EINE PREDIGT DES LUPUS VON FERRIÜRES Von Wilhelm Levison. Die folgenden Seiten sollen die bisher ungedruckte Schrift eines Mannes bekanntmachen, der als einer der eigenartigsten Vertreter der sogenannten Karolingischen Renaissance gefeiert worden ist. Man hat neuerdings die Berechtigung dieses Begriffes bestritten 1 ), und wenn man dabei im Sinne der späteren Renaissance an „das Vorherrschen neuer, dem mittelalterlichen Lebensideal und seiner Askese entgegengesetzter Tendenzen“ 2 ) denkt, so wird man den Begriff in der Tat besser fallen lassen. Bezieht man ihn aber wesent lich nur auf die litterae renatac und schließt auch die christliche Antike als Vorbild der Studien nicht aus, so behält er seinen Wert als zusammenfassende Bezeichnung für eine geistige Bewegung, für Bildungsbestrebungen der Karolingerzeit, die sich bei allen Unter schieden mit entsprechenden Erscheinungen des ausgehenden Mittel alters sehr wohl vergleichen lassen: die bewußte gesteigerte Auf nahme antiken Kulturgutes vor allem auf dem Gebiet der Lite ratur, verbunden mit der Überzeugung von dem vorbildlichen 1) Erna Patzelt, Die Karolingische Renaissance (Deutsche Kultur, Historische Reihe, geleitet von A. Dopsch, I), Wien 1924. Vgl. dazu S. Singer, Karolingische Renaissance (Germanisch-Romanische Monatsschrift 13, 1925, S. 187—201, 243 bis 258) und den für die Vereinigung der Freunde und Förderer der Universität Frank furt a. M. 1927 gedruckten Vortrag von Hans Naumann: „Karolingische und Ottonische Renaissance“; ferner die Bemerkungen von K. Burdach, Die Kultur bewegung Böhmens und Schlesiens an der Schwelle der Renaissance (Euphorion 27, 1926, S. 49Öf.); P. Kirn, Zum Problem der Kontinuität zwischen Altertum und Mittelalter (Archiv für Urkundenforschung X, 1, 1926, S. 129 Anm. 2) und von mir selbst: Zur Würdigung von Rimberts Vita Anskarii (Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, 2. Reihe, 8. Band, Heft 2, 1926, S. i8 3 f.). 2) So W. Goetz, Renaissance (Religion in Geschichte und Gegenwart IV, 1913, Sp. 2227). 1