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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030409023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903040902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903040902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-09
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Deshalb muß die preußisch-deutsche Kirchenpolitik auch mit Rom rechnen, sie muß mit dem Vatikan ein möglichst gutes Verhältnis behaupten, und das wird bekanntlich am besten durch ruhige Festigkeit erreicht, die ebenso lveit von schwächlicher Nachgiebigkeit wie von polternden, leeren Drohungen entfernt ist. Ob das Papsttum den Protestanten als eine unberechtigte, in der Heiligen Schrift nicht begründete Gewalt gilt, kann hierbei gar nicht in Betracht kommen. (Oder ist etwa das landesherrliche Kirchenregiment in der Heiligen Schrift begründet?) Diese Macht besteht und macht sich uns höchst fühlbar. Eine solche Macht aber schafft man nicht da durch aus der Welt, daß man sic ignoriert. Auch Fürst Bis - marck hat doch danach gehandelt, er hat sogar dem Papste 1885 den Schiedsrichterspruch in dem Streite Deutschlands und Spaniens um die Karolinen übertragen, was ihm von pro testantischer Seite damals sehr verdacht wurde und gewiß nicht gerade nötig war. Will und muß das Deutsche Reich im Inter esse des modernen Staates und des konfessionellen Friedens den Ultramontanismus bekämpfen, so muß es ihm auch im Zentrum der römischen Kirche, in Rom, entgegentreten; es muß dort dem deutschen Geiste den Einfluß verschaffen, der ihm gebührt, aber bis jetzt fehlt. Dazu gibt es, wie Ludwig Wahrmund ausführt, zwei besonders wirksame Mittel: die Verstär kung des deutschen Elements im Kardinal kollegium, wo jetzt unter 58 Mitgliedern — 12 Hüte sind augenblicklich erledigt — 36 Italiener und 7 Franzosen sitzen, also des deutschen Einflusses auf die Regierung der Kirche, und für den Fall einer neuen Papstwahl die Erneuerung des alten Rechtes der Exklusion eines nicht genehmen Kan didaten für den heiligen Stuhl, des Rechtes, das bis 1806 vom römisch-deutschen Kaiser anstandslos ausgeübt woüdcn und dann stillschweigend auf den Kaiser von Oesterreich über gegangen ist. vom deutschen Kaiser aber als dem höchsten Ober haupte von zwanzig Millionen Katholiken eben schon deshalb in Anspruch genommen werden darf. Unter solchen Voraussetzungen könnte die konfessionelle Spaltung unserer Nation, die uns so unsäglich viel Unheil gebracht hat, geradezu eine Quelle ihrer Stärke werden, denn auf der einen Seite wäre der deutsche Kaiser der mächtigste Schirmherr des Protestantismus, als der er 1898 in Jerusalem aufgetreten ist, anderseits würde er einen gewissen Einfluß auf die Leitung der römischen Kirche ausüben können, namentlich soweit sie Deutschland betrifft. Daß er persönlich der evangelischen Kirche angchört, wäre kein Hindernis, denn die Krone, die Staatsgewalt als solche, gehört keiner Konfession an. Eine Aussicht derart hat schon letzthin eine Artikel des mailändischen „Corriere della Sera" eröffnet, und ebenso haben die „Preußischen Jahrbücher" gelegentlich darauf hingewiesen, daß das deutsche Kaisertum Rom gegen über allmählich in die alte Stellung Frankreichs einzurücken scheine, da dieses jetzt durch die Aufhebung der Ordcnsschulen sein Verhältnis zum Vatikan erschüttert habe." Wir unterschreiben diese Ausführungen Wort für Wort, können uns aber leider der Hoffnung nicht hin geben, daß in absehbarer Zeit die Wünsche des Verfassers sich erfüllen. Selbst wenn man annehmen wollte, daß geeignete Elemente sich fänden, die im Kardinalkollegium einen Einfluß ausüben würden, der Deutschland