die Tatkraft lähmen und ihr so zu Prügeln verhelfen." Die Beschimpfung, welche dieser sozialdemokratische Ausblick für das deutsche Heer enthält, ist durch die Fort schritte in der Bewaffnung unseres Heeres nicht im mindesten gerechtfertigt. Die deutsche Heeresleitung würde ihre Pflicht verletzen, wenn sie die Waffen der deutschen Soldaten nicht auf der Höhe der Zeit erhielte. Was aber die Tapferkeit der Truppen und die Kühnheit der Strategie anbelangt, so haben beide auch unter der besten Bewaffnung der Welt Gelegenheit genug, sich zu bewähren. Daß ein sogenanntes Blatt für das Volk zu Gunsten eines vermeintlichen Heldentums eine An schauung vertritt, deren Verwirklichung Tausende und Abertausende der Söhne unseres Volkes ohne Zweck und Ziel deS Lebens berauben würde, enthüllt daS wahre Antlitz der sozialdemokratischen VolkSfreund- lichkeit. Mit ihrer VolkSfrcundlichkcrt brüstet sich die Sozialdemokratie, wenn dabei ein Vorteil für die sozial demokratische Partei herauöschaut: dann kommt eS auf Feuilleton. 2, Dunkle Heye. Roman von I. v. Eon ring. '«v-Tboten. „Ich liebe van Harpen nicht, Papa, und will mich nicht verkaufen." „Dachte ich's doch!" Der Oberst war tief erbittert. „Diese sentimentalen Redensarten erwartete ich zu hören. „Liebe ihn nicht!" Als ob diese sogenannte Ver liebtheit irgend eine Bürgschaft für die Zukunft darstellte. Fch habe Ehen gesehen, mein Kind, die in himmelstürmen der Liebe geschlossen wurden, gegen alle Vernunft, gegen den Widerstand der Eltern, und bic nach kurzer Zeit nur von der Furcht vor dem Gerede der Welt noch zusammen gehalten wurden. Und andere, die ohne Illusionen be gannen und brillant ausfielen. Ich kenne die Welt, mein llind, und daS LoS eines armen älteren Fräuleins kenne ich auch! Grund genug, daß ich deine Schroffheit solcher Werbung gegenüber von Herzen bedaure." Als Konstanze schwieg, fuhr er langsam und eindring lich fort. „Ueberlege dir, Konstanze, was ich gesagt habe, und tue dann, waS du verantworten kannst. Verlasse dich nicht auf mich, mein Kind. Ich bin nicht im stände, deine Zu kunft zu sichern, heute weniger als je, nachdem deine Brüder mich so hineingclegt haben." „Aber du stehst doch vor der Brigade, Papa." Der Oberst lächelte ein wenig. Er sah im Geiste tie dicken Kandillen, die breiten roten Streifen vor seinem geistigen Auge locken und winken. „Die Brigade, mein Kind? Noch habe ich sie nicht, und wenn — mit ihr kommen neue Anforderungen, neue große Ausgaben, so daß man sich eigentlich bei jedem Avance ment pekuniär schlechter steht, als zuvor. Also, darauf verlasse dich um Gottes willen nicht." Er seufzte tief auf. „Sind wir noch nicht bald da, der Kerl fährt wirklich ein unglaubliches Tempo!" Als Konstanze sich, nachdem sie den Mantel abgelegt hatte, auf dem großen, glänzend erleuchteten Borplatze nach ihrem Vater umsah, trat ein junger Offizier in der Uniform deS Regiment», da» Ltndow zur Zett führte, auf ne zu. Lr zog ihren Arm durch den seinen und drückte ihn zärtlich an sich. Seine braunen Augen, sein hübsches frisches Antlitz strahlten vor Glück. „Endlich, endlich!" sagte er. „Fch gab schon die Hoff nung ans, daß du noch kommen würdest. Eigentlich v üßte ich als Vortänzer schon längst zur Stelle sein, und blieb noch immerfort, ganz pflichtwidrig, hier draußen, nm