01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030402010
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903040201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903040201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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Li» «rrertkantscher militärischer Berichterstatter schreibt ««»: Der unverkennbare Aufschwung, den die Flotte bervereinigtenStaaten genommen hat, ist nicht erst neuesten Datum», er ist auch nicht das alleinige Ver dienst de» gegenwärtigen Präsidenten der Republik, Herrn Roosevelt, dessen außerordentliche Tatkraft zweifel- lo» fördernd auf die Seemachtstellung seines Vaterlandes gewirkt hat, sondern er reicht zurück bis auf die Zeit un mittelbar nach dem Kriege mit Spanten, als die lieber- zeugung von dem Wert und der Bedeutung einer'tüch tigen Kriegsmarine sich allen Schichten der Bevölkerung und jeder politischen Parteirichtung aufdrängte. Mehr und mehr wurde gleichzeitig erkannt, daß mit dem wachsenden Handelsverkehr nach dem Au»lande dieser eines starken Schutze» bedürfe und daß die Verteidigung der Küsten de» Lande» im Kriegsfälle einer Flotte übertragen werben müsse, die ebenso in offensiver, wie in defensiver Leistungs fähigkeit zur Ausführung schwieriger und ernster Auf gaben fähig sei. Wenn trotz dieser allgemeinen Begeiste rung und trotz sorgfältig ausgearbeitcter Bauprogramme die Verwirklichung vieler Wünsche nach beschleunigter Bereitstellung einer erstklassigen Flotte bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, so hatte diese Tatsache zunächst in den Mängeln der amerikanischen Werften ihren Grund, die weder der Zahl, noch den baulichen und technischen Einrichtungen nach den unerwartet schnell an sie herantretenden Anforderungen gerecht zu werden vermochten. Auch die verschiedenen Streiks und der lange währende Streit der Regierung mit den Liefe ranten um die Panzcrplattenprctse haben wiederholt ver zögernd auf die Ausführung und Fertigstellung von oft schon geraume Zeit im Baue befindlichen Schiffen ein« gewirkt. Au» diesen mißlichen Verhältnissen ergab sich die Folge, daß im Laufe des vergangenen Jahres nur ein einziges Schlachtschiff, die »Illinois", beendet werden konnte und daß von den neunzehn Linienschiffen und zehn Panzerkreuzern, die dereinst -en Bestand der amerika nischen Flotte bilden sollen, bi» jetzt noch neun Linienschiffe und acht Panzerkreuzer unvollendet geblieben sind. Mit der Errichtung der Werft in Washington und dem gleich, «ä-tgen Fortgänge der Panzerplattenfabrikation soll schon in diesem Jahre die Entwickelung des Kriegsschiffbaues eine bedeutende Beschleunigung erfahren. Man hofft ferner, nach endlicher Beilegung der Streitigkeiten Mvischen den Admiralen O' Netl und Bowies einer- seit» und dem Admiral Taylor aus der anderen Sette auch zu einer Homogenität von Geschwadern zu gelangen, wie sie an» taktischen und strategischen Gründen schon lang« gmvünscht wurde, aber infolge der herrschenden Un einigkeit über La» Prinzip der Schlachtschiffkonstruktion nicht zu erreichen war. Admiral Taylor war nämlich der Ansicht, daß für den Bau Lieser Schiffe in erster Linie eine hohe Geschwindigkeit in Rechnung gezogen werden müsse, ««-«»- die beiden anderen vorgenannten Admirale den größten Wert ans die GefcchtSkrast des Schlachtschiffes legten und daher neben einem hohen Tonncngehalte starke Panzerung für dasselbe forderten. Mit dem Siege der Admirale O'Neil und Bowles in dieser Meinungs verschiedenheit und der Festlegung der Baupläne für die jüngsten Neubauten vom „Lonnecticut"-Typ soll dieses Prinzip auch für die nächste Zukunft Gültigkeit behalten und damit der amerikanischen Marine schon innerhalb wentger Jahre diejenige