zu Gute käme, w e r soll den mächtigen Widerstand überwinden, welcher der Einfügung solcher Elemente in das Kollegium sich entgegenstellen würde ? Dieselbe Frage wirft sich von selbst auf, wenn der Wunsch laut wird, das alte Recht der Exklusion eines nicht genehmen Kandidaten für den heiligen Stuhl möge für den deutschen Kaiser wieder ge wonnen werden. An den Versuch der Wiedergewinnung dieses Rechtes hat sich nicht einmal Fürst Bismarck gewagt, wahrscheinlich weil er damals, als ihm dicserBersuch nahe gelegt wurde, seine Bedeutung unterschätzte. In der Unterschätzung dieser Bedeutung übertreffen aber unsere heutigen Staatsmänner den ersten Reichskanzler ebenso, wie sie ihm an jener „ruhigen Festigkeit" nachstehcn, ohne die auf diesem Gebiete ein Erfolg noch viel weniger mög lich ist, als auf jedem anderen. Deutsche und englische Steuern für Heereszweckc. Gegenüber den Versuchen der Sozialdemo kraten und der Freisinnigen, zu Wahlzwecken mit der angeblich schweren Belastung der Deutschen, und besonders der minder wohlhabenden Klassen, durch die Steuern für Heereszweckc zu operieren, ist es lehrreich, mit unseren Verhältnissen die bezüglichen Leistungen des britischen Volkes in dem letzten ab gerechneten Fiskaljahre 1901/02 zu vergleichen. In diesem Jahre haben in Großbritannien die Ausgaben für Heer und Flotte zusammen nicht weniger als 123,5 Millionen Pfund oder 2470 Millionen Mark betragen. Unter diesen Ausgaben befinden sich allerdings auch die Kosten des südafrikanischen Krieges. Allein auch diese außerordentlichen Ausgaben sind keineswegs ganz durch Anleihen bestritten, sie sind vielmehr zu einem beträcht lichen Teile durch Steuererhöhungen gedeckt worden. Der Aufwand jenes Jahres für Heer und Flotte betrug in Großbritannien bei einer Bevölkerung von 41,6 Mil lionen rund 60 .4( auf den Kopf. In Deutschland waren in dem Etat für 1902 für Heer und Flotte zu sammen 1004 Millionen Mark vorgesehen, also bei einer Bevölkerung von 57^4 Millionen rnnd 17,6 Mark auf den Kopf, mithin noch lange nicht ein Drittel von dem, was in Großbritannien für Heer und Flotte auf gewendet wurde. Da bei uns 47 Millionen Mark aus dem Reichsinvalidenfonds flössen und 80 Millionen Mark im Wege der Anleihe aufgebracht wurden, so stellte sich der aus Steuern zu deckende Betrag der Kosten für Heer und Flotte auf wenig über 900 Millionen Mark oder auf 15,5 auf den Kopf. An Z ö l l e n u n d S t e u e r n ist in dem erwähnten Rechnungsjahre in Großbritannien ein Gesamtbetrag von 2725 Millionen Mark auf gekommen, d. h. die steuerliche Belastung des britischen Volkes betrug in diesem Jahre nicht weniger als 65 auf den Kopf. Im deutschen Reiche belief sich die Jst- einnahme aus Zöllen und Reichssteuern im Durchschnitt der beiden der Veranlagung für 1903 zu Grunde ge legten Jahre auf rund 966 Millionen Mark an von allen Teilen des Reiches zu tragenden Abgaben, wozu noch der Bruttoertrag der Biersteuer im Betrage von 36,4 Millionen Mark im Gebiete der Brausteucrgemein- schaft hinzutritt. In Nord- und Mitteldeutschland wer den demzufolge an Zöllen und Reichssteuern im ganzen 17,6 auf den Kopf der Bevölkerung erhoben, d. h. etwa der vierte Teil desjenigen, was in Groß britannien auf den Kopf der Bevölkerung entfällt. Da bei hat man sich in Großbritannien keineswegs gescheut, die breiten Massen und den Mittelstand entsprechend stark zu den Lasten des Staates heranzuziehen. Der Zoll auf Thee und Zucker, in Großbritannien bekanntlich Gegen stände des Massenverbrauchs, belief sich auf nicht weniger als 6 auf den Kopf der Bevölkerung, und die Bier steuer allein sogar auf beinahe 7 auf den Kopf. Das macht bei einem Verbrauche von 147 Litern