deine Tanzkarte zu hüten. Hier ist sie, Konnte. Meinen Namen habe ich eingetragen, so daß nun niemand meine Tänze wegnchmen kann." Konstanze sah erglühend auf das Kärtchen nieder: „Erster Walzer, Tischtanz, Kotillon, aber KlemcnS, das wird nicht gehen!" „Geht es wirklich nicht, Konnte? Ich hoffe doch, morgen aller Welt beweisen zu können, daß ich nur mein Recht beansprucht habe." „Wir sind aber noch nicht so weit", beharrte sie, „und den Tischtanz hat sich van Harpen gestern reserviert." „So machst du Konfusion, Konnie. Du glaubst doch nicht, daß ich dich dem gräulichen Patron abtreten werde? Ich bin so wie so schon eifersüchtig auf seine Courmacherei." „Ach, KlemcnS, wie töricht, du und er!" Sie lachte leise und sah innig zu ihm auf. „Vergiß also nicht, Konnie, und " „Bitte, Rootteck, überlassen Sie meine Tochter jetzt mir", sagte plötzlich der Oberst kurz und scharf hinter den Beiden. „Komm, Konstanze, es ist höchste Zeit." Frau von Deren empfing Konstanze mit einem Kuß und entließ sie zu der Schar junger Mädchen, die, ein lachendes, plauderndes, von Herren in Frack und Uni form umschwärmtes Völlchen, an einer Schmalseite des SaaleS standen. Ueber ihnen thronten auf einer Estrade, respektlos „Drachenfels" genannt, die Mütter, jede ihr Töchterchen im Auge, jede die andern mitleidlos kriti sierend, elegante Toiletten und auffallende Frisuren miß- billigend bemerkend und jedes gewendete und gefärbte Fähnchen auf den ersten Blick erkennend. Als Konstanze sichtbar wurde, ging ein Raunen durch die Reihen der Mütter: „Frau von Lindoiv ist wieder nicht gekommen! Nach gerade werden doch die Kopfschmerzen lächerlich!" „Ich würde meine Tochter nicht immer allein ausgehen lassen!" „Besonder» nicht bei einer so auffallenden Cour macherei", meinte eine andere. „Sie hat doch immer etwa» Besondere», diese Konstanz« Ltndow. Kein Schmuck, kein« Blumen, nur da» glatt« weiße Seidenkleid." ganze Hände voll Millionen nicht an. Dom deutschen Heere aber kann die sozialdemokratische Partei einstweilen keine Vorteile erwarten,- deshalb trägt die „Sächs. Arbeitcrztg." kein Bedenken, unter der MaSke der Heldenhaftigkeit ein Verhalten zu empfehlen, das „unser Volk in Waffen" den Heeren ausländischer Feinde als wohlfeiles Kanonenfutter preiSgibt. DaS ist das Heldentum des Zukunftsstaatcs! Der Streik in Holland ist so gut, wie beendet. In Amsterdam sind, wie wir mit teilten, nur noch die Arbeiter der Fuhrunternehmer aus ständig. Die Gefahr einer vollständigen Stockung deS Verkehrs im ganzen Königreiche ist also glücklich beseitigt, und zwar durch die Nachgiebigkeit der betreffenden Ge sellschaften. — Ter Ursprung der Zwistigkeiten ist auf die absonderlichen und altertümlichen Einrichtungen deS Amsterdamer Hafenbetriebes zurückzuführen. Die Löschung eines Handelsschiffes geschieht durch die „Stcemen". Die Arbeit deS Löschens ist zünftig etngeteilt. ES gibt Löscharbeiter, wie ein Amsterdamer Bericht erstatter der „Frankfurter Zeitung" mttteilt, Bootarbeiter, Tvckarbeiter, Vcemarbeiter, Packhausangestellte ldie mit Abliefern, Wiegen und Beaufsichtigen der Waren betraut sind), und schließlich die Boottuhrleute, die auf den Grachten in der Stadt die Güter verteilen. Alle diese Gewerken sind untersich einzeln organisiert und alSGanzes wieder einer Föderation