Gchlachtschtffflotte geschaffen werden, die an Zahl und Gleichmäßigkeit im Typ keinen Gegner zu fürchten hätte. Diesem Optimi»mu» gegenüber scheint e» geboten, auf «inen Punkt etnzugehen, -er in der Presse jenseits des Ozean» bei der Erörterung wichtiger Martnefragcn und bei de« Hoffnungen auf einen schon demnächst zu er- wartenden gewalttgen GchiffSzmvachS fast gar nicht Er- wähnung findet, obwohl er auf der Hand liegt und ge eignet erscheinen muß, die hohen Erwartungen auf eine zahlreiche kriegsbereite Flotte zu erschüttern. Es handelt sich um den Mangel an Offizieren, Unterosfi. ziere« und Mannschaften zur Bemannung der heute vorhandenen Schiffe und um die Tatsache, baß diese Fehlbeträge eher im Zunehmen, al» im Abnehmen begriffen find. Bon zuverlässiger Sette wird mit Bestimmtheit aus- gesprochen, -aß, wenn die Dinge so weiter gingen, wie bisher, innerhalb zwei bi» drei Jahren ein Defizit von tausend bi» -wölfhundert Marineoffizieren vorauszusehen wäre, und da der Vorschlag de» Marineministers, zur Deckung der Fehlbeträge dir Dauer des Unterrichtes auf der Marineschule in Annapoli» in Zukunft von vier auf drei Jahr« herabzusetzen, aus energischen Widerspruch der älteren Veeosfiziere gestoßen ist, so weiß man an maß- »ebender Stell« nicht, waS zur Beseitigung dieser Miß. stände zu tun ist. Mit einer Vergrößerung ber baulichen Einrichtungen von Annapolis allein, die zur Aufnahme von mehr Zöglingen beschlossen wurde, glaubt man nicht zum Ziele zu gelangen. Nicht minder ernst sind die Be sorgnisse, auf welche Weise der Mannschaftsersatz für all die im Bau befindlichen und projektierten Schiffe zu be schaffen ist. Die vorhandenen 21483 Mann reichen schon lange nicht aus, um die heute in Dienst befindlichen Kriegsschiffe zu besetzen, welcher Mangel auch mit dem Umstande in Zusammenhang gebracht wird, daß im ver gangenen Jahre nicht wentger als 8067 Leute von den verschiedenen Schiffen desertiert und 140 Selbstmorde bei der Marine vorgekommen sind. Zur Erklärung wird an geführt, daß der einzelne Mann wegen der vielen Fehl- stellen zu viel Dienst habe und diesen Anforderungen, trotz mancher ihm gebotenen materiellen Vorteile, nicht ge wachsen sei. Um im Augenblick Abhülfe zu schaffen und namentlich die Dtenstfreudigkett mehr zu beleben, hat der Marineminister in einem neuerlichen Erlasse angeordnet, daß die Urlaubsbestimmungen eine wesentliche Erweite rung erfahren und daß die ganze Osterwoche dienstfrei bleiben soll. Auf die Dauer wird man jedoch auch mit diesen Hülfs- Mitteln nicht auskommen, sondern noch andere Wege finden müssen, wenn man nicht bloß auf dem Papier eine starke Flotte haben will. Auch die Schaffung eines Admiralstabes nach dem Borbilde des eben erst in die Wege geleiteten Generalstabes wird für den fort schreitenden Ausbau der Flotte von einflußreicher Seite energisch gefordert, mit der Begründung, daß das Navi- gationsbnreau, das die Funktionen eines solchen Stabes bisher allein versehen hat, weder nach seiner Zusammen setzung, noch nach seiner inneren Organisation befähigt sei, alle technischen, taktischen und strategischen Fragen zu lösen, die heutzutage an eine moderne Kriegsflotte heran treten können. Dazu sei zu erwägen, daß bereits jetzt fünf Geschwader mit zusammen einundvierzig großen Schiffen in den verschiedensten Gewässern in Dienst ge halten würden und die Oberleitung einer so zahlreichen Flotte in einer fach- und sachverständigen Hand ge- halten werden müßte. Die Flotte der Vereinigten Staaten hat damit, so anerkennenswert auch ihre Be- strcbungcn und Erfolge sind, doch noch vieles zu leisten, ehe sie sich am Ziele ihrer mühevollen Arbeit sehen wird, und Admiral Dewey hätte darum besser getan, den. Mund nicht allzu voll zu nehmen mit seinen