nahezu 5 auf das Hektoliter gegen 0,74 auf das Hektoliter im Reiche aus. Wenn gegenüber dieser starken Belastung des Verbrauchs der breiten Massen und des Mittelstandes in Großbritannien von sozialdemokratischer Seite darauf hingewiesen wird, daß durch die Erhöhung des Prozent satzes der Einkommensteuer die stärksten Schultern be sonders schwer belastet worden seien, so darf nicht unbe achtet bleiben, daß in Großbritannien eine Ab- stufung des Steuersatzes der Einkommensteuer nach der Höhe des Einkommens nicht stattfindet, daß mithin der Steuersatz von ungefähr 6 Prozent nicht bloß von den großen und größten Einkommen, sondern auch von den mittleren und kleineren Einkommen erhoben wor- den ist, daß also der Kriegszuschlag zur Einkommensteuer eine weitere stärkere Belastung des Mittelstandes für Staatszwecke bedeutete. Es unterliegt hiernach nicht dem mindesten Zweifel, daß dem britischen Volke im Jahre 1901/02 eine vielfach größere Steuerlast als dem deutschen auferlcgt war und daß es diese Steuerlast, obwohl ihre Höhe wesentlich von dem starken Aufwande firr Hceres- und Klottcnzwccke herrührte, willig getragen hat. Diese Tatsache gewinnt noch an Gewicht, wenn man bedenkt, daß Großbritannien ein parlamentarisch regiertes Land ist, mithin die Mehrheit der gewählten Volksvertretung völlig ausschlaggebend auch in Bezug auf die Ordnung der Besteuerung des Volkes ist. Die sozialdemokratischen und freisinnigen Ausstreuungen über die angebliche Ueberlastung der ärmeren Bevölkerung Deutschlands mit Steuern findet daher in der Gestaltung der Steuer verhältnisse Großbritanniens ihre schlagende Wider legung. Der Generalstreik in Holland. Die bereits gemeldete Annahme des Artikels 1 der die A u s st ä n d e betreffenden Vorlage in der hol ländischen Zweiten Kammer, welcher die Freiheitder Arbcitgegen überaus ständigen Arbeite rn siche rstcllt, erfolgte, nachdem eine Reihe von Ge- schäftsordnungsanträgen der Sozialisten, durch die die Beratung der einzelnen Artikel vereitelt werden sollte, ab gelehnt war; im Laufe der Verhandlungen hierüber kam es zu sehr erregten Scenen. Bei der Beratung des Ar tikels 2, betreffend die Bestrafung in Ausstand tretender Eisenbahnangestellter, erklärte die liberale Linke, sie werde für den Artikel stimmen, da ihr die nunmehr erfolgte Regelung der Verhältnisse dieser Angestellten genügend erscheine. Der Gesetzentwurf sieht Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten für Staatsbeamte und alle in einem öffentlichen Dicnstzweigc oder im öffentlichen Eisenbahndienste beschäftigten Per sonen vor, die sich weigern, Arbeiten aus zuführen, die sie übernommen haben oder zu denen sic durch ihren Dien st selb st verpflichtet sind; die Strafe kann, wenn Zu sammenrottung vorliegt, für die Schuldigen und für die Führer des Ausstandes bis auf vier Jahre Gefängnis erhöht werden. — Born Streikschauplatze liegen folgende neue Meldungen vor: * Amsterdam, 8. April. Das Bureau der sozia listischen Partei gibt bekannt, daß der Kongreß der Partei, welcher zu Ostern in Enschede stattfindcn sollte, einst weilen verschoben sei. — Infolge der Entlassung von 45 städtischen Pflasterarbeitern, welche sich ge weigert hatten, mit Material zu arbeiten, das von Streik brechern herangebracht war, haben die Arbeiter der sechs städtischen Dienstzwcige beschlossen, heute abend xine Versamm lung abzuhaltcn, um sich mit den Entlassenen solidarisch zu erklären. * Amsterdam, 8. April. Die Arbeiter der städtischen Dien st zweige beschlossen, am Donnerstag in den Aus- st a n d zu treten. Eine Anzahl derselben wird weiter arbeiten. Eine Verstärkung der Amsterdamer Garnison wird als bevorstehend angesehen, da die