angeschlossen. Neuerdings hatte die Bootarbeitervereinigung „Recht en Picht" beschlossen, daß ihre organisierten Leute nicht mit unorganisierten Zu sammenarbeiten dürfen. Nun geschah eS, daß zur Löschung der „Staßfurt" ein einziger Unorganisierter gesandt wurde, zusammen mit 36 Organisierten: infolgedessen weigerten sich diese 56 Leute, die Löschung vorzunchmcn. Tic Güter der „Staßfurt" waren an die Cargadore Wm. H. Müller L Co. gesandt, und di« Löschung von diesen dem „Vlauwhoeden-Veem" übertragen. Die Firma Müller L Co. ist aber selbst wieder Mitglied einer „Bereinigung von Arbeitgebern bcS SchiffahrtSbetriebeS", und diese Vereinigung sandte aus Ansuchen der Firma 70 AuS- hülfsleute. Die 56 ApbeitSweigerer wurden entlassen. ES kam zu DerhandlungSversuchen zwischen der Arbeiter organisation und der SchiffahrtSvereinigung: die eine Seite forderte den Rücktritt deS Organisattonsvorsitzendcn WcsselS, der aufreizende Artikel publiziert haben soll, die Organisation hielt jedoch an ihrem Präsidenten fest. Schon drohte der Generalstreik auSzubrechen, als durch Ver mittlung des Bürgermeisters von Amsterdam Wessels frei willig zurücktrat. Die Unterhandlungen begannen, und jetzt verlangte die Arbeitgeber-Vereinigung Aufhebung des Artikels, der den Organisierten die Zusammenarbeit mit Nichtorganisierten verbietet. Die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen vermehrten sich, so daß schließlich ver schiedene Gewerkschaften für die geschädigten Arbeiter ein traten. Verschärft wurde der Streit durch die Weigerung der Angestellten der holländischen Eisenbahnen, Güter der in den Streik verwickelten „Veemen" und Firmen nicht zu verladen und Waggons mit solchen boykottierten Gütern zu rangieren. Außerdem suchten die Eisenbahner zu gleicher Zeit höheren Lohn und kürzere Arbeitsdauer zu erreichen. Die Eisenbahnarbeiter in Amsterdam ver langten im Falle der Nichtbewilligung ihrer Forderungen Proklannerung deS GeneralauSstandes im ganzen Lande für Eisenbahn- und Straßcttbahnangeftellte. Anfangs konnte durch AuShülssarbeiter und Militär der Per sonenverkehr aus den Eisenbahnen zur Not aufrecht er halten werben, aber als 300 Lokomotivführer und Heizer „Da kommt van Harpen", flissterte die erste aufgeregt. „Der schöne, stattliche Mann! Er tanzt mit niemand, aiS mit Konstanze. Glauben Sie, daß sie ihn nehmen wird." „Für so töricht, den abzuweisen, kann ich sie nicht halten. Denken Sie nur an sein herrliches HauS hier in Rheinfeld und seine großen Güter. Solche Partie findet sie nicht wieder." Van Harpen, ein ungewöhnlich großer, breitschultriger, rotblonder Mann mit regelmäßigen Zügen war mit tiefer Verbeugung vor Konstanze stehen geblieben: „Guten Abend, mein gnädigstes Fräulein." Seine scharfen, funkelnden Augen umfaßten im Nu ihre Gestalt. Er sah sofort, daß sic seine Blumen nicht trug. Mit leiser, weicher Stimme bat er, die Hand nach der Tanzkarte auS- streckend: „Mein Ttschtanz, Gnädigste! Ich darf doch hoffen, daß Sic ihn mir aufgehoben haben, wie Sie gestern so gütig waren, zu versprechen?" „Ich bin da nicht so ganz sicher", sagte Konstanze ver wirrt. „Wirklich, es ist mir sehr peinlich, ich habe Kon fusion gemacht und mich hier engagiert." „Darf ich fragen, wer der Glückliche ist, gnädiges Fräulein, damit ich mich mit ihm auseinaudersetzen