Deutschland gegenüber recht unangebrachten Renommistereien! Die „großdentschen" Zentrumsbayern. Das offizielle Organ der bayerischen Zentrums partei begeht den Geburtstag des Kürsten Bismarck mittelbar in der ihm eigenen Art, indem cs schwere Angriffe gegen Len verewigten unvergeßlichen Staats mann richtet. Der eine davon ist der Vorwurf, daß deS Fürsten Bismarck „kleindcutsche" Politik die vierte Welt- macht, d. h. den Deutschen Bund, zerstört habe. Vom Deutschen Bunde neben England, Rußland und der nord amerikanischen Union gerade im Hinblick auf die Kolonial- unL Flottenpolittk des Deutschen Reiches als von einer Weltmacht zu sprechen, ist einfach grotesk. Bekanntlich hat der Deutsche Bund niemals auch nur eine einzige über seeische Kolonie besessen, und die deutsche Flotte ist wegen des Bundcsjamnrcrs unter den Hammer gekommen. Bet jenem Vorwürfe des Münchner Zentrumsblattes braucht inan sich mithin nicht weiter aufzuhalten. Einen weiteren Angriff gegen den Fürsten Bismarck kleidet das bayerische Zentrumsblatt in folgenden tiefsinnigen Satz: „DaS mitteleuropäische Bündnis zwischen Frankreich, Oesterreich und Deutschland, dem sich Holland und Belgien angegliedert und England freundlich zugescllt hätte, wäre ein Weltfaktor gewesen; ihn hat Fürst Bismarck unmöglich gemacht. Eine ärgere Kannengießerci als die im vorstehenden enthaltene kann es so leicht nicht geben. Seit -en Tagen Ludwigs XIV. hat Frankreich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, stets feindlich Oesterreich und Deutschland gegenüber gestanden; auf der Zerrissenheit und Ohnmacht Deutschlands beruhte das französische Ucbergewicht, und wenn Napoleon HI. eine Zeitlang der deutschen Einheitsbewegung entgegen- kam, geschah cS in der Absicht, den leitenden Einfluß in Deutschland auSzuüben. Einzelheiten hierüber sind in Heinrich v. Sybcl» „Begründung deS Deutschen Reiches" ttn 4. Bande <D. 200 ff. der Volksausgabe) nachzulesen. An Stelle deS nebelhaften Weltfaktors, von dem das bayerische Zentrmnsorgan fabelt, hat Fürst Bismarck in dem von ihm geschaffenen mitteleuropäischen Bündnisse zwischen Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Italien einen wahr haften Weltfaktor tret«», lasten, dessen Wirksamkeit seit länger als zwei Jahrzehnten hat beobachtet werden können. In enger Verbind»»»» mit seinen haltlosen „groß deutschen" Angriffen ans den Fürsten Bismarck bringt da bayerische Zentrumsorgan eine Auslastung zur gegen wärtigen Flottenpolttik des Reiches, die ebenfalls der Zlrrückweisung bedarf. Der „Bayerische Kurier" schreibt nämlich: „Durch die von BiSmarck geschaffene Konstellation ist den, neuen Deutschen Reiche eine so schwere Rüstung ... auferlegt, da es n t ch t d i e Mi tt c l füretnemachtaebietende Seerüstung auf- bringen kann. Alle», wa» sür die Flotte'bisher ge schehen, galt dem Küstenschutz, und General v. Sauer rekla. mierte daher a„f dem Münchner Festabend die Ergänzung nnserer modernen Schlachtflotte durch eine entsprechende AuSlanbSslottr, welche der Reichstag gestrichen hat." — Hier wird, wie man sieht, -er Versuch gemacht, den voden für die Einnistung der Legende zu bereiten, -aß die Streichung der Auslandsschisfe im Flottengesetze von 1900 als eine unabänderliche, durch die angeblich mangelnden Mittel herdeigeführtc Tatsache anzuschen wäre. Damit eine so grundfalsche Auffastun« sofort widerlegt werde, ist es notwendig, an den Kommissionsbericht über dasFlottengesetz (Nr. 886 der Reichstagsdrucksachen für die Session 1898/1000) zu erinnern. Darin findet sich die vom Vertreter der verbündeten Regierungen abge gebene Erklärung, daß ein Verzicht des Bundesrates auf eine Vermehrung der Auslandsschiffe bis 1916 gan- ausgeschlossen sei, daß dagegen die Möglichkeit