vorhandenen 4500 Mann unzureichend sind. In der Stadt ist alles ruhig. * Amsterdam, 8. April. Tie Holländische Eisenbahngesell schaft hat den ausländischen Bahnverwaltungen mitgeteilt, daß der Durchgangsverkehr für englische und deutsche Güter über Salzbergen morgen früh in regel mäßiger Weise wieder ausgenommen wird. In Berlin waren bis gestern nachmittag keine Meldungen eingclaufen, die der preußischen Eisen- b a h n v e r w a l t u n g zu besonderen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem in Holland proklamierten Generalausstand Veranlassung gegeben hätten. Immer hin macht sich eine Wirkung des Streiks bereits jetzt in der Richtung wahrnehmbar, daß die Kohlentransporte nach der holländischen Grenze stark zurückgehen. Es ist Vorsorge getroffen, daß gegebenenfalls der Dienst auf holländischen Grenzbahnen, soweit sie auf deutsches Ge biet hinübcrgreifen, von deutschem Personal übernommen werden kann. Sollten sich Schwierigkeiten in der Abfertigung von nach Holland bestimmten Gütern ergeben, so wird, um Stauungen au den Grenzplätzen zu vermeiden, die Annahme solcher Güter von den deutschen Eisenbahnverwaltnngen verweigert werden. Ebenso will man im Notfall die Ausgabe von Fahrscheinen nach Hol land unterbrechen. Irgend ein direktes Eingreifen in die Vorgänge jenseits der Grenze, namentlich die Be gleitung holländischer Züge durch deutsches Personal, wie sie einige holländische Blätter in Aussicht stellen, gilt für vollständig ausgeschlossen. England und die Bagdadbahn. Daß man in England schon lange mit schclem Auge auf das in deutschen und französischen Händen befind liche Bagdadbahn-Unternehmcn sieht, ist ja bekannt. Aus den Acußerungen des englischen Premiermini sters Balfour in der gestrigen Sitzung des Unter hauses erfuhr man, daß England nunmehr Schritte tun will, um als dritter im Bunde zu figurieren. England kann eben nicht anders: Wenn andre Pflaumen schütteln mutz es den Mund auftun, und deri st — recht groß. Balfour führte aus, die Regierung sei gegenwärtig mit der Prüfung der Fragen, die sich bezüglich der Bagdadbahn erhoben haben, beschäftigt. Der Verdacht, daß die Fettilletsn. m Das Golö vom Mdwatersrand. Roman von K. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verboten. Frau van Sendens Stimme klang unsicher und zitternd. Sie machte den Eindruck, als drohe Weinen sie zu ersticken. Der junge Mann aber fand auch jetzt noch keine Entgegnung. Bon den widerstreitendsten Gedanken und Empfindungen bestürmt, suchte er vergebens nach Worten. Er selbst war schuld. Wenn in jener Nacht, als Onkel Peter HUlfesuchend zu dem Vater gekommen war, er nicht von einer physischen Schwäche sich hätte überwältigen lasten, wenn er, als er den Luftzug gespürt, die Möglich keit, daß Onkel Peter das Haus verlassen haben könne, er wogen und dem sich Entfernenden nachgegangen wäre, so würde der vor ihm stehenden Frau ein nie zu über windender Schmerz und ihm selbst eine fruchtlose Reue er spart geblieben sein, wie sie von ihm empfunden wurde. Daneben stieg heiß und den Rest einer durch die Kindes pflicht gebotenen Achtung väterlichen Einflusses ver zehrend, der Zorn in ihm auf. Er glühte in Wilms Augen. „Tante Grietje, willst du mir nicht gestatten, nach Kap stadt zu reisen?" fragte er zaghaft. Er hatte ein Gefühl, als ob diese Frau jeden von ihm angebotenen Dienst kalt von der Hand weisen müsse. Sie aber entgegnete sichtlich erfreut: „Wenn du wolltest, Wilm, und nicht dadurch in einen Konflikt mit dem Vater kommen würdest! Ich mache dich darauf aufmerksam, daß deinem Vater jede Teilnahme für uns unerwünscht ist, weil er befürchtet, daß sie ihn ver dächtigen könnte." „Ich darf mich darum nicht