kann ?" „Ich bitte Sie, daS nicht zu tun", sagte Konstanze. „Ich habe meine Gründe, es lieber so zu lassen, wie eS jetzt ist und bitte, die Sach« auf sich beruhen zu lassen, Herr van Harpen. Wenn Sie einen anderen Tanz nehmen wollen?" ,Ln gütig, meine Gnädigste. Ich lasse mir indessen mein Recht nicht gern nehmen und muß in diesem Falle ganz energisch darauf bestehen." „Daranf bestehen? Nachdem ich Ihnen sagte, daß ich anders entschieden babe? Was gibt Ihnen ein Recht zu solcher Anmaßung?" „Meine große Verehrung für Sie, gnädiges Fräulein, die immer dieselbe bleibt, obwohl Sie mich so herrisch ab- wessen. Sie wissen wohl, was Sie mir sind, wie sehr ich auf Ihren Besitz hoffe." Er hatte die letzten Worte tief erregt, aber ganz leise gesprochen. „Sie irren abermals", sagte Konstanze eisig. „Fch habe Ihnen keinen Grund zu solcher Hoffnung gegeben. Bitte, verlassen Sie mich jetzt. Sie sehen wohl, baß unser Ge- spräch anfzufallen beginnt." „Sie fertigen mich in einer Weise ab, die ich nicht ver dien«, und die mir schmerzlicher ist, al» Sie vielleicht an- nehmen, Fräulein von Lindow. Glauben Sie mir. e» ist der StaatSeisenbahnen die Arbeit einstellten, war der ge samte Verkehr gestört. Nachdem die Direktion der hollän dischen Eisenbahn die letzten Wünsche der Eisenbahner organisation bewilligt, beschloß der Vorstand der letzteren, den Streik aufzuheben. Die Eisenbahnangcstelltcn haben also ihre Forderungen durchgesetzt. Die Deutschen im Transvaal vor und nach Le« Kriege. In -er Londoner Finanzchronik erörtert ein „Deutsch- Afrikander" die schon öfter besprochene Frage, ob der Deutsche im britischen Südafrika oder in der ehemaligen Südafrikanischen Republik größere politische Rechte ge nossen habe. Seine Antwort fällt zu Gunsten Natals und der Kapkolonie auS. Abgesehen von der politischen Stellung, habe aber der Einwanderer in der Südafri kanischen Republik alles gefunden, waS er begehrte. ES bestanden wohl Gesetze, die der Einwanderung lästige Schranken auferlegten: sie blieben aber, gleich den Paß- Vorschriften, den Preßgesetzen, der Einschränkung des Ber- sammlungsrcchtcS und der Redefreiheit, ein toter Buch stabe. Ter Eintritt in die Republik war frei; niemand fragte nach dem Wer, Woher, Wohin? Einmal im Lande, konnte der Einwanderer tun, was ihm beliebte. So lange er nicht mit den Gesetzen in Konflikt geriet — und selbst da wurde in leichten Fällen ein Auge, wenn nicht beide Augen, zugedrückt — blieb er ungeschoren. Er konnte tun und lassen, waS ihm beliebte. Niemand kümmerte sich darum. Er genoß vollständigste Freiheit, und alles, waS in den Jahren vor dem Kriege über die freiheitliche Unter drückung der Ausländer von der englischen Presse in die Welt gesetzt wurde, war, wenn nicht unverantwortlich übertrieben, einfach, um ein gutes deutsches Wort zu ge brauchen, „erstunken nnd erlogen!" In keinem zweiten Lande wäre ein derartiger Mißbrauch der Preßfreiheit ge duldet worden, wie im Transvaal. Nur einmal wurde ein ZeitungshcrauSgcbcr aus der Republik auSgewiesen, und dies geschah nicht ans politischen Gründen. Die argen Verunglimpfungen des Präsidenten Krüger im Jo hannesburger „Star", die Verhöhnungen der Boeren und ihrer Regierung in demselben Blatte, im „Morning Leader" und anderen englischen Zeitungen der „Gold