65 Der andere, das war Karl Böhm. Böhm wurde 1894 in Graz als Sohn eines Rechtsan waltes geboren. Er studierte Jus (1919 Dr. jur.) und daneben Musik. Ab 1917 wirkte Böhm an der Grazer Oper. 1921 kam er nach München, 1927 als Hessischer Generalmusikdirektor nach Darmstadt, 1931 wurde er Opernchef in Hamburg. 1934 übernahm er in Dresden die Stelle des von den Nationalsozialisten vertrie benen Fritz Busch. Böhm erinnert sich über seine Anfänge in Dresden: »Übrigens hörte ich ein lustiges Gespräch von zwei Orchestermusikern der Sächsischen Staatskapelle, wie sie sich, ohne mich zu bemerken, über mich unterhielten, wobei der eine im schönsten Sächsisch sagte: >Wegen des Dialektes brauchen wir wenigstens nicht umzulernen, den kennen wirb«' 4 Den Dialekt kannten die Musiker durch Ernst von Schuch, dessen Sohn Dr. Friedrich von Schuch Böhms Verwaltungsdirektor wurde. Böhm bezeichnet die Zeit in Dresden als seine viel leicht »künstlerisch fruchtbarste«. Er dirigierte Karl Böhm, Bleistiftzeichnung von Bialla, 1929 in Dresden 689 Opernvorstellungen, das bedeu tete ca. 100 Aufführungen pro Jahr und daneben noch jährlich zehn Abonnementskonzerte. Unter Böhm fand die Dresdener Richard-Strauss-Pflege ihre Fortsetzung. Strauss und der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig arbeiteten gerade an der »Schweigsamen Frau«. Im Jän ner 1933, als Adolf Hitler zur Macht kam, war die Oper » ... so gut wie fertig... Wenige Wochen später erfolgte das strikte Verbot an den deutschen Bühnen, Werke von Nichtariern oder auch nur solche aufzuführen, an denen ein Jude in irgendeiner Form beteiligt gewesen« war. Richard Strauss hielt trotzdem an der Zusammenarbeit mit dem Juden Stefan Zweig fest, näherte sich aber andererseits den neuen Machthabern. Hitler holte den von ihm höchst verehr ten Strauss und »teilte ihm in persona mit, daß er die Aufführung, obwohl sie gegen alle Gesetze des neuen deutschen Reiches verstoße, ausnahmsweise gestatte.« Die Dresdener Premiere am 24. Juni 1935 unter dem Dirigat Karl Böhms wurde ein Erfolg. Nach der zweiten Vorstellung aber kam das Verbot für Dresden und ganz Deutschland. 15 Am 15. Oktober 1938 dirigierte Böhm in Dresden die Uraufführung der Strauss-Oper »Daphne«, für die Joseph Gregor das Libretto geliefert hatte und die Strauss Böhm widmete. Böhms nächste Station war die Wiener Staatsoper, die er von 1943 bis 1945 als Direktor leitete. Nach dem Krieg erhielt Böhm Auftrittsverbot, entwickelte dann eine internationale Gastspieltä-