kümmern, Tante Grietje. Meine und des Vaters Anschauungen sind von jeher himmelweit auseinander gegangen. Sie haben sich in letzter Zeit zu einem unheilbaren Ritz erweitert. Es ist nicht meine Absicht, in Zukunft meinen Wohnsitz wieder in Kapstadt zu nehmen." Wilm sagte Frau van Senden nickst viel Neues. ES konnte kaum verschiedener geartete Menschen geben, als EgnatiuS van Senden und sein Sohn, und es überraschte sie nickst, zu hören, daß zwischen beiden eine längst voraus gesehene vollständige Entfremdung eingetreten war. Nichtsdestoweniger wies sic noch einmal auf die Folgen eines Zerwürfnisses mit dem Vater hin. Sein Entschluß wurde nicht daourch geändert. „Die Leiche meines Gatten soll direkt nach Pretoria übcrgeführt und von da nach der Farm „Elise" gebracht werden", sagte dann Frau van Senden. Peter hat wieder holt den Wunsch geäußert, daß er eines Tages unter den Bäumen des derselben nahegelegenen Ahornwäldchens ruhen möge. Ich selbst war piemals dort; du weißt, Wilm, mein Gatte ließ mich seit einem gewissen Zeitpunkte nicht mehr an seinen Interessen teilnehmen. Aber ich habe den Verwalter der Farm hier kennen gelernt und an ihn geschrieben, damit er Vorbereitungen für das Begräbnis treffe. — Eine Woche später bewegte sich eines frühen Vormittags ein mit zwölf Ochsen bespannter Boerenwagen durch Weinberge, Waldungen und Kornfelder der Farm „Elise" zu. In einem nachfolgenden Wagen saßen Frau van Senden, ihre Tochter und Wilm. Die Frauen machten in ihrer Trauerkleidung einen verhärmten Eindruck. Cato weinte unablässig. Sie glaubte mit allem abgeschlossen zu haben und war jedem Trostesworte unzugänglich. Die Farm „Elise" war eine der schönsten und frucht barsten des Distriktes Pretoria. Von einem noch jungen, aber bereits Schatten spendenden Baumschlag umgeben, lag das einstöckige, langgestreckte Haus, getrennt von den Nebengebäuden, inmitten eines nach holländischem Muster angelegten Gartens, dessen Blumenflor durch die ihn durchfchneidenden Wasserläufe nach Art von Rieselwiesen zu wunderbarer Pracht entwickelt war. Heckenartig be grenzten Zwergobstbäume mit Früchten von seltener Größe weite Gänge, die von dem Wohnhanse ab nach einer Seite zu dem Ahornwäldchen und nach der andern zu den Stallungen und Sckinvpen führten, die an sich den Eindruck einer vorzüglichen Einrichtung gewährten. Nicht weit von dem Ahornwäldchen angelangt, sah die kleine Trauergescllschaft sich von dem Verwalter und einer Anzahl Kaisern erwartet. Die Grabstelle war bereitet, aber nicht durch den Verwalter, sondern schon vor zehn Jahren hatte Mynheer Peter van Senden selbst die Stätte Herrichten lassen, die, umgeben von Bäumen, einen un endlich friedvollen Eindruck gewährte. Inmitten des Wäldchens erhob sich eine kleine Kapelle, ein schlichter Bau aus Sandstein, der in den Staatsbrüchen bet Pretoria gewonnen fein mochte. Die Tür war geöffnet, und durch die farbigen Fenster drang gedämpft wechselndes Licht, nun schwächer, dann Heller, wenn der Wind durch die Bäume fuhr und das Laub zerteilte. Dicht vor dem Altar, der mit einem Kruzifix von Künstlerhand geschmückt war, führten einige Stufen ab wärts zu der Gruft, die nicht für mehr als zwei Särge Raum gewährte. Ihr Anblick schien endlich den Bann zu lösen, der Frau van Sendens Gefühle in Fesseln ge halten. Aufschluchzend verhüllte sie ihr Gesicht. So hatte ihr Gatte sie dennoch geliebt, wenigstens noch zu einer Zeit, als sie schon jede Macht über ihn verloren zu haben geglaubt. Es war nicht lange nach einer be ginnenden Entfremdung gewesen, als er mit dem Bau einer dereinstigcn Ruhestatt für sich und seine Gattin hatte beginnen lassen. Bald war der Sarg an seinen Platz