stadt" blieben ebenso ungeahndet, wie die offenen Auf reizungen zum Widerstande gegen die Staatsgewalt und die SchmerzenSrufe über die Grenze, die England direkt zur Vernichtung der Republiken auffordcrten. Solche Maßregelungen der Presse, wie sie in Kapstadt stattfanden, waren im Transvaal unbekannt. Mit -er vielgetadelten Boerenregierung war cs doch nicht allzu schlimm. Es war gewiß nicht alles, wie es sein sollte.... Das manche Beamte „zugänglich" waren, ist gleichfalls richtig. Aber das ist leider auch anderwärts der Fall. Gegen die Rechtsprechung ließ sich aber nichts sagen, und wenn cs trotzdem geschah, so war eS eine Unwahrheit und eine Beleidigung und Verleumdung deS TranSvaalcr Richterstande«, dessen In tegrität über allen Zweifel erhaben war. In einem Punkte verdient die verspottete „Boerenwirtschaft" sogar rückhaltloseste Anerkennung. Kein zweites Boll kann sich eines so raschen Ueberganges von den primitiven Zu ständen eines Hirtenstaates zu einem den Ansprüchen der modernen Civilisation entsprechenden Staatswesen rühmen, wie die Boeren. Es zeigt sich jetzt schon, daß die Engländer die größte Mühe haben werden, der unter den Boeren von ihrer Seite so arg bekrittelten LandeSver- waltung gleichzukvmmen. Es wird lange dauern, ehe die Räber des staatlichen Uhrwerks wieder so ineinander greifen nnd glatt laufen, wie cs unter der Boerenregic- rung der Fall war. nicht recht von Ihnen, mich wie einen dummen Jungen stehen zu lassen." „Tie hätten diese Erörterung sich und mir ersparen können, Herr van Harpen. Fch begreife nicht, wie Sie sich überhaupt Illusionen machen konnten, so sehr glaube iw Ihnen immer gezeigt zu haben, daß ich keine Spur eines wärmeren Gefühls für Sie hege." „Allerdings, Sie waren immer schroff nnd kühl gegen mich", brachte er mühsam hervor — „indessen, man bat Beispiele davon, daß junge Damen es lieben, ihre Ver ehrer hinzuhalten nnd zu peinigen, um später " „Herr van Harpen, ich bitte Sie nochmals, dieses Ge spräch zu beendigen, wenn Sie nicht wollen, daß ich micst bei meinem Vater 'beschwere." „Ueber mich? Aber mein gnädiges Fräulein! Das wäre hart «nd unverdient. Wie könnte meine grenzen- lose Verehrung Sie beleidigen? Lassen Sic doch den nn gerechten Groll gegen mich schwinden und zum Beweise, daß Sie mir nicht mehr zürnen, geben Sic mir den Tisch tanz." Seine Hartnäckigkeit empörte sie. „Nein, Herr van Harpen!" rief sie, sich schroff ab wendend. „Sie wolle» nicht, gnädiges Fräulein?" „Nein, ich will nicht, Sie hören eS ja!" Die Umstehenden hatten sich, da der Wortwechsel na türlich nicht unbemerkt geblieben, war, diskret zurückge zogen: so stand Konstanze, als sie sich umwandte, im Mittelpunkte eines kleinen Kreises und fühlte Dnycndr non Augcnpaaren neugierig und schadenfroh auf sich ge richtet. Ohne alle Ucberlegung tat sie in ihrer Aufregung und Verwirrung ein paar Schritte Rooneck entgegen, der sich eben gefchickt durch die Menge schob. „Endlich!" rief sie ganz laut. „Ich habe f» lange ge- wartet." Die Unmcstenden lächelten. „Das mar deutlich," sagte einer der Offiziere, Herr von Slicher, bumoristifch sich zu van Harpen wendend, der schweigend dastand und an der Unterlippe nagte. „Sie sind wohl gründlich in Ungnade gefallen?" «Fortsetzung folgt.)
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