Kultur- und Universalgeschichte

historische Quelle so dünn und dürftig, daß eine von ihr genährte Darstellung in ihrem methodischen Wert nur wenig über bloße Hypothese hinausreichen wird. Aus dieser Tatsache wiederum ergibt sich von selbst ein metho discher Grundsatz der historischen Geographie und Kartographie, der allgemeine und unwidersprochene Geltung hat: der Grundsatz der rückläufigen Bewegung der Arbeit. Man beginnt mit der Fixie rung eines Zustands, der uns aus seiner sachlichen Logik sowohl wie aus der Fülle der Belege heraus verständlich ist, und schreitet dann, die gewonnenen Erkenntnisse methodisch verwertend, zu anderen Zeitpunkten rückwärts, denen unsere zeitgenössische Er kenntnis ferner steht und für die das Quellenmaterial dürftiger vor handen ist. So haben bisher fast alle historisch-kartographischen Ar beiten mit der Fertigstellung einer Karte begonnen, die den Zustand am Ende der mittelalterlichen Staatenentwicklung und unmittel bar vor Beginn der modernen staatlichen Ordnung wiedergibt, für Deutschland also im großen und ganzen die Zeit der franzö sischen Revolution und ihrer Auswirkungen, und haben von hier aus rückläufig den Zustand zu erfassen gesucht, der sich aus den Umwälzungen der Reformation ergeben hat, den Zustand also un mittelbar vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Der innere Sinn der großen rechtsgeschichtlichen und wirtschafts geschichtlichen Tatsachen gewinnt für die Zwecke der historischen Geographie eine weit schärfere Bedeutung als für jede Art er zählender Geschichtschreibung. Geschichtliche Wirklichkeiten, wie etwa die Begriffe Landeshoheit, Jurisdiktion, Steuerrecht, Polizeigewalt u. a., bilden im Rahmen der erzählenden Historie einen Komplex von Vorstellungen, mit dem gerechnet werden kann, ohne daß es immer im einzelnen notwendig wäre, auf seine Faktoren und Komponenten bis in die letzte Einzelheit kritisch einzugehen. Für die historische Geographie dagegen, deren eigent liches Stoffgebiet sie darstellen, bilden sie und ihre restlose kri tische Erfassung das wesentliche Problem. Man darf sagen, daß in fast allen kartographischen Arbeiten bisher dieser Tatsache viel zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Man hat diese Begriffe durchaus summarisch genommen, ihre dogmatisch fixierten In halte als bekannt und normativ vorausgesetzt und die geschicht lichen Tatsachen in ihre Schablone eingezwängt. Kultur- und Universalgeschichte 35