ern ster Erwägung bedürfe, die gesetzliche Entscheidung über diese Vermehrung so lange hinauSznschieben, bis die ver bündeten Regierungen es für angängig halten,, weitere Auslandsschiffe in Bau zu nehmen. In Uebereinstim- mung hiermit ivar schon vorher von einem Kommissions- mitglicde erklärt worden, daß cs bereit sei, dem Anträge auf Streichung der Auslandsschiffe zuzusttmmen, wenn der Antrag nicht etwa in dem Sinne verstanden werden solle, daß eine Vermehrung der Anslandsschiffe bis 1917 über haupt nicht erforderlich gehalten werde, sondern ledig lich in dem Sinne, Laß eine gesetzliche Entscheidung hier über vertagt werben solle, bis die verbündeten Regie rungen selbst eine Jnvaugabe weiterer Auslandsschiffe, je nach Entwickelung der politischen Verhältnisse, bean tragen würden. In der Neichstagssitzung vom 6. Iuni 1900 wurde dieser Sachverhalt bekräftigt. Staats sekretär Tirpitz stellte die Zustimmung des Bundesrates zu einer „ Vertagung " der Entscheidung über die Aus- landSschiffe in Aussicht, weil zunächst die Verstärkung der Schlachtflotte erforderlich sei und mit dem Bau der Aus landsschisfe erst 1906 hätte begonnen werden sollen. ?lbg. Graf Stolberg-Wernigerode führte aus: ,ZSenn die Entwickelung unseres Seehandels bis 1906 so wie bis jetzt weiter geht, dann werden wir allerdings noch nach- träglich die Anslandsschiffe bewilligen müssen." — Und der Abg. Bassermann sagte: „Wir haben bedauert, daß die Kommission die Anslandsschiffe gestrichen hat. Unsere heutige Stellungnahme wird uns jedoch erleichtert durch den Umstand, daß erst von 1906 ab die Vermehrung dieser Kreuzer erfolgen sollte und daß sich unserer Ansicht nach mit gebieterischer Notwendigkeit Herausstellen wird, die jetzt gestrichenen Kreiuer nachzufordern." — Auch Abg. Bebel verhehlte nicht, daß dies sicherlich der Fall sein werde, Abg. Gröber als Redner des Zentrums aber erhob dagegen keinerlei Widerspruch. Angesichts solcher Feststellungen kann der Versuch einer Leg enden bi ldung, wie er vom Münchner Zentrnmsorgan gemacht wird, als gescheitert bezeichnet werden. Deutsches Reich. Berlin, 1. April. iPo len und Sozialdemo- träte nJ Unter den Gegenständen der Tagesordnung, die den vor kurzem in Posen abgehaltenen sozial demokratischen Parteitag beschäftigten, wurden auch die Aussichten für die bevorstehenden Reichs tag swa hier» in der Provinz Posen eingehend er örtert. Wie" erinnerlich, hat die Mehrheit der polnischen Retchstagsfraktion der Zolltarifvorlage der Regierung -»»gestimmt, und diesen Vorgang hat die Sozialdemo kratie zum Ausgangspunkte ihrer Agitation genommen. Das sattsam bekannte sozialdemokratische Programm: Auflehnung gegen die „Knechtung des arbeitenden Volkes", Beseitigung des stehenden Heeres, Abschaffung der Unterhaltung der Kirche, Beseitigung aller indirekten Steuern, Reform aller öffentlichen Einrichtungen im Sinne der Arbeiter, die die Mehrzahl im Staate bildeten, alles das wird auch der polnisch sprechenden Arbetterbevölkcruug aufgetischt, damit sie zu der lieber- zeugung komme, daß sie „einen besseren Vertreter wie die Sozialdemokratie nicht finden könne". Daneben versteht es die sozialdemokratische Parteileitung aber auch, den politischen Bestrebungen und Hoffnungen der polnisch sprechenden Bevölkerung Rechnung zu tragen; in einer vom Parteitage angenommenen Resolution werden ausdrücklich „die Macht der arbeitenden Klassen und das Interesse der polnischen Nationalität" nebeneinander als diejenigen Ziele bezeichnet, deren gemeinsame Ver tretung die Sozialdemokratie und die Sozialdemokratie allein sich angelegen sein lassen werde. Zur weiteren energischen Fortführung der sozialdemokratischen Wahl agitation beschloß der Parteitag, ein Zentralwahl- comit« für die