24 Sigfrid H. Steinberg Stiftung oder einem Schützerverhältnis zu einer kirchlichen Insti tution den eigentlichen Grund für die bildliche Überlieferung des Dargestellten zu suchen haben. Unter anderen Gesichtspunkten sind nur die Kaiser- und Königs bilder zu werten; sie symbolisieren in erster Linie das Amt; sie drücken vornehmlich die staatsrechtliche Stellung des römischen Kaisertums, seine Abgrenzung gegen das Papsttum und Byzanz aus, bei ihnen gelangt (in der Regel) nicht irgendein Verdienst um die Kirche, sondern die Einordnung des Kaisers in die geistlich weltliche Theokratie zur Darstellung. 1 ) Demzufolge darf man wohl sagen, daß wir auf Grund des Porträts von keinem der Dargestellten uns eine zutreffende Vorstellung von seiner leiblichen Erscheinung machen können. Der Wille zur Ähnlichkeit läßt sich manchmal vermuten, aber kaum jemals beweisen, die Un möglichkeit ihrer Verwirklichung dagegen sehr oft. Meist verbietet in Anbetracht der angeführten Gründe allgemeiner Art schon die Tatsache, daß infolge Überlieferung nur eines einzigen Bildes oder Abhängigkeit mehrerer Bilder voneinander jede Möglichkeit einer Kontrolle fehlt, die Entscheidung über Ähnlichkeit von Abgebil detem und Urbild. Über den Kreis von Menschen hinaus, die auf Grund ihrer wirt schaftlichen oder politischen Machtstellung in der Lage waren, dingliche Leistungen an die Kirche mit künstlerischen Aufträgen zu verbinden, reicht kein Personenbild des Mittelalters. Es gibt kein Kunstwerk, das nicht auf Bestellung gearbeitet wäre, und dem gemäß kein Porträt, das nicht einen bevorrechtigten und leistungs fähigen Auftraggeber wiedergibt. So entsprechen die jeweils in einem Zeitabschnitt Dargestellten genau dem Kreis, der in dieser Periode die politische, kulturelle, wirtschaftliche Macht in Händen hat; die Porträts geben ein getreues Abbild der geistigen und poli tischen Oberschicht. Diese Feststellung ist von Wert für die Deu tung eines Bildnisses auf eine bestimmte Person, wenn deren Name nicht genannt ist, da infolgedessen der Kreis der für ein Porträt zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort überhaupt in Frage kom menden Menschen erheblich eingeengt wird. — Die weltliche und die weltgeistliche Hocharistokratie sind die beiden i) Vgl. dazu P. E. Schramm, Das Herrscherbild in der Kunst des frühen Mittel alters (Vorträge d. Bibi. Warburg II) S. I45ff.