gebracht, und der Verwalter nud die Schwarzen entfernten sich, um die An gehörigen des Verstorbenen allein zu lassen. Sie sprachen nur ein leises Gebet. Dann war die Traucrfeier vorüber. Nach derselben begaben sich die drei Menschen auf die Farm. Der Verwalter hatte für ihren Empfang Sorge getragen und Vorbereitungen treffen lassen, ihnen Er frischungen zu gewähren. Frau van Senden äußerte den Wunsch, die Einrichtung des Hauses in Augenschein zu nehmen. Sie empsand ein großes Bedürfnis, diejenigen Räume zu sehen, die, wie sie sehr wohl gewußt, für den Verstorbenen der Inbegriff von Ruhe und Frieden ge wesen waren. Aber niemals hatte er ihr gestattet, ihn auf seinen häufigen Geschäftsreisen nach Pretoria zu be gleiten, bei welchen Gelegenheiten er auch regelmäßig die Farm besucht hatte, um hier in der Abgeschiedenheit ein paar Tage zu verleben. Das Haus war gcräunng, kaum weniger als die Villa zu Doornfontein, und nicht nur praktisch, sondern auch vornehm eingerichtet. Der Ver walter bewohnte den nach den Stallungen zu gelegenen Teil des Hauses, wie er sagte, und so befremdete es Frau van Senden, daß die andern Räume sich in einem Zustande befanden, der darauf schließen ließ, daß sie bewohnt seien. Ans eine darauf bezügliche Frage an den Verwalter sagte dieser: „Die Wohnung ist vermietet, Mefrouw van Senden." In dem Gesicht der Witwe drückte sich Erstaunen ans. Davon hatte ihr Gatte nie gesprochen. „Die Dame wohnt schon acht Jahre hier", fügte der Verwalter hinzu. „Eine Dame?" fragte sie. „Davon wußte ich nichts. Wer ist sie?" Frau van Sendens Stimme schwankte. Sie hatte mit einem Male ein Gefühl von Ohnmacht, das sie nötigte, sich auf einen Stuhl niederzulassen. Wie ein Schleier legte es sich vor ihre Augen. Auch in Wilms Seele regte sich ein Argwohn, indem er der letzten Begegnung mit Onkel Peter gedachte. „Mrs. Morton, eine sehr ruhige Bewohnerin, die man kaum merkt." „Morton?" wiederholte Frau van Senden. Obwohl der Gedanke, daß sie nichts von den Verhältnissen der Farm „Elise" wußte, sie peinlich berührte, fühlte sie doch eine Art von Erleichterung. Auch in den Zügen des Neffen drückte sich ein Verstehen aus. Peter van Sendens erste Gattin hatte vor ihrer Ehe den Namen Morton ge führt. Unzweifelhaft gewährte der Verstorbene einer Verwandten Ausnahme. Aber schon dieser Gedanke erweckte bei Frau van Senden Gefühle schmerzlicher Betrachtungen. In der Liebe zu der ersten Gattin lag ihr Schicksal begründet. Nur zu Beginn ihrer Ehe hatte sie etwas über den Gatten vermocht. Sic war ihm eine getreue Gefährtin gewesen, die ihre Pflichten redlich erfüllt, aber es gelang ihr nicht, einen Einfluß auf ihn zu gewinnen, der dahin geführt haben würde, ihn von einem Wege zurückzuhalten, auf welchem er an den Abgrund gebracht war. Oft genug hatte sie einen Mangel an Vertrauen schmerzlich empfunden, aber zu keiner Zeit tiefer gefühlt, daß sie ihm nichts ge- wesen war, als in dieser Stunde. Acht Jahre! Ihre Gedanken wanderten zurück. Es gelang ihr in diesem Augenblicke einer hochgradigen Er regung nicht, den Zeitpunkt festzustellen, an welchem ein auffallender Wechsel in dem Benehmen des Gatten ihr gegenüber sich gezeigt, aber sie fühlte, daß er mit dem Ein- treffen einer ihr fremden Frau auf der Farm „Elise" im Zusammenhänge stand. Daran knüpfte sich ein heißes Ver- langen, diejenige zu sehen, die unstreitig einen großen Ein fluß auf Peter van Senden anSgeübt. Mrs. Morton war wohl zu Hause, aber nicht zn sprechen. Sic hatte sich immer menschenscheu gezeigt imd verbrachte ihre Tage in vollkommener Abgeschiedenheit. Täglich machte sie, begleitet von zwei riesigen Doggen,
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