Provinz Posen mit dem Sitze in Posen zu bilden. Die Mitglieder werden auf Posen, Brom berg, Jnowrazlaw, Rawitsch und Schwerin a. W. ver teilt. Das Comit« hat die Aufgabe, die Mittel für die Reichstagswahl 1903 aufzubringen und die Wahlarbeit in den einzelnen Wahlkreisen „in zweckentsprechender Weise" zu betreiben. Ferner wird ein Flugblatt in deutscher und polnischer Sprache für die ganze Provinz herausgegebcn werden. Hand in Hand damit gingen wettere Vorschläge, wie eine wirksame Verbreitung der sozialdemokratischen Lehren durch die Presse zu erzielen sei. Ein Antrag, eine Verschmelzung der beiden polnisch sozialdemokratischen Organe „Gazetta Ludowa" und „Gazctta Robotnicza" hcrbeizuführen, wurde einstimmig angenommen, ein zwetter Antrag, einen Agitations kalender sür die Provinz Posen in deutscher und in polnischer Sprache zur Erläuterung der sozialdcmo- kratischcn Forderungen und Ziele herauszugeben, ebenso der Vorschlag, jederzeit Genossen zu politischen Referaten zur Verfiigung zu halten, der Agitationskommission als Material überwiesen. Die Aussichten für die kommenden Reichstagswahlen in der Provinz Posen sind sonach vom deutschen und nationalen Standpunkte die denkbar schlechtesten. Ob da» im letzten Grunde nach politischer Selbständigkeit strebende Polentum oder die vaterlands lose Sozialdemokratie zum Siege gelangt, in beiden Fällen ist die Gefahr für die Erhaltung des DeutschtumS unb die bestehende staatliche Ordnung gleich groß. Um io dringlicher muh an die auf nationalem Boden stehenden BolkSkreis, der Provinz Posen bi, Mahnung ergehen, angesichts der drohenden Gefahr die partei politischen Gegensätze zu vergessen und ihre Stimmen auf einen Kandidaten zu vereinigen, der die Interessen de» Deutschtums gegen Polonismus und Sozialdemokratie vertritt. * Berlin, 1. April. „Blinder Lärm" überschreibt die „Slldd. R.-K." folgenden natürlich offiziösen Artikel: „In einer an Provinzblätter versandten Zuschrift wird erzählt, in vatikanischen Kreisen sehe man Deutsch land bereits „als tatsächlichen Protektor der orientalischen Christenheit" an und be absichtige, dieses Protektorat auch ausdrücklich und formell von Frankreich auf Deutschland zu übertragen. Es folgen dann Angaben über eine Ver mittlerrolle des Fürstbischofs Kopp, über die Sym pathien des Kaisers für diesen Plan, über eine Gegen leistung des Zentrums in Gestalt der Bewilligung neuer Marineforderungen, über die „schwebenden Verhand lungen", die amtltcherseitS geheim gehalten würden, bi» sich die Aussicht auf Verwirklichung de» Protektorats überganges böte, was vor dem nächsten Herbst kaum ber Fall sein werde. Die ganze Geschichte ist erfunden, und zwar recht ungeschickt. Der Vatikan wäre, selbst wenn er die ihm angedichtete Absicht hätte, kaum im stände, das religiöse, Protektorat im Orient durch einen einseitigen Akt von Frankreich auf Deutschland zu über tragen, und wenn er es könnte, würde er e» nicht tun. Wohl ist die innere Politik Frankreichs zur Zett Archen feindlich; nach außen aber und namentlich in den Fragen des dem französischen Nationalstolz so sehr ans Herz ge wachsenen orientalischen Protektorates gilt unverbrüch lich der Grundsatz: i-'antieloi-ioalisme v'sst PLS UL artiols ck'sxxortLtiou. Für den Vatikan heißt es hier quiota non wovsro. Aber auch wenn es in der Hand der Kurie läge, das religiöse Protektorat der französischen Republik ohne weiteres zu entziehen und es dem deutschen Reiche anzubietcn, so würden — und das ist die Haupffache — der Kaiser und seine Ratgeber ein solches Angebot zurück weisen. Wir treiben im Orient keine Prestige-Politik, wir erheben dort auch in religiösen und kirchlichen Dingen keine universelle, nur nationale Ansprüche, d. h. wir üben das aus der Souveränetät de» deüffchen Reiches fließende Recht auS, dessen Angehörige, Katho liken, wie Evangelische oder Israeliten, zü schützen, wo immer dies tatsächlich und völkerrechtlich angängig ist. Damit hat man sich auch in Frankreich abgefunden. Man weiß dort, daß neben der von Deutschland, Italien und Rußland aufgenommenen nationalen Schutzpolitik im Orient noch genug Raum bleibt für die Wahr nehmung alter französischer Gerechtsame und Ueberlieferungen. Frankreichs religiöse Schutzherrschaft in Fragen, wo kein national-deutsches Interesse miffpricht, zu bestreiten oder gar an uns zu reißen und aus Motiven ber Eitelkeit, de» Macht kitzels, des Prestiges die Sorge für religiöse und kirch liche Angelegenheiten anderer Völker im Orient zu über nehmen, ist der deüffchen Politik niemals ein gefallen. Weder bemüht sich der Fürstbischof Kopp in diesem Sinne, noch will der Kaiser etwa» davon wissen. Die Besorgnisse, daß »vir, durch Uebernahme eine orientalischen Ktrchenprotektorates, Frankreich, Italien und Rußland verstimmen könnten, sind also gegenstands los, und der Ruf vickoant oonsulss! ist überflüssig, wenn er im Namen einer Weisheit ertönt, die sich jeder deutsche Staatsmann an den Schuhsohlen abgclaufen hat. — Daß solche wahnsinnige Gerüchte überhaupt ent stehe»» und beachtet werden können, sollte doch die Berliner Herren veranlassen, sich nicht auf ein gar so hohes Pferd zu setzen. (-) Berlin, 1. April. (Telegramm.) Der „Reichs- Anzeiger" veröffentlicht folgende» Bulletin über daS Vrftube» der Kaiserin: Da« Befinden Ihrer Majestät ist andauernd gut. Der Verlauf de« HeilungSprozeffe« ist em durchaus regelrechter, so daß von einer weiteren Bericht erstattung vorderhand Ab st and genommen wird, gez. vr. Zunker. A Berlin, 1. April. (Telegramm.) Der „ReichSanz." veröffentlicht das Gesetz, betreffend Verwendung »»« Metzr- erträaen der Retchsetnnahmen vnd der UebttttvefftMstSstttttr« zur Schuldentilgung vom 28. März 1908. (-) Berlin, 1. April. (Telegramm.) Die Feier deS 50jährigen DtenftjubiläumS de- Chef» de» General stabes, General ber Kavallerie Graf ». Schliesse«, begann beute früh mit einem Ständchen von drei Militärkaswllen. Heute vormittag 10 Uhr versammelten sich im Bibliothek zimmer de« GeneralstabSgebäudeS die hiesigen GeaeralstabS- offiziere, die Chefs der Geueralstäbe sämtlicher deutschen Armeekorps, Abordnungen der bayerischen und sächsischen Generalstäbe, ferner Feldmarschall Graf Walderse«. Um l/,11 Uhr erschien der Kaiser mit den Herren de- Haupt- auartiers und begrüßte die Versammelten. Hierauf trat Graf v. Schlieffen ein. Der Kaiser hielt eine kurze Ansprache an den Jubilar, hob deffen Ver dienste um die Armee in warmen Worten hervor und kündigte an, daß er ihm da» Großkom turkreuz de« HauSorden« von Hohenzollern mit der Kette verleihe. Oberquartiermeister Generalmajor Beseler hielt ebenfalls eine Ansprache. Graf v. Schliess«« batikte mit einem Hurra auf den Kaiser. Der Kaiser brachte eia Hurra auf den Grafen v. Schliessen auS. Sodann besichtigte der Kaiser noch da« in der Ecke der Bibliothek aufgestellt« Geschenk der GentralstabSofsiziere, «ine Nachbildung de« Upbue»schen MoltkstaadbildeS in Marmor. Sodann verabschiedete sich der Kaiser. E» begann «i» «n- unterbrochene» Kommen von Gratulanten, Abordnung«« von Regimentern und Offizieren aller Waffengattungen. Da» Innere de« GeneralslabSgebäude» wirs prächtigen Blumen schmuck auf. Vor dem Haupteingange waren Dopprlpostea der 1. Garde-Ulanen, deren Ehef Graf v. Schliessen gewesea »st, aufgezogen. 8. verlin, 1. April. (Privattelegramm.) Hrute am Geburtstage »e» Fürste» VtSmarck wurden zahlreich, Krilüze an seinem Denkmale vor dem ReichStagSgebllud, nttder-
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